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Mittwoch, 26. Juni 1935

Nr. 148

15. Jahrgang

Bwelprels 70 HbBw («iiuchliefilich i Haltat NrtoJ

IENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung präg»ufochova a. Telefon ssn. HERAUSGEBERi SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEURi WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR DR. EMIL STRAUSS. PRAG .

Bereit zu aufbauender Mitarbeit

Eine offizielle Erklärung unseres Abseordnetenklubs

von der demokratischen Repnlkik ausreichende Hilfe für die sich in einem Trommelfeuer

Genosse de Witte Im Parlament:

aber auch historisch diesen Momenten katholisch und der verbunden bliebest.

Vie Auflösung der Diktatur in Jugoslawien

Tic Henle in- Abgeordneten machten sich, nach­dem sie ihre erste Schüchternheit bald überwunden hatten, verschiedentlich als Zwischenrufe« bemerk­bar. Der Landbündler Zierh ut, dessen Ver­dienste um die Aufpäpelung der SHF doch unbe­streitbar sind, wurde von den undankbaren Leuten nieder geschrien, als er ihnen Katastro­phenpolitik zum Borwurf machte. Bei der Rede Sandners gab cs ununterbrochene Geplänkel mit unseren Leuten. Von der ersten Garnitur kamen Hlink a, Genosse Dr. Maeek und Dr. K r a m a k zu Wort, der sich in der Rolle eines unheilkündenden Propheten gefiel, Für Mittwoch ist noch der Agrarier Beran angekündigt. Von unserer Frak­tion wird noch Genosse I a k s ch sprechen. Wohl die schärfsten Worte gegen die Henlein « leute fielen heute von Seite S v i t I t l S, bei Redners der tschechischen Volk-Partei: Die Henleinpartei ist dos Ergebnis des deutschen Umsturzes, ihre Wurzel« liegen in Deutschland , eS ist dasselbe Fühle«, die­selbe Ideologie wie bei der Hitlerpartei in Deutschland !(Zustimmung.) Wir wissen, daß die Henleinpartei die Erklärung abgegeben hat, daß sie konstruktive Politik machen und mit uns im Guten auskommen will, aber wir sind »nS auch dessen bewußt, daß das nur ein Waffenstillstand ist, und daß ihre Ziele identisch sind mit den Zielen deS Dritten Reiches , daß man nur«artet, bis die günstige Gelegenheit kommt. Wir müssen achtgeben, daß diese Partei für die Republik nicht zu einem Trojanischen P f e r d. wird. Uns mit Deutschland auszuglei­chen und Außenpolitik mit ihm zu machen, dazu ist eS zu spät. DaS hätte man vielleicht machen können, solange in Deutschland die Weimarer Demokratie herrschte, aber nicht mehr heute, wo die herrschende Partei im Dritten Reich die Er­weiterung der deutschen Grenzen auf alle deutschen Gebiete im Programm hat. Der Preis für eine solche Umstellung der Politik wäre so hoch, daß wir ihn nicht bezahlen könnten. Dr. Luschka(D. Ehr. Soz.) verliest ein« kurze Erklärung, daß durch die Regierungserklärung die

Prag . In beiden Häusern der National- tzersammlung wurde am DirnStag dir Debatte über die Regierungserklärung fortgesetzt. Der Senat nahm noch am Abend die Abstimmung vor, bei der die Programmerklärung der Regierung mit den Stimmen der Koalition angenommen wurde, wäh­rend das Abgeordnetenhaus die Debatte am Mitt­woch beenden wird. Der Senat wird am Mittwoch das Ermächtigungsgesetz verhandeln, das Diens­tag abends noch vom Ausschuß beraten wurde. Im Abgeordnetenhaus gab für unsere Frak­tion Genosse de Witte eine offizielle Er­klärung ab, dir folgenden Wortlaut hatte: Am 19. Mai haben 300.000 arbeitende Menschen des sudetendeutschen Volkes trotz dem schamlosen Mißbrauch der unermeßlichen Not zu national-fascistischer Hetze, trotz der ungehemmten Auspeitschung aller antimarxistischen Instinkte, trotz'Flüsterpropaganda und Terror im Kampf gegen den Taumel einer Massenpsychose . für den Sozialismus, für die demokratische Zu­sammenarbeit und für die Republik dotiert. Sie haben dadurch mit dem heroischen Einsatz der Gesinnungstrrue und der politischen Vernunft gegen die Uebertölpetung und Berau­schung der Massen den fascistischen Tota­lität S an sp ru ch zerbrochen und den demokratischen Fundamenten des Staates eine zahlenmäßig geschwächte, aber innerlich umso festere Kraft eingegliedert. Im Namen dieser 300.000, aber auch in Vertretung der wahren Interessen weiterer hun- dcittausende werktätiger Menschen des sudeten­ deutschen Volkes erheben wir hier unsere Stimme und erklären unsere Bereitschaft zur positiven Mitarbeit im Staate, um so nicht durch tönende Phrasen, sondern durch aufbauende und schöpferische Arbeit den Lebensbedürfnissen und den politi­schen Notwendigkeiten des sudetendeutschen Volkes zu dienen. Wir erweise« uns damit als die reale politische Kraft gegenüber dem Trugbild einer politischen Macht, die i« Wirklichkeit nur der kraftlose Ausdruck der Verzweiflung und Verblendung breiter Massen ist. Wir erweisen«ns damit als der politische Faftor, der keine Jllusionnen nährt, denen die Enttäuschung auf dem Fuße folgen muß» sondern der den deutschen arbeitenden Menschen im Staat« die politische Freiheit und die politische Mitbestimmung, das Stück Brot und die kulturellen Güter erhält und vermehrt. Indem wir diese Bereitschaft zur Mitarbeit 'üussprechen erwarten wir Schutz und die Menschen, des HaffrS und der Verleumdung als ihre zu­verläßliche« Stützen erwiesen haben. ' Wir machen hier die Forderungen anhängig, die unser Parteitag erhöben hat: de« Schutz der Gesinnung und der gewerk­schaftlichen Freiheit aufrechter Menschen gegen den Unternehmerterror, die Verstärkung der Bemühungen um Ar­beitsbeschaffung für di« vom Krisenelend am härtesten betroffenen Gebiete, die systematische Eingliederung der Ar­beitslosen in die Produktion, aber auch m dm öffentlichen Dienst, die Vermehrung der Arbeitsgelegenheiten durch Verkürzung der Arbeitszeit und ihre planmäßige Aufteilung durch Orga­nisierung der öffentlichen Ar. beitsvermittlung, die Hebung des Lohnniveaus, daS bereits unter das erträgliche Minimum gesunken ist, dm Einsatz aller verfügbaren Mittel zur Fürsorge für die Erwerbslosm und die

Das Kabinett der Versöhnung^ das Mila« Stojadinoviö gebildet hat, stellt den ersten ernst­haften Versuch dar, die Aera der Dreikünigsdik« : tatur in Jugoslawien zu beenden und die Rück- ' kehr zur Demokratie anzubahnen. Ob der Ver- ' such gelingt, wird wesentlich davon abhängen, ob ' Stojadinovia sich zugleich vor einem Rückfall in die Zustände der Vidovdan-Verfassung wird zu hüten wissen, ob er an die L e b e n s f r a g e des jugoslawischen Staates, die kroatische, mit Energie und dem Willen zur Verständigung Herangehen wird. Der jugoslawische Staat hat von Anfang an unter den historischen Konflikten seiner Stämme gelitten. Zwar sprechen Serben und Kroaten die gleiche Schriftsprache, das Stokawische, und, die rassischen Verschiedenheiten, die man an ihnen 1 festgestellt haben will(so daß die Kroaten echtere Slawen, die Serben aber Nachkommm von Kuruzo-Wälachen und anderen Völkern nicht sla­wischen Ursprungs seien) sind an sich so wenig politische Realitäten wie alle anderen"Raffen­unterschiede. Erst die soziale Struktur und histo­rische Schicksalsgemeinschaft, gewordene Eifersucht geben Gewicht. Daß die Kroaten lateinisch-westlichen Kultur di« Serben aber die Kyristika schreiben und der griechischen Kirche zugehören, schuf im Laufe der Jahrhunderte eine tiefe Kluft. Im aufgeklärten 19. Jahrhundert erschim sie den fortschrittlichen Männern beider Nationen nicht mehr als un­überbrückbar. Es mußte möglich sein, Kroaten und Serben zu einer Nation in einem Staat zu verbinden, wie es möglich gewesen war, Bayern und Preußen in einem Reich zu vereinen. Neben den jugoslawischen Einheitsbestrebun­gen existierten aber his 1918 die g r o ß k r o a- tische und die großserbische Bewe­gung. Das Hauptstreitobjekt waren Bosnien und Dalmatien . Die Kroaten erstrebten die Schaffung eines neben Ungarn und Oesterreich in der Monarchie gleichberechtigten Kroatien , das auch, die serbischen Bosnier und Dalmatiner vm- faffen sollte. Serbiens Ziele waren andererseits bis in den Krieg hinein nur di« Annexion Bos­ niens . und Süd-Dalmatiens einschlicßlicki der ka­tholischen Bevölkerung, aber doch unter Belassung des eigentlichen Kroatien bei der Monarchie. Di« russische. Revolution, die Tätigkeit des tschechoslo­wakischen Nätionalrats in Paris und der jugo­slawischen Emigration, die Politik Wilsons und als Endergebnis dieser Kräfte schließlich der Zu« sammenbruch Oesterreichs trieben die. Dinge wei­ter als PasiL und die Großserben gewollt, sonn­ten den neuen Staat aber auch anders, als Kroa­ ten und Slowenen' cs erträumt hatten- Zwar blieb nach langen Kämpfen und Beratungen in der Vidovdan(VeitStagS-) Verfassung dem Na­men nach die Betonung der freien Föderation der drei Staatsnationen: SHS Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, aber faktisch regierten die Ser b e n durch die Majorisierung der anderen Stämme in der Skupschtina und durch die Beherrschung des Mili- ' tärs- und Beämtenapparates. Serbische" Offiziere, Repräsentanten derSieger" im Weltkrieg, bil­deten den Kern der Armee, serbische Gendarme und Zöllner erschienen im Drautal und an der Save , serbische Beamte zogen in Zagreb und Split, in Ljubljana und Maribor ein, serbische Herren erwarben billig kroatisches Land. Obwohl sie die gleiche Sprache hatten, die gleiche Fahne und auf weiter Strecke die gleichen Ideale, sahen die einen sich im neuen Staat zurückgrdrängt, die anderen betrachteten ihn als ihre Eroberung. Dazu kam der außenpolitische Gegensatz. Die Slowenen und Kroaten grenze« an Italien , ha­ben ihre Landsleute in italienischen Kerkern sit­zen, müssen zusehen, wie im Friaulischen und in Istrien Zehntausende gewaltsam italienisiert wer­den, hären täglich die hysterischen Schreie des italienischen Imperialismus nach kroatischem Land, nach kroatischer Küste. Die Serben sind nicht so unmittelbar an dem nationalen Konflikt an der Adria interessiert. Näher ist ihnen Ma«

intensivste Betreuung des jugendlichen Nachwuchses..- _ Wir freuen uns feststellen zu können, daß die Regierungserklärung in diesen Richtungen be st i mm teZusagen gemacht hat. Wir er­warten, daß diese Zusicherungen in die Tat. u m g e s e tz t werden. Wir werden dazu mit dem Aufgebot aller unserer Kräfte in unermüdlicher Arbeit und Wach­samkeit beitrogen und wir erwarten dabei die tatbereite Unterstützung aller fortschrittlichen Kräfte im tsche­choslowakischen Volke, mit denen wir uns eng verbunden fühlen und mit denen gemein­sam wir die schweren Aufgaben zu meistern ent­schlossen sind, welche die herrschende politische Ver­wirrung und daS. Elend der kapitalistischen Krise uns stellen. Die Aufgaben dieser Zusammenarbeit geben Lier die unmittelbare Fürsorge für den wirtschaftlichen, sozialen und kulturelle« Not­stand hinaus. Der demokratischen. Zusammen­arbeit ist vor allem die Aufgabe gestellt, den auf das schwerste gefährdete« Frieden der Welt zu xrhalte«. Wir sprechen' mit GenugtuungMss, daß tzsg Ausführungen der Regierungserklärung in dieser Richtung mit unseren Auffassungen voll km Ein­klang stehen» und geben unserer Entschlossenheit Ausdruck, einer verantwortungsbewußten und zu­gleich kraftvollen Pcllitik der Wahrung des Friedens mit aller Hingabe zu dienen. Die demokrattsche Zusammenarbeit schließt aber auch die Verpflichtung in sich, den energi­schen Kampf ge g e.. die Planlosigkeit der kapitalistischen Wirtschaft aufzunehmcn, denn nur so kann der Ausweg aus der Krise gefunden werden.

drückende Sorge um den Arbeitsplatz und die Not­lage der Sudetendeutschen nicht gebannt werde; die kulturellen Belange seien nicht beachtet, ebenso nicht die nationale Minderheitenfrage. Er hofft nach wie vor unentwegt und unbelehrbar auf die Zusammen­arbeit ckller sudetendeutschen Parteien auf natio­nalem und aller christlichen Parteien auf kulturel­lem Gebiet. Dlläoch(Gew.-P.) wirft der> Henleinpartei vor, daß sie die Methoden des Nachbarstaates zu uns übertragen. Wir werden, erklärte Mlioch, ihre wahre Tätigkeit aufmerksam verfolgen. Redner zeigt, mit welchem Terror die Henleinpartei auch gegen die deutschen Gewerbetreibenden vorge­gangen ist und verlangt, daß man gegen diese Me­thoden einschreitet. Er hält die SHF nicht für eine Dauererscheinung und glaubt, daß die wirt­schaftlichen und sozialen Widersprüche'sie sprengen werden. Zierhut wird nlederseschrleen Zierhut(BdL.) wird, als er für seine Partei ein Erklärung abgibt, von den Henleinleuten fast ununterbrochen durch Zwischenrufe gestört. Er sagt, daß das Wahlergebnis auf deutscher Seite wieder eine Situation geschaffen hat, wie sie im. Jahre 1920 bestand,' d. h., eine Maner des Miß- trauens zwischen beiden Völkern errichtet hat. Wenn , Zierhut behauptet, seine Partei trag« daran keine Schuld, so ist das natürlich ein Irrtum, da sie ja die SHF geradezu liebevoll aufgezogen hab. Die Sudetendeutsche Partei spiel« mit dem Feuer, wenn sie systematisch die Positionen schwäche, die die Sudetendeutschen noch in der Re­gierung haben. Schon einmal sei das sudeten­deutsche Volk durch ähnliche Methoden an den Rand der Katastrophe gebracht worden; nun drohe dem Sudetendeutschtum eine zweite gleiche Katastrophe. Alles, was die SdP mit Recht für die Deutschen fordert, sei w ö r t w ö r t l i ch a b g e s ch r i e- i en auS dem Programm des alten AktiviSmus. Die SdP-Fraktion war fast vollzählig vor der Ministerbank versammelt und wurde beim Krawallmachen von dem Fraktionsführer Frank dirigiert. Der Vorsitzende Langr stand diesen Radaubrüdern ziemlich hilflos gegenüber, da noch kein Mensch die Henleinleute von ein- ,(Fortsetzung auf Seite 2),

Die Regierungserklärung hat sich zur Nqi- wendigkeit der planvollen Ordnung der Wirtschaft bekannt. Wir begrüßen das. Wir stellen aber gleichzeitig mit aller Entschiedenheit fest, daß die Planung und Ordnung der Wirtschaft sich nicht in der Regulierung und Kontingentierung der Produktion und des Absatzes auf dem geLenwärti- gen Tiefstände erschöpfen darf, weil nur so das Elend der Massen und damit ihre Verzweiflung stabilisiert würde. Darin liegt aber die entscheidende Gefahrenquelle für die Dmokratie. Die sozialistische Auffassung erblickt in der Planwirtschaft ein MUtel nicht zur Einschränkung, sondern zur Vermehrung der Produktion. Der sozialistischen Mitarbeit fällt darum die Aufgabe zu, dahin zu wirken, daß die Re­gulierung der Produktion verbunden wird mit der systematischen Fürsorge für dieHebung der Kaufkraftder breiten Massen und der Aus­gestaltung ihres sozialen Schutzes. In dieser Zusammenarbeit können und müs­sen sich alle Völker im Staate finden, nicht nur G l f i ch e unter Gleichen, wie es in der Formel des großen Staatsmannes Svchla hieß, söndern auch als Freie unter Freien, als selbstbewußte und aufrechte Demo­kraten inmitten einer der Knechtschaft verfallenen Welt, vereint zum Dienst an der Gesamtheit des Staates und zugleich zur Achtung und Wahrung der Rechte und der kulturellen Bedürfnisse jedes einzelnen Volkes., In diesem Geist nehmen wir die parlamen­tarische Arbeit im neuen Hause auf, entschlossen, die Demokratie zu erhalten, sie mit sozialem Inhalt zu erfüllen und die arbeitenden Massen oller Nationen einer besseren Zukunft entgegen zu führen.(Beifall.)