SamStag, 29. Juni 1935

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MkvsrmviomSliznamt a« r«.mm ISZ4 Der Massenmord, die Ursachen und die Folgen

Gewitterstimmung über Deutschland . Enttäuschtealte Kämpfer", denen man alles versprochen und nichts gegeben hat, beginnen auf« zumurren. Romantische Idealisten mit sauberem Gefühl und primitivem Intellekt, die ehrlich an die sozialistische Phraseologie dernational-so­zialen Aktivisten" geglaubt haben, fühlen sich be­trogen und, den Sozialismus verraten. Die Industrie will die Unsummen, die sie in das Hit- lersche Unternehmen hincingesteckt hat, verzinst sehen und reinen Tisch mit den unsicheren Kanto­nisten, dem SA-Landsknechtstum, machen, das, bei aller Verworrenheit der Konzeption, von je- ,,antikapitalistischen Sehnsucht" erfüllt ist, von der Gregor Strasser einst im Reichstag gespro­chen hatte. Auch die Generalität, der skurrrllen Konkurrenz der Braunhemden und ihren suspek­ten Häuptlinge überdrüssig, will endlich den kla­ren Kurs des autoritären Kapitalismus, verziert mit der Fassade Hitler , dem man, für den Ernst­fall, die Rückendeckung seiner Hooligen-Garden nehmen will, klar heräusgearbeitet sehen. Aber es ginge zu weit, denFührer" nur als das ExÄuiivorgan von Schwerindustrie und der Militärcliquen zu betrachten. Er, dessen pathologischer Geltungsdrang aus dem MinderwertigSkeitskomplex des Empor­kömmlings geboren ist, wittert in seinen Garden und ihren Chefs eine persönliche Gefahr. In­trigante Gruppen aus seiner Umgebung assistier ren. Es liegt Gewitterstimmung über dem deut­schen Frühsommer 1934. Die Auslandspreise, die mit geschärftem In­stinkt die unterirdische Bewegung beobachtet, die sich an der apathisch erstarrten Oberfläche voll­zieht, kündet schwerwiegende Entladungen an. Mitten hinein in diese zum Zerreißen ge­spannte Atmosphäre platzt die aufsehenerregende Marburger Rede v. Papens. Kampfansage an das Regime? Kampfansage an die Aktivisten, die von der.^zweiten Revolution" träumen und die Bewegung weitertreiben wollen? Dunkle, zwei­deutige Reden der zivilen Hitlerunterführer un­termalen v. Papens Melodie... Inzwischen trifft Röhm, der Chef des Stabes der SA , seine Gegenvorbereitungen. Streng le­gal übrigens, ohne jeden Blick für die Breite und Tiefe des Wetters, das heranzieht. Er sieht das ganze optimistisch, unentschlossen mehr als lokale Wetterströmung, denn als absolute Wendung. Die SA soll am 1. Juli in rlaub gehen. Demonstrationen sind geplant, um diese Be- urlaubung, an deren Vorläusigkeit man nicht glaubt, wieder rückgängig zu machen. Es ist nicht viel Prinzipiellstes bei dieser kuriosenVerschwö­rung" der SA-Führrr^-^wie"däS System die internen Beratungen der^Röhm-Clique zu charak­terisieren versucht es ist vielmehr eine Art Soldkrawall der saturierten Landsknechts­bonzen, die um ihre Pfründe bangen. Nach Wiessee in Bayern ist für den 30. Juni eine Besprechung der SA -Führer einberufen. * Inzwischen arrangierte Goebbels , mit Hit­ lers Genehmigung, die Bartholomäusnacht. G ö- r i n g erhält ein Spezialreffort, er hat die Ber­ liner Blutaufgabe übernommen; Hitler und Goebbels reservieren für sich die Zentrale. * Mit großer Pose, nach den Vorlagen der GoebbelSschen Reklamctechnik, wird der blutige

Spektakel inszeniert. Am Abend vor der Mob­nacht steigt, wörtlich und bildlich, das Feuerwerk in Godesberg am Rhein . Hitler nimmt die Parade des ArbeitSdiestes ab. Anspracheck, Heilrufe, daS übliche Zeremo­niell, aber kein Wort berührt die bevorstehende fürchterliche Blutarbe it. Die offizielle Kitschlyrik beschreibt diesen Abend aus jener typischen nationalsozialistischen Mentalität heraus, die so unnachahmlich Bestia­lität und Sentimentalität miteinander zu ver­mengen versteht. Fahlgrau stand der Himmel, von grellen Blitzen durchzuckt. Der Donner grollte. Tiefernst sran d der Führer da, keine Muskel zuckte in sei­nem wie aus Marmor gemeißeltem Gesicht." Noch in der Nacht ftiegt die Mordexpedition mit dem Flugzeug von Westdeutschland nach München. Schlagartig" so formuliert cs ein offizielles Kommunique greift man zu. Die Münchener SA-Führer werden verhaftet. SS - Trupps mit umgehängten Karabiner besetzen die SA-Heime., Ein ausgewählter Sturmtrupp begleitet den Führer" nach Wiessee . Schon unterwegs fängt man die SA -Führer ab, die sich, nichtsahnend, auf der Fahrt zur Wiessee-Führerbesprechung befinden. Man holt fie aus ihren Luxuswagen heraus, schließt sie in Feffeln, transportiert sie in die Kerkerzellen von Stadelheim . Inzwischen wird im Wiesseer Hotel des Stabschefs aufge­räumt". DenFührer selbst gehen im leitzen Moment die Nerven durch, er läßt seine SS, Ma­jor Buch an der Spitze, den Schlag führen. Buch ist ein persönlicher Feind des Stabschefs, es ist ihm ein besonderes Vergnügen, denBolivier" hochgehen zu laffen. - Röhm, Heines und ein paar ganz Intime werden im Schlaf überrascht; Heines, der nackt neben einem Lustknaben" im Bett liegt, wird an den Haaren aus dem Bett gerissen und mit Reit­peitschen aus dem Zimmer in die unteren Räume gejagt. Der unglückliche Junge neben ihm wird durch zwei Kugeln in Brust und Kopf auf der Stelleunschädlich gemacht". Röhm, noch alkohol­berauscht, wird ohne Widerstand festgenommen und von sechs SS. -Leuten, die ihre entsicher­ten Revolver auf ihn gerichtet haben, in ein be- reitstehendes Auto geschafft. Inzwischen hatte Göring in Bersingear­beitet". Am frühen Vormittag fallen General Schleicher und seine Frgu in ihrer Reubabels« bergcr Villa einem Göringschen Mordkommando zum Opfer, tz. Papen rettet im letzten.Augenblick dep Zugriff' der Reichswehr . Selsi Mkrttär, vvü Böse, wird von den rasenden Banden mit­genommen und ohne jedes Verhör füsiliert. Ein grausiges Morden beginnt. Gregor Strasser , einst preußischer Ministerpräsident in spe, setzt geistiger Leiter der nationalsozialisti­schen Opposition, wird aus seine Wohnung her« ausgeholt und in einem Walde bei Berlin buch­stäblich zu Tode getrampelt. Ernst, SA.-Führer von Berlin , wird in Hamburg vom Schiff geholt, das ihn nach Ma­ deira bringen sollte. Er fleht um Gnade, er schreit, er bittet zu Hitler geführt zu werden, alles vergeblich. Zwölf Stunden nach seiner Ber- baftung fällt er an der blutiggefärbten Mauer der einstigen Lichtenfelder Kadeitenanstalt..

Röhm, der unstete Landsknecht , Draufgän­ger und fexuell Pervertierter, vitaler Abenteurer ohne Hemmungen, aber auch nicht ohne Gefühl, stirbt tapfer. Ms man ihm einen Revolver in die Zelle schiebt, wirft er ihn mit grimmigen Lachen auf die Erde:Rein E r selbst soll den Befehl geben, mich umzubringen. Worauf sie ihn an die Mauer stellen und niederknallcn... Zwei Tage und zwei Rächte dauert das Mor­den. Der greise Kahr, einst Bayerns Minister­präsident, ein alter Widersacher Hitlers , dem er den Putsch von 1923vermasselte", fällt der späteren, aber erbarmungslosen Rache des deut­ schen Rero zum Opfer. Klausner, der Führer der»Katholischen Ak­tton", stirbt unter SS. -Kugeln, andere katholische Prominente, so der Jpgendführer P r o p st, er­leiden daS gleiche Schicksal. Auf Grund eines Irrtums" wird der völlig unpolitische Münchner Musikschriftfteller Schmid erschaffen, man Ijatte ihn mit einem SA. -Führer gleichen Namens verwechselt1 Die genaue Zahl der Opfer ist auch heute, ein Jahr nach der furchtbaren Metzelei, nicht bekannt. Das Regime hatte Furcht, den Schleier zu lüften. In seiner Reichstagsrede, in der er zu der einzigartigen Maffcnhinrichtung ohne Richter und Urteil Stellung nahm, hat Hitler nur 77 Opfer zugegeben. Wir wissen heute, daß die Zahl der Gemor­deten weit in die Hunderte gehtI Abscheulicher fast als der Massenmord war der offizielle Unflat, der sich über die noch warmen Körper der Füsilierten ergoß. In Rundfunkreden, in amtlichen Kundgebungen wurde das homo­sexuelle Treiben, das krankhafte Sybariten- und Berschwendertum, das jeder moralischen Hem­mung bare Luxusleben der SA -Führung in den krassesten Farben geschildert; die offiziziöse Bc- richrerstattung aus dem Wiessner Nachtlager Röhms liest sich aufteizend wie eine pornographi­sche Sudekschrift übelsten Charakters. Auf einmal waren sie alle, die man bisher alsFührer der Ration", alsvorbildliche

Jllusionspolltik In der ZeitschriftKtcskanskä Revue" be­schäftigt sich der bekannte Kulturpolitikcr Profes­sor E m i l R a d l mit dem Problem Henlein und kommt zu dem Ergehniffe, daß man mit Henlein verhandeln müsse. Er empfiehlt nicht die Ancrken- nug seiner Airsichten, sondern glaubt, daß Henlein gezwungen sein würde,Zugeständnisse" zu ma­chen, da er kein eigenes Programm besitze. Origi­nell ist die Begründung, die Professor Rädl gibt: »Mir gefällt schreibt er dieMethode der Enq.l sinder heim Verhandeln, mit Hft« >. letztste siMnckst stolz« S^Sott und Stätkx überzeugt. Gewiß sind fie nicht begeistert' für die Methoden Hitlers . Trotzdem fahren sie zu Besuch nach Berlin , gratulieren Hitler zu seinen Fest­tagen, machen auf gute Teile seiner Kundgebun­gen aufmerksam, das ist die Methode von Leuten, di« an sich selbst glauben und nicht in der unabläs­sigen Furcht leben, daß rings um sie nur lauter Teufel find." In dem Wölkenkuckucksheim, in dem Profes­sor Rädl offenbar lebt, scheint man noch nicht er­kannt zu haben, daß die von ihm empfohlene »englische Methode" alles weniger als nach­ahmenswert ist. Nichts hat so sehr die Unruhe in Europa gesteigert und di« Befestigung der inter­nationalen Friedensfront gehemmt, wie das stän-

Kämpfer Hitlers" hingestellt hatte, Lumpen, Kinderschänder und Korruptio- n ä r c. Nun, nachdem sie unbequem geworden waren! Hitler aber, der Mann, der angeblich alles weiß, tvas in»seinem" Staate vorgeht, in dessen Partei, nach eigenem Ausspruch, nichts geschieht, was er nicht genehmigt, wagte es, aus Terror und Gewalt gestützt, sich dem deutschen Volke in der Maske des empörten Ahnungslosen zu zeigen. So wurden die Opfer des 30. Juni nicht nur von den eigenen.Kameraden" gemeuchelt, sondern auch noch im Tode mit dem Schmutz eines"infe­rioren Propagandanihilismus beworfen, dem cs vor allem darauf ankam, die eigene, nicht aus­zulöschende Mitschuld zu vertuschen. Die moralische Skrupellosigkeit der gemorde­ten Landsknechte sei keinen Augenblick bestritten; aber der sittliche Tiefstand jener Tastüffes, die die Condottieris als Mittel zum Aufstieg in die Macht benutzten, um sie dann blutig zu erledigen, als sie gefährlich wurden, legitimiert wahrhaftig nicht zum Richtertum. Das Blutbad des 30. Juni hat zur schein­baren Stabilisierung des Terror­systems geführt. Die Bahn wurde frei dafür/ die wirklichen Prinzipien des Regimes: Lohnsen­kung, Jndustriediktatur, sozialer Abbau auf der ganzen Linie, kaum noch notdürftig geb-r v- durch unverbindliche»volksgemeinschaftlich"- soziale Phrasen voll zur Geltung zu bringen. An Stelle Röhms waltet Herr S ch a ch t, die Generäle sind jetzt dabei, auch die SS zu zerbre­chen, die Hitlers letzte machtpolittsche Realität darstoüt. Das Regime ist scheknstabil. An jenem Tage aber, an dem das Volk, er­wachend sich zu besinnen beginnt, werden die Greuel des 30. Juni alle V-i» un- d e n auf brechen laffen, und dann, wenn eS aus biegen und brechen geht, wird sich zeigen, daß der mörderische Verrat jener Sommernacht dem Nationalsozialis­mus das Rückgrat zerschlagen hat! Pierre.

dige Kokettieren führender englischer Polftiter mit Berlin , die ständigen Extratouren der engli­ schen Regierung, die Hitler billige Triumphe in der inneren wie in der äußeren Politik zuschanz- tcn. Wenn etwas geeignet ist, abschreckend zu wirken, so ist es diese Methode der Englän­der, die, aus parteipolitischen Spekulationen der konservativen Regierungskreise geboren, zum Ver­hängnis Europas geworden ist. Es ist nicht das erstemal, daß Professor Rädl bei der Behandlung des Henleinprohlems völlig abwegige Methoden empfiehlt. So.plädiert« er schon anr«.Okt. 1934 in eisiem Leitartikel des»Prager Tagblqftes", den die Redaktion nur unter Vorbehalt abdruckte, für.ein Verhandeln mit Henlein und erklärte hierbei die Verdächtigungen" als»abgeschmackt",»daß Henlein über die Grenzen schielt und die verbote­nen politischen Parteien unter einer neuen Flagge zusammenzurufen beabsichttgt". Der Verlauf der Wahlkampagne hat gezeigt, daß die angeblichen Verdächtigungen keinewegs ab g e» s ch m a ck t waren. Abgeschmackt und sinnwidrig jedoch ist es, nach einem offen zutage getretenen Mißerfolg für eine Polstische Linie einzutrcten, die diesen Mißerfolg nur zu steigern geeignet ist. Professor Rädl mag ein herzensguter Mensch und ethisch hochstehender Philosoph sein, aber von po­litischen Dingen sollte er lieber die Finger laffen.

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Roman von Emil Vachek » Deutsch von Anna AurednRek

»Was ist das?" fragte mißtrauisch die Schwarze Kathi. Das ist ein Scheck; auf diesen zahlt Ihnen meine Bank zwei Tausender aus." Das glaub' ich nicht", sagte sie störrisch; »ich glaub' Ihnen nicht mehr und ich mag nicht in Banken Herumlaufen. Bringen Sie mir das Geld." Herr Aschner steckte das Buch ein, zog seine Geldtasche heraus und legte die Banknoten vor die Schwarze Kathi. Sie barg sie an ihrem Busen und lispelte süß:Setzen Sie sich, Herr Aschner, wir sind doch Intelligenzler. Sie wiffen ja gar nicht, wen ich Ihnen zuführe. Frau Maschin ist ganz andres Geld wert. Morgen um zehn Uhr werden Sie vor der gewissen Tür stehen und an­klopfen. Aber pünktlich, bitte! Klopfen Sie, bis die Turmuhr schlägt." »Und wenn sie mich nicht einläßt?" Wenn sie Sie nicht einläßt, bekommen Sie das Geld zurück, ich warte hier." D äs se ch z ehnte Kapitel erzählt von der Kunst, auf leichte Art zwei Tau­sender zu verdienen, von der Heimkehr der ver­schwenderischen Tochter zind wie Fräulein Sophie Braut wurde.

Gleich am nächsten Morgen besuchte die Schwarze Kathi Frau Maschin. Sie werden gewiß nicht erraten, von wem nir die ganze Nacht geträumt hat? Bon Ihnen,

Frau Maschin. Wir waren auf einem untergehen­den Schiff. Ich war dem Ersticken nahe und brüllte wie am Spieß; Sie waren natürlich still wie immer. Und wie es mst mir zu Ende ging, erschien ein Mann in einem Doot, ruderte vorbei, ohne sich um mein Gejammer zu kümmern, und steuerte schnurstracks Ihnen zu. Ich ertrank, Sie zog er aus dem Waffcr. Da erwachte ich und war natürlich quietschvergnügt, nicht ersoffen zu sein. WaS hat nur die Frau Maschin darin zu tun? fragte ich mich. Ein sonderbarer Traum, der hat etwa- zu bedeuten! Ich verspürte einen Stich beim Herzen und sagte mir:Den Traum muß ich deu­ten." Mst einem Satz war ich aus dem Bett. Auch meine Tochter erwachte und sagte:«Bist du ver­rückt, Mami, es ist doch erst vier Uhr!"Das ist ganz egal", sagte ich,es handelt sich um eine ernste Angelegenheit, die meine beste Freundin an­geht." Ich weckte auch den Medo, sagte ihm, um was es sich handelte, und er riet mir, wie ich die Karten mischen und abheben sollte. Ich blieb starr, als ich Ihr Blatt vor mir sah, denn ich erinnerte mich noch sehr genau, wie Ihre Karten früher aus­geschaut haben. Nichts als Unglück. Sie wiffen es ja selbst am besten. Sie taten mir immer so leid. Ich beschönigte ja so manches und log dazu jetzt kann ich's Ihnen ja schon sagen aber jetzt..." Die Schwarze Kathi machte eine geheimnis­volle Pause und setzte eine feierliche Miene auf. Du lieber Himmel, spannen Sie mich nicht auf die Folter und sagen Sie mir alles!" Mit lauter Stimme sagte die Schwarze Kathi:»Die Karten sielen, daß es eine Freude war! Ich versichere Ihnen, daß mir etwas Aehn- liches in meiner Praxis noch nicht zugeftoßen ist. So eine Wendung im Schicksal." Frau Maschin bettelte vergebens um einige Einzelheiten. »Ich werde Ihnen weiter nichts sagen, meine Liebe, weil ich Ihnen nicht lange Zähne machen will. Ich war sehr verschlafen und könnte mich auch

irren. Es wäre das beste, wenn Sie auf einen Sprung zu mir kämen." Im Ru war Fräulein Maschin angelleidet. Auf dem Gang trafen sie Fräulein Sophie, die sie mit ungewohnt lauter Stimme begrüßte. Frau Maschin blickte zu Boden. Seitdem sie Herr Asch­ner so kompromittiert hatte, wagte sie niemandem in die Augen zu sehen. Sest einigen Tagen quälte sie ihr Alleinsein und sie dachte allabendlich an Herrn Aschner, und sie machte sich Vorwürfe, ihn davongejagt zu haben.»Er muß mich doch lieb haben sonst wär' er ja nie gekommen; ich habe den einzigen Menschen versagt, der mich im Leben wirllich lieb hatte." Je mehr sie sich der Wohnung der Schwarzen Kathi näherte, desto aufgeregter wurde sie. Was für ein Glück konnte ihr noch blühen, nachdem sie eS selbst in Gestatt des Herrn Aschner davongejagt hatte? Gehorsam, von dem starren und seltsamen Blick des-schwarzen Katers hypnotisiert, hob sie die Karten ab. Jedes Häufchen war ein Lebenskapitel. Da haben wir's", sagte die Schwarze Kathi, genau so wie in der Nacht ein ganz merkwür­diger, seltener Fall. Manchmal zeigen die Karten nur die allernächste Zeit, manchmal aber sieht man einige Jahre voraus. Ganz selten ist die Lebens­mischung. Sie fragen, was Lebensmischung heißt? Das ist, wenn die Sterne des ganzen Lebens in die Karten herabsteigen. Hier ist Ihr ganzes Leben. Da find Sie als Mädchen. Sehen Sie? Eine Dame zwischen zwei Buben. Zwei bewerben sich um Sie, der Rote und der Grüne. Der Rote ist der Richtige» wir werden ja gleich sehen, wie es ausfällt." Mit unglaublicher Geschicklichkeit legt« die Schwarze Kathi das zweite Päckchen auf.-Sehen Sie!" rief sie triumphierend.Hier! Der rote Unter ist verschwunden, dafür ist der Schell-Unter aufgerückt. Das bedeutet, daß Sie den Richtigen verfehlt haben und dem anderen zugefallen sind. Der war der Unrichtige. Ich will Ihnen gleich sagen, wie eS war: Grün-Unter heißt, daß er viel

gereist ist; Schell-Unter bedeutet viel Geld. DaS war Ihr Manul" schloß sie mit Siegesmiene. Frau Maschin zitterte. DaS war ja alles richtig. Und setzt geht's an das dritte Häufchen", fuhr die Schwarze Kathi fort.»Sie sehen hier nichts als Verdruß, nichts als Eicheln und lauter böses Zeug. Nichts als Schmerz für Sie und der Unrichtige hat immer noch Geld. Da, hier ist eine Untreue. Sehen Sie, der Schell-Unter begegnet dem Schell-As und Sie, Sie ducken sich hier mein Gott was haben Sie getan, Frau Maschin?" Was denn?" fragte kleinmütig Frau Maschin. »Sehen Sie den roten Unter, der Ihnen ent­gegenkommt? Und sehen Sie, wie Sie auSeinan- dergehen?" Ich sehe", seufzte die Maschin. Sapperment, jetzt kommt ein Neuer", brummte die Schwarze Kathi,den hab' ich in der Nacht nicht gesehen. Und jetzt mit Gottes Hilfe zu dem letzten Häufchen; das ist entscheidend." Atem­los, aufs höchste gespannt, sah Frau Maschin, wie die Kartcnausichlägerin daS letzte Häufchen auS- einanderbreitete. Kathis Gesicht strahlte vor Selig­keit.Gott sei Dank", flüsterte sie,»alles endet gut. Ich bin schon erschrocken, daß Sie alles ver­dorben haben, weil Sie zum zweitenmal Ihrem Schicksal ausgewichen find. Aber hier kommt eS zurück. Sehen Sie, das ist das rote As!" »Was hat das zu bedeuten?" »Mein Gott, Frau Maschin", flüsterte die Schwarze Kathi.Ich kann's gar nicht glauben, daß Sie so ein Glück erwartet, trotzdem Sie alles verpatzt haben. Das rote As ist der höchste Stern des Glückes. Manchem erscheint es schon beim ersten Häufchen. DaS bedeutet, daß man'S schon hinter sich hat. Manchem kommt eS als Eichel­könig; das bedeutet, daß Glück und Unglück zu­sammentrifft. (Fortsetzung folgt.)