Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

15. Jahrgang

Schachts

Dumping- Offensive

Eine Milliarde Mark zu 25prozentiger Senkung der Exportpreise

Berlin. ( Tsch. P. B.) Wie jetzt bekannt wird, soll die sogenannte Dumping= Anleihe, die vorbereitet wird, nicht weniger als

Dienstag, 2. Juli 1935

Einzelpreis 70 Heffer

( einschließlich 5 Heller Porto

Die Strassen widerhallen: Freiheit!

Blendender Verlauf des Atus- Kreisfestes in Aussig

Nr. 152

Zehntausende demonstrieren für Freiheit

und Demokratie, für politische und wirtschaftliche Gleichberechtigung- Imposante Leistungen der Atus- Sportler!

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Es war wieder einmal nichts mit dem Ster. Isänge einer sterbenden Klasse, nicht Gewaltmaß-| jung, alle wollten dabei sein, in proletarischem eine Milliarde Mark bringen, und ben der Sozialdemokratie. All die politischen nahmen einer Herrenschicht, die unfähig ist, die Sport den Wert der Körperkultur zu demonstrie­zwar soll sie auf diese Weise aufgebracht werden, Scharlatane und naiven Gemüter, die aus dem Angehörigen der menschlichen Gesellschaft vor ren, um unseren Klassenfeinden und Hassern der daß der Reichswirtschaftsminister ermächtigt wird, Arbeiterbewegung die ungebrochene Kampffraft von den verschiedenen Industrien Beiträge einzu- Wahlausgang zugunsten des Fascismus aller- dem Hunger zu schützen, nicht der dem Tode ge- der Arbeiterbewegung vor Augen zu führen. heben, u. zw. bis zu 70 Millionen Mark, während hand ungünstige Schlüsse zogen für die sozial weihte Sapitalismus selbst unter Anwendung Die sportlichen Veranstaltungen des Kreis die Golddiskontobank weitere 300 Millionen Mark demokratische Arbeiterbewegung, sind wieder der verzweifeltesten Mittel und der Verwendung turnfestes behandeln wir in einem besonderen Ab­liefern soll, die sie durch den Verkauf von Sperr- einmal arg enttäuscht worden. Das Bürgertum, gefügiger Soldknechte imftande sind, die Entschnitt. Soviel sei an dieser Stelle festgestellt, daß mark usw. im Auslande zu beschaffen gedenkt. das glaubte, es werde nach dem 19. Mai die wicklung aufzuhalten, daß eherne ökonomische alle Teilnehmer und Gäste hochbefriedigt waren Die Konkurrenzfähigkeit Deutschlands auf Sozialdemokratie ausradiert, weggewischt sein, Gesetze und die Urkraft proletarischer Solidari- von den Leistungen, die unsere Arbeiter- Sportler dem Weltmarkte dürfte allerdings dadurch wesent- wie drüben, oder mindestens gedemütigt, tät und proletarischen Klassenbewußtseins die boten. lich gesteigert werden, da aus dem Erträgnis die in sich zusammengefunken, das schon von be- Weiterentwicklung beeinflussen. ser Steuer die deutschen Exportfirmen soweit unterstützt werden können, daß sie um 25 Prp schaulicher Volksgemeinschaft träumte, das sich In Aussig marschierte am Samstag und sent billiger sein können. Auf diese Schät einbildete, mit der sozialdemokratischen Arbeiter­zung kommt man, wenn man eine deutsche Export- schaft nicht mehr rechnen zu müssen, es nicht aiffer von 4 Milliarden Mark pro Jahr annimmt. mehr nötig zu haben, Rücksicht zu nehmen auf Im einzelnen dürfte die Textilindustrie etwa mit die großen Massen der Arbeiter, das auch dieses 150 Millionen, die chemische Industrie mit etwa überwältigende Fest der Klassenbewußten Arbei­135 Millionen, die elektrotechnische Industrie mit terschaft böswillig ignorierte, ist plöglich aus 30 Millionen belastet werden. Branchen, die gut dem Schlafe aufgeschreckt... gehen, werden mehr zahlen, nämlich bis zu 8 Prozent des Umfakes. Ob freilich bei einer solchen

schweren Besteuerung der Industrie das innere Preisniveau unverändert bleibt, ist noch

abzuwarten.

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Was da am Samstag und Sonntag in den

Straßen, in Warmbad, auf der Kampfbahn der Stadt Aussig sich vollzog, das sah nicht nach

Sterben und nach Tod aus.

Das war der Maffentritt einer Bewegung,

Wenn Protektorat dann kein italienisches! bie, geboren aus der historischen Entwicklung,

London . In einer Unterredung mit dem

Sonntag die Elite der Arbeiterschaft, der Teil des klassenbewußten Proletariats, der selbst aus Niederlagen neue Kräfte schöpft, der unbekümmert um alle Anfeindungen seine Bat taillone neu formiert und sie erfolgreich führt zur großen Entscheidungsschlacht.

Schon am frühen Morgen des Samstag stand das Straßenbild völlig unter dem Einfluß des Kreisfestes. Die ersten Gäste langten ein per Rad, zu Fuß, von weiter her auch mit der Bahn und anderen Verkehrsmitteln. Aber es gab auch viele Festteilnehmer, die weite Streden zu Fuß zurücklegen mußten. Jahrelange Arbeitslosigkeit

verhinderte die Aufwendung größerer Mittel. Mit von der Entwicklung beeinflußt und befruchtet, dem Tornister auf dem Rücken, mit fargem Pro wieder einmal zeigen konnte, daß nicht Totenge- viant, in dürftiger Kleidung, so kamen sie, alt und

Vertreter der ,, News Chronicle" erklärte der abessinische Negus, daß die abessinische Re­gierung zu wirtschaftlichen Konzessio­nen an Private ober Gesellschaften, keineswegs aber an Regierungen ausländischer Staaten be- Die Heimwehr im Wiener Rathaus

reit fei. Die italienischen Bürger werden die Gleichberechtigung mit den übrigen Ausländern wie bisher genießen. Einem französischen Jour­nalisten sagte der Kaiser: Wenn Abessinien eines Tages unter cin Mandat gerhten würde, dann würde nicht Italien der Träger des Mandates fein.

Abessinisches Heer

von 900.000 Mann? Der abeffinische Minister für Kriegswesen erflärte in einer Unterredung mit einem Bertre­ter des ,, Matin", daß. Abessinien 350.000 Mann unter den Waffen habe und bas es binnen zwei bis vier Wochen ungefähr 900.000 Soldaten mo­

bilisieren könnte.

Schandurteil

gegen Rakosi bestätigt

Es kracht im autoritären Staat

Fey putscht schon wieder

Vor einiger Zeit hieß es, daß die österrei­chischen Nazi für den 25. Juli, den Gedenktag des Putsches auf das Palais am Ballhausplab, eine

große Aftion planen. Es scheint aber ganz ähnlich

Rathauses die grünweiße Söldner­flagge hißten. Dann hielt ver dem Nat­haus der Sicherheitskommissar Theresienritter Fey eine Ansprache an die Wegelagerer.

vor dem Sturm der Heimwehr auf das Rathaus Nach anderen Meldungen soll zwei Stunden vor diesem eine Fahne des christlichen rei beitsbundes" gehißt worden sein. Dieser Freiheitsbund ist rechtlich bereits aufgelöst( er ge­hört zu den Wehwerbänden, die der Gleichschal tung mit der Heimwehr zum Opfer fielen). Die ahnenpatin des Freiheitsbundes

soll Frau

mit gewesen sein. Die Sissung dieser Flagge soll die Heimwehrler in Wut versetzt haben.

wie im Feber und im Juli 1934 zu sein, wo die Anfündigungen gegnerischer Butsche in Wahrheit auf putschistische Attionen gewisser Regierungstreife hinwiesen, die denn auch pünktlich einsekten. Im Feber 1934 ließ ey Waffen suchen, um dem sozialdemokratischen Aufstand vorzubeugen. In Wahrheit war er es, der den Butich brauchte und wollte und der ihn gewissenlos provozierte. Im Juli wurde ein ,, fom­munistischer" Butsch abisiert. Tatsächlich putschten die Nazi und Herr Fey spielte dabei eine ewig denkwürdige und seit langem nicht mehr zwveideu­Das Gerücht, daß E. K. Winter Selbstmord tige Rolle. Nun werden wieder Putsche abifiert. begangen haben soll, wird von privater Seite aus Budapest . Im Prozeß gegen den frü. Das ist in Desterreich nur ein Anzeichen dafür, Wien dementiert. heren Volksbeauftragten Retost vor der königlichen daß gewisse Kreise im ,, autoritären" Regime das Tafel hielt Rakofi eine anderthalbstündige Ver- Bedürfnis haben, sich mit ihren Kollegen in hand­teidigungsrede, worin er erklärte, die Bourgeoisie greiflicher Form auseinanderzusehen. Die Ouverture zu der neuen österreichischen und Graf Michael Karoly hätten freiwillig die Macht den Bolschewiken übergeben. Nach den Operette hat auch bereits begonnen. Seit Tagen Schlußworten des Angeklagten zog sich der Ge- wurde der Druck auf das Wiener Rathaus ver­richtshof zur Beratung zurück und verkündete dann schärft. Zunächſt ſetzte die Kampagne gegen den das Urteil, das die von der ersten Instanz ver- Vizebürgermeister E. K. Winter ein, dessen hängte lebenslängliche Zuchthausstrafe be- Zeitschrift unter Vorzensur gestellt und der zur Auflösung seiner Arbeiter- Aktion gezwungen wurde.

stätigt.

Der neue Kurs in Jugoslawien

Belgrad . Blättermeldungen zufolge ordnete Innenminister Korošec an, daß alle Strafver­folgungen für llebertretungen bei den letzten Wah­Yen eingestellt werden. Gleichzeitig verfügte er, daß die Beamten, die abgesetzt wurden, weil sie am 5. Mai für die Oppostion gestimmt hatten, wieder in ihre Funktionen eingesetzt

werden.

Am 30. Juni nachmittags fand in Schön brunn eine Heimwehrversammlung statt, in der aufs heftigste gegen den Bürgermeister Schmit geschimpft wurde. Die Banditen zogen dann auf die Ringstraße und demonstrierten vor Nathaus. Der ,, autoritäre"

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Die Abendfeier

im Warmbad Kleische var ein imposanter Auftakt für die weiteren Ver­anstaltungen und bot hochstehende proletarische Festkultur. Noch nie sahen wir eine so gewaltige Menschenmasse im Warmbad. Noch lange nach der

festgesetzten Zeit des Beginnes tamen immer wies der neue Massen, die Einlaß begehrten. Ein präch tiges farbenfrohes Bild entfaltete sich. Bis zu den Höhen hinauf ſäumten Menschen und immer wie­Blaue Blusen grüßten von den Höhen, dazwischen der Menschen das Gelände des Warmbades ein. leuchteten die roten Lampions. Vorzügliche musi falische Darbietungen des Stadttheater- Orchesters unter der bewährten Leitung seines Dirigenten

Wieſe umrahmten ein ausgewähltes sportliches Programm, dessen Durchführung allgemeinen Beifall auslöste. Freudige Kampfesstimmung schuf der Fahneneinmarsch, der Kinderfahnen, Vereins­fahnen, der Sturmfahnen, und die anschließende Begrüßungsrede des Bürgermeisters, Genossen Pölzl.

Herzliche Worte der Begrüßung und froher Zu funftshoffnung flangen aus der Nede des Genos= sen Pölzl, der bei seinem Erscheinen stürmisch be= grüßt wurde.

Politischer Ungulänglichkeit und gewissen Lofer Agitation gelang es nicht, den Sozialismus in unserem Lande zu vernichten, wie die mas­fenhafte Beteiligung an der Veranstaltung be weise. Besiegt wurde nicht die große Jdee des Sozialismus. Die Arbeiterschaft hat zwar durch Dummheit und Verrat großer Teile der eigenen Massenangehörigen eine Schlacht verloren, aber der Kern ist fest geblieben. Zum Schluß seiner mit vieltausendstimmigen Rufen: ,, Freiheit" und lebhaftem Beifall aufgenommenen Rede hieß Ge­noffe Pölzl alle Freunde und Genossen aus allen Teilen unseres Atuskreises im Namen der sozial­demokratischen Arbeiterschaft, der Funktionäre in der Gemeinde, der Partei und der angeschlossenen Organisationen herzlich willkommen.

Und dann wickelte sich unter gespannter Auf­merksamkeit und dem Beifall der vieltausend

Teilnehmer

ein vorzüglich zusammengestelltes sportliches Festprogramm

Die Zustände im autoritären Staat Desterreich haben sich idyllisch entwickelt. Die ab: Kunst und Leistungsspringen, Wasserball­Staatsautorität ist so groß, daß ihre einzelnen spiele, Fackelschwingen, Fackel- und Feuerreifen­Repräsentanten miteinander im Kampfe liegen, springen, ein vielbewunderter und mit starkem daß öffentliche Gebände vor dem Zugriff uni Beifall afflamierter Tanz der Turnerinnen, Bila formierter Zuchthäusler nicht mehr sicher sind der aus dem Leben und ein Massen- Feuerteulen­und das Mitglieder der Regierung mit ihren schwingen... Brivatgarden beim Bürgermeister der Haupt­stadt Hausfriedensbruch begehen.

Zum Schluß der eindrucksvollen Kundgebung formierte sich

Derartige Vorfälle wären im demokras ein gigantischer Fackelzug tischen Oesterreich undenkbar gewesen. Man stelle sich vor, wie die Ordnungshüter gezetert zum Zug durch die Stadt nach dem Marktplak. hätten, wenn Seiß sich im Rathaus hätte gegen Eine endlose Schlange roter Lampions ließ erst meuternde Organe der eigenen Partei verteidigen recht die Massen der Teilnehmer, die mit 10.000 dem müssen! Bis zur Herstellung des christlich- stän- nicht zu hoch geschätzt sind, hervortreten. Pulver gegen den Wil - dischen Ordnungsstaates herrschte in Oesterreich ist schwarz, Blut ist rot", diese Freiheitsworte len von drei Vierteln der Bevölkerung von der Ordnung. Von dem Tage an, da man mit Kano- drängten sich dem Beschauer auf bei der Betrach Diktatur ernannte Bürgermeister Schminen gegen das Volk losging und den auto- tung der fampfesfrohen Jadelträger. Durch Nacht ließ aus Angst vor seinen Freunden, dem Wehr- ritären Staat" schuf, ist Desterreich nicht zum Licht, verkündeten die roten Lampions, sym forps des autoritären Regimes, die Tore mehr vor Bürgerkrieg. Terror und vor den bolisierten, daß troß dichtester Vernebelung lebten schließen, aber durch eines drangen doch noch utschen seiner regierenden Endes das Licht der Aufklärung die Hirne der Heimwehrleute ein, die auf dem Balkon des Staatsmänner sicher gewesen. Menschheit erleuchten wird. Mit einer kernigen An

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