Etatlprels 70 Helltr (InachlMlich S Hall« Md ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH,«edAktion und Verwaltung mag xii., fochova a. telefon sott. HERAUSGEBER! SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR « WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR« DR. EMIL STRAUSS. PRAG . ZENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEM ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK TS. Jahrgang Freitag. 5. Juli 1935 Rr. 155 Die große Krise Europas Neugruppierung um die abessinische Fräse Das Habsburger * Problem auf der Tagesordnung Was wird aus Oesterreich Die außenpolitische Situation zeigt ein täglich wechselndes Gesicht. Derzeit dreht sich Europa um Abeffiuieu. Englands Widerstand gegen die italienischen Eroberungspläne hat es zu einer gewissen Annäherung an Deutschland bewogen. Frankreich antwortet darauf mit einer scharfen Wendung zu Italien hin. Die Beratungen der Generalstäbe von Paris und Rom ermöglichten es Mussolini , seine Garnisonen von der fran» zösischen Grenze abzuziehen. Er braucht sie für weitere Transporte nach Ostafrika und für Truppenkonzentrationen in Rorditalien. Die großen ita­lienischen Manöver in Rorditalien sollen eine Drohung gegen Deutschland sein. Denn Hitler sieht mit dem Engagement Mussolinis in Abessinien die Zeit für einen nenen Vorstoß in Oesterreich gekommen. Der Heimwehrfaseismus fürchtet um seinen Bestand und sncht Rettung durch eine überstürzte Aufrollung der Habsburgerfrage. England wieder sucht neue Annäherung an Frankreich . Die Dinge find im Fluß. Im Intri­genspiel um Abeffiuieu wird um da- Schicksal Europas gewürfelt. Freigesprochen aber Ins Konzentrationslaser überführt Zn diesen Tagen wurde in dem Riesenprozeß gegen Hamburger Sozialdemok r a ten von dem Oberlandesgericht Hamburg eine wei­tere Gruppe Angeklagter verurtellt. Auch diese Leute waren angeklagt we­gen Einsammeln von Geldern, die zur Linderung der Rot, in der fich die An­gehörigen der in den Gefängniffen und Konzentrationslagern fitzenden Fami­lienväter befanden, verwendet wurden. Obwohl festgestellt wurde, daß die An­geklagten aus reiner Humanstät und vollkommen uneigennützig gehandelt hatten, wurden sie zu hohen Zuchthaus­strafen verurtellt, und zwar Emil Welke, Berthold W i e l e, O. G r i l I und A. S ch w a r z zu je 2\i Jahren Zuchthaus und Heinrich Wulf zu V/ 2 Jahren Gefängnis. Zwei Ange­klagte wurden freigespro­chen. Diese beiden vom Gericht frei­gesprochenen wurden jedoch nicht frei- gelaffen, sondern sofort von der Gehei­men Staatspolizei ins Konzen­trationslage rüberführt! Becks Mission In Berlin Im Dienste der deutsch -polnischen Bündnispolitik Berlin . Hebet den Inhalt der Verhandlun­gen. die der polnische Außenminister Beck mit den Berliner Regierungsstellen führt, wird vorläufig Stillschweigen bewahrt., In einer Er- HärUng an die Presse betonte Beck, daß die im Jahre 1934 eingeleitete deutsch -polnische Zusam­menarbeit zu einem Bestandteil des europäischen FrtedenSwerks(?) geworden sei. Wie aus dieser Erklärung weiter hervorging, hatte Beck Mittwoch ein« länger« Aussprache mit Hitler . Vermittlung mit Frankreich ? Baris. Die Blätter machen auf das Schwei­gen aufmerksam, das in eDrlin über die polnisch­deutschen Verhandlungen beobachtet wird.Ma­gen aufmerksam, das in Berlin Wer die polnisch-' Außenministers Beck sei, zu erfahrend ob die pol­nische Regierung eventuell berufen sein könnte, die Aufgabe des Vermittlers zwischen Frankreich und Deutschland zu spielen. Loyalität Obstruktion Prag . Der parlamentarische Klub der Su­ detendeutschen Partei hielt am Mittwoch in den Klubräumen des Abgeordnetenhauses Beratun­gen ab. Wer die jedoch k«i n parteiamtliches Kom- muniquE ausgegeben wurde. Die Beratungen gal­ten der Stellungnahme zur politischen Lage und der Aufnahme, welche di« Südetendeutsche Partei durch ihr Auftreten im ersten Sessionsabschnitt der neugewählten Nationalversammlung gefunden hat. Nach Informationen aus politischen Kreisen, die zur Sudetendcutschen Partei freundschaftliche Beziehungen unterhalten, hat die Sudetendeutsche Partei vor dem Beginn der parlamentarischen Arbeiten in bezug auf die parlamentarische Taktik einen verbindlichen prinzipiellen Beschluß gefaßt. Der Beschluß rechnet mit dr«, iEtappen der parlamentarischen Taktik, deken Praktische Durchführung von der Entwicklung der politischen Verhältnisse abhängig gemacht wurde. Die erste Etappe steht eine streng kor- rekte und kotz al e Halt ung der Sube- tendeutschen Partei im Parlament vor.x Sollte dieser Weg einer wohlwollenden Opposition auf die Dauer zu keinem greifbaren Wendung oder Manöver I London will nicht isoliert sein Paris . Die Mittwoch stattgefundene Un­terredung Lavals mit dem brittschen Botschafter Sir George Clerk soll bezweckt hoben, dem französischen Ministerpräsidenten den Beschluß des englischen Kabinetts zur Kenntnis zu brin­gen, welcher von der französischen Regierung die Zusammenarbeit bei der Lösung des italienisch- a b« s s i n i s chöu Konfliktes verlangt. Die Beunruhigung wegen der ernsten italienisch-abessinischen Span­nung sei in London je weiter desto größer und die britische Regierung wolleunterdemDruck ihrer öffentlichen Meinung das Bordringen der Italiener in Abeffi- nien energisch einstellen. Mailand . Ueb«r di« italienischen Sommer­manöver liegen nun genauere Nachrichten vor. Rach dem Aufmarschplan werden etwa 500.000 Mann ausrücken. Die Manöver beginnen in Mailand mtt der llebung des verstärktenGrenzarmeekorps"» das aus drei Infanteriedivisionen und einer Alpini- division besteht. Das Korps von Mailand schließt sich den Bozener Truppen an. Hier werden wieder drei Infanterie- und zwei Alpinidivifionen und das motorisierte Korps von B e r o n a, das be­kanntlich nach Bozen verlegt wurde» in Aktion tre- Erfolg oder Ziel führen und auf der anderen Seite, bei der Regierungsmehrheit» auf kein Berständnis stoßen» dann will die Sudeten­ deutsche Partei im Sinne dieser Beschlüsse zur Obstruktion übergehen. Sollte aber auch diese Tltttik kein greif­bares Ergebnis zeitigen» dann ist die Sudeten­ deutsche Partei entschlossen» daraus di« Kon­sequenzen zu ziehen und das Parlament zuverlassen. In ihrer Dauer ist die Länge dieser Etap­pen durch keinen Beschluß begrenzt, ihre Dauer hängt vielmehr von dem Gang der politischen Entwicklung und ihrer parlamentarischen Auswir­kungen ab. Wie man sieht, will dir Partei HenleinS die ganze Speisekarte der deutschbürgerlichen Politik mal von rückwärts herunteressen. Früher hals be­gonnen mit Obstruktion, dann kamen diverse AuS, züge aus dem Parlament und dann die loyale Opposition. Die Sudelendeutsche Partei macht rS umgekehrt. Sie möchte loyal anfangen und illegal aufhören. Wohl bekommS! Abessinien kampfbereit London . Im Mittelpunkt deS Interesses der Morgenblätter steht di« Wochentagssitzung deS Kabinetts» in der die drohende Gefahr eine­italienisch-abessinischen Krieges mit seinen unmit­telbaren und mittelbaren Folgen den Hauptgegen­stand der Erörterungen gebildet haben soll. All­gemein wird berichtet» daß die nächste Bemühung der Regierung dahingrhen werde, sich mit FrankeeichjnsEinverneh m e n zu setzen. Die amerikanischen Blätter veröffentlichen ein Telegramm der Associated Preß , das den In­halt eines Gesprächs mit dem Kaiser von Abes­sinien wiedergibt. Der Kaiser erklärt darin, daß Abessinien voraussichtlich seine ganze bisherige Tätigkeit, die der sozialen und wirtschaftlichen Entfaltung diente, werde aufgeben müssen, um seine ganze Energie dem Widerstand gegen die Absichten Italiens widmen zu können. ten. Schließlich beteiligt sich an dem Manöver dos Korps von Udine» dos auS drei Infante­rie-, einer Alpini- und einer motorisierten Divi­sion besteht. Der Aufmarsch der drei Armeekorps wird sich den ganzen Juli über hinziehen» und erst Ende August sollen di« großen abschlie­ßenden Uebungen an der Grenz« von Süd- t i r o l stattfinden. Die italienische» Flieger werden übrigens mehrere große Bomben-AngriffS-Uebungen im Alpengebiet durchführen» und schließlich werden Einmärsche gegen die Grenze zu geprobt. Dir Manöverannahme besteht in einem »»Angriff von Norden" her, den die Süddivisionen zu verhindern haben. Habsbursergesetz beschlossen Riesengeechenk eines Bettlers taatee . Wien . Der Staatsrat hat das zustimmende Gutachten zu dem Gesetzentwurf der Regierung über die Aufhebung der sogenannten»Habsbur­ger Gesetzentwürfe" genehmigt. _ In der im Staatsrate abgeführten Debatte erklärte Außenminister Berge r-Walde- n e g g, das Gesetz habe mit der Restauration der Habsburger nichts" zu tun. Auch das Ausland habe keinen Grund zur Beunruhigung. Vie Verhandlungen mit Zita und Otto Vorläufig noch keine Rückkehr. Brüssel. Der österreichisch ^ Staatssekretär K a r win sk y hatte Mittwoch eine Unterredung mit der Exkaiserin Zitta und mit Otto Habsburg über die Rückgabe des Eigentums der Habsbur- ger undLüber die Aufhebung des Gesetzes, das die Habsburge» der österreichischen Staatsbürger­schaft verlusttg erklärte,©r habe jedoch hinzuge­fügt, daß vorläufig eine Rückkehr Otto HabSburgS nach Oesterreich nicht als opportun angesehen werde. Vie drei Etappen der SDP Exodus Die italienischenKaisermanöver** Ein Wink mit dem Zaunpfahl Rückkehr der Habsburger? Die verzweifelt« Situation der österreichi­schen»autoritären" Regierung, die bar jeder Autorität, ohnmächtig gegen jede freche Aggression der H e i m w e h r, zitternd vor angekündigt^n Nazi Putschs und in wachsender Sorge vor dem Hatz der Arbeiterschaft einen Rettungsanker sucht, treibt diese Regierung mit Wachsender Geschwindigkeit in desparate Aben­teuer. Man mag es dahingestellt lassen, ob die Meinung mancher diplomatischer, Beobachter, die die Katastrophe deS Schuschni g g-" regimes schon für die nächsten Monate prophezeien, richtig ist. Ei n Mann jedenfalls scheint an diese düstere Prognose zu glauben Herr Bundeskanzler Schusch­ nigg . Nicht anders als mit diesxm Glqu- ben läßt sich die kopflose Nervosität erklären, mit der seine Regierung sich. neuerdings wieder auf wahre Desparado-Abenteüer einläßt. Es ist bekannt, daß Schuschnigg für den ret­tenden Ausweg die Re st' a u r a t i o n des H a b s b u r g e r r e g i m e s in Oesterreich hält. Im Herbst deS vergangenen Jahres setzte er mit einer großzügigen systematischen Kampagne zum Zwecke der Wiedereinsetzung der Habsburger ein. ES wimmelte nur so vonErnennungen Ottos zum Ehrenbürger", vonTreuekundgebun­gen" und monarchistischen Demonstrationen, an denen sich die Mitglieder der Regierung ganz ungescheut beteiligten. Dann aber» als Herr Berg e r- W ä l d« a g in Genf «inen deut-, lichen Wink der europäischen Mächte bekam und man ihn unzweideuttg wissen ließ, daß die klare FormulierungHabSburgerrestau- ration bedeutet Krieg!" noch immer ungeschmälert in Geltung sei, wurde den Herren doch vor ihrer schwarz-gelben Forschheit bang« und die monarchistische Kampagne brach sang» und klanglos ab. Nun aber, da Herr Schuschnigg sich wieder das Wasser zum Halse steigen fühlt, verlieren selbst die ernsten Warnungen, vor denen er noch vor wenigen Monaten zurückgewichen ist, ihre Wirkung. Am Ende jener Regierungsweis­heit, an deren Anfang die Kanonen standen, ist er bereit, lieber einen Krieg im Gefolge der Habs­burgerrestauration heraufzubeschwören, als. die Konsequenzen zu ziehen und zu kapitulieren. Mit einer Wucht, die jene aller bisherigen monarchi­stischen Aktionen übertrifft, wird in den letzten Tagen wieder die Restaurierung der Habsburger in Oesterreich vorbereitet.' Es vergeht kein Tag» an dem die Blätter nicht wieder auffallend Ernennungen Ottos und seiner, sämt­lichen Familienmitglieder zu Ehrenbürgern mil ­den, Herr Erzherzog Eugen ist ununterbrochen auf Reisen, um im ganzen Lande Stimmung für dasallerhöchste Kaiserhaus" zu machen und den verschiedenen Gemeinden Dank- und Anerkennungsschreiben> ihresallerhöchsten Kriegsherren" zu überbringen. Schon vorgestern kündigte daS o f f i- z i e l t-e Regierungsblatt, die»Reichs­post", an leitender Stelle ganz offen d i e A uf- hebung der Habsburge rge setze, durch welche das Kaiserhaus deS Thrones und sei­nes Privatvermögens verlustig erklärt und deS Landes verwiesen wurde» für die aller­nächste Zeit an. Das Blatt schreibt in einem Leitartikel, betitelt,Fort mit dem Revo« lutionsschuttl": Freudig willkommen geheißen, wie«in Bote einer besseren Zeit, ge­ehrt mtt allem, war einen verehrten Gast ehren kann, hat Feldmarschall Erzherzog Eugen in den letzten Tagen mehrere Kärntner Städte und Gemeinden besucht, um die Dank« schreibe» Ottos von Oesterreich für die Ehrenbür­ger-Ernennungen zu überbringen, mit denen Hirse Gemeinwesen in die u n a u f h ö r l i ch wachsende Reihe gleicher Kundgebun­gen eingetreten waren. ES hat im Ausland. Leut« gegeben, die sich über diese lange Kette von Ehren­bürgerrechten den Kopf zerbrochen haben. Jenseits von Politik spricht sich in diesen BemeinderatS- beschlüssen ein« Masse n b ewegung auS, die weithin daS österreichische Volk ergriffen hat, ein Massensturm gegen ein entwür­digendes llnrech t, daS die Gewissen bedrücken wird, solange eS besteht und als eine Verletzung österreichischer Ehre empfunden wird. Die meisten dieser Beschlüsse find mit dem Hin-