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Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XIL, FOCHOVA 62. TELEFOR 53077, HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB  , CHEFREDAKTEUR: WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

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Sonntag, 14. Juli 1935

Autounglück Schuschniggs

Frau Schuschnigg tot- Nervenschock des Bundeskanzlers

Dementierte Attentatsgerüchte

Wien. Bundeskanzler Schuschnigg   hat auf der Fahrt nach seinem Urlaubsort St. Gilgen   im Salzkammergut   am Samstag gegen halb 1 Uhr mittags einen schweren Autounfall erlitten. Der Wagen des Bundes. kanzlers stieß gegen einen Baum. Der Bundeskanzler wurde aus dem Wagengeschleudert und blieb unverletzt, hat aber einen N er ven cho ck erlitten. Die Gattin des Bundeskanzlers, Frau Herma Schuschnigg  , wurde schwer verletzt und ist bereits i hren Verlegungen erlegen. Der Sohn des Bundeskanzlers wurde leicht verletzt.

Von den Begleitpersonen wurde der Chauffeur tödlich, ein Kri minalbeamter leicht verletzt. Das Rinderfräulein blieb unverletzt. Der Bundeskanzler befindet sich in Linz   in Spitalspflege. Wäh. rend nach offiziellen Meldungen Schuschnigg   der Tod seiner Frau bereits mitgeteilt wurde und er an der Bahre der Toten weilte, meldet das DNB, daß der Kanzlei jede Erinnerung an den Hergang der Ereignisse verloren und sogar die Tatsache des Unglücks selbst vergessen habe.

Als Ursache des Unglücks wird angegeben, daß der Chauffeur durch einen Sonnenstich das Bewußtsein verloren habe. Demgegenüber sind allerhand Gerüchte verbreitet, die von ausgestreuten Nägeln wissen wollen, die einen Pneumatikdefekt und damit das Unglück selbst verursacht hätten. Der Direktor des Sicherheitswesens für Oberösterreich  erklärte im Rundfunk ausdrücklich, daß das Unglück nicht durch frembe Schuld verursacht worden sei. Um so mehr finden darum die verschiedenen Gerüchte Nahrung...

Wie das Unglück

geschah

Starhemberg­Schuschniggs Stellvertreter

Steuerdefekt?

Chauffeur stellt Unwohlsein in Abrede

Während der Chauffeur am Abend bereits als tot gemeldet wurde, wird knapp vor Blatt­schluß mitgeteilt, daß er nicht gestorben, son­dern vielmehr aus seiner Ohnmacht erwacht ist und einvernommen werden konnte.

Nr. 162

Ein soziales Problem!

Rückgang

des deutschen Bevölkerungsantells

Die Entwicklung der Bevölkerungsbewegung im deutschen Gebiet und in den gemischten Ges genden unseres Landes hat in den deutschen Zeis tungen und Zeitschriften warnende Betrachtungen und alarmierende Artikel ausgelöst. Dem bers hältnismäßig starken Geburtenrüdgang in der deutschen Bevölkerung wird die außerordentlich hohe Geburtenhäufigkeit der slowakischen Bevöl ferung gegenübergestellt. Die so durch diese na­türliche Bevölkerungsbeivegung bewirkte weitere Burüddrängung des deutschen Elements wird bes flagt und sie ist Anlaß zu Appellen an die deut­fchen Männer und Frauen, dieser bedrohlichen Entwicklung Einhalt zu tun.

Bei der letzten Volkszählung im Jahre 1930 waren noch 22,3 Prozent der Gesamtbevölkerung Der Chauffeur stellte entschieden in Aberde, tionalität. Seither ist, wenn man der natüra der Tschechoslowakischen Republik deutscher Nas baß er von einem Unwohlsein befallen worden lichen Geburtenbewegung in den letz­sei. Bielmehr scheint mit großer Wahrscheinlichten Jahren folgt, zweifellos eine Verschiebung in feit festzustehen, daß ein Steuerdefekt des Kraftwagens die Ursache des Unglücks tit. Der zertrümmerte Wagen wird von der Verfuchs station der Wiener   Polizeidirektion untersucht

werden.

diesem Verhältnis zu ungunsten der deutschen Be­völkerung eingetreten. Es zeigt sich nämlich tats sächlich, daß der Geburtenanteil der Deutschen   feineswegs dem Bea bölkerungsanteil entspricht. Im In Wien   ist überall das Gerücht verbreitet, Jahre der letzten Volkszählung, also 1930, ents daß es sich nicht um einen Unfall, sondern um einen fielen von den gesamten Geburten im Staatsges politischen Anschlag handle. Achnliche biet 18.3 Prozent auf die Deutschen  . Schon das Nachrichten wurden auch von reichsdeutschen Sen- waren um fast 4 Prozent weniger als es nach dem dern wiedergegeben. Das Bundeskanzleramt in Bevölkerungsschlüssel hätten sein dürfen. In den Wien   dementiert diese Gerüchte ganz entschieden. folgenden Jahren ist nun der Geburtenanteil der Selbst der Korrespondent der Prager   Deutschen   weiter zurückgegangen. Im Jahre Presse" meldet jedoch seinem Blatt gleichfalls 1933 war er auf 17.8 gesunten und bis 1934 die Attentatsgerüchte, wenn auch mit der entspre- fant er weiter auf 17.3. chenden Reserve. Es heißt in der Meldung: Zu dem andauernden Geburtenrüdgang, des

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In Wien   werden Gerüchte verbreitet, daß das sen Folge diese Entwidlung zuerst ist, fommt Autounglück auf einen Anschlag zurückzuführen sei. noch ein anderes: die Sterblichkeit unter

wird erzählt, daß auf der Straße Nägel ge- der deutschen Bevölkerung nimmt weniger ab, als

stre ut waren, die einen Pneudefeft verursachten, unter den anderen Nationalitäten, die jüdische Wien.( Eigenbericht.) Nach einer Darstel Bundespräsident Miklas   ist sofort nach Linz   der sich infolge der hohen Geschwindigkeit des Autos ausgenommen. Ziehen wir einmal zum Vers lung aus dem Bundeskanzleramt hatte Bundes- abgereist. Um 3 Uhr nachmittags traten beim zur Katastrophe auswirkte. Außerdem wird in gleich mit dem Jahre 1933, für das die endgül­fanzler Schuschnigg während der Fahrt der großen Finanzminister Buresch die in Wien   weilenden Wien   erzählt, daß dem Chauffeur angeblich tigen Ziffern vorliegen, die Bevölkerungsstatistik Size wegen das Dach des Wagens feil- Minister und Staatssekretäre zusammen. Minister irgendein Mittel in seinen Morbon 1930 heran. Auf je tausend Einwohner ka­weise öffnen lassen. Durch die so ent- Burgsch erstattete Bericht über den Unfall. Vize- gentaffee gegeben wurde, damit er men bei den Nationalitäten Geburten: standene Deffnung wurde in dem Augenblid, da bon Uebelteit befallen werde. Diese Gerüchte, die tschechisch- slowakische 1930: 22.35, 1933: 19.01, der Chauffeur die Herrschaft über den Wagen ver­sich natürlich nicht überprüfen lassen, dürften aber deutsche 1930: 18.38, 1933: 15.2; Gestora lor, der Bundeskanzler in weitem Bogen heraus­kaum der Wahrheit entsprechen. geschleudert. Frau Schuschnigg   prallte dagegen mit dem Kopf gegen den Rahmen des halbgeöffneten Daches und brach das Genic. Sie war sofort tot. Shre Leiche wurde im Karmeliterkloster in Linz  aufgebahrt.

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kanzler Starhemberg, dem die Stellvertretung des Bundeskanzlers obliegt, befindet sich auf dem Wege von Italien   nach Wien   und auch die übri­gen Minister werden ehestens nach Wien   zurück­fehren.

Habsburger- Gesetze in Kraft

Wien  . Das Bundesgefeßblatt veröffentlicht am Samstag das Bundesgesetz betreffend die Auf­hebung der Landesverweisung und die Rückgabe des Vermögens der Familie Habsburg- Lothrin­gen. Das Gefeß ist damit in Kraft getreten.

Prag  . Der Vorsitzende der Regierung Jan Malypetr   richtete an den österreichischen Bundes­fanzler Dr. Schuschnigg ein Telegramm, worin er ihm seine Anteilnahme und sein tiefes Beileid an­läßlich des tragischen Todes seiner Gattin zum Ausdruck bringt.

bene: tschechoslowakische 1930: 13.79, 1933: 13.28, deutsche 1930: 13.72, 1933: 13.48. Während also 1930 die Sterblichkeitsziffer unter den Angehörigen der tschechischen Nationalität ( auf je tausend Einwohner) noch um ein gerin­ges höher war, als die der Deutschen  , ist sie im Jahre 1933 für die Deutschen   höher.

In Mähren  - Schlesien  , der Slowakei   und in Auch Außenminister Dr. Beneš richtete an Sarpathorußland war 1933 in allen Bezirken ein Dr. Schuschnigg ein Beileidstelegramm. Ueberschuß der Lebendgeborenen über die Gestors benen vorhanden. In Böhmen   hingegen gab es acht politische Bezirke und 26 Gerichtsbezirte in denen ein Ueberschuß an Gestorbenen über die Lebend geborenen zu bera zeichnen ist. Diese Bezirke haben also einen natürlichen Bevölkerungsrückgang, der, wenn

Ein Hungerstreik

in den österreichischen Gefängnissen und Konzentrationslagern nicht ein Umbruch in dieser Entwicklung eintritt

Protestaktion der Arbeiterschaft in den Betrieben

oder ein Zuzug stattfindet, zu einem Aussterben

Sehen wir uns die Bezirke an, um die es sich dabei handelt! Es ist kein Zufall, daß wir da Bezirke finden, die in anderem Zusammens hang in den letzten Jahren des öfteren in der

Bundeskommiffär Adam meldete um 17 Uhr fm Wiener   Rundfunk folgende Einzelheiten: Samstag früh um 9 Uhr 30 begab sich Dr. Schuschnigg mit seiner Gattin Herma und seinem Sohn Kurt nach St. Gilgen   im Salzkammergut  , um dort die Sommerferien zu verbringen. Adju tant Oberstleutnant Bartl und Gendarmerie­maior Kern begleiteten außer einem Detet tiv den Bundeskanzler. Das Auto wurde vom Chauffeur Tichh gelenkt. Die Adjutanten fuhren im ziveiten Wagen. Die Katastrophe ereignete sich um 12 Uhr 25 zwischen den Gemeinden Aften und Biechling. Das Auto fuhr mit einer Geschwindig hat am 10. Juli einheitlich bei allen politischen Die Forderungen der Gefangenen werden der Bevölkerung führen muß. feit von 80 Kilometern, als plötzlich der Chauffeur Gefangenen eingesezt. Diese Protestaktion richtet durch eine mit seinem Wagen auf die linke Seite der Straße sich in erster Linie gegen die standalöse Behand­geriet und an einem Baum anfuhr. Der Bundes- lung der politischen Häftlinge, aber auch gegen fangler wurde auf die Straße geschleudert, wo er die barbarischen Formen der politischen Justiz im bewußtlos liegen blieb. Seine Gattin heutigen Desterreich überhaupt. Dazu gehört ins­tieß bei dem Zusammenstoß mit dem Kopfe an die besondere die praktisch schrantenlose Strafge Decke des Automobils und war wahrscheinlich so- walt der Polizei, die ohne Verfahren, ohne fort tot. Der Sohn Surt erlitt eine leichtere Ver- Verteidigung, ohne Beweis zahllose Menschen legung im Gesicht, der Chauffeur wurde tödlich wegen des bloßen Verdachtes einer politischen berletzt. Der Benzinbehälter fing Feuer, doch Gesinnung zu Gefängnis bis zu einem Jahr ver­konnte der Brand rasch gelöscht werden. urteilt was sie bei Betrügern keineswegs darf. An Ort und Stelle wurde sofort die Un Dazu gehört ferner die zur Regel gewordene terfuchung aufgenommen, doch gelang es doppelte Bestrafung wegen eines und nicht, das Unglüd aufzuklären. desselben Delifts erst durch die Polizei und dann Die Straße war in bester Ordnung und an kei- durch das Gericht. Die politischen Forderungen ner Stelle beschädigt. Der Chauffeur Tichý war als verläßlich bekannt und stand im Dienste des Bundeskanzlers schon eine Reihe von Jahren. Es ist möglich, daß er von einem Unwohlsein befallen wurde und die Herrschaft über die Maschine verlor, aber es ist auch ein Maschi= nendefekt nicht ausgefchloffen, der nicht rechtzeitig bemerkt wurde.

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Huebers Beisetzung

unterstützt, die Deputationen zu den Behörder Presse genannt worden sind. Es sind dies entsendet. Mit einem Aufruf wenden sich die selben Bezirte, in denen die Mas Männer und Frauen in den Kerfern des öster- fenarbeitslosigkeit und die fo reichischen Fascismus Oeffentlichkeit sowie mit der Bitte um moralische Braunau  , Tetschen  , Friedland, Neustadt a. d. die österreichische ziale Notam trasfesten wüten! Unterstüßung an das Gewissen der gesamten Tafelfichte, Stomotau, Tannwald  , Gablonz  . Stulturivelt. Zwidau, Deutsch- Gabel, Marienbad  , Reichenberg  , Elbogen  , Haida, Rumburg  , Schluckenau  , Hains­pach, Trautenau  , Warnsdorf, Karlsbad   u. a. In diesen Bezirken mit starker deutscher   Bea Wien. Am Freitag fand im Wiener   Krema- bölkerungsmehrheit sind die zahlreichen Indus der Häftlinge lau ten daher in erster Linie: torium die Einäscherung der Leiche des verstorbe- striefriedhöfe anzutreffen; hier leben hunderts Freilaffung aller in Haft und in Konzen   nen ehemaligen sozialdemokratischen Abgeordnes tausende Menschen seit Jahren entweder von Löh trationslagern befindlichen politischen Gefan- ten und Gewerkschaftsführers Anton Hueber   nen, die so stark gedrückt wurden, daß sie unter das genen. Auflaffung der Konzentrationslager. statt. Bei der Feier hielten der ehemalige Vor- gesunken sind, was zur Bestreitung der Lebens Beseitigung der Methode der Geiselaushebung jizende der österreichischen Arbeiterkammer, S. baltung notwendig ist; oder sie sind ebenfalls und der Haftbarmachung Unbeteiligter. Auf Weigl, als Vertreter der tschechoslowakischen seit Jahren als Arbeitslose auf eine Unterstüßung hebung der außerordentlichen Strafgewalt der Sozialdemokraten Abgeordneter Brodecký und angewiesen, die, wenn sie nicht durch die Ana Polizei. Einschränkung der gerichtlichen Unter- als Vertreter der deutschen Sozialdemokraten in strengungen der Sozialdemokratie und der Ges fuchungshaft auf sechs Wochen. Keine Berhin der Tschechoslowakei   Abg. Schäfer Abschieds- werkschaften ausgebaut worden wäre, nicht eina reden. derung der Fürsorgeaktionen für Gefangene. mal die allerschlimmste Not von den Männern,