«r. 165 DonnerStag, 18. Full 1935 Gelte 3 fadcfcndeufsdier Sciispicjel irgend einer politischen Partei gutgeschrieben zu Hecken.. Und darum geht es jetzt dem Bunde. Was für die Kinder geschieht, muß unter der Flagge des Herrn Henlein, bziv. der SDP geschehen. Deshalb werden die alten Forderungen der sozialdemokra­tischen Partei nach Wohnungsfürsorge, nach mehr Fürsorge für Mutter und Kind, als neue von den Bundesmachern erfundene Forderungen prokla­miert. Deshalb auch entdeckt man jetzt den Gebur­tenrückgang überhaupt. Parteipolitik mit armen unglücklichen Frauen und Müttern! DaS ist der Grundgedanke, der in Eger zu dem Beschluß auf Einführung eines Mutterschaftsgrundstockes führte, nicht die Not der deutschen   Mutter und auch nicht der Wille ihr zu helfen. Das Unglück der Armen ist für diese Leute nur dazu da, um politisches Kapital daraus zu schlagen. Ernsthaft helfen aber werden sich die deutschen Arbeitermüt­ter so wie bis jetzt nur in der Verbindung mit der Sozialdemokratie können. Mutterschaftsgrundstock gegen Geburtenrückgang Die Geburtenziffer im deutschen   Randgebiet der Republik   geht ständig zurück. Auf diese Tat­sache ist im Zusammenhang mit Schilderungen der sozialen Verhältnisse unserer Zeit auch in unserer Presse wiederholtemale hingewiesen und die Ur­sache dieser finkenden Volksbewegung aufgezeigt worden. Nun aber die im Bund der Deutschen   in Böhmen   untergekommenen Henleinfascisten neue Schlager brauchen, um der Masse der deutschen  Bevölkerung Betriebsamkeit vorzutäuschen, greift man mit viel Bühnenkunst die Frage auf der Bun- deStagung in Eger auf und tut jetzt so als hätte man in Eger den Stein der Weisen erfunden, mit dem man mit Leichtigkeit der dauernden Vermin-' derung der deutschen   Bevölkerung dieses Staates entgegen wirken könnte. Denn sie sagen über den Beschluß, der auf Grund der Behandlung des Themas»Geburtenrückgang" gefaßt wurde, in der Presse: Bon großer Bedeutung ist der Antrag des Bundesbezirkes Tetschen   auf Schaffung eines Mutterschaftsgrundstockes gegen den Geburtonrückgang. Der Kampf gegen die Entartung des Lebens ist mit aller Kruft aufzu­nehmen. Alle Bundesgliederungen haben dir Pflicht, den Auf- und Ausbau entsprechender Abwehrbestrebungen zu beraten und alles zu tun, um den Willen zum Kind zu wecken, und die Mittel zu schaffen, um minderbegüterten, aber erbgesunden und ausbanwilligen Gliedern unseres Volkes die Familiengründung zu er­möglichen." Also wollen sie mit Hilfe eines Fonds den Kampf gegen die Entartung des Lebens aufneh­men und den Willen zum Kind wecken. Wo aber muß vor allem gegen die Entartung des Lebens zuerst gekämpft werden? Der Hauptreferent zu dem vorerwähnten Thema, Dr. Muntendorf, sagte u. a.:In er st er Linieversagen die sogenannten besseren Stände". Hier ist zweifellos die Entartung am größten. Hier aber wird gerade der moralische und mate­rielle Einfluß am wenigsten nützen. Auch dann nicht, wenn man jene Frauen, die sich die Frucht im Mutterleibe abtöten lassen, so wie es gesagt wurde, als Mörderinnen bezeichnet und jene die sich zur Abtreibung hergeben, ächtet. Denn diese Kreise der Bevölkerung haben sich noch nie an sitt­liche Gebote gehalten und um die Bedürfnisse ihres Volkes bisher herzlich wenig gekümmert, Sie wer­den nach wie vor für ihre Bequemlichkeit sehr viel, für das deutsche   Volk aber keine Opfer bringen. Nun will man noch die Mittel beschaffen, um den minderbegüterten Gliedern des deutschen   Vol­kes die Familiengründung zu ermöglichen. Daß man dabei nicht daran denkt, den armen Teufeln, die gerne Kinder kriegen möchten, Wohnun­gen, Aussteuern und den Le b e n s- unterhalt zu besorgen, ist selbstverständlich. Es kann sich also nur darum handeln, in einzel­nen Fällen Unterstützungen zu gewähren, damit geheiratet oder entbunden werden kann. Die Un­terstützung für die Gründung eines Familienstan­des genügt aber zur Führung eines kinderreichen Haushaltes nicht. Bleibt also nur die Unterstützung im Falle einer Geburt. Ist aber diese Unterstüt­zung etwas Neues? Es ist uns, als hätten wir noch vor ganz kurzer Zett in der gleichen Presse, die heute in so hohen Tönen von dem Beschlüsse in Eger schreibt, etwas vonW ahlwindeln derStadtWien" gelesen. Jawohl ge­höhnt und gespottet hat man über die Unterstüt­zung der Wöchnerinnen und war hocherfreut, als man mit Kanonen der Fürsorge-Inflation ein Ende bereitete. Soll das so geächtete Werk der Wiener Sozialdemokraten Urständ feiern? Aber noch etwas anderes. Die Unterstützung der Wöchnerinnen wird gerade von jenen, denen Sturzende Nazisäulen Auch aus Chemnitz   wird jetzt Wer den Sturz weiterer führender Nazigrößen berichtet. Schon vor geraumer Zeit sind die Führer aus den berüchtigten Märztagen 1933, Rechtsanwalt Herberg, Brigadeführer Lasch, Schauspieler Stein, Redakteur Baller st edt, SA-Führer V o g t als über Bord gegangen gemeldet worden. Fetzt trifft die Nachricht über neueReinigungs­prozesse" ein. Der Leiter der nationalsozialistischen Volkswohlfahrt und der Winterhilfe, Stadtrat Kr o n b u r g, ist unter der Beschuldigung, 11.009 Mark unterschlagen zu haben, verhaftet worden. Auch der durch seine Brutalität im ganzen Erz­ gebirge   bekannt gewordene Chemnitzer   Iftieisleiter Ernst Mutz   ist nun unter schwerwiegenden Be­schuldigungen von seinem Posten entfernt worden. Ferner schwebt gegen den Stadtverordnetenvor« sicher Rechtsanwalt Dr. Stülpnagel ein Ermittlungsverfahren. Die Führerin des Bundes deutscher   Mädels, Lämmel, sitzt wegen Unterschla­gungen im Gefängnis. Der Nazi-Vertrauensmann für die gleichgeschalteten Konsumvereine in Chem­ nitz  , der Stadtverordnete Schnabel, ist eben­falls unter kriminellen Anschuldigungen aus Amr und Würden gejagt worden. DaS sind die Reiniger und Erneuerer Deutschlands  ! man heute zum Tell die Schuld an dem Geburten­rückgang in die Schuhe schiebt, den Marxisten, praktisch durchgeführt. Die von den Deutschbürger­lichen soviel geschmähten Krankenkassen haben an der Fürsorge der minderbemittellen Mütter ein sehr großes Verdienst. Sie ermöglichen ihr, die Entbindung unter menschenwürdigen Ver­hältnissen vorzunehmen, geben Stillprä­mien, sorgen für den notwendigen Schutz der Mutter vor und nach der Entbindung. Dann aber sind doch die Beratungsstellen für Schwangere, die Mütterberatungsstellen, die Kinderheime der deutschen   Jugendfürsorge da, die an dem Kampfe gegen den Geburtenrückgang sehr großen Anteil haben und an Fürsorge für Mutter und Kind gewaltige Leistungen vollbracht haben. Freilich ohne ihr Werk und ihre Erfolge Was die Kohlengruben verdienen Der Gewinn betragt 61 Prozent Bei dem Bezirksgericht in Eibenschih fand ein Prozeß statt, der insoferne allgemeines In­teresse beanspruchen darf, als im Verlaufe dieses Prozesses zutage trat, wie gross der Gewinn der Kohlengruben ist. Die Rossitzer Kohlen­bergwerksgesellschaft klagte den In­haber von Kohlenfeldern und des SchurfrechteS Oskar Weiß und den Geologen F. Locker auf Schadenersatz, weil diese einen Stollen errichteten, der in das Gebiet der Kohlenbevgwerksgosellschaft reicht. Nun ist es interessant, wie hoch die Gesell­schaft den Schaden-, den sie dadurch erlitt, daß sie um eine bestimmte Menge Kohle kam, schätzt. Sie behauptet, daß ein Zent­ner Kohle bei einem Berkaufs- preis von 12 KL einen Gewinn von 7.32 KL, das sind 61 Prozent, bringt. Die Geklagten wei­sen diese Behauptung zurück und wenden ein, daß der verlangte Schadenersatz viel zu hoch sei. Die Gesellschaft besteht aber auf ihrer Behaup­tung. Der Prozeß ist noch nicht entschieden.* Uns interessiert an diesem Prozeß vor allem die Tatsache, daß die Rossitzer Kohlenbergbaugesellschaft selb st den Gewinn bei einem Kilogramm Kohle mitül P r o- zent angibt. Unsere Leser dürften sich noch daran erinnern., wie energisch die Gesellschaft seinerzeit die berechtigten Lohnansprüche der strei­kenden Bergarbeiter abgewicsen hat. Die Ge­sellschaft behauptete damals, daß sie keine höheren Löhne zahlen könne, da die Rentabilität der Gruben sehr g'ering seist) Dieser. Prozeß deckt aber die Unrichtigkeit dieser Behauptung ganz eindeutig auf und setzt das rücksichtslose und auf die Er­reichung eines möglich st großen Profits ausgehende Vorgehen der G e s e ll s ch a f t g e g e n ü b e r ihrenAr- beitern in das richtige Licht. Verzwelflunsskampf der Schrollarbeiter in Braunau  Di« Textilfirma Schroll hat ihre Betriebe in Brauttau-Oelberg und Hakbstadt. Im Jahre 1929 beschäftigte sie im Btaunauer Betrieb 1732 und im Halbstädter noch 780 Arbeiter und Arbeiterin­nen. Inzwischen hat sie die Zahl der Beschäftigten in Braunau   auf 650, in Halbstadt auf 356 her­abgesetzt. 1500 Arbeit« haben also in den vergangene« sechs Jahren ihren Arbeitsplatz verloren. Sie fristen zum großen Teil als Ernährungskar­tenbezieher ihr Leben. Die Wirtschaftskrise hat ihnen die Existenz genommen, so sagt man aber eS ist noch lange nicht erwiesen, ob die Wirtschafts­krise oder eine skrupellose Unternehmerpolitik dir Ursachen des Hungers von diesen 1500 Arbeits­menschen ist. Es ist nämlich bekannt, daß die, ob ihrer Erzeugnisse in der ganzen Welt bekannte Firma Schroll in der Nachkriegszeit auch in ande­ren Staaten Produktionsstätten errichtet hat und damit den Markt der einheimischen Fabriken stark begrenzte. Außerdem hat hier eine Rationalisie­rungsmethode Eingang gefunden, die hunderten Arbeitern das Brot entzog, dem christlichen Fa­brikschef jedenfalls aber sehr gut tat. Aber trotz alledem; die Menschen waren ruhig und geduldig, bis in den letzten-Wochen die Betriebsleitung an­kündigte, daß von den verbliebenen 1100 Ar­beitern neu«dings 310 entlassen werden sollen. Nicht vielleicht deswegen, weil weniger Arbeit vorhanden ist, sondern weil das bestehende System der Kurzarbett unrentabel sei und nunmehr durch eine verminderte, aber ständig in Arbeit stehende Belegschaft ersetzt werden soll. Die Arbeiter haben aus Gründen der Soli­darität seinerzeit verlangt, daß an Stelle von wei­teren Entlassungen Kurzarbeit ttete, haben also für einander große Opfer gebracht, die unter sehr frommer Führung stehende Betriebsleitung aber geht über diese soziale Einstellung der Arbeiter zur Erhöhung des Profites durch Abschaffung der Kurzarbeit mittels Verminderung der Arbeiter­zahl um ein Drittel über. Dagegen setzten sich die Arbeiter beider Betriebe zur Wehr. Die Bezirks­behörde entschied, daß keine Entlassungen vorge­nommen werden dürfen. Eine Deputation unter In christlichen Ständestaat A, Hungerstr ei kler, Hochwürden! Fasten ist der Kirche wohlgefSlllg, aber vergeßt nicht ihren Segen einzuholen l Führung des Genossen Taub sprach beim Für­sorgeminister Jng. N e L a s vor, der ebenfalls gegen die Entlassungen Stellung nahm. Aber die christliche Firma Schroll kümmerte sich einen blauen Teufel um die Behörden und um die Angst­rufe der Arbeiter und ging schon am 29. Juni zu den ersten Entlassungen über. Nunmehr aber setzt der Verzweiflungskampf der Arbeiter ein. Sie rufen nun noch einmal alle Staatsstellen an, um weitere Entlassungen zu verhindern und fordern statt dessen, die Belegschaft turnusweise auszu­setzen. Sonntag zogen die Schrollarbeiter aus Braunau   und Halbstadt demonstrativ zum Schüt­zenhaussaale in Braunau  , um dort noch eurmal gemeinsam Hilfe anzurufen. In einer einstimmig angenommenen Resolution werden die Oessentlich- keit und die Behörden aufgerufen, das Attentat auf die Arbeiter im Betriebe Schroll zu verhin­dern. 6000 Menschen sind im Bezirk Braunau  arbeitslos, zu ihnen sollen dreihundert kommen, die ohne Not der Profitgier der Unternehmer ge­opfert werden sollen. Wird man das zulaffcn? Oder wird man an entscheidender Stelle um drei­hundert Menschen und ihren Angehörigen vor dem Ruin zu retten, entschlossen zu einer Tat über­gehen? Noch sind die Menschen, um die es geht, diszipliniert und fordern bescheiden ihr Recht auf einen Bissen selbstverdientes Brot. Was aber, wtnn sie sich von allen verlassen sehen? Muß nicht die VerDveiflung ihre Disziplin ertöten und ihr Verantwortungsgefühl gegenüber einer Gesell­schaft, die'sie mutwillig zugrunde richtet, abge­stumpft werden? Darf man die Menschen ihrer Verzweiflung überlassen? Nein! Man muß die Mittel und die Wege finde«, um einen grldhungrigen Unternehm« zur Raiso« zu bringen, seine Wünsche unt« jene von dreihundert braven Menschen unterzuordnen. So will es menschliches Gehot und menschliche Vernunft. Französischer Vermi ttlungsvorschlas? Paris  . Der französische   Botschaft« in Rom   de Chambrun hatte Dieicktag eine längere Besprechung mit Mussolini  . D« römische Ko«espondent desMalin" verzeichnet daS Gerücht, daß die französische Re­gierung einen LermittlungSvorschlag vorbcrcttet und daß d« französische Botschafter bei Mussolini   den Boden für die praktische Mög­lichkeit der Annahme der Vermittlung durch Ita­ lien   geprüft habe. Die Einzelheiten deS franzö­ sischen   Planck werden auf vckden Seiten streng geheim gehalten. Italienische Zivilisten verlassen das Kriegsseblet Aden.(Reuter.) 48 italienische Familien sind aus Dschibuti   hier eingetroffen und mit einem italienischen Dampfer in die Heimat ab­gereist. Ein italienisches Kriegsschiff steht bereit, weitere Flüchtling' Heimzutransportieren. In Erythräa herrscht schreckliche Hitze. An Sonnenstich sterben täglich durchschnittlich 12 italienische Sol­daten. Eine große Menge kranker Soldaten, die auf dem DampferMogadiscio  " gebracht wur­den, werden in die Heimat übergeführt. Italien   belebt die Märkte Agram. Bisher wurden aus Jugoslawien  4000 Waggon Holz für den Bedarf der italieni­schen Militärs in Ostafrika   rusgeführt. Mgn rechnet damit, daß die italienische Nachfrage nach Holz in Jugoslawien   bis zum Herbst noch zunch- men wird. Bevor Mussolinck Granaten krachen hat das bereits eine große B a n k getan, das Institut für Schiffahrts-Kredit. Alle Bemühungen der Fasei- stenregierung dieses charakteristische Vorzeichen kommender Ereignisse zu verhindern, blieben ver­geblich. Nun hat sie das Institut für industriellen Wiederaufbau damit beauftragt, das Vermögen der Bank zu übernehmen und als Treuhänder der Gläubiger tätig zu sein. Irgendwelche Ziffern über den Stand des verkrachten Unternehmens sind nicht bekanntgegeben worden. Propaganda Segen Wahlabstinenz Warschau. Nach Meldungen der opposi­tionellen Blätter ist der Rcgierungsblock gegen­wärtig mit der Festsetzung der Kandidaturen in das künftige Parlament beschäftigt. Was die Vertretung der nationalen Minderheiten im künftigen Sejm anbelangt, behauptet die oppo­sitionelle Presse, daß für die Ukrainer 15 und für die Juden 6 bis 7 Abgeordnetenmandate vom Regierungsblock vorgesehen wurden. Um der von den oppositionellen Parteien proklamierten Enthaltung an den Parlamentswahlen entgegen­zutreten, haben die maßgebenden Faktoren be­schlossen,«ine umfangreiche Propagandaaüion in der Presse und durch den Rundfunk einzu­leiten, um die bretten   Volksschichten für die Be­teiligung an den Wahlen zu gewinnen. Alle polnischen Sender werden bereits in den nächsten Tagen in ihr Programm einen Aufruf an die Bevölkerung zur Teilnahme an den parlamenta­rischen Neuwahlen einschalten.