Seite 2 Freitag, 26. Juli 1935 Nr. 172 Es ist nun bezeichnend für den Geisteszu­stand, der seit Hitlers Machtantritt im Lande dex Liebig und Homboldt Orgien feiert, daß sich die Attacken gegen den Versailler Friedensvertrag ge­rade auch jene Heilmittel-Bestimmungen des Ve«, tragswerkeS gleich hinter den Militärklausclnl als Ziel aussuchen. In der gleichgeschalteten medizinischen und chemo -technischen Fachpresse Deutschlands ist jetzt ziemlich allgemein der Sturmangriff darauf eröffnet. So schämt sich ein Professor Hörlein(der übrigens gar nichts dabei findet, als seine Autorenadresse offenherzig und bieder»Elberfeld -Wuppertal , I. G. Farben" an­zugeben) keineswegs, in derDeutschen Medizini­schen Wochenschrift" den Russen nachzusagen, daß sie das deutschePlasmochin" nacherfunden hät­ten. Ein Beweis wird nicht vorgebracht. Nach die­sem selben Hörlein haben die Franzosen aus dem deutschen Protosil", einem Heilmittel gegen Streptokokken, schnöderweise ihrRubiazol" als Imitation gemacht. In diesem Zusammenhang wird der französischen Akademie der Wissenschaf­ ten sogar der Vorwurf gemacht, sie habe diesen Betrug" gedeckt I Für die wissenschaftliche Objek­tivität dieses Hitler-Gelehrten, der freilich mehr mit seinem Portemonnaie als mit seinem Hirn an den wirklichen Erfolgen der Wissenschaft inter­essiert zu sein scheint, spricht am drastischen seine Sprache^ in der er seine Kümmernis um entgan­gene Wucherrenten vorträgt. Da heißt es zum Bei ­spiel wörtlich:Es herrscht auf pharmazeutischem Gebiet ein Zustand, der nicht allzuweit vom mit­telalterlichen Raubrittertum entfernt ist." Die Raubritter nun das sind für den Pg. Hörlein auch die Franzosen , obschon es auch in Deutschland sicherlich immer noch tödlich verlaufene Tollwut geben würde, wenn der große Franzose Pasteur ein ähnlicher Geist gewesen wäre, wie dieser wis­senschaftliche Hausknecht von I. G. Farben. Bei jedem einsichtigen Deutschen , der sein Vaterland, wenn auch nicht im Geiste Hitlers liebt, besteht sicher die Meinung, daß auch auf dem Ge­biete des Austausches der Heilmittel unter den Völkern eine Lösung gefunden werden sollte, die auch Deutschland Gerechtigkeit widerfahren läßt. Aber klar ist es, daß die Form, in der jetzt der neue deutsche Imperialismus und Weltausbeu­tungsdrang, von Hiller und seinen, braunen Räu­berbanden vorgetragen und von den Professoren Hurra-Deutschlands als seinem pseudo-wissen- schaftlichen Train gefordert, seine alten Forderun­gen vorbringt, gerade den berühmtenhöchsten Menschheitsproblemen" Tritte mit dem Kommiß­stiefel versetzt! Und es ist ebenso klar, daß dieses Verhalten der Hitlerdeutschen auch jede wirklich verständige und allen annehmbare Lösung jener problematischen Frage unmöglich macht am meisten zum Schaden Deutschlands selbst! F. E. R. Ilie neue radikale Welle in Deutschland (AP.) In Deutschland herrscht, wenn man dtn banalen Ausdruck gebrauchen soll,dicke Luft". Das im Krieg so beliebte Wort ist durch­aus passend. Das Dritte Reich führt zunächst ein­mal Krieg im Innern. Dabei ist wieder das Motto aus dem Weltkrieg an die Spitze gestellt worden: Biel Feind', viel Ehr'! So hat sich das national­sozialistische Regime ein bißchen viel Feinde aus einmal aufs Korn genommen: die Juden, die Ka­tholiken und die Bekenntniskirche, die Reaktion, wobei man es auf Stahlhelmer, Korporationen und andere Repräsentanten einer mehr konserva­tiven Geisteshaltung abgesehen hat, und schließlich die Marxisten, die darüber keineswegs vergessen werden. Das Dritte Reich schlägt gewissermaßen um sich. Warum daS alles? Es wäre zu primitiv, wenn man nur von einer Ablenkung sprechen und alles mit dem Be­streben, die alten Kämpfer zu beschäftigen und als unentbehrlich hinzustellen, erklären wollte. Es ist die wachsende Opposition, die diese Nervosität hervorgerufen hat. Und auf den ersten Blick scheint es, als ob man gegen diese Opposi­tion die Opposition in den eigenen Reihen mobili­siere, um die eine mit der anderen zu schlagen. Woher aber,diese Hydra der Opposition,, der die abgeschlagenen Köpfe ständig nachwachsen?. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten allein reichen zur Begründung nicht aus. Es ist vielmehr die Ver­kettung der wirtschaftlichen und politischen Schwts- rigkeiten, die die Situation so kompliziert macht. Schauen wir recht hin, so sehen wir förmlich einen circulus vitiosus vor uns. Ein wichtiges Moment, das man heranziehen muß, wenn man den Dingen auf den Grund gehen will, ist die immer stürmischer von Kreisen der Reichswehr und der Wirtschaft, von Oppositionel­len und auch von Anhängern Hitlers selbst erho­bene Forderung aus Auflösung der NSDAP . Dieser Prozeß geht nicht reibungslos vor sich. Die Kräfte der Gegner der Partei sind noch nicht stark genug, um die Forderung zu realisieren, aber immerhin schon so stark, um sie überhaupt auf die Tagesordnung stellen zu können. Die Kräfte der Partei sind noch zu stark, als daß man sie schon behandeln könnte wie weiland die SA, aber nicht mehr so stark, als daß sie dies Begehren im Keime zu ersticken vermöchte. Das ist die eine Ursache, weshalb die Partei wie wild um sich schlägt. Sie kämpft um ihre Existenz, 800.000 Parteibuch­beamte um ihre Positionen, ein paar Dutzend füh­rende Leute um die Erhaltung ihrer Macht. Das führte dazu, daß das Gros der Partei sich wieder den sogenannten Linken annäherte, obwohl zwi­schen ihnen der 80. Juni mit seinen Blutopfern steht, daß es ihne Kozessionen personeller und sach­licher Art macht. Gegen die Schacht und Blomberg wollen sie alle zusammenhalten. Dieser neue Radikalismus ist freilich anderer Art als der vor einem Jahr bekämpfte, Denn er-erstreckt sich nichtaufwirtschaf t- I i ch e u n d soziale Fragen. Es ist der Radikalismus, auf dem Gebiete des Autisemitis- 'mus, der RiiWnfrage und des TötankätWestre- bens(gegen Reichswehr , Auswärtiges Amt und nichtgleichgeschaltete Beamte). Dieser neue Radi­kalismus findet die Billigung Hitlers , der Strei­cher nicht fallen läßt und in der Judenfrage keine Konzessionen kennt. Das aber macht gerade die Lage auswegslos. Können Reichswehr , Wirtschaft und Auswärtiges Amt zusehen, wie hier unent­wegt Porzellan zerschlagen wird? Hitler kann aber nicht nachgeben, denn schon sind die tobenden Ele­mente zu sehr entfesselt. Ein circulus vitiosus, aus dem es nur einen gewaltsamen Ausweg zu geben scheint, wenn nicht noch einmal ein Beschwich­tigungsversuch unternommen wird, der aber, nur kurzftistig wäre und die Probleme vertagt, statt sie zu lösen., Holländische Reaktion vor dem Sturz R. F. Holland steht seit zwei Jahren unter der Herrschaft der Regierung Colijn einer Regierung, die den ,Muhm" für sich in Auspruch nehmen kann, die reaktionärste in West­ europa zu sein. Gestützt auf die Römisch-katholische Staatspartei und auf deren protestantisches Ge­genstück, die Antirevolutionären(denen auch Colijn angehört), schweigend toleriert von allen liberalen" und bürgerlichen Gruppen, hat das Kabinett Colijn eine Politik der schärfsten sozialen und kulturellen Reaktion getrieben. Die Lohne sind um mehr als ein Drittel gesunken, die Arbeits­losigkeit stieg bis auf die sirr Holland geradezu katastrophale Höhe von 432.000. Das starre'Fest­halten an derdeflationistischen" Anpassungs­politik, die mit der Notwendigkeit desSchutzes der Währung"(Holland gehört dem Goldblock an) begründet werden sollte, hat der Regierung jede Möglichkeit einer konstruktiven Wirtschaftspolitik genommen. Sie ist zur Gefangenen ihrer eigenen Grundsätze" geworden, die alle letzten Endes darauf hinauSlaufen, die Rente des Finanzkapitals ungeschmälert aufrechtzuerhalten. Diese Politik hat naturgemäß die breiten arbeitenden Massen in steigende Unruhe versetzt. Richt nur die Sozialisten, sondern auch die in Holland sehr starken katholischen Gewerkschaften wehrten sich gegen die steigende Verelendung, in die sie durch die Regierungspolitik hineingetrieben wurden. Dies äußerte sich zunächst in langen, mit außerordentlicher Erbitterung geführten Streiks (bei denen die Textilindustrie in Enschede eine be­sonders große Rolle spielte), dann aber auch in parteipolitischen Entwicklungen, die vor allem die Römisch-katholische Staatspartei empfindlich tra­fen. Die Christlichen Demokraten, ein« katholische Partei, die ihre Anhänger aus den Reihen der Arbeiter und Bauernschaft rekrutiert, gewann sicht­lich an Boden, noch stärker wuchs die Sozialdemo­kratie und vor allem die Staatspartei sah sich vor die Gefahr gestellt, bei den nächsten Wahlen ihre Position als stärkste Partei des Landes an die Sozialdemokratie abtreten zu müssen. Diese Entwicklung wurde durch zwei Ereig­nisse beschelunigt: erstens durch das belgische Beispiel der Regierung van Zeeland , die die Möglichkeit einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen wirklich fortschrittlichen Katholiken und zwischen Sozialdemokraten praktisch vor Augen sührte, und die Gemeindewahlen vom An­sang dieses Monats, die einen großen sozialistischen Erfolg und das Zustandekommen einer roten Mehrheit in Amsterdam und Rotterdam gebracht haben. Dies alles bewirkte, daß die Römisch-katho­ lisch « Staatspartei sich von dem Regierungskurs zu tiistanzieren begann. Das erste deutliche Anzei­chen für diese Wendung war der Austritt des Katholiken Steenberghe aus der Negierung, der verlangt hafte, an die Stelle der jetzt pendenten neuen Abbauvorlagen eine Devalvation zu setzen. Die katholische Parlamentsfraktion war in sich nicht einig, weshalb dieses Ereignis vorläufig noch ohne weitere Folgen blieb. Als aber die erwähnteg neuen Abbauvorlagen(Herabsetzung der Beamten­gehälter, der Sozialleistungen und der Ausgaben für den Unterricht) vor das Parlament kamen, und Colijn sich weigerte, vor deren Verabschiedung ein Gesetz über die Herabsetzung der Mieten zur Abstimmung zu bringen, da war die überwiegende Mehrheit der katholsschen Kammerfraktion einig. Ihr offizieller Sprecher trat gegen die Regierung auf und Colijn antwortete in einem Tonfall, deit man von dieser Seite nur den Sozialdemokraten gegenüber hörte. Zur Stunde, wo diese Zeilen geschrieben wer­den, ist es nicht sicher, ob die Katholiken bis,zuletzt den Mut zu ihrer eigenen Courage behalten wer­den. Sollte das der Fall sein, so wird voraussicht­lich nur die Auflösung beider Kammern(für die erste Kammer sind ohnedies bereits die fälligen Neuwahlen ausgeschrieben) und damit ein sicher zu erwartender Sieg der fortschrittlichen, fiqial« orienftcrten Kräfte die Folge sein können. So oder anders aber sind die Tage eines reaktionären Regimes gezählt, dem weder die holländischen, noch die Arbeiter der anderen Länder eine Träne nach­weinen werden namentlich die, die sich daran erinnern, daß dieses Regime seinerzeit die Emi­granten Liebermann und Genossen an die Gestapo ausgeliefert hat. Spanische Fascisten Im Parlament abgeblitzt Die Vereinigten Monarchisten und Klerika­len des spanischen Fascisten und Kriegsministers GilRobleS wollen auf ihre Rache an den demokratischen Exministern A z a n a und Qui­roga nicht verzichten. Obgleich bereits durch ge­richtliche Untersuchung festgestellt ist, daß beide mit dem Aufstand in Asturien nichts zu tun ge­habt haben, sollte daS Parlament gegen beide die Strafverfolgung anordnen. Trotz aller Bemühun­gen blieb die Rechte in der Minderheit. Nun will man noch das Gesetz auf Entschädi­gung der Großgrundbesitzer durchpeitschen, die von der^Republik enteigne! Worden sind. Für 109 ehemalige Granden soll eine Riesensumme gleich 2,4 Milliarden XL aus dem bettelarmen Volk herausgepreßt werden. Rack diesem Raubzug soll das Parlament aufgelöst und die Neuwahl ausgeschrieben werden, auf die ganz Spanien hoffnungsvoll wartet. Die Konzenwa- tion der Linken, über die wir schon berichteten, ge­schieht bereits im Hinblick darauf. Die Militärs haben gewarnt I London. Der nach Rom entsandte diploma­tische Korrespondent desNews Chronicle" berich­tet, eS stehe fest, daß vor genau einem Jahr hohe italienische Offiziere mit Bestürzung, erfahren hätten, daß Mussolini einen Feldzug in Abessinien plane, um einen Korridor zwischen den beiden italienischen Kolonien Somaliland und Ery- träa herzustellen. Sie hätten sich dagegen aus­gesprochen, ebenso ein an Ort und Stelle befind­licher Ausschuß, aber Italien sei seit einem Jahr« dem Krieg mit verhängnisvoller Stetigkeit ent­gegengetrieben. Heute seien die italienischen For­derungen.so kraß, daß sogar der versöhnlichste BölkerLündrat ihnen kaum züstimmen könne. Soweit sich feststellen lasse, fordere Italien den Besitz wertvoller und ungeheuer ausgedehnter An­siedlungsgebiete und die Uebernahme des Polizei- diensteS in den drei oder vier Provinzen, die dem Kaiser überlassen bleiben sollen. Somit könne nur ein Wunder diesen furchtbaren Krieg verhindern. König Carol will keine Diktatur Bukarest . Alle hiesigen Blätter kvmmenfteren in ausführlicher Weise ein Interview König Carols, das dieser einem amerikanischen Journa­listen gewährte. Das BlattLupta " schreibt dirett, daß eS sich um eine öffentliche Erklärung des rumänischen Herrschers handle, daß er kein diktatorisches Regime einzuführen gedenk«. 78 komm, von Emil v*chek-'n Deutsch von Anna AurednKek »Ich geb' dir's, wie du willst, bringe mich nur schon zu meinem Minister", bettelte der Hei- ratsbereite. Loisis schleppte Beinsteller über die Stufen, die zur Hühnersteige führten. Oben an­gelangt, legte sie den matten Körper ihres Bräu­tigams auf die Matratze und eilte, um Tinte und.. Feder herbeizuholen. Das war nicht ganz leicht. " i der ganzen'Wohnung war nichts Derartiges aufzutreiben. An so einer Kleinigkeit darf das Glück eines Menschen nicht scheitern» besonders wenn er es so schwer errungen hat. Sie wußte, daß Beinsteller sich in Literatur versuchte er schrieb seine Erinnerungen, zog den Wohnungsschlüssel aus seiner Tasche und holte aus seiner Wohnung alles, was sie brauchte. Als Draufgabe nahm sie eine Flasche Kognak mit. Doch ehe sie zurückkam, war Beinsteller so fest eingeschlafen, daß sie ihn trotz aller Anstren­gung nicht mehr aufwecken konnte. Was soll ich mit der Schlafmütze anfän- gen?" rief sie klagend.Verspricht einem armen Frauenzimmer die Ehe und schläft dann ein. Tut nichts; wenn er selbst nicht schreiben kann, mach' ich's für ihn. Die Frau hat das Recht, für ihren Mann zu unterschreiben." Sie schrieb hierauf folgendes Beglaubi­gungsschreiben: Unterzeichneter bestätigt hiermit, daß er Fräulein Aloisia Tichy in drei(ausgestri­chen) in zwei Monaten zur Frau nehmen wird. So und hier werde ich unterschreiben, du Strolch." Und so geschah cs. ' I'- 11 i 1"-« 11' Als sie sich aus der mitgebrachten Flasche gestärkt hatte, fiel ihr ein, Ferdl könnte am näch­sten Tag die Echtheit seiner Unterschrift leugnen. Nach längerer Erwägung entschloß sich Loisis, zu Beinstellers Unterschrift drei Kreuzchen zu setzen. Diese unschuldigen Kreuzchen gaben ihr so eine Sicherheit, daß sie sich neben dem schnarchenden Beinsteller ausstreckte und in einer Weile ebenso fest schlief wie er. In dem Augenblick, da Loisis an diesem Morgen die seligsten Augenblicke ihres so beweg­ten Lebens auskostete sie war soeben bei der neuen Deutung der Prophezeiung ihres Onkels angelangt, durchlebte die Schwarze Kathi Augenblicke furchtbarster Verzweiflung. Kathi hatte bis zürn letzten Augenblick ge­hofft. Jetzt aber stand ihr ganzer mühevoller, durch beinahe dreißigjährige Arbeit erworbener Ruf auf dem Spiel. Jeden Augenblick konnte auf der Hühnersteige der Bräutigam erscheinen und trotz ihrer deutlichen Prophezeiung freundlich aus­genommen werden. Wenn dies in die Oeffentlich- keit käme, wäre sie ruiniert. In ihrer langen Praxis war ja manchesmal daS gerade Gegenteil ihrer Prophezeiung eingetroffen. Aber das war Leuten widerfahren, die am entgegengesetzten Ende der Stadt wohnten. Und der arme Medo VH. drückte sich mit leerem Magen in den Ecken herum. Sie dachte gar nicht daran, ihm seine Morgcnmilch zu geben, da er sie in ein solchesMallör" gebracht hatte. Sie hatte ihn schon mit allen Pülstenr, Kämmen und Bürsten bombardiert und der Kater war nur durch ein Wunder einem schmählichen Tod entgan­gen. Mer auch das brachte ihr keine Beruhigung. In ihrer furchtbaren Auftegung lief sie in den Hof und ihr schlechtes Gewissen zog sie auf die Hühnersteige. Weiß Gott , was sie eigentlich dort wollte. Jedenfalls schritt sie zur Tür der Chalupas. Sie gelangte nicht bis hin, denn als sie an Loisis Fenster vorüberkam, entdeckte sie ein neues Un ­glück. Es war so grauenhaft, daß sie an das andre vergaß. Sie sah die verzückt daliegende, halb­nackte Loisis, die zärtlich die Wangen des neben ihr liegenden Mannes streichelte. Als sie genauer hinsah, erkannte sie.Peinsteller. Das war das Ende ihrer prophetischen Kunst. Jetzt war sie schachmatt. Im Laufe von zwei Tagen war sie auf zwei wichtigen Kampf­plätzen geschlagen worden. Sophie würde denUn- richttgen" heiraten und derRichtige"uner­wartet" die lange Reise mit Loisis antreten. Nur die unüberwindliche Verachtung, welche die Schwarze Kathi seit jeher für Frauen empfand, die einer Schwäche unterlagen, be­wahrte sie vor einer Ohnmacht. Sie mußte sich aber an das Pawlatschengeländer halten, und es dauerte lange, ehe sie fähig war, den Rückzug an­zutreten. Beinsteller konnte sich nicht genug wundern, als er in Loisis Stube erwachte. Was willst du, Liebling, Kakao, Schoko­lade, Kaffee, Tee oder Allasch mit Rum?" fragte Loisis mit flötender Stimme, obwohl sie nur das letztere im Hause hatte. .Wie bin ich denn hergekommen?" fragte Beinsteller, als er das erste Staunen abgeschüttelt hatte.Ich habe wohl gestern beim Minister ge- nachtmahlt und dann..." Die Erwähnung des Ministers jagte Loisis Schrecken ein. Am Ende war er wirklich verrückt geworden?Ich bitte dich Ferdl, quatsch nicht mehr von dem Minister, ich war schon gestern ganz blöd davon..." Und dann?" fragte Beinsteller störrisch. Dann?" rief Loisis schon beruhigter,dann haben wir uns verabredet, zu heiraten." Was? Wer hat verabredet und was verab­redet? Warum? Weshalb?" Wir beide natürlich, mein Zuckerplätzchen", erklärte Loisis noch immer sanft.Du sagtest mir doch gestern in derHundshütte" vor Zeugen:, Loisis, du bist die beste Frau der Welt, und ich bin verlassen wie ein abgerissener Knopfhei­raten wir.Aber", fuhr sie bissig fort, als sie sei­nen ungläubigen Gesichtsausdruck bemerkte,ich habe geahnt, du Gauner, daß du mir eS ableugncn wirst, und habe mir's auf jeden Fall schriftlich von dir geben lassen." Ich habe niemandem etwas schriftlich gege­ben", sagte Beinsteller mit resoluter Sicherheit. So dumm bin ich wieder nicht." Und unsere Hochzeitsnacht?" rief Loisis tragisch.Willst du leugnen, daß wir sie gleich ge­feiert haben?" Davon weiß ich nichts, Loisis. Hab' ich dir das schriftlich gegeben?" Du elender Lausbub du", kreischte Loisis, du wirst eine Frau in ihren heiligsten Gefühlen verletzen? Erst bringst du unscreinen in Ruf und dann behauptest du, davon nickts zu wissen. Da lies!" Etwas unsicher legte sie ihren BeglaU- bigungSschein vor. Kaum hatte Beinstcller einen Blick auf das Papier geworfen, so rief er:Das häb' ich nie geschrieben! Ich will nicht prahlen, aber für so eine Schrift und Rechtschreibung müßte ick> mich schämen!" Es sagt sa niemand, daß du es geschrieben hast» aber diese drei Kreuzchen hast du mit deiner eigenen Hand gemacht, und dar gilt vor dem Ge­setz!" Beinsteller wurde nachdenllich.Sonderbar, Loisis. Ich kann doch meinen ganzen Namen unter­schreiben. Wenn ick, bei Vernunft bin. Warum habe ich plötzlich Kreuzchen gekritzcft?" Na, deine Hand wgr nicht mehr ganz sicher, mein Lieber", gab Loisis zurück. Sag' doch, daß ich besoffen war wie eine Kanone. DaS Zeug hat keinen Wert. Loisis. Ein betrunkener Mensch kann einen andern töten, und man darf ihn doch nicht verurteilen. So steht'S im Gesetz. Und da er wegen Suff nicht zum Galgen verurteilt werden darf, gibt'S wegen Suff ou4 keine Verurteilung zur Ehe." (Fortsetzung folgt.)'