Nr. 172 Freitag, 28. Juli 1935 Seite 5 Die Stadt, die nicht endet London gestern, heute, morgen Bon Peer John Ter Flug über London dauerte eine und eine halbe Stunde. Als ich den Piloten bat, den Grenzen Londons entlang zu fliegen, erwiderte er:»Unmöglich! London bat keine Grenzen!" 2000 Meter hoch, sieht man kaum mehr da und dort grüne Flecke. Die Parks und Garten-1 anlagen sind verschwunden. Eine kompakte rotbraune Häusermasse erstreckt sich allseits zum Horizont. Tas Häusermeer hat die Grafschaft Middlesex fast zur Grenze überflutet, es überschwemmt die grünen Felder von Surrey und Kent , cs wälzt sich wie die Sintflut in die Grafschaften Buckinghamshire , Hertfordshir«, Bedford- shire und Essex hinein. Senkt sich das Flugzeug, so sieht man die Häuser gereiht in endlosen Strassen, schnurgerade gleich militärischen Formationen auf dem Parade- ield. Unaufhaltsam scheinen die Häuserkolonnen über Felder und Wiesen hinwegzumarschieren, sie zertrampeln blühende Lustgärten und friedvolle Wäldchen, sie umzingeln und ersticken einstmals einsame Dörfer, sie besetzen ganze Landstädte und verwandeln sie in Herbergen der Riesenstadt. Die Springflut Mein Freund ist vor zehn Jahren aus Lon don aufs Land hinausgezogen. Heute hat ihn London längst eingeholt.„Es gibt noch ein hübsches Wäldchen eine halbe Stunde weit von uns", sagte er mir, als wir uns das letzte Mal trafen, „aber Sie müssen sich mit Ihrem Besuch beeilen, wenn ich es Ihnen noch zeigen soll— sonst ist S am Ende schon bewohnt!" Rund 200.000 Menschen im Jahr ergiessen sich nach guten Schätzungen in das neue London . DaS Tempo seines Wachstums ist überwältigend. Da ist Wembley ; als man dort vor ein paar Jahren die grosse Ausstellung veranstaltete, lag eS noch ein gutes Stück ausserhalb Londons und das weite frei« Gelände dort bot reichlich Raum für den riesigen Ausstellungspark; 1921 lebten dort 16.200 Menschen, zehn Jahre später waren eS dreimal so viel, heute sind es annähernd 70.000! Noch ein paar Meilen weiter westlich liegt Har- row. Das war einmal ein verträumte- Landstädtchen, berühmt durch sein College, in daS dir Londoner Patrizier ihre Söhne schickten. Es wuchs langsam, kaum merklich. 1911 hatte es mitsamt den umliegenden Pfarrgemeinden 42.000 Einwohner, zehn Jahre später 49.000. Dann kam die Springflut: 1931 waren eS 97.000, heute sind es mehr als 125.000. In der weiteren Umgebung von Harrow war vor 80 Jahren eine Landbevölkerung von etwa 82.000 schütter verstreut— heute lebt dort rund eine Biertelmil- lion. Der Raum zwischen Harrow und Wembley überzieht sich immer dichter mit Billenstraßen und Siedlungen; wenn die Entwicklung so weiter gehr, werden in ein paar Jahren in diesem Winkel allein eine Million Menschen wohnen. ■ lind es ist im Südosten nicht viel anders als hier im Rordwesten. Vor fünf, sechs Jahren noch konnte man einen Sonntagsausflug nach Kent unternehmen, in einem Waldgasthof einkehren und sah weit und breit kein HauS und außer ein paar Reitern, die die weiten Fluren durchstreiften, keinen Menschen. Heute bringt die elektrische Schnellbahn allabendlich hunderttausende Londoner ti f in die Grafschaft hinein, bis halben Weges nach Dover und darüber hinaus. Kent, der»Garten von England", wird allmählich zur Gartenvorstadt von London . Es ist ein reizvoller Tagesausflug, von P>c« cadilly Circus oder von der St. Paul's Kathedral» auszugehen und zu erforschen, wo London auf- bört. Zugegeben, man findet schließlich offen- Landschaft, die nicht sogleich wieder von neuen Siedlungen unterbrochen wird. Räumlich end.'t London natürlich allseits irgendwo weit draußen. Aber die Siedlungsgesellschaftcn haben die heckenumstandenen Schafweiden, die Aecker, die heu-r noch Hafer und Kartoffel tragen, schon mappie't — in zeitlichem Sinn rmrf man von London mii Recht sagen, daß es nicht endet. Solch stürmisches Wachstum hat es in der Geschichte der menschlichen Siedlungen gewiß sckiyn gegeben, aber stets nur in Neuland, im Amerika der Pionierzeit vor allem. Bei einer uralten Stadt wie London ist es ein einzigartiges Phänomen. Und London ist uralt. Ein Taschen- ipteleickunststück mag uns seine Entwicklung veranschaulichen. Si» Sixpeneestüek— verzweitausendfacht Hier, meine Herrschaften, habe ich eine kleine Münze, nicht ganz zwei Zentimeter.r Durchmesser, ein Sixpencestück, wie Sie sehen. Hokuspokus, das Sixpencestück verwandelt sich in einen Dessertteller, gut 20 Zentimeter quer durch. Akra kadabra, der Dessertteller verschwindet— 1 an seiner Stelle halte ich eine massive Anrichteplatte in der Hand, ein gewichtiges Stück, fast 90 Zentimeter im Durchmesser. Geschwindigkeit ist keine Hexerei. Das Sixpencestück ist die City von London , die gradaus eine Quadratmeile bedeckt(zweieinhalb Quadratkilometer). In ihren Mauern wer jahrhundertelang London . Erst zu Elisabeths Zcften, an der Schwelle der Neuzeit, wurden die Mauern zu eng. Und in abermals jahrhunderte langer Entwicklung dehnte sich die Stadt nun nach allen Himmelsrichtungen aus, bis aus dem Sixpencestück der Dessertteller geworden war. Das war, als gegen Ende des vorigen Jahrhunderts die 28 Stadtbezirke zur Grafschaft London unter einheitlicher Verwaltung zusammengefasst wurden. Die moderne Stadt London war entstanden: Flächeninhalt 117 Ouadratmeilen. Seither sind keine 50 Jahre vergangen und schon hat sich der Dessertteller in die umfängliche Anrichteplatl: verwandelt: in das Großlondon, das noch keine Verwaltungseinheit und keine festen Grenzen hat und an die 2000 Quadratmeilen umfaßt. J.i diesem letzten Entwicklungsabschnitt scheint wirklich die Geschwindigkeit eines Taschenspielerkunststücks zu walten! Und das Erstaunliche, beinab: Beunruhigende ist, daß diese Geschwindigkeit sich noch fortwährend steigert; sie war niemals größer als in den letzten Jahren, in denen die Weltkrise das Wachstum der großen Städte sonst fast überall zum Stillstand brachte. Mer es ist wirklich keine Hexerei. Zwei Hauptursachen erklären das Wachstumswundec von London : die Londoner ziehen in Gärten hinaus und die Industrie zieht nach London . Air» dem Steinkern in« Grünland Fast in dem gleichen rapiden Tempo, in dem die Bevölkerungszahl in den Londoner Vororten steigt, fällt sie in den Jnnenbezirken. Die City, das steinerne und goldene Herz Englands, die reichste Quadratmeile der Welt, hatte 1851 noch eine Bevölkerung von 128.000,1871 von 75.000, 1901 von 27.000— heute von nicht mehr ganz 10.000. Am Tag ein Bienenhaus emsigster Geschäftigkeit, wird sie in der Nacht— außer vom Lordmayor, den das Gesetz dazu zwingt-— nur mehr von Hausbesorgern und schwarzen Katzen bewohnt. Wer auch in den Nachbarbezirken der City fallen die Bevölkerungszahlen schnell: in Westminster von 257.000 auf 129.000 in den letzten 50 Jahren, in Finsbury von 129.000 auf 69.000, in Holborn von 96.000 auf 38.000, in dem großen östlichen Arbeiterbezirk Stepney (dem Eastend) in den letzten 25 Jahren von 298.000 auf 225.000, und ähnlich in den Arbeiterbezirken am Südufer der Themse . Der „Eisblock" im Innern von London taut auf! Die Bewohner der größten Stadt der Welt waren in ihren Wöhnsitten niemals Großstädter. Sie haben vom Lande die Neigung, im eigenen kleinen Hause zu wohnen, mitgebracht. Es gibt so gut wie keine Zinskasernen- in London . Die überwiegende Mehrzahl dek Londoner Häuser ist ein- und zweistöckig und für eine oder zwei Familien berechnet. Wer diese kleinen Häuser wurden in unendlicher Eintönigkrü ohne Zwischenraum nebeneinandergesetzt, die Bauspelulation hat die Menschen hier nicht über- aber nebeneinandergepfercht. Allmählich überfüllten sich infolge der hohen Zinse diese Häuschen immer mehr und, von den Landlords schlecht instandgehalten, begannen sie zu verfallen. So sind die berüchtig- t Londoner Slums entstanden. Sie sind einfach eine Alterserscheinung. Aber das jugendlichwachsende London geht endlich daran, die alteingefressene Schande zu beseitigen. Die neue, sozialistische, Londoner Stadtverwaltung hat radikale„Slum clearance"-Pläne und schon jetzt werden Jahr für Jahr Zehntausende aus den grauen Steinwüsten in die grünen Siedlungen am Stadtrand gebracht. Auch den Mfttelstand zieht es aus seinen Miethäusern im Innern hinaus in ein eigenes Häuschen ins Freie, wo man am Wochenende seinen Garten bestellen und nebenbei Tennis, Golf und Cricket spielen kann. Freilich ist gerade in den letzten Jahren eine interessante Gegenbewegung entstanden, die besonders die Oberklassen erfaßt. Zum ersten Male in der Baugeschichte Londons werden in größerem Maßstab vielstöckige Wohnblocks errichtet, die mit allem modernen Komfort ausgestattet sind, Dachgärten, oft auch eigene Schwimmbäder und gedeckte Tennishallen besitzen, und in der vornehmen Welt wird es Mode, die eigene Billa aufzugeben und in eine„Flat"-Wohnung zu ziehen, häufig sogar in einer„Service-Flat" mit zentraler Küche und(galonierter) Bedienung.. Auch ein Teil der Slumbewohner wird in weiträumigen, nach dem Muster der Gemeinde Wien errichteten Hochhäusern untergebracht. Aber auch die Fiats werden zumeist in den neuen Aussenbezirken errichtet und im ganzen überwiegt doch die traditionell englische Bewegung in die Einfamilienhäuser noch bei weitem. So lichtet sich die Bevölkerungsdichte im Innern, wo an die Stelle der Wohnhäuser in immer grösserem Ausmasse Geschäfts- und Bureaublocks treten, immer mehr und die Ausdehnung der Vororte erhält daraus die eine ihrer beiden großen An- tticbskräfte. Der„schwarze Gürtel- der AabrUe« Aber es sind nicht nur Wohnsiedlungen, die rings um London emporwachsen. Ein„schwarzer Gürtel" durchzieht das neue London in großem Bogen rund um die Stadt. Industriegelände I Ganz neue, ganz moderne Fabriken sind in den letzten Jahren rings um London errichtet worden. London wat nie Industriestadt. Die City - war das Hauptkontor der Welt, Sitz riesiger Ban- s ken und Geschäftshäuser mit hunderttausenden Beamten. Der Londoner Hafen war der größte■ der Welt: riesige Docks, unzählige Lagerhäuser mit hunderttausenden Arbeitern erheben sich dort. Der Londoner Handel beschäftigt in riesigen Kauf- und Warenhäusern hunderttausende Angestellte. Die Industrie aber ist im wesentlichen erst in der Nachkriegszeit nach London gekommen. Denn nun, da die Fabriken elekttisch betrieben werden, brauchen sie nicht mehr in der Nähe der Kohlenreviere zu stehen. Nun wählen sie ihren Standort an der Schwelle eines Neunmillionenmarktes für ihre Produkte, eines Millionenreservoirs für ihre Arbeitskräfte. Hatten die altengli-, schen Industriestädte, Birmingham , Manchester , Sheffield , ihre große Bevölkerung ihren Industrien zu verdanken, so verdankt umgekehrt Lon don seine Industrialisierung seiner großen Bevölkerungszahl I Und während die Bergbaureviere im Norden, das Textilland Lancashire , die Schiffsbau- werfte am Tyne veröden, blühen rund um Lon don neue lebenskräftige Industrien auf: Automobil- und Aeroplanfabriken, Fabriken für Kunstseide und Schallplatten, Gummiwaren, Möbel, Glühbirnen, die chemische Industrie, die Radio- industtie, die Filmindustrie. Wollen diese neuen Jndusttien auch in erster Linie aus dem vorhandenen Menschenreservoir Londons schöpfen, so ziehen sie doch unvermeidlich viele Zehntausende, ja Hunderttausende aus der Provinz an, die nun im neuen London siedeln. Freilich keineswegs immer nahe ihrer Arbeitsstätte. Ich kenne einen Mann, der in Ilford im„Fernen Osten " Londons lebt und in den Filmstudios in Elsttee im.Hohen Norden" beschäftigt ist: er muß vier Stunden täglich auf der Bahn verbringen. Und einen zweiten, einen Mechaniker, der in Morden, tief im Süden zu Hause ist und 35 Meilen (56 Kilometer) quer durch ganz London reisen muß, um um 8 Uhr morgens an seinem Arbeitsplatz zu sein! Wer der Stimmen werden immer mehr, die das stürmische Wachstum der Riesenstadt in plan« Völle Bahnen geleitet wissen wollen. Da» London der Ankunft Planung— das hat es in der langen Geschichte Londons niemals gegeben. London ist gewachsen wie ein organisches Gewebe, hat Zelle um Zelle angesetzt, hat die Fremdköper, auf die es stieß— Dörfer und Städte—, eingekapselt und im Laufe der Zeit völlig assimiliert; es wuchert nun üppiger denn je. Dieses Organische, Naturgewachsene im Charakter der Riesenstadt gibt ihr unzweifelhaft einen unbestimmbaren Reiz, aber es hat ebenso unzweifelhaft schwere plastische Nachteile............%, ' Um sich einen Begriff von der immer noch in dieser Stadt herrschenden Planlosigkeit zu machen, muß man sich das Chaos ihrer Verwaltungseinheiten vergegenwärtigen: die 117 Quadratmeilen des Londoner Grafscbastsrats umfassen längst nur mehr einen Bruchteil von London ; der Postbezirk London erstreckt sich über 232 Quadratmeilen, das Londoner Telephonnetz über 1200 Quadratmeilen, der Polizeibezirk über 700, die städtische Wasserversorgung über 573, die Elektrizitätsversorgung über 1840 Quadratmeilen. Das Grosslondon der 2000 Quadratmeilen ist kein Verwaltungsbegrifj, einzig das Londoner Verkehrswesen ist in seinem Rahmen organisiert. Aber nebst dem Grafschaftsrat walten darin noch 150 selbständige Gemeindebehörden ihres Amtes, fünf verschiedene Gasgesell- schaften und 87 Elektrizitätsgesellschaften! Nun soll London , zum erstenmal in seiner Geschichte geplant werden. Herbert Morrison , der Führer der im Vorjahr neu gewählten Londoner Graffchaftsverwaltung, ein überaus begabter Organisator, der als Verkehrsminister der letzten Labourregierung das bis dahin ebenfalls reichlich verworrene Londoner Transportwesen in grosszügigster Weise neu gestaltet hat, hat sich die gewaltige Aufgabe gestellt. Ein Gestrüpp von Kompetenzschwierigkeiten, eingealterten Vorurteilen und eigensüchtigen Widerständen gilt es zu überwinden. Gelingt das, so kann ein einheitlicher Ber - waltungskörper entstehen, der zehn Millionen Menschen umfaßt(ein Viertel der Gesamtbevölkerung Großbritanniens!)— ein wahrhaft grossartiges Experimentierfeld städtebaulicher Probleme, deren Lösung das London der Zukunft ergeben soll. Die erste Aufgabe ist die Beseitigung der Slums; sie soll nach einem bereits ausqearbeiteten Fünfjahrplan bewältigt werden. Weit schwieriger noch ist die rationelle Verteilung der Riesenbevölkerung auf dem Riesengebiet. Man hat berechnet, dass 377 von den 2000 Quadratmeilen ausreichen, um die zehn Millionen in Gartenhäusern geräumig anzusiedeln. So bietet sich die Möglichkeit, die beängstigend grosse Stadt mit gewaltigen unter stten- ges Bauverbot gestellten Naturparks zu durchsetzen. Völlig getrennt vom Wohngebiet und doch nah erreichbar für die dort Beschäftigten muss das Jndustriegelände sein. Man hat die Vorstellung Wald- und wiesenumgebener Satellitenstädtchen, durch Schnellbahn mft dem ein paar Meilen entfernten zugehörigen Jndusttiekomplex verbunden. Man wird, um der Mechanisierung des modernen Lebens entgegenzuwirken, bei der Aufstellung der einheitlichen Pläne alle Einförmigkeit zu vermeiden haben. Die einzelnen Gartenstädte sollen jede ihr charakteristisches Gepräge bekommen» bestimmt durch ihre Lage im Gelände und die soziale Schichtung und berufliche Zugehörigkeit, ihrer Bewohner. Es wird auch keineslvcgs nur Kleinhaus« siedlungcn geben; wo cs zweckmässig ist und den Werbestelle für abessinische Freiwillige in New Bork Im New Norker Negerviertel, in Haarlem , hat der Pan-Afrikanische Verband ein Werbebüro eröffnet, in dem sich Neger'freiwillig für Abessinien melden können, um an dem erwarteten Krieg gegen Italien teilzunehmen. Man sieht hier junge Neger vor dem Werbebüro in Haarlem . Bedürfnissen entspricht, werden auch Hochhäuser inmitten von Parlland gebaut werden. Die alten Zentren, die City und das Westend, werden ihre Bedeutung als Brennpunkte der Grossstadtkultur für die zerstreuten Millionen- massen bewahren, ebenso wie die zentrale Verwaltung ihnen allen den lebenserleichternden Komfort der Grossstadtzivilisation beistellen wird. Aber die neuen, sich in ihrer eigenen Sphäre selbst verwaltenden Gemeinwesen draussen werden zugleich ihre eigene Gemeinschaftskultur entwickeln,-aufgebaut auf der verheissungsvollen Synthese modernen Großstadtlebens mit fruchtbarer Raturnähe. Das gigantische und chaotische Wachstum Londons heute ist wie ein grossarttges Naturschauspiel. Die kluge, für Generafionen vorausdenkende Lenkung dieses Wächstums, die das London vom morgen schaffen will, verspricht ein- noch grosse artigeres Schauspiel zu werden, das Schauspiel der fleinen und bewussten Selbstbestimmung des ordnenden Menschengeistes. Deutsches Dumping wirkt Um weitere Mittel für die deutsche Aufrüstung zu beschaffen, hat Schacht der deutschen Wirtschaft die Aufbringung von 660 Millionen RM. auferlegt, die verwendet werden, um die deutschen Exportpreise zu drücken. Der Ausfall an Einnahmen wird den Exporteuren und Produzenten ersetzt. Ter britische Export spürt bereits stark die Wirkung dieses deutschen Dumpings. Wje der„Daily Herald" bericht-t, hat eine führende Dieselmotorfirma ihren Absatz im Osten fast vollständig verloren. weil deutsche Firmen um 10 bis 80 Prozent billiger liefern können. Eine grosse Maschinen- fabrik in Lincoln ist in derselben Lage, da ihre deutschen Konkurrenten d UF ch die Reichssubvention sogarum 50 Prozent niedrigere Preise bieten. Textil« firmen, Messer fabriken und andere Industrien berichten das gleiche. Der Subventionsfonds musste von der ganzen Industrie aufgebracht werden, begünstigt werden aber daraus nur Exporteure. Von dem angeblichen Aufschwung der deutschen Binnenwirtschaft profitiert nur die Rüstungsindustrie. Setzt man die deutsche Eisen» Produktion für 1982 mit dem Index 89 fest, so hot sie 1934 schon 79 bettagen. Die Profite der Unternehmer sind um 20 Prozent gestiegen — die Reallöhne um 40 P r oz ent gesenkt worden. I. G. Farben beschäftigte im Dezember 1933 insgesamt 113.000 Arbeiter, ein Jahr später schön 135.000, also um 20 Prozent mehr, während die Lohnsumme in der gleichen Zeit nur um 2.2 Prozent gestiegen ist! Wären die Löhne von 1933 weitergczahlt worden, so hätte der Gewinn des Unternehmens im darauffolgenden Jahre 30 Millionen RM. bettagen, er hat aber 53 Millionen RM. erreicht. Die Löhne finke». Das Monatsblatt für Chemie- Industrie enthält das interessante Eingeständnis, dass der Jahresdurchschnittslohn von 2534 Mark im Jahre 1930 auf 2104 Mark im Jahre 1934 gesunken sei. Wir begnügen uns, auf das eingestandene Sinken des Lohnniveaus hinzuweisen, weisen aber die Zahlenangaben an sich zurück, da sie viel zu hoch sind und wir nicht wissen, durch die Einbeziehung welcher Kategorien überhaupt so ein Lohndurchfchnitt errechnet werden konnte. Faktisch dürst« nämlich der Durchschnitt um 1350’ Mark liegen. Im übrigen gehen von den übrigen Zahlen noch die hohen Abgaben ab, und ausserdem sind 1935 weitere Senkungen erfolgt.
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15 (26.7.1935) 172
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