Sonntaa. 28. Juli 1935
SetteL
Verkehrsftreik in London Kampf um die Arbeitszeit London . Die Angestellten der Autobusse, welche den Verkehr zwischen London und der Umgebung besorgen, sind in den Streik getreten, Durch den Ausstand, an dem 2350 Personen teilnehmen, sind 500 Fahrzeuge aus dem Verkehr ausgeschaltet. 17 Garagen stehen außer Betrieb. Der Streik ist infolge eines Konfliktes über die Dauer der Arbeitszeit ausgebrochen. Me Bemühungen, den Streik beizulegen, sind vergeblich.
In die Dreschmaschine geraten. Der landwirtschaftliche Arbeiter Michael B e l a in Prohn geriet beim Einlegen von Getreide in die
Die Kollegin Zuversichtlich, uwbekümmert, treten viele junge Mädchen ins Berufsleben. Viele von ihnen haben eine gewissenhaft erledigte Ausbildung hinter sich, sie verfügen über die ganze Frische des Unerfahrenseins in Dingen der Arbeit und nehmen ihre Jugendträumereien vom Elternhaus mit hinüber in die neue Welt. Soviel wisien sie Wohl, daß„aller Anfang schwer ist", und daß Schwierigkeiten überwunden werden müssen, ehe Man sich eingewöhnt hat in dem unbekannten Land, das„Beruf" heißt. Arbeitsgemeinschaft, nicht Tändelei „Es wird schon nicht so schlimm sein", denkt manches junge Mädchen vor dem ersten Gang sur Arbettsstätte. Bei diesem Gedanken wird nicht selten ein heimlicher Mick in den Spiegel gewor- sen. Man ist jung, man ist hübsch. Was kann da schon geschehen? Die mtt solchen Ueberlegungen ins Berufsleben steuern, sind oft nachher die am meisten Enttäuschten. Sie müssen feststellen, daß zwischen dem„privaten" und.geschäftlichen" Mann ein sehr erheblicher Unterschied ist. Der„Flirt" aus dem Kino kann am nächsten Morgen der grimmigste Abteilungsleiter, der Wanderkamerad ein sehr unduldsamer Kollege sein. Und das junge Mädchen, das dann versucht, auf Grund ihrer weiblichen Vorzüge kleine oder große Vorteile und Rücksichten zu erlangen, ist oft schärfsten Zurechtweisungen ausgesetzt. Es schadet mit solchem Verhalten nicht nur sich, sondern es schadet der Fmu im Berufsleben'überhaupt. Wenn hingegen das junge Mädchen, die junge Frau einsichtig sind und ihre natürlichen Gaben des Instinkts und der Di-
Dreschmaschine. Bela, der eine schwere Btustkorbq u e t s ch ung und Kopfverletzungen erlitt, wurde in lebensgefährlich verletztem Zustande ins Brüxer Krankenhaus eingeliefert. Tödliche» Unfall des SowjetkommissLrs im Kaukasus . Kn Kaukasus ereignete sich ein schweres Kraftwagenunglück, bei dem der stellvertretende Bölkskommiffär des Innern der Transkaukasischen Sowjetrepubliken, A b u l i a n, getötet wurde- WahrscheinlicheS Wetter Sonntag: Vorwiegend heiter bis wechselnd bewölkt, untertags neuerliche Erwärmung, besonders im Karpathengebiet des Staates. Im Westen wieder einzelne Gewitter.— Wetteraussichten für Montag. In den böhmischen Ländern veränderlich, im Osten schön und warm.
plomatie ein wenig zu handhaben wissen, wird es ihnen im^Berufsleben durchaus nicht so schwer fallen, neben dem Mann, mit dem Mann zu arbeiten. Man muß zugeben, daß einem die Männer diese Arbeitsgemeischast nicht immer leicht machen. Auch sie müssen sich erst daran gewöhnen, in der Mitarbeiterin die Kollegin und nicht nur die Frau zu sehen. Dann liegt eS der Frau ob, den tändelnden, oft sogar angrifflichen Ton abzuweisen, ihn ins Kameradschaftliche umzulenken. Nicht mit heftiger Zurückweisung, nicht mit Beleidigtoder Gekränktsein, sondern am besten mit freundlichem Scherz oder, wenn einem der Humor nicht liegt, mit ruhiger Ablehnung. Sachliche- Verhalten Es gibt ein Wort, mit dem man jungen Mädchen viele bittere Erfahrungen jm Berufsleben ersparen kann. Ein Wort, das vielleicht durch allzuhäufigen Gebrauch abgenutzt erscheint. Das aber, auf seinen ursprünglichen Klang und Inhalt zurückgeführt, passend ist wie kein zweites. Es heißt: Sachlichkeit. Sachliches Verhalten wird der arbeitenden Frau viele Schwierigkeiten ebnen, besonders wenn sie in ihrer Arbeit Bescheid weiß, fleißig und zuverlässig ist. Dieses „Sachliche" gilt in jeder Beziehung. Für die Art sich zu kleiden, zu benehmen, zu spreche»^ zu handeln. Auf Grund ihrer Leistungen soll die berufst tätige Fmu vorwärts zu streben versuchen, nicht auf Grund eines doch nur für flüchtige Jahre wirksamen Jugendreizes. Es schadet dem Zusammenarbeiten durchaus nicht, wenn die Kollegin" dem„Kollegen" einmal den abgerissenen Knopf annäht oder ihm mit ihren gewandten Händen schnell eine Tasse Kaffee kocht. Im Gegenteil. Das wird vom Mann nur dankbar und anerkennend empfunden. Es macht ihm die Atmosphäre der Arbeit„heimatlich". Aber sonst gilt es, Abstand
sucht sich durch Flucht in Sicherheit zu bringen, wenn es ihr möglich Ist. Die Bißmarken sind charakteristisch durch zwei dicht nebeneinanderstehende Stichwunden. Die Giftwirkung hängt sehr ab von der in die Wunde eindringende Giftmenge, die um so größer ist, je länger das Tier nicht gebissen, also auch keine Beute gemacht hat. Besonders gefährlich ist der, Biß, wenn er das Gesicht oder eine Vene trifft. Das Gift enthält eine ganze Anzahl verschiedener physiologisch wirksamer Substanzen. Ein« derselben wirkt zersetzend auf das Blut, indem sie die roten Blutkörperchen auflöst. Infolge dieser Veränderungen färbt sich die Bißstelle in weitem Umkreis bläulichrot. Verschiedene ander: Stoffe wirken auf das Nervensystem und auf dem Wege über dieses auf verschiedene innere Organs. Es treten Brechreiz ein, Schwindelgefühl, Leibschmerzen, Durchfall, Angstgefühle, Müdigkeit und Benommenheit. In den Fällen mit tödlichem Ausgang kommt es zu Lähmungen des Atmungszentrums im Gehirn und damit zu einem. Versagen der Atmungsmuskulatur. Meist aber gehen die Bergiftungsersckieinungen nach einigen Tagen vorüber. Nur in schweren Fällen dauern sie länger ckn. Auch die lokalen Erscheinungen an der Bißstelle, di« Schwellung und die bläuliche Verfärbung dauern bis zu zwei Wochen an. Die im Volke verbreiteten Methoden zur Behandlung des Schlangenbisses sind von zweifelhaftem Wert. Besonders der Genuß von viel Alkohol als Gegengift ist ein sehr fragwürdiges Mittel. Die sicherste Methode, die wir heute haben, ist die Injektion von Schlangenserum, welches heut« schon verbreitete Anwendung findet. Zehn Kubikzentimeter, in der Nähe der Bißstelle in die Muskeln injiziert, genügen unter Umständen schon. Sind bereits bedrohliche Allgemein- erscheinungen eingetreten, dann gibt man die vierfache Menge und injiziert sie in eine Vene, um sie dem Blutkreislauf zuzuführen. Eine weit größere Bedeutung als bei uns hat die Behandlung mit Schlangenserum in jenen Ländern, in denen die Giftschlangen eine wirkliche Gefahr darstellen, vor allem in den Tropen. Die Serumtherapie gewinnt in diesen Gegenden von Jahr zu Jahr an Bedeutung. Die Institute in Sao Paulo , Sidney, Philadelphia , Bombay, Ka- sanli versorgen Brasilien , Australien , Nord amerika , Vorderindien mit Serum, welches in gebrauchsfertigen Ampullen zu zehn Kubikzentimeter in den Verkehr gebracht wird. Ganz Hervorragendes leistet z. B. heute die brasilianische Station, welche jährlich etwa 20.000 Giftschlangen bezieht, deren Gift hier vera^eitct wird, d. h. zur Herstellung des Jmmunserums verwendet wird. Brasilien besitzt von den für den Menschen und seine'Haustiere^'gefährlichsten^ Giftschlangen nicht weniger als 28 verschiedene Arten; und es wär ein dringendes Bedürfnis, gerade hier sicher wirksame Schutzmaßnahmen zu treffen. Die Schwierigkeiten, die man zu überwinden hatt«, um«inen Betrieb wie den im Institut von Sao Paulo in entsprechender Weise auszubauen, sind sehr große gewesen. Es handelte sich hier zunächst darum, die entsprechende Zahl von Schlangen zu erhalten. Zu diesem Zwecke mußte die Landbevölkerung für den Fang geschult und mit Fanggeräten ausgerüstet werden. Man gewann die Leute für den Schlangenfang dadurch, daß man ihnen flir je vier Schlangen eine Ampulle Serum zusicherte. Sämtliche Eisenbahn« und Schiffahrtsgesellschaften wurden angewiesen, die leeren und die vollen Schlangenkisten jederzeit kostenlos zu befördern. Die eingelieferten Schlangen werden in Käfigen gehalten. Alle zwei Wochen wird ihnen das Gift, welches sich
zu wahren. Maß und Grenze müssen im natürlichen Empfinden der Frau liegen. Der angemessene Anzug. Mit all diesem soll nicht gesagt sein, daß die Frau nun etwa stets„arbeitsversessen", das Gesicht in strenge Falten gelegt, neben dem männlichen Kollegen, dem männlichen Arbeitgeber wirken soll. Natürliche Heiterkeit im richtigen Augenblick, gepflegtes Aeußere ohne Uebertriebenheiten — niemand wird der arbeitenden Frau daraus einen Vorwurf machen. Ueber das„gepflegte Aeußere" muß allerdings noch ein Wort gesprochen werden, um Mißverständnisse zu vermeiden. Ich erlebte es früher oft im Betrieb, daß Stenotypistinnen und Sekretärinnen im„Abendkleid" ihre Tätigkeit begannen, weil sie, wie sie sich ausdrückten, nach Dienstschluß zu einem Tanzvergnügen gingen und keine Zeit hatten, um sich zu Hause umzukleiden. Ein Ballkleid am frühen Morgen! Im ausgeschnittenen Seidenfähnchen vor der Schreibmaschine! Es bedarf keiner Erklärung, wie dem Mann zumute war, der mtt einer so Gekleideten arbeiten mußte. Eines Tages sagte ich ihnen rückhaltslos meine Meinung. Bon da an kamen sie stets in schlichten, der Arbeit angemessenen Kleidern ins Büro. Die„Ballgewänder" lagen seidenpapicrverpackt, damit sie sich nicht drückten, in mitgebrachten kleinen-Köfferchen und wurden abends, nach getaner Arbett im Waschraum angelegt. Das Problem„Frau im Beruf"—„Frau privat" war auf denkbar einfachste Weise gelöst. Richt empfindlich sei«. Wer bereits längere Zeit arbeitet, weiß, daß kleine Unstimmigkeiten, Aergerniffe des Alltags, wie sie in keinem Beruf zu vermeiden sind, nicht allz.schwer wiegen. Der Vorgesetzte, der den
stets erneuert, durch Auspcefsen der Giftdrüsen entzogen. Selbstverständlich wird das Gift jeder Schlangenart gesondert gesammelt und verarbeitet. Die Gistmenge eines Tieres schwankt zwischen einem Zehntel Kubikzentimeter und einem Kubikzentimeter mit etwa 33 Prozent Trockensubstanz. Mit dieseyr Gift werden nun Pferde injiziert. Man spritzt ihnen zweimal wöchentlich zunehmende Mengen des Giftes unter die Haut, be« ginnend mit 0,05 Milligramm und ansteigend bis zu 300 bis 500 Milligramm. Nach etwa einem halben Jahr vertragen die Tiere diese beträchtliche Giftmenge, ohne die geringsten Vergiftungerscheinungen zu zeigen. Ist dieser Grad der Immunität erreicht, dann zapft man den Pferden in Zwischenräumen von zwei bis vier Tagen dreiöder viermal Blut ab. Dann haben die Pferd? eine Ruhezeit von einigen Monaten, um später wieder zur Blutentnahme verwendet zu werden. Nicht alle Tiere eignen sich gleich gut. Jenen Pferden, die ein hochwertiges Serum liefern, läßt man daher eine ganz besonders sorgfältige Pfleg? angedeihen, so daß ein solches Pferd durch mehr als zehn Jahre seinen unschätzbären Dienst an der Menschheit versehen kann. Aus dem Pferdeblut wird nun erst 6urch bestimmte Verfahren das lebensreüende Serum gewonnen. Das Institut stellt vier verschiedene Sera her, deren Wirksamkeit an Tauben geprüft wird, indem man die Sera mit wechselnden Mengen des entsprechenden Schlangengiftes mischt und diese Mischung den Tauben in die Flügelvene einspritzt. Die Jmmunisierungsmethode wurde schon im Jahre 1894 von Talmette ausgearbett«t. Jahrzehnt« hat es gedauert, bis diese Methode die praktische Bedeutung gewonnen hat,,die sie heute in den Tropenländern besitzt. Während in jenen Gegenden früher 25 Prozent, bei Kindern sogar 100 Prozent der Schlangenbisse tödlichen Ausgang hatten, ist die Sterblichkeit der geimpften Fälle auf etwa drei Prozent zurückgegangen. Dieser Prozentsatz würde sich noch verringern, wenn die Injektion des Serums stets sofort erfolgt« und nicht erst, wie es noch oft geschieht, nachdem alle anderen Mittel versagt haben.
Die europäische Ernte Nach den neuesten Schätzungen des Internationalen Landwirtschaftlichen Instituts in Rom wird die europäische Ernte an Getreide mit 430 Millionen Zentnern beziffert. Davon kommen 320 Millionen Zentner auf die Einfuhrländer und 110 Millionen auf die Ausfuhrländer— Ungarn , Jugoslawien , Rumänien , Bulgarien , Polen und Litauen . Zu djesen bisherigen AuS- suhpländexn kommen allerdings durch die Aus, dehung des Getreideanbaues neuerdings noch weitere hinzu. Für Weizen z. B. auch die Tschecho- flowakei und Deutschland . Die europäische Getreideernte von 1935 dürste die des Vorjahres um 15 Millionen Zentner übertreffen und auch höher sein als alle anderen Ernten, ausgenommen die Rekordernte von 1933.
81 Hektoliter Thekmalwafferverbrauch täglich in Karlsbad . Wie alljährlich, fand auch kürzlich in Karlsbad eine sogenannte.Becherzählung" statt. An einem bestimmten Stichtage wurden von den Karlsbader Kurgästen insgesamt 40.442 Becher, das sind etwa 81 Hektoliter warmen Thermalwassers, ausgetrunken. Unter den verschiedenen Brunnen steht an erster Stelle der Mühlbrunnen mit 6135 Bechern. Den zweiten Platz nimmt Heuer der Bernhardsbrunnen mit 4236 Bechern ein.
,Müffel" austeilte, der Kollege, mit dem man sich herzhaft„verkrachte", haben am nächsten Tag meist die„Keine Differenz" vergessen.„Eva" glaubt, sie müsse beleidigt sein, sie schmollt, ist nachtragend. So reizend sich dieser Zustand in einer jungen Ehe, oder einer Liebesbeziehung gus- zuwirken vermag— im Hinblick auf die bevorstehende Versöhnung— so sehr kann sich die berufstätige Frau mit derartigem Verhalten schaden. Alles kann der arbeitende Mann vertragen, nur keine überempfindliche Mitarbeiterin. Nie werde ich es vergessen: als ich meinem vorgesetzten Chefredakteur einmal eine Arbeit nicht rechtzeitig genug ablieferte, wurde ich durchaus„unsanft" heruntergemacht. Ich war darüber so unglücklich— die Verzögerung entstand ohne mein Verschulden— daß ich in Tränen ausbrach. „Eine moderne Frau und Tränen? Wie paßt denn das zusammen?" wurde mir zugerufen. In der Tat— es paßte nicht. Ich schämte mich später sehr über mein allzu„weibliches" Benehmen. Und der Gedanke, in der Arbeit„meine Frau" zu stehen, der Arbeit zu geben, was ihr gebührt, verlieh mir sin für allemal das notwendige Rückgrat in schwierigen Lagen. DernfstLtigKeit und Frauentum. Aus all diesem, dem Wichtigen und dem Nebensächlichen, aus den kleinen und den großen Aufgaben, die das Berufsleben stellt, sollte das junge Mädchen, das im Begriff ist, den Weg der Arbeit zu beschreiten, als Ergebnis folgenden Schluß ziehen: es gilt vor allem die K u n st der Selbstbeherrschung zu erlernen. Es gilt, natürlich und s a ch l i ch zu sein. Es gilt, innerhalb der gegebenen Grenzen zur Persönlichkeit heranzureifen. Als schaffender, tätiger mitarbeitender Mensch zu wirken und dabei doch warmherziges Frauentum zu bewahren. a. l.
Giftschlangen und Schlangengift Bon E. Aldt
Da laS ich kürzlich irgendwo: die Furcht vor Schlafen sei ein dem Menschen angeborener Instinkt, ein natürlicher Abscheu, der nicht nur dem Menschen, sondern jeder Kreatur im Blut« liege.- Diese ursprüngliche Angst, dieses van Urvätern ererbte Wissen um einen Feind könne man wohl überwinden und vergessen, aber unausrottbar schlummerten sie auf dem Grunde unseres Bewußtseins. Ob dem wirklich so ist?— Sicher ist, daß viel« Menschen Abscheu, Furcht und Ekel empfinden vor allem, was Schlangengestalt trägt und sich kriechend fortbewegt. Aber ich glaube kaum, daß ein Keines Kind, das noch nie von einer Schlange gehört hat, sich ihr gegenüber anders einstellen wird, als sonst einem neuen Ding gegenüber, mtt dem es noch keine Erfahrungen gemacht hat, und das seine scheue Neugier erregt. Mer mit dem Einsetzen der Erziehung, oder dessen, was man manchmal mit Unrecht so nennt, »erwachen" diese Instinkte nur gar zu schnell. Allgefangen mit der schönen und lehrreichen Geschichte von Eva und der Schlange und anderen ehrwürdigen Ueberlieferungen bis zu den Zaubermärchen und den erbaulichen Schilderungen des Höllenpfuhls wird uns durch immer wiederkeh- rrnde Belehrung in Wort und BUd der Mscheu vor dem fußloS dahinkriechenden Wesen beigebracht, bis er ganz fest verankert ist im Uater- bewußtsein, von wo ihn der Mensch sein Lebtag nicht wieder herausbringt. Wie oft findet man erschlagene Blindschleichen, die gar nicht einmal Schlangen sind, sondern fußlose Eidechsen, und dazu die harmlosesten Geschöpfe, die man sich denken kann! Aber was irgend nach Schlange aussieht, das muß erschlagen werden, denn das ist ja der bös« Feind, das böse Prinzip an sich und Mancher Knabe düntt sich ein Held, wenn er eine Schlange erschlagen hat, und sei es auch nur eine arme Ringelnatter. Damtt will ich natürlich durchaus nicht der Schonung sämtlicher Schlangen das Wort reden! Manche Gegenden der Tropen konnte man überhaupt erst dadurch bewohnbar machen, daß man die Giftschlangen so weit wie nur möglich ausrottete. Sie stellen noch heute in den Tropen ein»' schwere Gefahr dar, mit der man so recht erst in den letzten Jahrzehnten den Kampf ausgenommen hat. Aber was wissen wir in unserem gemäßigten Klima überhaupt von Giftschlangen! Speziell in unserem Gebiet kommt ja nur eine einzig« kleine Art vor, die Kreuzotter mit ihren verschiedenfarbigen Spielarten, wie etwa der in Sumpfgegenden heimischen, fast schwarzen Form, die man etwas hochtrabend, die„Höllenschlange" nennen hört. In manchen Gebieten freilich können die
Kreuzottern zur wahren Plage werden, und es blecht gar nichts anderes übrig, als sie zu verfolgen und zu dezimieren, um so mehr, als sich die lebendgebärende Kreuzotter sehr stark vermehrt. Wird ihre Gefährlichkeit auch sicher stark übertrieben, so wird sie doch Kindern besonders oft zur Gefahr und Schonung kann daher sicher nicht empfohlen werden. Uebrigens ist die Beobachtung dieses an sich sehr interessanten Tieres Quelle des Genusses, sogar des ästhetischen Genusses, wie jeder finden wird, dem es einmal gelungen ist, die althergebrachten Vorurteile zu vergessen, und ein Auge hat für die Schönheiten in der Natur. Es wird immer wieder behauptet, daß andere Tier«, speziell Vögel und Säugetiere, eine zitternde Furcht vor Schlangen zeigen. Da wird viel phantasiert von dem zwingenden, bannenden Blick der Schlange und seiner hypnotischen Wirkung, die das erschreckte Tier Unfähig macht, zu fliehen. Viel davon ist Uebertreibung . Richtig ist, daß die Schlange eigentümliche Augen besitzt, die etwas merkwürdig Starres haben. Sie scheinen eigentlich blicklos und starren, ohne zu fixieren. Das kommt daher, daß ein« eigenartige Haut das Schlangenauge überzieht. Die Augenlider sind glasartig durchsichtig und über dem Auge miteinander verwachsen. Das macht das Auge so unheimlich blicklos, so ganz anders im Ausdruck oder vielleicht auch nur ausdrucksloser als die Augen anderer Tiere, selbst etwa als die Augen der verwandten Eidechsen, die Kar unblank dreischauen. Zu den Tieren, die ganz bestimmt lein« Schlangcnfurcht kennen,, gehören vor allem jene, di« Schlangen verzehren, und selbst Giftschlangen weder scheuen noch verschonen. Wahrscheinlich sind einige Tiere überhaupt fest gegen Schlangengift oder mindestens weniger empfindlich als andere. Igel verzehren Kreuzottern mit Behagen und Gemütsruhe. W«der Scheu noch Schrecken zeigen sie beim Anblick des lebenden Leckerbissens. Man hört öfters die Behauptung, daß Kreuzottern den Menschen anspringen» um zu beißen. Das ist sicher unrichtig. Die Tiere können über- haupt nicht springen. Die charakteristische Bewegung, die sie in der Verteidigung ausführen, ist ein Zurückziehen des Kopfes und ein darauffolgendes plötzliches Vorschnellen des Borderkörpers, wobei das Ziel oft verfehlt wird. Todesfälle infolge von Oüernbiß kommen nicht häufig vor. Höchstens zwei Prozent der Fälle nehmen tödlichen Ausgang. Die Kreuzotter beißt nur in der Abwehr, sie geht nicht zum Angriff über, sondern|