Nr. 175

Dienstag, 30. Juli 1935

Sette»

fudctendeutscficr Zeifspie^ef

ordnung mit Gesetzeskraft vorsieht, haben Meier« lei Inhalt. ES wird erstens bestimmt, daß Han. delsgrsellsch-ften und Gesellschaften de- Handel-» und de- bürgerliche« Rechte- nnd juristischen Per­simen sowie Personen, die bereit- eine Gewerbe­berechtigung in den erwähnte« Branchen besitzen, die Gründung eines neuen Gewerbes nur nach Durchführung eines bestimmten Berfahrenö mög­lich ist. Die Etablierung von Einzelpersonen ist nicht beschränkt. Was der Unterschied Mischen Handelsgesellschaften und Gesellschaften des Han­delsrechts ist, sagt die Verordnung nicht. Dies wird der Praxis mancherlei Kopfzerbrechen ver­ursachen, ebenso wie die Anerkennung der Ge« werberechiSfähigkeit der Gesellschaften des Privat­rechts, mit der sich die Verordnung auf ein theore­tisch wie praktisch sehr umstrittenes Gebiet begibt. Bereit- bestehenden Unternehmungen der er­wähnten Branchen, wird zweitens, gleichgültig, ob ne von Einzelpersonen, Gesellschaften oder juristi­schen Personen betrieben werden» die Gründung von neuen BerkaufSlokalitäten, von Zweigetablis« sementS und Niederlagen(Verkaufsstellen, Repa­raturwerkstätten), gleichfalls nur nach Durchfüh­rung deS erwähnten Verfahrens erlaubt. Tas Ver­fahren besteht darin, daß die Gelverbebehörde nach Anhörung der Handel-- und Gcwerbekammcr und der zuständigen Gewerbegenossenschaft, der auch das Berufungsrecht zusteht, darüber entscheidet, ob die Neugründung, resp. Erweiterung des Unter­nehmens nicht einen wirtschaftlich unge­sunden Einfluß auf dir Konkurrenzver­hältnisse haben wird, und zwar sei es im allgemei­nen odzr auch nur mit Rücksicht auf den engeren Umkreis des Standortes des Gewerbes. Vor Rechtskraft dieser Entscheidung kann der Betrieb nicht begonnen werden. Auf juristische Detail- kann in diesem zu­sammenfassenden kurzen Bericht nicht eingegangen werden. Soviel sei nur gesagt, daß die Fassung des Tatbestandes austerordentlich weit ist und die Be­hörde danach tatsächlich eine sehr weit­gehende Machtbefugnis haben wird, denn die Gründung jedes neuen Gewerbes und jeder neuen gewerblichen Niederlassung ist natür­lich für die Konkurrenzverhältnisse, das heistt für die K o n k u r r e n t e n, wirtschaft­lich schädlich. Dir Gewerbebehörden werden sich daher bei ihren Entscheidungen von dem Gedanken leiten lassen müssen, daß die Notverordnung nicht jeden Schaden verhindern will, der den Kon­kurrenten durch die Neugründung oder Erweite­rung eine- Unternehmen- entsteht, denn Iväre dies Absicht de- Gesetzes, so wäre ja jede Neugründung und Erweiterung linear verboten worden, sondern nur einen überdurchschnittlichen wirtschaftlich un­gesunden und unangemessenen Schaden. Wichtig ist jedenfalls, daß die Bestimmungen «uf Fabrikbrtriebe keine Anwendung finden, inso­fern nicht Verkaufsstellen oder Niederlagen für den Detailverschleitz errichtet werden. Die Bestimmungen der Verordnung beziehen sich auch auf Gcwerbeanmeldungen und Anmel­dungen von neuen Betricbsstätten und Zweig« etabliffements, die vor Inkrafttreten der Verord­nung erfolgt sind und über die noch nicht entschie­den worden ist. Die Verordnung besagt, daß das neu eingeführt« Verfahren auch über solche zu­rückliegende Anmeldungen durchzuführen ist, ohne aber zu bestimmen, dast etwa der Betrieb dieser vor Inkrafttreten der Verordnung angemeldetcn Gewerbebetriebe und Niederlassungen bis zur Durchführung des Verfahrens eingestellt werden müßte. In der Kolonialwaren- und Lebensmittel­branche können darüber hinaus binnen drei Wochen nach Inkrafttreten der Verordnung selbst rechts­kräftig erteilte Gewerbeberechtigungen widerrufen werden, unter der Voraussetzung, daß die An-' Meldung nach dem 1. Juni 1935 erfolgt ist. Hier wirft die Verordnung zurück und greift in erworbene Rechte ein, ist aber unserer Ansicht nach trotzdem durch das Ermächtigungsgesetz ge­deckt. Durch das Ermächtigungsgesetz ist die Re­gierung eben ermächtigt worden, Verfügungen zur Abwendung und Milderung von Schäden und Störungen des Wirtschaftsleben- zu treffen, ins­besondere durch angemessene Regelung der Preis, und Erzeugung-Verhältnisse, des Umlaufs, des Verbrauchs und des Kredites. Derartige Maßnah­men sind nun in vielen Fällen ohne Eingriffe in ertvorbene Rechte nicht denkbar.(Man denke nur an die Zinsfußherabsetzungen!) Die oben dargestellten Bestimmungen gelten nicht für Erwerbs- und Wirtschafts­gen osie n s ch a f t e n, nnd zwar auch dann nicht, wenn die Erwerbs« und Wirtschaftsge- nossenfchasten statutengemäß berechtigt sind, auch an Nichtmitglieder zu verlaufen. Diese Feststel­lung ergibt sich aus der Erivägung. dast das Ge­setz zwischen den verschiedenen Arten der Er­werbs- und WirtschaftS"enossen>'chaften in keiner Richtung unterscheidet. Für Erwerbs« und Wirt« schastsgenossenschaften gelten vielmehr besondere Bestimmungen,>md zwar in der Richtung, daß eine Erwerbs« und WirtschaftSgenosscnschast nur dann gegründet und ins GeuüssenschastSregister eingetragen werden kann, wenn sie den Nachweis erbringt, dast sie f ä h i g i st, d e n g e p l a n« ten Fwcckzu erfüllen und Mitglied eines Revision-Verbandes bereit- ist oder nachweist, dast sie von einem Revisionsverband ausgenommen werden wird. Die Handhabung dieser Bestim­mungen ist nun in weitem Maste den auto­nomen Organen der Genossen­schaftsbewegung überlassen, indem der erwähnt« Nachweis dem Gericht durch die Er­klärung einer der Genossenschaft-zentralen zu er­bringen ist. Als Genossenschaft-zentralen mit dieser Berechtigung werden anerkannt: Der Ver­band Tentrokooperativ in Prag , die Interessen»

Nochmals dieIllustrierte Presse Wann hört dieser Skandal endlich auf? Es ist von uns bereits öfters darauf hinge­wiesen worden, daß in unserer Republik das Er­scheinen einer illustrierten Wochenzeitschrift gedul­det wird, die, um in der im Presscrecht üblichen Sprache zu reden,»nach Form und Inhalt nur als Ersatz einer verbotenen Druckschrift anzusehen ist" also in diesem Fall der bei uns verbotenen B e r l i n e r I l l u st r i e r t e n". Bei der»Illustrierten Presse" ist zwar als »Verleger und Herausgeber" ein»Mentor, Illu­strierte Pressen-Berlag G. m. b. H. in P r a g II.", ein»verantwortlicher Redakteur" Emil Schmidt, Prag II., und als Druckort ein D. Tit- telbach in P r a g angegeben. Wer aber die»Ber­ liner Illustrierte " kennt, wird sich auf den ersten Blick davon überzeugen können, daß Inhalt, Auf­machung, Romanteil, ja sogar die Inserate S werden nur Markenartikel aus dem Dritten Reich angekündigt und die Lettern eine haargenau« Kopie des bei uns angeblich verbotenen ProduftS des gleichgeschalteten Ullstein-Verlags sind. Bei der Durchsicht der B i l'd e r findet man kein ein­ziges aus der Tschechoslowakei , dafür aber bei­spielsweise in der letzten Nummer(vom 25. Juli) einen Artikel über»Deutschlands Außenminister ist Erbhosbaucr"(zweiseitig, mit fünf Bildern), eine zweiseitige Reklame für München , wcbei die angeblichen Verbimste des deutschen Arbeits­beschaffungsprogramms" um die Restaurierung eine- Kirchturms»gebührend" hcrvorgehoben werden, eine zweiseitige Reklame für Münchener Bier; man sieht die holdvertrauten Visagen Hit­ lers . GöringS und Blombergs, dazu kommt eine Borreklame für einmAlt-Münchener Film" und auf den restlichen drei Bildseiten etwas über Kleinasien . Der Gesamtcharakter der»Illu­strierten Presse" ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit schon aus dieser Zusammenstellung auch wenn»schlauerweise" das Titelblatt eine Aufnahme»Englische Eignungsprüfung für Auto­fahrer" zeigt. Soweit der Bildteil. Was aber im jetzt lau­fenden Roman eines Herrn Horst Biernath ge­boten wird, ist neben der selbstverständlichen treuteutschen Familiendusseligkeit und dem obliga­tenErdaerucki" nichts weiter als eine be­wußte, shstcmatische Verhetzung» die sich aller­dings scheinbar gegen Litauen richtet. Aber der Fall, bleibt dcr-gleichr, da es gesinnungs­tüchtigen Henleinschen»Volksgenossen"- nicht schwer fallen wird, an die Stelle Litauens das Land zu sehen, das wirklich gemeint ist. Da wird von einem jungen deutschen Diplomaten erzählt, der aus Ehrgeiz das furchtbare Verbre­chen begangen hat, eine reicheNational­litauerin"(so heißt es in dem Roman!) zu heiraten, die obendrein noch ausgerechnet S i- m o n e heißt(!!) und selbstverständlichmit ihrer Ehe nicht auch die Staatszugehörigkeit ge­wechselt hat", dadie Annahme einer anderen Staatszugehörigkeit doch kein chemischer Prozeß ist, der dieBlutzusammenketzung(Il) ändert". Dazu kommt(alles in der gleichen Nummer vom 25. Juli) eine düster- Gestalt von einem Litauer, der als ein Mann, der offenba'' auch das Führerprinzip verkörpert,»die Nation als eine geschichtliche Erfindung" benutzt, um ikdaS ehrgeizige Streben nach Macht und Gel­tungsbedürfnis zu befriedigen". Das gilt aller­dings nur für f r e m d r a s s i g e Führer. Die Enthüllung der heldischen Eigenschaften de- nor­dischen Menschen ist offenbar späteren Fort­setzungen vorbebalten, in denen derartverges­sene" deutsche Diplomat wahrscheinlich von den dunklen Mächten ms Verderben gestoßen werden wird. Nimmt man noch dazu, daß»Litauen " aller der Schandtaten beschuldigt wird, die nach Henleinscher Ideologie von der Tschechoslowakei verübt worden sind, dann bleibt nur noch die eine Frage: Wie lange werden sich die für solche Fälle zuständigen Instanzen noch an der Nase herury- fübren lassen?

Zentrale der Genossenschaftsverbände in Prag nnd die Geldzentrale des gewerblichen Genossen­schaftswesens. Wenn ein« dieser GenossenschastSzentralen über die Herausgabe der Bescheinigung für das Registergericht entscheidet, muß sie ihrerseits wieder die Aeußerung deS zuständigen Revision-« Verbandes, z. B. also für unsere deutsche Ge- nossens<baftSbewegung die Aeußerung des Verbau« deS der deutschen, WirtschaftSgenoffenschaften ein­holen und ist an ein positives Gutachten dieses Verbandes bei Herausgabe der Bescheinigung gebunden. Ein analoger Vorgang ist auch be» Gründung von neuen Betriebsstätten oder Verkaufsstellen bereits bestehender Genossenschaf­ten einzuhalten. Die Bestimmungen der neuen Verordnung beziehen sich nicht auf jene Branchen, für di«, wie bei den im Eingänge dieses Artikels aufgezählten, bereits Sonderregelungen getroffen worden sind. Nebertretunaen der Verordnung, sowohl in ihrem gewerberechtlichen als auch in ihrem aenossen« schaftsrechtlichen Teil' werden nach dem Ermächti­gungsgesetz bestraft.

FriedhofscMndung In B.-Lelpa Streichers Hand reicht Ober die Grenze Neben dem Stadtpark' in Böhmisch-Leipa befindet sich ein uralter jüdischer Friedhof mit sehr alten Grabdenkmälern, von denen einzeln« gegen 400 Jahve alt find. Di« ganze Anlage steht unter Denkmalschutz. Dort haben in der Nacht vom Samstag zum Sonntag Hunnen gewütet und nicht weniger als 13 zum Teil historisch sehr werwollr Grabdenk­mäler umgeworfen und beschädigt. Bis jetzt konnten die Täter nicht ermittelt werden. Es ist nicht schwer, von der Handlung auf die geistig« Einstellung der Täter Schlüsse zu ziehen. Bon einem Bubenstreich wird man nicht gut sprechen können. Vielmehr läßt alles darauf schließen, daß eS sich um eine Art anti» semitischerBerhetznng handelt, wie sie in gewissen völftschen Kreisen getrieben wird und wie sie aus dem Dritten Reiche über die Grenzen schlägt.

Kommunisten als Anwälte der SHF Rote Fahne für Brttxer Henleint-irner Montag, den 22. ds., haben in Brüx die deutschen Turner ohne behördliche Bewilligung einen der jetzt bei ihnen üblichen Demonstrations­umzüge durchgeführt. Sie stießen dabei auf den Widerstand der Staatspolizei, die einige der Nazis, die sich besonders renitent benahmen, den Gummiknüppeln geschlagen und dem Füh­rer der SDH. in Brüx , Dr. Füffel auf der Poli­zeiwachstube, wie djeReichenberger Zeitung " mitteilt, einige Ohrfeigen verabreicht haben sollen. Gewiß kann vom rechtlichen Standpunkte aus, die Gummiknüttelmethode der Brüxer Polizei nicht verteidigt werden und deshalb wurde von den zu­ständigen Amtsstellen auch sehr schnell die Unter­suchung der Vorfälle eingeleitet; aber ist es Auf­gabe der Arbeiter und ihrer Organe zu protestie­ren, weil die Nazis, die ihre Existenz nur dem Bernichtungskampf der Kapitalisten gegen die Marxisten zu verdanken haben, nach der gleichen Methode zur Ordnung gerufen werden, die man schon sehr ost unter allgemeiner Zustimmung des nationalen Bürgertums gegen hungernde Arbeiter, die nach Brot riefen, in Airwendung brachte? Wir Sozialdemokraten sagen, die Verteidigung der Henleinfasristen ist-nicht unsere Sache,selbst dann nicht» wenn ihnen einmal di« derb« Faust der Po­lizei unter die Nase gehalten werden sollte! Anders halten es die Kommunisten. Sie schreiben in der Freitagausgabe derRoten Fahne" über die Uebergriffe der Polizei in Brüx und stellen den Vorfall so dar, als ob unter den

Henleinturnern ein gräßliches Blutbad angerich­tet worden wäre. Dabei stützen sie ihren Bericht auf die Meldungen der faseistischenBrüxer Zei­tung", über deren Qualitäten kein Wort zu ver­lieren ist. Mit Säbel und Gummiknüttel schsu- gen die Polizisten auf die Turner ein, jammert dieRote Fahne", als ob es sich hier um Leut«, die aus Hunger auf die Straße gehen, handeln würde und nicht aus nationalistischem Uebermut. Das in der gleichen Zeit, da die Faseisten aller Länder nur Zuchthaus und Galgen, Konzentra­tionslager und Massenpogrome gegen die Prole­tarier in Anwendung bringen. Ob auch nur ein Arbeiter dieses Mitleid derRoten Fahne" mit den Henleinfaseisten versteht, wagen wir zu be­zweifeln. Im Gegenteil man wird, wenn nicht in klarer Weise, so doch wenigstens mit einer Geste ttefster Verachtung das Blatt beiseite legen.

Soldat erschient seine Geliebte Der 22jährige ZugSführer Gottlieb H e n z l, der in Freiwaldau dient, erhielt dieser Tage Ur­laub und fuhr nach Jaromkkitz bei Gewitsch, wo er seinen Eltern bei den Erntearbeiten half. Dort verliebte er sich in die 22jährige Marie S Y ch r a. Als das Ende seines Urlaubes herannahte, be­schlossen die beiden, gemeinsam steiwiUig auS dem Leben zu gehen. Montag nach drei Uhr stüh gingen sie in den Wald, wo Henzl seine Geliebte durch einen Revol« Vorschuß in die rechte Schläfe tötet«. Der Soldat wollte sich dann selbst erschießen, aber beim ersten Schuß versagte die Waffe und zu einem zweiten fehlte Henzl bereits der Mut. Er lief nach Könitz , wo er sich bei der Gendarmerie stellte. Er wurde verhaftet und in die Haft des Brünner Divisions­kommandos eingeliefert.

Abg. Rosche überfährt einen Arbeiter. Am Samstag, dem 27. Juli, überfuhr der Abgeord­nete der Henlein -Partei Dr. Alfred R o s ch e in D a u b a mit seinem Auto einen 25jährigen Arbeiter namens Schulze. Schulze erlitt einen komplizierten Bruch der Schädelbasis, so daß an seinem Aufkommen gezweifelt werden muß. Der Vorfall ist gewiß sehr bedauerlich und es kommt uns nicht bei, ihn politisch auszuschroten. Was aber würde die Henleinpartei für Tänze aufführen,, wenn in dem Auto ein, sozialdemokra­tischerBonze" gesessen wäre!-.... Richtigstellung. In dem Bericht über die Nachtragszuwendungen für die Ernährungs­aktion der SonntagSauSgabe unseres Blattes wird, durch einen Schreibfehler veranlaßt, Dauba mit 12.000 K£ erwähnt. Richtig soll es heißen: Dauba 2000 XL.

Wie Otto Glöckel bestattet wurde Der Polizeistaat fürchtet den toten Sozialisten Christliche" Büttel an der Bahre Verhaftungen im Weiheraum

Man schreibt uns aus Wien : Freitag, den 26. Juli, nachmittags um 4 Uhr, wurde in der Feuerhalle des Wiener Zen- tralfriedhofes. das, was sterblich war an Otto Glöckel , den Flammen übergeben. Keine schwar­zen Fahnen waren an diesem Tage in Wien zu sehen, nirgends durfte«in Zeichen der Trauer sichtbar werden, ja selbst den Zeitungen wurde untersagt, über die Beerdigung Otto Glöckels zu schreiben. Eine Stunde vor der festgesetzten Zeit für die Trauerfeier waren 5000 Arbeiter und Ar­beiterinnen vor dem Friedhof versammelt, von denen aber nur an die 8000 zur Totenfeier zuge« lassen wurden. Nach Einlaß dieser 6000 Trauernden wurden die FriedhofStore geschlossen. Mächtige Polizeikordon« ftankierten den Eingang zum Friedhof und den Eingang zur Feuerhalle. Bor dem Friedhof waren Autos deS Neber- fallkommandoS aufgestellt, Kommandorufe ertönten, es war ganz so, als ob man vor einer belagerten Festung stünde. Inmitten der Feuerhalle stand der Sarg mck der Leiche Otto Glöckels, rechts und links von drei Mädchen mit blauen Blusen, aber ohne jede- Ab­zeichen, ffanftert. Der Sarg selbst stand inmit­ten eines Waldes von Blumen. In die Keine Halle, wo die Feier stattfand, wurden von den Trauerträgern 800 Personen zugelassen. Al- sich der Sarg aus der Tiefe ernporhrB, wurde er rechts und links von Polizeikolonnen umstellt. Schwer bewaffnet standen sie längs der Wände des Sar­ges Mann an Mann. Ein Oberst führte das Kommando. Mehrfach gellte sein Ruf.Wache" während der Trauerfeier und dann brachen die Polizisten durch die Reihen der Trauernden und griffen den oder jenen heraus. Einer hatte schmerzvoll gerufen:Oesterreich wird Glöckel nicht vergessen!" und sofort wurde er aus der dicht gedrängten Menge der Trauergäste herau-geholt, vorderhand nach Waffen untersucht und dann neben dem Sarg gefangen genommen. Zweimal wiederholte sich dieser Vorgang. Diese Verhaf­teten sollen die geballten Hände emporgehalten

haben. Dies alles vollzog sich, während die Red­ner am Sarg Abschiedsworte sprachen. Das voll­zog sich vor der Frau und dem Sohne und vor den übrigen Angehörigen des Toten. Es sprachen: B r i n« r(Zürich ) für die Freie Lehrerschaft der Schweiz und für die So­zialdemokratie der Stadt und des Kantons Zürich . Nach ihm d« Witte(Karlsbad ) für den Par­teivorstand der deutschen Sozialdemokratie der Tschechoslowakei , für die sozialdemokratische Kreis« organisation Karlsbad und die Lokalorganisatio­nen GraSlitz , Reudek, Platten und JoachimSthal . Waßhuber(Wien ) für die Lehrergemeinde, der Glöckel angehört hatte, und Speiser (Wien ) für di« Wiener Freund« des Verstor­benen. Genosse de Witte sägte u. a.: Im Su« detengebiet wehen Trauerfahnen. Sie gelten Otto Glöckel . In vielen sudetendeutschen Städten und Dörfern sind Männer und Frauen zu Trauer­kundgebungen versammelt. Sie danken Otto Glöckel . Ich stehe hier im Auftrag« vieler zehn­tausender sudetendeutscher Arbeiter, um einem Mann ein Abschiedswort zu sagen, der, wie selten einer, seinen Namen in ihr Herz eingetragen hat. Denn er war unser, und aus der Riesenftille sei­nes österreichischen Wirkens blieb er es. Das Werk, an dem er arbeitete und dessen Voll­endung er erstrebt«, gehörte ja nicht nur Oesterreich, eS gehörte auch uns, eS war der ganzen Menschheit zugedacht. Otto Glöckels du bist nicht tot. Denn tot ist nur, von dem nichts übrig bleibt als Asche. Tot ist nur, wer vergessen wird. Du aber lebst wei­ter in dem, was du geschaffen und erstrebt. Und jene, di« nach uns kommen, werden von dir reden als von dem großen Lehrer, von dem idealen Menschen, von dem Freund der Kinder, von dem Mann, der für eine hellere Zeit arbeitete. Otto Glöckel , habe Dank für deine Menschenliebe, für dein großes Werk. Dein Name wird bleiben! Dein heüig Wollen wird dauernd für dich zeugen."