Nr. 176
Mittwoch, 31. Juli 1935
Seit, 5
Die französische« Flieger als Kriegsgrund Unaufgeklärtes aus de« Augufttage« 1914
Zahlen über unsere Fremdenverkehrspropaganda Der„Deöer" vom 3V. Juli teilt über die Fremdenwerbung unserer Staatsbahnen einig« Fahlen mit. die wir unseren Lesern nicht vorenthalten wollen. Seit dem Jahre ISIS bis jetzt haben die Staatsbahnen 3.3 Millionen Stück Propagandamatcrial veröffentlicht. Davon first» 42.000 Alben in sechs Sprachen, 64.000 Uebersichten über internattonale Eisenbahnverbirchungen in tschechischer, deutscher, französischer und englischer Sprach«, 513.000 Broschüren in sieben Sprachen, 1,781.500 Flugschriften in neun Drachen, 168.000 Ansichtskarten, 242.400 Plakate in sechs Drachen, 4600 Landkarten, 2880 Orientierung-plane, 12.000 Tiefdruckbilder, 10.000 Bilder in Eisenbahnwaggons und 10.000 Bergröhe, rungen von Photographien. Außerdem haben sich die Eisenbahnen an 110 Ausstellungen und Messen beteiligt. Wir anerkennen gerne, dass dies eine sehr anerkennenswerte Bilanz ist. Aber wir müssen darauf Hinweisen, daß es andere, speziell mit der Propaganda für unseren Fremdenverkehr betraute Instanzen gibt, die mit ihren Leistungen offenbar hinter ihren Aufgaben Zurückbleiben. Sonst wären die offensichtlichem Mängel, auf die wir vor kurzem aufmerksam gemacht haben, nicht zu erklären. Es wäre zu wünschen, wenn sich diese Stellen ebenfalls vernehmen liehen und der öffentlichen Meinung eine Uebersicht über ihre Tätigkeit vorlegen würden.
Der besteuerte Selbstmord. Die Bundesregierung von Ohio (USA .) hat eine bestimmte Sorte von Selbstmorden unter einen hohen Bersteuerungssatz gestellt. Es handelt sich um jene„Selbstmordspezialität", die den Freitod tä.i ein Mittel dazu ansicht, den Erben in den Besitz der BersicherungSsumme kommen zu lassen. Da diese Selbstmorde in Ohio geradezu epidemisch auffrrten, hat der Staat beschlossen, hieraus ein lukrative Einnahmequelle zu machen und ein Gesetz erlassen, nach dem 6 6% der durch Freitod auSgelösten Versicherungssumme in Zukunft an den Staat gehen. Geheimnisvolle Strahle«. Die»New Jork Times" melden, dah im Laborawrium des Signal- Korps von Fort Monmouth(New Verseh) Strahle» entdeckt worden seien, die die Feststellung von Kriegsschiffen und Flugzeugen in einer Entfernung von über 5 0 Meilen von der Küste ermöglichen sollen. Weitere Einzelheiten werden jedoch geheim gehalten. Auch sei das Fort streng abgesperrt worden. Ei» Boot kentert— fünf Todesopfer. Auf dem Garda-See ist ein Boot gekentert. Bier Mitglieder einer Reisegesellschaft und der Fährmann sind e r- trunken. Segelflugzeuge funke«. Nach der gelungenen Rundfunkreportage von einem in der Höhe von V00 Metern über Oltnütz fliegenden Segelflugzeug, die von der Brünner Rundfunkstation gesendet wurde. Plant di« Segelflugabteilung der Masaryk-Flugliga in Olmüh in« Rundfunkreportage von einem Segelflugzeug bei Luftakrobatte und eine Reportage zwi- slben mehreren Segelflugzeugen und der Erdstation.
Die Meldungen, die in den ersten Wochen des Nordafrika -Konfliktes zu uns kamen, erinnern lebhaft an die unheilschwangeren Juli« und Augusttage des Jahres 1914. Es ist schwer zu sagen, ob diese erfundenen Kampfhandlungen, die sowohl von abbessinischer wie von italienischer Seite verbreitet wurden, nur Ausfluß der Kriegspsychose sind, oder ob sie bewußte Regie erfunden hat. In den unheilvollen Augusttagen 1914 haben wir Aehnliches erlebt. Damals dienten angebliche Kriegshandlungen, die in Wirklichkeit nie stattfanden, zur Begründung der deutschenKriegserklärungan Frankreich. So meldete die.^kölnische Zeitung" am 2. August 1914: Soeben läuft eine militärische(!) Meldung ein» daß heute vormittags französische Flieg er in derUmgebungNürtt- bergs Bomben abwarfen. Da eine Kriegserflärung zwischen Frankreich und Deutschland bisher nicht erfolgt ist, liegt ein Bruch des Völkerrechts vor. Diese Meldung geht auf eine Nachricht des offiziösen„Süddeutschen Korrespondenzbüro" in München zurück, wonach die Eisenbahndirektion Nürnberg mitteilte, daß auf der Strecke Nürn berg —Kissingen , sowie auf der Strecke Nürnberg —Ansbach Flieger gesehen wurden, die Bomben auf die Bahnstrecke warfen. Die Eisenbahndirektion Nürnberg hatte die Meldung unter Vorbehalt an den Generalstab weitergegeben. Bald darauf hat die Eisenbahndirektion die Meldung aber als unzutreffend erkannt und darüber dem Generalstab telephonisch Mitteilung gemacht. Auch der preußische Gesandte in München berichtete noch am 2. August an den Reichskanzler: „Die auch hier vom Süddeutschen Korrespon- denzbüro verbreitete militärische Meldung, daß heute französische Flieger in der Umgebung von Nürnberg Bomben abgeworfen haben, hat bisher keine Bestätigung gefunden. Es sind lediglich unbekannte Flugzeuge gesichtet worden, die augenscheinlich keine Militärflugzeuge waren. Das Werfen von Bomben ist nicht festgestellt, noch weniger natürlich, daß dieFlie- ger Frazosen waren." Trotzdem erklärte der Reichskanzler Beth- mann-Hollweg am 4. August im Reichstag, daß französische Flieger bis nach Süddeutsch land hinein Bomben geworfen hätten. Diese französischen Flieger haben tatsächlich gar nicht existiert, konnten also auch keine Bomben geworfen haben. Ebenso ist eS mit den franzö sischen Fliegern, die am 2. August angeblich im Eifelgebiet„festgestellt" worden sind. Aber noch geheimnisvoller verhält es sich mit dem Flieger, der von deutschen Truppen bei Weselher- untergeschossdn worden sein soll. Diesen Flieger hat nie jemand gesehen, und das angeblich herabgeschossene in Wirklichkeit aber gar nicht existente Flugzeug, muß sich, wie inj
einem Zaubermärchen— sofort in Rauch aufgelöst haben, denn es ist seitdem spurlos vom Erdboden verschwunden. Alles,.was von dieser mysteriösen Angelegenheit noch übrig blieb» ist der eine Weltkatastrophe auslösende Auftrag des Reichskanzlers vom 3. August 1914 an den deutschen Botschafter in Paris , worin die Weisung erteilt wurde, Frank reich den Krieg zu erklären. In diesem Telegramm heißt es: „Französischer Flieger, der belgisches Gebiet überflogen haben muß, wurde bei Versuch, Eisenbahn bei Wesel zu zerstören, schon gestern herabgeschossen. Mehrere französische Flugzeuge sind gestern über Eifelgebiet zweifelsfrei festgestellt. Auch diese müssen belgisches Gebiet überflogen haben. Gestern warfen französische Flieger Bomben auf Bahnen bei Karlsruhe und Nürnberg.— Frankreich hat uns somit in Kriegszustand versetzt. Bitte Ew. Exz. vorstehendes heute Nachmittag 6 Uhr dortiger Regierung mitzuteilen. Ihre Pässe fortdern und nach Uebergabe der Geschäfte an amerikanische Botschaft abzureisen. Tatsächlich dienten dann diese angeblichen französischen Fliegerangriffe zur Begründung der Kriegserklärung an Frankreich . Wie die Meldungen über den Bombenabwurf bei Karlsruhe , über das abgeschossette Flugzeug bei Wesel und über die E i f el- flieget zustande kamen, das konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Man hat in den Akten des Auswärtigen Amtes und des großen Generalstabes auch keinerlei Telegramme oder sonstige Benachrichtigungen darüber gefunden. Interessant ist, was der Militärflieger, Hauptmann a. D. Willi M e Y e r zu diesen Fliegeraffären sagt. Er gehörte mehrere Jahre als militärischerSachverftändiger dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß für Kriegsschuldftage an und äußerte sich u. a. über die Möglichkett, die Nationalität eines Fliegers festzustellen, wie folgt: Wie hat man„zweifelsfrei" festgestellt, daß die Flugzeuge über der Eifel französischen Ursprungs waren? Selbst für den Fachmann war cs damals nicht ganz einfach, einwandftei die Nationalität eines auf einem Kriegsflug befind- lichenFlugzeuges vom Boden aus festzustcllen.Wer war der Flugfachmann, der am 2. August 1914 zufällig in der Eifel anwesend und befähigt war, die Feststellung zweifelsfrei vorzunehmen? Die Truppe vermochte im Anfang die Flugzeuge Deutschlands und Frankreichs kaum zu unterscheiden.' Zu den Fliegerbomben von Nürn berg ist noch festzustellen: die Meldung des preußischen Gesandten in München , daß bei Nürnberg keine Bomben geworfen wurden, ist vom 2. August datiert, trägt aber erst den Eingangsvermerk des Auswärttgen Amtes vom 3. August nachmittags! Der verhängnisvolle Auftrag zur Kriegserflärung ging am 3. August nachmit
tags 1 Uhr 5 Minuten zum Telegraphenamt. War zu dieser Zeit das Münchner Dementi über dir Nürnberger Fliegerbomben schon im Auswärtigen Amt eingelaufen? Der parlamentarische Untersuchungsausschuß hat jedenfalls darüber nichts festgestellt. Hauptmann Meyer, dessen fachmännischer Aeußerung besonders Bedeutung zukommt, wirst noch die Frage auf, wer von den verantwortlichen Flugpersönlichkeiten, die meist noch in Berlin anwesend waren, gutachtlich zu den Behauptungen von den Bombenabwürfen gehört wurde. Es sei mtt großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß ein Fachmann diese MeÜ>ung(beim damaligen Stand des Flugwesens) kurzerhand als absurd und einen solchen Einsatz der Flugzeuge als unsinnig bezeichnet hcwen würde. Wie es bei alledem möglich war, daß mit den Bombenabwürfen französische Flieger, die nur in der Phantasie eines von Kriegspsychose Besessenen existiert haben, die deutsche Kriegserklärung begründet werden konnte, wird wohl ewiges Geheimnis bleiben. Von historischer Bedeutung wäre es allerdings, wenn festgestellt werden könnte, ob es sich bei diesen schicksalsschweren Meldungen wirklich nur um K r i e g sp s y ch o s e handelte, oder ob nicht doch chauvinistische Regie die Hand im Spiel gehabt hat.
Das Schiedsgericht im Fall Jacob Bern.(SDA.) Der schweizerische Gesandte in Berlin und das Auswärtige Amt des Deutschen Reiches haben die Schiedsordnung in der Angelegenheit deS von deuffchen Spitzeln von Basel über die deutsche 'Grenze entführten jüdischen Emigranten Berthold Jacob unterzeichnet. Das Schiedsgericht wird nach dieser Ordnung die Umstände festzustellen haben, unter denen Berthold Jacob von Straßburg auf schweizerisches Gebiet und von dort am 9. März 1935 in die Hände der deutschen Behörden gelangt ist, und darüber entscheiden, ob dadurch die schweizerische Gebietshoheit in einer von der deutschen Regierung zu vertretenden Weise verletzt worden ist oder nicht. Wenn das Gericht zum Schluß gelangt, daß durch diese Vorfälle die schweizerische Gebietshoheit verletzt worden ist, so hat es zu bestimmen, wie diese Gebietsverletzung wieder gutzumachen ist. Dem Schiedsgericht gehören an: Rafael Erich , finnischer Gesandter in Stockholm , Michael H a n s s o n, Mitglied deS rumänisch -ungarischen Schiedsgerichtes» Dr. Andreas I u h a s z, Mitglied des ungarischen Oberhauses, Staatsrat Freiherr von F r e y- tag-Loringhoven, Mitglied des deutschen Reichstages und Prof. Max Huber ehemaliger Präsident des Ständigen Internationalen Gerichtshofes.
„Staatsfeindliches Vermögen" Karlsruhe. (DNB)-Auf'Grund deS Ge» setzes übet die'Einziehung Volks-und staatsfeindlichen Vermögens wird für den Bereich des Landes Baden das Vermögen der katholischen Verbände„Windhorstbund",„Badenwacht" und „Schoferschar" zugunsten des Landes Baden eingezogen, da es nach Feststellung des ReichS- und preußischen Ministers des Inneren zu volks- und staatsfeindlichen Bestrebungen bestimmt gewesen ist.
Girr Hitlerdeutscher fährt«ach Bodenbach Von Zeit zu Zeit bekommt man einmal eine reichsdeutsche Zeitung zu Gesicht; eS ist niemals ein Vergnügen, diese Maulkorbpresse zu lesen» und wer nicht als Henleindeutscher für das Dritte Reich schwärmt, verliert an diesen Zeitungen nicht das Geringste. Manchmal aber findet man doch etwas darin, was auch für„hüben" von gewissem Interesse ist. Da schildert z. B. im„Dresdner Anzeiger" ein waschecht braun gefärbter Hans Birke eine Elbdämpferfahrt von Dresden nach Bodenbach. Angeblich hat er sie unternommen,„um selbst einmal einen fleinen Eindruck von der sudeten deutschen Not zu bekommen". Schuld an der Notlage der sudetendeutschen Bäder und Grenzorte- sind seiner Meinung nach die Deviseneinschränkungen— sehr richtig; nur daß das von reichsdeutschcr Seite verhängte Einschränkungen sind, verschweigt er vorsichtig— und„vor allem die Verkehrspolitik der tschechischen Regierung". Was die daftir können soll, daß die Dresdner nicht mehr so zahlreich wie früher nach HerrnS- kretschen, Tetschen , Bodenbach , Salesel, Teplitz usw. kommen, behält er als sein Geheimnis. Er aber fährt mutig nach Bodenbach. Bei der Mittagsrast in Schandau sitzt am Nebentisch cin Ehepaar.„Ach, mir fällt eben ein—" sagt der Mann zu seiner Gattin,„hast du auch nichts in Zeitungspapier eingewickelt? Vielleicht die Butterdose oder so etwas? Ich habe dir doch gesagt,-daß die Tscheckien keine deutschen Zeitungen binüberlasscn!" Daß reicbsdeutsche Zeitungen in der Tschechoslowakei erst verboten worden sind, nach dem aus Angst vor der Wahrheit verhängten Verbot fast aller in der Tschechoslowakei erscheinenden Zeitungen für Deutschland , das ver- schiveigt HanS Birke wiederum. Dafür benimmt sich jenes Ehepaar nachher auf dem Dampfer be» der Paß- und Zollkontrolle in HerrnSkretschen so blöd, wie viele Menschen heute in Deutschland nun einmal gemacht werden. HanS Birke schildert die Szene:
„Der tschechische Grenzbeamte fragt das Ehepaar:„Haben Sie etwas zu verzollen?" „Rein!" sagt die Gattin sehr bestinunt. Aber der Gatte ist vorsichtiger und meint:„Ich weiß es nicht. Sehen Sie bitte nach!" Nervös greift die Frau nach den Rucksäcken und will sie auspacken. Aber ihr Mann drängt sie zurück und flüstert ihr bissig zu:„Laß ihn doch selbst suchen!" Der Tscheche hebt die Butterdose aus dem Rucksack, ein Bündel Wäsche. Dann sagt er:„Ich danke. Guten Tag!"„Heil Hitler !" antwortet erleichtert und gewohnheitsmäßig die Frau. Der Tscheche zuckt zusammen und zögert im Schritt, während der Mann seine Gattin in die Seite knufft:„Bist wohl toll, wo ich dir's doch gesagt habe..." Die Leutchen können von Glück reden, daß sie es mit einem höflichen und nachsichtigen tschechischen Beamten zu tun hatten, der bloß„zusammenzuckte"— drüben im Dritten Reich , wenn dort jemand aus Versehen und alter Gewohnheit etwa mit„Freiheit!" grüßen würde, zuckt etwas ganz anderes. Dann im Hotel in Bodenbach fühlt der wak- kere Birke„den deutschen Besitzer in den Räumen", nur weil das Hotel sauber, das Zimmer gemütlich ist. Im übrigen aber findet er weder Bodenbach noch Tetschen besonders reizvoll. Und überhaupt tut dieser Biedermann, der doch diese Fahrt aus Mitgefühl mit den notleidenden Su« detendcutschen unternommen haben will, so ziemlich alles, um seinen Lesern eine solche Grenzfahrt nach Böhmen von vornherein zu vernichten. Man spürt daraus die eigentliche Absicht seiner Schilderung, unter dem Vorwande brüderlicher Verbundenheit mit den Sudetendeutschen vor der Tschechoflowakei grauslich zu machen. In seinem versteckten, aber deutlich spürbaren Eifer, der Tschechoflowakei eins auszuwischen, schildert er sogar die Sudetendeutschen als schlechte Kerle, vor denen man auf der Hut sein muß. So soll auf der Rückfahrt nach Herrnskret- schen ein fliegender Händler versucht haben, dem guten Birke ein Taschenmesser für 14 Kronen anzudrehen, da ser dann„an seine Kundschaft"(wo nimmt ein Hausierer auf einem Elbdampfer
Kundschaft her?) für fünf bis sechs Kronen verkauft habe. Birke spricht von einem tschechischen Händler, da aber ein solcher sich schwerlich aus einen deutschen Dainpfer zwischen Bodenbach und HerrnSkretschen verirren wird, wird es tvohl ein Sudetendeutscher gewesen sein, der als Staatsbürger der Tschechoslowakei natürlich auch „Tscheche" ist, worauf sich der treuherzige Birke ja herausreden könnte. Er aber erzählt:„Als HerrnSkretschen wieder herankam, war ich ftoh, daß der„fliegende Händler" mit seinem Kram und seinen„tschechischen„Bolkssitten" den guten, sauberen, ehrlichen deutschen Dampfer verlassen mußte." Und auch der sudetendeutsche Kellner war ein schlechter Kerl, von dem er schreibt:„Ich bat den tschechischen Kellner","— einen tschechischen Kellner auf der Terrasse eines„gut bürgerlichen" deutschen Hotels in Bodenbach , wo sich das abgespielt haben soll, würde man wohl vergeblich suchen—,„mir meine zwei glänzenden Fünfmarkstücke zu wechseln, weil ich mich beim Umrechnen in Kronen nicht sicher fühlte. 78 Kronen bekam ich daftir. Wie ich später erfuhr, hätten es 86 sein müssen. Der Kellner hatte eben daS„Wechselgeld" gleich einbehalten." Das fft ein ganz offenbarer Scftvindel! Zu jener Zeit, als nach dem Datum der Nummer des „Dresdner Anzeigers", in der seine Schilderung! erschienen ist, HanS Birke seine Reise unternahm, stand nämlich schon seit Wochen vorher und auch noch wochenlang nachher der Kurs 100 Reichsmark— 813 KC. Birke hätte also für 10 Reichs- Mark nicht 86, sondern 81 Kä erhalten müssen, wenn— sein Geld Reichsbanknoten gewesen wären. Daß aber deutsches Silbergeld überall wesenflich niedriger im Kurse steht als Papiergeld und daß ihm die zwei Fünfmarkstücke mit 78 Kö sogar über dem Kurs berechnet worden sind, braucht ein so gewissenhafter Berichterstatter anscheinend nicht zu wissen. Und wenn er es Weitz, darf er es um einer Zwecklüge willen verschweigen. Das ist Moral des Dritten Reiches . Biel besser hat ihm jedenfalls der Hoteldiener des Bodenbacher Hotels gefallen, der ihn nach seiner Schilderung aus seinem Sinnieren riß:
„Sehen Sie da das Reklameplakat des tschechischen Schuhkönigs. Ich war lange in Deutschland und weiß, daß dessen Waren dort ebenfalls zu haben sind. Ist das nicht bedauerlich, daß Deutsche immer noch die Waren tschechischer Chauvinisten kaufen?— Ich schwieg darauf." Noch lieber der schweigt er, wie wir gesehen haben. Tschechische Niedertracht erbittert ihn auf Schritt und Tritt:„Bedrückt schlenderte ich durch die Straßen, die in schlechtem Zustand und voller Staub waren. Beinahe hätte mich ein Auto überfahren, das links am Verkehrsteiler vorbeifuhr. Schimpfend sprang ich ein paar Schritte zurück:„So eine Wirtschaft! Der Kerl fährt links!" Aber ich mußte mich von dett Richtungspfeilen am Brrkehrsteiler belehren lassen. Man fährt eben links in der Tschechoflowakei." Welche Gemeinheit! Nebexströmt vom Glücksgefühl, dem Ausland, das„für uns reiselusttgen Deutschen ' leider immer eine magische Anziehungskraft besessen" hat, wieder entronnen zu sein, fährt Hans Birke heim, zurück ins Dritte Reich, an das er denkt, „an das zusammengeschmvlzene Arbeitslosenheer, . die deutsche Heimat, wo alle Schlote rauchen." Wie könnte er die Wahrheit sagen, die er ja auch gar nicht sagen will! Nie und nimmer könnte sonst sein Reisebericht im„Dresdner Anzeiger" erscheinen.• Aber das ist die Art, in der diese Sorte „Volksgenossen" mit biedermännisch. gespielter Treuherzigkeit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen möchten: einmal de:»„sudetendeutschen Bruder" zu pousstercn, zum zweiten aber und gleichzeitig, und sei es auch auf Kosten eben dieses„Bruders", reiselustige Deutsche von der Tschechoflowakei abzuschrecken. Und wenn diesem Hans Birke der Dampfer der Sächsisch-Böhmischen Dampfschiffahrtsgesellschaft„geradezu als ein Symbol für die deutsche Geradheit und Zuverlässigkeit" erscheint, so ist er selber mitsamt dem „Dresdner Anzeiger", der wider besseres Wissen ein so albernes und innerlich verlogenes Gesckwätz abdruckt, ein sprechendes Symbol für die elende Zweideutigkeit dessen, was heute so überheblich auf sein Deutschtum pocht. Manfred.