Geile 2
Dienstag, 13. August 1935
Nr. 18?
Wieder im Vormarsch
Der 19. Mar 1935 hat der sudeteirdeutschen Arbeiterbewegung den schwersten Nackenhieb versetzt, der sie seit ihren kampferfüllten Anfängen getroffen. Wie eine Dampfwalze war eine Welle des National-Fascismus über unser Grenzland hinweggegangen. Einige deutschbürgerlich« Parteien sind seither vom Erdboden verschwunden, andere wurden so arg dezimiert, daß ihr Dasein in weiten Gebieten ausgelöscht erscheint. Auch die deutsche Sozialdemokratie hat vom Kampfplatz tiefe Wunden davongetragen, die um so mehr schmerzten, als ihre Kaders in den Sturmjahren zuvor von Freund und Feind als Muster von echter Gesinnungstreue und politischer Diszipliniertheit bewundert worden sind. Henlein buchte einen über alles Erwarten großen Sieg. Mit der Eroberung von zwei Dritteln aller deutschen Stimmen und Mandate ist eine Partei dem angestrebten Totalitätsziel einen gewaltigen Schritt nähergekommen. So war es dann eine Schicksalsfrage für die anderen deutschen Parteien, ob ihre Reftbestände unter neuen Angriffen des sudetendeutschen FascismuS dahinschmelzen werden, oder ob sie Grundlage und Ausgangspunkt ihrer neuen Wiedererhebung zu sein vermögen. Diese Frage ist auch für die weitere Gestaltung der Innenpolitik von hoher Bedeutung, denn die Sudetendeutsche Partei legte nach ihrem Siege alles darauf an, auch in Prag als Wortführerin und Sachwalterin des gesamten Sudetendeutschtums anerkannt zu werden. Für unseren Teil ist diese Frage nun eindeutig beantwortet. Die sudetendeutsche Arbeiterbewegung hat sich keinen Augenblick innerlich geschlagen gegeben. Nun lag es an ihr, auch nach außenhin den Beweis ihrer unzerstörbaren Lebenskraft abzulegen. Dieser Beweis ist durchschlagend erbracht worden bei den wuchtigen Aufmärschen in D u x, in B o- denbach, in Reichenberg, in Brau- Nau. Da nun die Berichte von diesen Kundgebungen vorliegen, darf ohne Selbstüberhebung gesagt werden: es wird in der politischen Geschichte wenig Beispiele einer so stolzen Wiederaufrichtung einer vom Mißgeschick eines Wahlentscheids so hart getroffenen Bewegung geben. Das Märchen von der„sterbenden" Sozialdemokratie ist abgetan. Nein, diese eisernen Kaders der sudetendeutschen Arbeiterbewegung sind einfach nicht umzubringen. An der herrlichen Treue, an der grenzenlosen Aufopferung dieser Gesinnungs- und Schicksalsgemeinschaft müsien alle feindlichen Anstürme zuschanden werden. Hier steht Qualität gegen Quantität, da streitet sturmerprobte Elite gegen die bunt zusammengewürfelten Heerhaufen der JNflationShewinner bet sude- trndeutschen Not. Der Beweis ist erbracht» daß die deutsche Sozialdemokratie als Partei und Organisation nicht nur völlig intakt geblieben ist, sondern ihre historische Funktion alS stärkste Gegenkraft des sudetendeutschen FascismuS auch auSzu- üben vermag. War Dux hochbedeutsam als offenes Bekenntnis und Treugelöbnis der sozialistischen Jugend zur Partei, so ist in politischer Hinsicht der unerwartet große Erfolg des Reichenberger Arbeitertages nicht hoch genug anzuschlagen. Doppelt ist in Nordböhmen die deutsch » Arbeiterbewegung heimgesucht worden durch eineinhalb Jahrzehnte erbitterten Bruderkampfes und durch die Hochflut des Nationalismus. Die Kommunisten waren es, die entgegen ihrer heutigen Einheits-
sronttaktik unsere Organisationen im Reichenberger GÄiet nicht oft genug als bedeutungslose Tischgesellschaften von Krankenkaffen- und Gewerkschaftsangestellten verhöhnen konnten. Wir wollen nicht alte Wunden aufreißen, doch wenn in dieser gefahrvollen Feit kommunistische Arbeiter von ehrlicher Sehnsucht erfüllt sind, sich unseren Aufmärschen anschließen zu dürfen, so liegt darin eine historische Rechtfertigung des Widerstandes,, den wir allen kommunistischen Anstürmen entgegengesetzt haben. Hätte sich die deutsche Sozialdemokratie nicht behauptet in schwierigstem Fweifrontenkampf und hätte sie nicht im Bunde mit der tschechischen Bruderpartei entscheidend zur Rettung der Demokratie in diesem Lande beigetragen, dann kämen die neuen und hoffentlich auch ehrlich gemeinten Erkenntniffe des Kongrcffes der Komintern längst zu spät. Unter den großen Leistungen des vergangenen Sonntags ist auch der Tag des roten Aufbruches in Braunau zu nennen. Das Braunauer Ländchen ragt als eine ostböhmische Enklave in das Dritte Reich hinein. Seit Jahr und Tag liegt es unter dem unerhörten Druck der braunen Propagandamethoden, denen auch das deutsche Bürgertum fast ausnahmslos erlegen ist. Aber Druck erzeugt Gegendruck. Gerade die Sozialdemokraten des Braunauer Ländchens gehören zu den militantesten Kerntruppen der Partei. So ist auch der„Tag des roten Aufbruchs" zum Ausdruck ihres Trotzes und ihrer unbesieglichen Kraft ge- Ivorden. Die roten Proleten der angrenzenden ostböhmischen Bezirke beispiellos leidend unter der Krise, entsandten trotz alledem mächtige Heerhaufen in die Metropole der ostböhmischen Henlein- spießer. Rote Jugend, rote Turner und klaffen-
In manchen sudetendeutschen Henleinzeitun- gen wird in der letzten Feit Klage darüber geführt, daß trotz aller Bemühungen und Zusagen die aus Deutschland kommenden Reisenden nur 10 Mark über die Grenze nehmen dürfen. Mit diesem geringen Betrag kann man natürlich im Ausland keine großen Sprünge machen. Die starke Schädigung des tschechoslowaki- sen Fremdenverkehrs durch diese bezeichnende Maßnahme Hitler-Deutschlands liegt auf der Hand. Die auf den Fremdenverkehr seit jeher angewiesenen Grenzgebiete gegen Deutschland haben am 19. und 26. Mai vielfach mit größer Mehrheit die Henleins in der Hoffnung gewählt, daß deren Blutsverwandtschaft mit den Braunen eine günstige Wendung der miserablen Geschäftslage herbeiführen werde, d. h. der Fremdenverkehr durch Erleichterung der Devisenbestimmungen seitens Deutschlands sich wesentlich heben werde. In dieser Erwartung haben z. B. in dem bekannten Ausflugsort Herrnskretschen a. E. 90 Prozent der Bevölkerung für Henlein gestimmt. Aber es waralles für die Katz! Hitler- Deutschland droffelt nach wie vor bewußt den Fremdenverkehr, von dem tausende deutscher „Volksgenoffen", respektive„Volksgemeinschaft- ler", leben wollen. Alles wird in Deutschland angewendet, um den reisenden Staatsbürgern den Uebertritt in die
bewußte Arbeiterfrauen waren wie bei allen anderen Aufmärschen auch in Braunau stattlich vertreten, die Frauen in besonders großer und erfreulicher Fahl. Abordnungen der tschechischen Partei- und Turnbelvegung waren aus Nachod, Hronov und Königgrätz gekommen, um den deut schen Republikanern im Grenzgebiet ihre Solidarität zu bekunden. Auch einige hundert kommunistischer Arbeiter schloffen sich dem Festzuge an, ohne daß das neidvoll zuschauende Bürgertum Anlaß gefunden hätte, sich über die geringste Störung zu freuen. Es sind wahrlich Tage eines roten Aufbruches gewesen, die Braunau am Samstag und Sonntag erlebte. Bodenbach, die Jndustriemetropole am Ekbetor, hat seinen alten Ruhm als Hochsitz der nordböhmischen Arbeiterbewegung wieder neu befestigt durch eine internationale Grenzlandkund- gebung der Eisenbahner, die durch die Maffenbe- teiligung der einheimischen Arbeiterschaft zu einer imposanten Heerschau des Sozialismus wurde. Bor den Toren des Dritten Reiches legten zwan- zigtausend Menschen ein Bekenntnis zur Freiheit ab, die wir uns, brüderlich verbunden, bewahren wollen, bis sie in den Nachbarländern wieder aufersteht. In Bodenbach kam neben Reichenberg und Braunau am stärksten, zum Ausdruck, daß die Kampfgemeinschaft der tschechischen und deutschen Sozialisten eine feste Brücke zwischen unseren zwei Landesvölkern ist, die auch die stärkste Belastung der nationalsozialistischen Auspeitschung der Massen auszuhalten vermag. Das waren Tage des neuen Vormarsches nach einer verlorenen Schlacht, das war ein Aufbruch zu neuem Siegen. Denn die Parole, die von diesen Kundgebungen unserer eisernen Kaders ausgegangen ist, sie wird ihren Weg durch das ganze sudctendeutsche Grenzland nehmen: Wir sind die Minderheit von heute, wir wollen die Mehrheit von morgen sein!
Tschechoslowakei zu verekeln. Fu den Devisenschikanen kommen andere bis zu mehr oder weniger versteckten Drohungen an die Reiselustigen,' die unter dem früheren System alljährlich gern ins„Böhmische" reisten. Daß sogar derRund- funkin den Dienst der Gegenpropaganda gestellt wird, bewies der„Deutschlandsettder" am Samstag, dem 10. d. M., abends 20 Uhr. Unter seinen Nachrichten des„Drahtlosen Dienstes" befand sich eine ganz ausgewachsene Warnung an jene Hörer, welche die Tschechoslowakei besuchen wollen. Rn sehr durchsichtiger Weise wurde behauptet, daß den in die Tschechoslowakei reisenden deutschen Staatsbürgern die Gefahr drohe, monate- lang eingesperrt zu werden, wenn sie gewiffe Objekte photographierten, den Hitlergruß anwendetcn oder mit(politisch) verdächtigen Personen sprechen würden. Nun fällt natürlich den wirklichen reichsdeutschen Touri st en nicht im Traume ein, sich in der Tschechoslowakei unbeliebt zu machen. Die meisten sind todfroh, einmal aus dem Nazitrubel auf kurze Feit herauszukommen. Wer photographiert und spioniert, das sind ganz andere Elemente. Daß dies hierzulande in ausreichendem Maße geschieht, ist wahrlich nichts neues und gerichtsordnungsmäßig längst bewiesen. Ebenso ist uns sehr wohlbekannt, daß die Photographien der führenden Sozialdemokraten und Kommuni st en aus dem
tschechoslowakischen Grenzgebiet drüben ist Deutschland in den— Vertehrsalbums prangen! Unter solchen Umständen ist die korrekte Haltung der Tschechoslowakei , die ungehindert zehntausende ihrer Staatsbürger über die reichsdeutsche Grenze läßt(mit je 1000 Xäl) für die Henlein- blätter ein Vorwand für Vorstellungen an Deutschland . Sie verweisen darauf, daß viele Extrazüge(von Reichenberg , Tetschen und Bodenbach usw.) nach Deütschland geleitet werden, daß bei dem großen Schießen in Neu-Gersdorf in Sachsen jüngst mehr Tschechoslowaken wie Reichsdeutsch« anwesend waren, daß viel mehr tschechoslowakische AutoS in Deutschland zu finden sind wie reichsdeutsche bei uns usw. Aber auch diese sanften Rippenstöße der Hen« leinpreffe verfängt bei den braunen Machthabern absolut nicht. DaS ablehnende Verhalten der reichsdeutschen Follbehörden, einschließlich der Reichssendeleitung beweist dies schlagend. So ist die unsere deutsche Grenzbevölkerung, die ihre Hoffnung ganz und gar auf Henlein baute, um diese gründlich getrogen worden. Oder glaubt man etwa, Herr Konrad Henlein werde auf seiner Europa -Erholungsreise demnächst bei Hitler „Ordnung" machen? Aber Hoffen und Harren macht die Menschen zu— Narren...
Helmatfront— nicht der einzige Repräsentant der Deutschen Urteil der»Lldovi Noviny« Die„Lidove Noviny" schreiben über unsere sonntägigen Kundgebungen: Im böhmischen Grenzgebiet haben beide sozialdemokratischen. Parteien und-ihre Gewerk- I schaftsorganisationen drei große Kundgebungen sveranstaltet. Ihre Bedeutung geht weit über den Parteirahmen hinaus. In Bodenbach und Tet schen » in Reichenberg und Braunau hat die große Teilnahme der Deutschen an den Umzügen und Kundgebungen bezeugt, daß der demokratische republikanische Gedanke auch unter ihnen genug treue Anhänger hat. Und die begeisterte Zustimmung. bei jeder Erwähnung der Demokratie in der CSR und des Präsidenten Masaryk war der beste Beweis, daß die Heimatfront nicht der einzige Repräsentant unserer Deutschen ist. Die Kundgebungen haben so die deutschen Demokraten im Kamps gegen die uridemokratischen Bestrebungen gestärkt und haben zur Propaganda des Staatsgedankens im Grenzgebiete Böhmens beigetragen. Die deutsche Sozialdemokratie, welche heute das Rückgrat der Demo- k r a t i e unter unseren Deutschen ist, hat sich anscheinend von der ersten Erschütterung nach dem überraschenden ErfolgHenleins in denWahlen erholt. Der Verlust unsicherer Konjunkturanhänger wurde ausgeglichen durch erhöhte Entschlossenheit in einem Kampf, welchen die deutschen Sozialdemokraten allerdings vor allem allein durchkämpfen müssen. Die Henlein -Leute agitierte» überall eifrig, daß durch Nichtteilnahme der Bevölkerung die Bedeutung der Kundgebungen verwischt werde, die Zahl der Teilnehmer war die beste Antwort auf die Agitation, welche sehr tadelnswerte Mittel anwendet— besonders unter den Arbeitern.
Vie„Zukunft“ des„Stahlhelm “... Berlin. (DNB.) Reichskanzler Hitlek empfing den Bundesführer des Stahlhelms- Reichsminister Seldte , zu einer Besprechung über die Zukunft des Stahlhelms.
Enttäuschte Hoffnungen der Hcnldnwählcr Hltlerdeutsdiland drosselt nadi wie ror den Fremdenverkehr
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Menahem, dem Sohne Jehudas
Von Wladimir Korolenko■■ Aus dem Russischen von Nina Stein
Cestius stand auf erhöhtem Platze inmitten dex Menge, die flehend die Arme zu ihm emporstreckte, und sann nach. Er war ein rauher Krieger und fürchtete nicht den Tod, doch den Zorn seiner Gebieter scheute er. Sein Herz schlug nicht schneller im Schlachtengetümmel, aber es erbebte vor einem ungnädigen Blick des Cäsaren. So sind die Herzen jener, die der Gewaltherrschaft dienen. Cestius überlegte: wenn ich sie in Schutz nehme, so kann ich in Neros Ungnade fallen, denn Florus ist mächtig am Hofe, und Nero hat seit langem die Wahrheit vergassen. Wenn ich sie nicht in Schutz nehme, so wird ihre Geduld schließlich reißen, und das Volk wird sich erheben. Dann wird es ein Blutvergießen geben, und ich werde meine Legionen gegen sie führen müssen. Das ist schon besser. Legionen sind dazu da, um zu kämpfen und zu siegen. Und während er dies dachte, reckte das Volk flehend seine Arme. Neben ihm stand Florus und machte sich lustig über die Tränen und die Hoffnungen der Juden. Er wußte, daß sie keine Gerechtigkeit finden würden. Nachdem Cestius ihnen Schweigen geboten hatte, tröstete er sie heuchlerisch, indem er ihnen sagte, daß Florus selber die Absicht habe, Milde walten zu lasten. Heber die Gerechtigkeit jedoch ließ er kein Wort verlauten. Er fuhr ab, und Florus begleitete ihn bis Cäsarea zum Zeichen seiner Gunst für den Fürsten , der auf seiner Seite stand.
Danach schickte er seine Krieger nach Jeru salem mit dem Befehl, 17 Talente*) aus dem Tempelschah zu nehmen. Das war die Gnade des Gewalttäters. Unter den Römern gab es einen gewissen Aulus Catull , den Führer einer Tausendschaft. Es war ein alter Krieger, der sich noch der Zeiten des Kampfes und der Taten rauher, aber vernünftiger Führer entsann. Als er Florus' Absichten durchschaute, erhob er seine Stimme im Angesicht der Legionen und sagte:, „Gessius Florus, erinnerst du dich noch, weshalb du in dieses Land geschickt worden bist? Um das Volk zu bedrängen und dir unermeßliche Reichtümer zusammenzuraffen oder um durch eine weise Regierung die Einheit des Imperiums zu stützen? Wenn sich das unterdrückte Volk erheben wird, wenn andre ihm folgen werden, welche Antwort wirst, du dem Senat dann geben?" Doch Florus, trunken von dem Bewußtsein seiner Macht und voller Verachtung für die Juden, lachte nur über die Worte des Aulus Catull und sagte: «Ich kenne die Juden. Wird dieses feige Volk es wagen, sich gegen uns, die tapferen Römer zu erheben? Oh nein, die Macht Roms werden sie nicht ins Wanken bringen, aber wir Tapferen werden leicht zu einer guten Beute kommen. Dir Juden sind feig und uneinig. Wenn sie sich selbst erheben werden, so bietet sich uns, nach leichtem Sieg, um so mehr die Möglichkeit zu Eigennutz Eigennutz ist das Recht der Tapferen, das Los der Demütigen dagegen ist die Arbeit für andere... Du, Catull , bist kleinmütig und deshalb nicht würdig, Männer zu befehlen. Du wirst dich unter die einfachen Krieger einreihen und andere werden die Legionen zum Reichtum führen." Laute Rufe ertönten in der Menge der *) Höchste Einhett für Geld.
Römer. Und obwohl es unter ihnen Krieger gab. die Catull liebten und so wie er dachten, so waren ihrer doch wenige und sie wagten nicht zu widersprechen. Catull nahm" seine Rangabzeichen ab und ging in die Reihen der einfachen Soldaten. Auch in Jerusalem herrschte große Unruhe im Volk. Die Menschen, uneinig untereinander, stritten sich und lärmten. Die einen sagten: „Wie länge noch sollen wir diese Willkür und Gewalt ertragen? Es ist doch klar, wohin der Eigennutz und sein böses Herz Florus treiben! Er wird nicht ruhen, ehe er sich nicht des Heiligtums bemächtigt hat. Und wenn er es erst hat, so wird ihn das zu neuen Gewalttaten anspornen. Florus wird sich sagen: wenn dieses Volk nicht imstande war, sein Heiligtum zu schützen, was kann es dann schon für einen Widerstand leisten? Können wir das wollen? Können wir wollen, daß die beutebeladenen Legionäre nach ihrer Rückkehr in die Heimat ihren Kameraden sagen:„Geht nach Judäa . DaS Volk dort ist kleinmütig, und dem Krieger drohen keine Gefahren im Kampf. Die Juden verteidigen die Ihren nicht. Im Gegenteil, die Väter bringen demütig ihre keuschen Mädchen zum Lager des Soldaten." Die so sprachen, suchten Gefühle des Aufruhrs in dem Volk zu wecken und viele sagten: „Lieber sterben im Kampf um die Verteidigung des Heiligtums! Florus will das Schwert, möge er es haben I Wir finden keine Gerechtigkeit beim Cäsaren, so möge Gott entscheiden zwischen uns und Florus!" So dachten viele aus dem Volke. So dachten auch viele Weise unter den Gelehrten, und unter anderen auch Menahem, der Sohn Jehuda Gamaliots, der sein Blut im Kampf um die Freiheit des Vaterlandes vergossen hatte. Der Vater hinterließ seinem Sohn als Vermächtnis seine Liebe und seinen Hatz. Seine Liebe war die Liebe zur Freihe-t. sein Haß— Haß
gegen die Unterdrückung. Menahem sagte gleiä seinem Vater:„Es ist unwürdig, sich vor de» Allären der römischen Cäsaren zu verneigen, den» die Cäsaren sind Menschen. Verehrung gebühlt nur Gott, dem Allmächtigen, der die Menschen fii f die Freiheit geschaffen hat." Der weise Menahem. voll Schmerz über di« Machtlosigkeit seines Volkes, vertiefte sich in da» Studium der Bücher. Aus den Gesetzcsbücher» und aus fremdländischen Werken erkannte er allcs- was in der Welt geschah, sah ein, was das Gute und das Böse war, worin die Kraft der starke» Völker bestand und woher die Schwäche der schwachen kam. Er w<u>sehr weise, aber sein forsch«»- der Geist suchte unmer weiter unermüdlich naä der Wahrheit, strebte stets vorwärts, nie zurück. Und immer größer wurde der Ruhm Mena- hems im Volke, und selbst in fremden Länder» wurde der weise Gamaliot ein Philosoph vo» durchdringender Schärfe genannt, denn fein* Zunge zerschnitt gleich einem Schwert jeglich«* Lügenbild. In seinem Herzen hinwieder bräunst die Liebe und der Haß gleich einer hellen Flamm«, Mit mächtiger Stimme rief er die Judäer Z» den Waffen.„Erhebt euch." sagte er,«do»» wird Florus' Stunde schlagen." Doch gab es in Jerusalem auch solche, dst andrer Meinung waren. „Da doch Florus", so sagten sie,„den Krieg sucht, so müssen wir im Gegenteil unsre Geduld und unsre Demut bewahren, um nicht auch dal noch zu verlieren, waS uns noch geblieben ist." So sprachen die Priester und die Fürste» und all die. die vom Tempel lebten. So spräche» die Reichen, die ihren Reichtum zu verlieren fürchteten. Sie mengten sich unter das Volk, sie fiele» dem einfachen Mann zu Füßen und umklammerten demütig seine Knie, um ihn so zur Dem»! und zur Geduld zu bewegen. (Fortsetzung folgt.)