Nr. 187
Di-nStas,13. August 1935
Seite 5
Vater erschlägt im Streit seinen Sohn. Sonntag mittag spielte sich in der Ortschaft Hautgendorf in Niederösterreich eine blutige Familientragödie ab. Der 24jährige Schlossergehilfte Loreng Rogier kam in angeheitertem Zustand nach Hause und begann mit seinem Vater, dem Eisenbahnangestellten Loreng Rogler gu raufen. Der Vater ergriff gu seiner Verteidigung einen Holgprügel und schlug auf seinen Sohn ein, der schwer verletzt gu Boden stürzte und in einigen Minuten verschied. Vater Rogier stellte sich selbst der Gendarmerie. Royalisten überfallen eine BenizrloSzeitung. Die Büros der vcnigelischen Zeitung„Patris" wurden von 30 Royalisten überfallen, die die Einrichtung gert kümmerten und gwei Mitarbeiter des Blattes leicht verletzten. Die Tat erfolgte als Protest gegen die unversöhnliche Haltung des Blattes gegenüber den Monarchisten. Ein Bezirksrichter gesteht Unterschlagung von 78.000 Kö. Der wegen Unterschlagung in Haft genommene Bezirlsrichter Dr. Juras aus Dunaszerdahely hat vor dem Preßburger Untersuchungsrichter ein G e st ä n d n i s abgelegt. Er gestand, 78.000 KL veruntreut zu haben. Der Tod hält in den Bergen Ernte. In der Umgebung von Salzburg sind gwei reichsdeutsche Touristen zu Tode gestürzt. Auf dem Grünstein stürgte der in Berchtesgaden auf Urlaub weilende Hans Z e u m e r aus Leipzig ab und«schlug sich.— Auf dem Trattach fiel der Kaufmann I. Wolf aus Augsburg in eine Schlucht und wurde tot aufgefunden.— Auf einem Ausflug im MonteRose-Gebiet stnd am Mont Nery drei spanische Je- suite», ein Geistlicher mit gwei Seminaristen, guTode gestürzt. Die Leichen wurden von italienischen Bergführern geborgen. Flugzeuge in Flammen. Unweit von Toussus le Noble, in der P a r i s e r Umgebung,.stürzte Montag ein B e r t e h r S f l u g z e u g-ab,'wovor drei Personen verbrannte n. In der Nähe der Stadt Worthington(USA .) stürgte ein Handelsflugzeug ab und fing Feuer. Die v i e r Reisenden und der Pilot sanden in den Flammen den Tod. Ein neuer Flugrekord. Der amerikanische fliegende Kreuzer„Flying Clipper" ist gestern in seinem Ausgangspunkt Honolulu wieder einge- troffcn. Er legte die 2100 Meilen lange Strecke
in einer Rekordzeit zurück, wobei er seinen früheren Rekord um 50 Minuten schlug. Fliegensturm über Neapel . In der Fliegenfa r m des Professors M o n a c e l l i in Neapel , in der 10.000 Fliegenart e n aus aller Welt zu wissenschaftlichen Zwecken gezüchtet werden, öffnete ein entlassener Mitarbeiter aus Rache alle Türen und Fenster. Ein riesiger Fliegenschwarm flüchtete ins Freie. Unter den»geflüchteten" Fliegen-' arten befinden sich mehrere s e h r g i f t i g e, sodaß die Bevölkerung in größter Beunrichigung ist. Der Täter wurde in Haft genommen. Reue Konkurrenz für Europa . Die sochjetrus- sische Gesellschaft für den Aufbau von Fabrikanlagen in der Türkei ,„Turkstroj", ist mit der Einrichtung des Textilkombinats in Kaiser!(Tür kei ) fertig. Das Kombinat besteht aus drei Fabriken, nämlich einer Spinnerei mit 33.000 Spin
deln, einer Weberei mit 1000 automatischen Webstühlen und einer Färberei. Es wird über 30 Millionen Meter Baumwollstoffe jährlich produzieren können. Seinerzeit war bezweifelt, worden, ob es der Sowjetindustrie gelingen werde, das Kombinat zu bauen. Es wird jedoch von türkischer Seite versichert, daß die eingeführte Ausrüstung hochwertig sei und in kürzester Frist montiert wurde. Gleich- zeitig wurden die notwendigen Arbeitskräfte ausgebildet. Turkstroj errichtete eine Schule für Fabriklehrlinge. An der Ausrüstung haben über 80 Fabriken gearbeitet, die von der Dampfturbine bis zum kleinsten Detail afles lieferten. Grausiger Tod. Der 58jährige Häusler Anton Skvasek in Podoli bei Ungarisch-Hradifch kam auf fürchterliche Weis« umS Leben. Swasek war Epileptiker. Bei.einem Anfall fiel er in die Düngergrube, wurde vom M o r a st begraben und erstickte,.ehe ihm jemand Hilfe bringen konnte...
Exekutive der Erziehunssinternatlonale Die Exekutivsitzung am 8. August in Ber- neuil bei Paris war von einigen Ländern beschickt,' insbesondere von Frankreich , Schweiz , England, Oesterreich, Deutschland und der Tschechoslowakei (Hocke und Lehneret). Das Hauptbüro der SEI wurde endgültig nach Paris verlegt und die Leitung dem Genossen Kurt Löwenstein übertragen. Das Büro der SEI setzt sich nunmehr aus den Genossen Löwenstein, Schweitzer und zwei von der ftanzösischen Bewegung zu bestimmenden Genossen zusammen. Es wurde eingehend die Lage in den einzelnen Ländern besprochen und insbesondere von dem Genoffen Monnet, den Führer der fran zösischen Bewegeung betont, daß die Länder wie Frankreich und England nach der Fascisierung von Oesterreich und Deutschland eine besondere Pflicht haben, die sozialistische Bewegung in ihren Ländern auszubauen. Auch Henri Fair von der englischen Bewegung unterstützte stark diese besondere Pflicht. Die Bewegung hat durch den Beitritt von Norwegen und England eine erfreu- liche Stärkung erfahren. Einstimmig wurde von den Vertretern der SEI und den Delegierten der SJJ der Gedanke einer einheitlichen großen so zialistischen Bewegung vertreten. Die Konferenz beschloß weiter den Ausbau des„Helfer" als Organ der SEI und die Fortsetzung der Heraus- gabe von Arbeits- und Schristenmaterial. Die SEI soll nicht nur eine organisatorische Vereinigung darstellen, sondern den gemeinschaftlichen Ausbau einer sozialistischen Erziehungsbewegung übernehmen. Außerdem ist es Pflicht der SEI. und der ihr angeschloffenen Länder, die Genoffen in den fascistischen Ländern in ihrem Kampf moralisch und- materiell zu unterstützen. Ein entsprechender Beschluß, der diese Solidarität ausdrückte, fand einstimmige Annahme. Die Verhandlungen, die'von großem-Ernst, aber auch pon geschlossenem Willen getragen waren, bedeuten eine starke Festigung der SEI. Die Einladung der dänischen Genossen in ihrem Lande eine internationale Falkenrepublik zu errichten, wurde einstimmig angenommen. Ferner wurde die Betreuung des Ostbüros wieder in die Hände des Genossen WM Hocke, Bodenbach , gelegt. DieTagung schloß, nachdem sie noch die internationale Falkenführertagung vorbereitet hatte, mit dem Gesang der Internationale,
Geflüster am Hochzeitstag Diese kleine Geschichte ist nicht erfunden Es liegt ihr eine wahre Begebenheit zugrunde, die sich dieser Tage im Egerlande abgespielt hat und über die vielleicht doch noch Genaueres durchsickern wird— vielleicht aber auch nicht! » r„Hochzeit machen, das ist wunderschön..." So singt das alte Lied. Und in den meisten Fällen stimmt es sogar. Freilich, was nach den Flitterwochen kommt, das steht auf einem andern Blatt. Wer aber Pech hat, dem sind nicht einmal die Flitterwochen gegönnt. Und wenn gar dem Bräutigam hinterm Brautbetthimmel als drohende Bision„Schwedische Gardinen" erscheinen, so wird er für den Spott nicht sorgen brauchen, wenn kr und seine Hochzeitsgäste den Spott so reichlich berdient haben wie in dieser Geschichte. ES lebt« da in einer egerländischen Stadt, »n rußgeschwärzten Zentrum des westböhmischen Kohlenreviers ein Brautpaar, dem ganz beson- oere Ehren zugedacht waren. ES traf sich näm- «ch, daß in dieser Stadt der Gesangverein und die Egerländer Gmoi zugleich ihr Gründungsest feiern konnten. Und nicht nur zugleich, auch gemeinsam wollten sie es feiern. Natürlich war es ein gut, sogar sehr gut bürgerlicher Gesangverein, wie cS zu einer schollenfesten Egerländer Gmoj paßt. Denn mit einem powren Arbeitergesangverein, der statt hymnisch„Stimmt an mit hellem, hohem Klang... zu singen die„Internationale" zu singen wagt, mit einer solchen »lotte singender Marxisten lvird sich eine Egerlän der Gmoi nie und nimmer einlassen l Und da man solche Gott und dem„Führet" /wohlgefälligen Feste nicht alle Tage feiert, dachte man darüber nach, auf welche. Weise man dem Feste eine besonders sinnige Weihe geben lönnte. Und da kam man auf einen nusgezeich- "iten Gedanken: es sollte gleichzeitig auch eine Hochzeit gehalten werden, die ja schließlich auch kine Art Gründungsfest ist. ES war wirklich ein ausgezeichneter Gedanke: so würde ein Braut« j
kxanz gleichsam die Krone des Festes sein, und für das Brautpaar würde sein Hochzeitstag auf unvergeßliche Weise mit der Geschichte, der Stadt verbunden sein; es würde mit samt den Hochzeitgevattern in die Chronik der Stadt eingehen. Eine solche Ehre durfte natürlich nur einem würdigen Brautpaare zuteil werden. Man brauchte auch gar nicht erst lange Umschau zu halten, denn wer konnte als Bräutigam wohl würdiger sein als der Sekretär der Sudeiendeutschen Heimatfront? Schon die Frage ist zuviel; trug nicht wohl jeder der Sänger und jeder der Gmot — deutsch bis ins Mark!— das in so und so vielen Saalschlachten gegen rote Proleten geweihte Wappen der SHF auf der Brust?.War nicht der ehrenwerte Bräutigam Blut vom gleichen Blut, Geist vom gleichen Geist? So war alles nach Wunsch beisammen. Am Vorabend des hohen Festtages brachten die Sän- tzxr dem ausertvählten Brautpaare ein Ständchen, und auch die Gmoi war dabei. Zwar hatten einige der Sänger gemurrt und beim Ständchen nicht mit singen wollen. Es wurde da irgendetwas gemunkelt. Gott— Neid und üble Nachrede gibts eben überall; wer ist davor sicher? Doch das Ständchen stieg, und die„Macht der Musik" übertönte das Gemunkel. Strahlend kam der Sonntag, der Festtag. Die kirchliche Trauung des gefeierten Paares war ein Schaustück fürs ganze Städtchen, ausgenommen natürlich die Marxisten, die- ja keine Ahnung haben, was wahre Volksgemeinschaft ist. Wir können nicht sagen, welchen Text der Pfarrer dem Brautpaare als Lebensspruch mitgegeben hat. Wars vielleicht der Bibelvers Hiob 1, 21: „Der Herr hats gegeben, der Herr hats genommen, der Name des Herrn sei gelobt"? Von der Kirche zog die Hochzeitsgesellschaft, von fröhlicher Dudelsackmusik geleitet, ins Haus des Bräutigams und labte sich weidlich, denn so ein Tag strengt an. Höhepunkt des Festes aber war der Festzug. Auf dem Marktplatz begann er. In seiner Mitte schritt das Brmitpaar, hinter ihm der Erzdechant und noch ein Geistlicher. Und natürlich die.Pro-, minenten des Gesangvereins und der Gmoi. Auch einige Veteranen schwangen ihre mürben Knochen, und sogar die Feuerwehr marschierte mit.
Warum die? Nun, es gab allerhand zu löschen —Durst zum Beispiel. Freilich, was dann aufflackerte und sengerich roch— das hat sie nicht zu löschen vermocht. Doch das ist nicht ihre Schuld; seien wir gerecht. Auf geschmückten Wagen fuhren Burschen und Mädchen in bunten egerländischen Trachten mit. Im ganzen Städtchen wehten di« Flaggen. Es war einfach eine Pracht.' Auf dem Festplatze ging es dann erst recht hoch her. Drei Musikkapellen dudelten, schram- meltrn und bliesen ins Blech, daß es eine Lust war. Die Paare drehten sich im Tanz und die andern tranken noch eins. Das Brautpaar war von Gratulanten umringt. Aus dkr ganzen Umgegend, ja sogar von weither waren sie herbeigekommen, denn es kann nur von Vorteil sein, einem so einflußreichen Mann«, wie es ein Sekretär der. SHF doch ist, an seinem Glücks- und Ehrentage die Hand zu schütteln und Geschenke zu bringen. Merkwürdig— nur der Bräutigam sah nicht ganz so strahlend aus', wie es sich an einem solchen Tage doch gehört hätte. Ja, manchen kam eS sogar vor, als ob er von einem heimlichen Kummer geplagt würde. Machte er sich— auch in dieser Stunde— Sorgen um das Wohlergehen seiner SHF? Sah er im Geiste seine Getreuen vom inneren Feinde umringt und bedroht? Aber da war auch wieder das Gemunkel, das schon am Vorabend die Stimmen der Sänger getrübt hatte. Geflüster, Getuschel raunte durch den frohen Trubel. Und die Mimmen wurden lauter und deutlicher. Und schließlich legte eS sich wie tödlicher Reif auf die heitere Stimmung aller— es war eine unausdenkbar schreckliche Kunde, die sich da von Mund zu Mund auf dem Festplatz herumsprach: der Bräutigam,. den man eben noch so gefeiert hatte, der Sekretär der SHF. deff«n.Hochzeit doch das Gründungsfest der beiden Vereine verschönern sollte, saß plötzlich schwarzer Sünde verdächtig inmitten der ganzen Festpracht. Nicht etwa, daß er seiq handfestes Volkstum verraten und heimlich mit den Marxisten konspiriert hätte! Nein, so verworfen war er nun wieder nicht. Aber da wollten einig« wiffen, daß der Herr Sekretär die ihm anvertraute SHF-Kaffe nicht in der wünschenslverten.Ordnung haben solle, j
Andre wurden deutlicher und sagten:„10.000 Kronen sollen fehlen!" Manche aber munkelten: Nein, die fehlende Summe sei noch viel höher! Zwei Tage vor diesem Feste habe man bei einer Revision die Geschichte entdeckt. Deswegen sei der Sekretär ja auch beurlaubt worden. Und deshalb habe der Bräutigam so bedrückt neben seiner Braut gesessen... So munkelten die Stimmen. Andre aber meinten: Ach, deshalb werde doch das Fest auch am nächsten Tage noch weitergehen. Es sei doch schließlich das Fest der beiden Vereine. Na, und die dumme Geschichte mit dem Geld— die werde ja Wohl der Schwiegervater in Ordnung bringen. Der habe es ja dazu. Mittlerweile hatte sich di« Nacht auf den Festplatz gesenkt. Und da in der Nacht gut munkeln ist, ging das Geraune weiter. Es hieß, am nächsten Tage sollte, noch umtönt von Festmusik, eine Beratung abgehalten werden, wie die Geschichte ins Reine zu bringen sei. Und nun wartet man im Städtchen darauf, etwas Genaueres zu. erfahren. Ist die Sache mit dem Gelde wahr? Und wenn, sie wahr ist — was wird mit dem ungetreuen Fridolin geschehen? Wird die Geschichte vertuscht werden — wie schon so manches vertuscht worden sei» soll? Schließlich ist der Herr SHF-Sekretär doch kein Prolet! Ja, wenn sich ein Marxist an frem- dem Geld« vergriffen hätte! Es braucht gar nicht viel sein; ein paar Kronen nur— aber das wäre ein Fressen! Da hätte die ganze Henlein-Press« Stoff zum Tratschen für ein paar Wochen. Und immer wieder, bei jeder Gelegenheit könnte daS aufgewärmt werden. Aber so— ein Sekretär der SHF! Ich bitte Siel Da ist es doch das Beste, eine solche Geschichte bleibt„hübsch unter uns". Denn wir sind doch Leute von der'Heimatfront, Henleins tapfere Scharen, volksverbunden— in Treue fest l Deutsch bis ins Mark! Und was jetzt„deutsch " heißt-— na, daß wißt Ihr doch alle. Da haben wir doch unser hehres Vorbild jenseits der Grenze, drüben, im Dritten Reich , wo noch ganz andere Dinge gedreht werden. Also: pst! Kein Geräusch gemacht! Breitet den Schleier der Nächstenliebe über die dumm: Geschichte. Und den Brautschleier dazu...