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Donnerstag, 15. August 1938
Nr. 189
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können. Aber auch da muß man den tschechischen und den deutschen Industriellen den Vorwurf machen, daß ihre Politik alles andere geeignet ist als der Industrie zu helfen. Den Herrn Doktor Hodäc, den ehemaligen Generalsekretär des Industriellenverbandes, dem auch die deutsche Industrie angehört, haben die Insignien der Universität viel mehr interessiert als das Schicksal unserer Glas-, Porzellan- und Textilindustrie und unsere sudetendeutschen Industriellen haben viel mehr Geld übrig für den Wahlfonds des Herrn Henlein als für das Aufsuchen neuer Exportgebiete. Die Herren Industriellen und ihre Leib- journalisten— man lese nur die montäglichen Ergüße des Herrn Fischer, die in ihrer eintönigen Gedankenlosigkeit geradezu Ueblichkeiten Hervorrufen— werfen den sozialistischen Parteien Nachgiebigkeit den Agrariern gegenüber vor, aber was tun sie, um die Interessen der Jndustriewirt- schaft zur Geltung zu bringen? Die fascistische Politik der Industrie ist es, die dir Industrie selbst mehr ins Verderben führt als die Arbeiter, gegen deren demokratische Freiheiten sie gerichtet ist. Diese Feststellung enthebt uns freilich nicht der Erkenntnis, die wir zu Beginn dieser Darstellung ausgesprochen haben, daß nach der Regelung der landwirtschaftlichen Fragen dieSorgeum die Jndustriewirtschaft und die Arbeiter die Wirtschaftspolitik der nach st en Monate lenken muß. Die sozialistischen Parteien nehmen diese Sorge auf sich, aber was geschehen muß, liegt nicht nur im Interesse einer einzelnen Bevölkerungsklasie, sondern im Staatsinteresse, auch im Interesse der bäuerlichen Schichten, die ja ihre Erzeugnisse verkaufen wollen und des gewerblich-kaufmännischen Mittelstandes, dem es nur gut geht, wenn die Arbeiter Verdienst haben. Vereinigen wir uns alle, nm endlich mit kühner Initiative die industrielle Krankheit, die insbesondere die Sudetendeutschen trifft, zu bekämpfen, denken wir an den kommenden Winter, der ansonsten schweres Unheil über uns bringen wird.
Für Mindestlöhne Das„Rärodni Osvobozeni" befaßt sich in seinem gestrigen Leitartikel mit dem Lohnproblem in der ESR. Es stellt znächst fest, daß die Arbeiter sich nur schwer des Lohndrucks erwehren können. Das hat darin seinen Grund, daß der Unternehmer Hunderte von Angeboten erhält, wenn ein Arbeiter zu einem bestimmten Lohn nicht mehr arbeiten will. Die Unternehmer suchen ihre Machtposition immer mehr auszubauen, die Löhne zu drücken, die Anforderung an die Leistungen dagegen zu erhöhen, Kollektivverträge werden abgelehnt, Anträge auf Sanierung der Unternehmungen durch LohUherÄbst^ung^n gestellt,' gvlbc'Orgn- nisationen gezüchtet usw. Das ist rin Zustand, der nicht zu ertragen ist, insbesondere, wenn man be« denkt, daß der Staat gewißen Schichten der Bevölkerung die Preise ihrer Produkte garantiert, wie das bei Getreide. Spiritus, Zucker, Mineralöl usw. geschieht. Dagegen werden Löhne und Gehälter dem freien Spiel der Kräfte auf dem Arbeitsmarkt überlassen. Wenn der Staat Minimalpreise für gewiße Produkte schafft, ist er auch verpflichtet, Minimallöhne zu verordnen. Die Prager Handelskammer hat unlängst einen Antrag ausgearbeitet, wonach der Preisunterbietung in gewißen Branchen ein Ende gesetzt werden soll. Ebenso müßte nun verlangt werden, daß der Lohnunterbietung Einhalt getan wird.
Die Legende■ von Florus, Agrippa und■M Menahem, dem Sohne Jehudas Von Wladimir Korolenko■■ Aua dem Russischen von Nina Stein|'>’
Ms der Mond untergegangen war und die Erde im Dunkel lag, verli^ Florus düster, mit schamgesenkten Augen, den Palast und führte schweigend seine Legionen aus der Stadt. Am nächsten Morgen gab es keinen Römer mehr in der heiligen Stadt. Ueber der Stadt Gamala sank die Sonne... Still und friedlich war es im judäischen Land... Die Menschen frohlockten. Die Legionen des Florüs hatten den Rückzug angetreten, und Cesti us hatte eine Niederlage erlitten. Es schien, als seien die bösen Zeiten zu Ende, und die Töchter Galiläas flochten Kränze und sangen Lieder. Doch Gamaliot nahm nicht teil an der allgemeinen Freude. Er wußte, daß der Krieg noch bevorstand, daß der römische Adler seine Krallen wetzte. Darum hatte er Jerusalem verlaßen und zog durch das Land, das Volk zu den Waffen rufend. Nun war er müde in sein Haus zurückgekehrt, um sich auSzuruhen. Er sah die Abendröte und den blauen Himmel und weinte, denn der klare Himmel sprach von dem ewigen Gesetz des Friedens, und sein Herz ersehnte den Frieden auf Erden und schrak zurück vor Blut und Streit. Wie Balsam war die sanfte Abenddämmerung und Friede erfüllte sein Herz. Hoch aufatmend sagte er: „Die Menschen müßen Brüder sein, und die Well Gottes ist schön..."
Abessinien protestiert
Genf . Der Delegierte Abessiniens beim Völkerbund Havariat sandte aus Paris an den Generalsekretär des Völkerbundes Avenol eine Rote, in der er namens der abessinischen Regierung Beschwerde dagegen erhebt, daß die italienische Regierung ohne Rücksicht aus das im Sinn« des Beschlusses des Bölkerbundrates wiederaufgenommene Schiedsverfahren die Entsendung von Truppen nach Ostafrika sowie die Produktion von Waffen, die— nach den vorliegenden feierlichen Erklärungen— für den Kampf gegen Abessinien bestimmt sind, fortsetzt. Die abessinische Regierung ist heute überhaupt nicht imstande, sich außerhalb ihrer eigenen Grenzen Vertridigungsmittel zu beschaffen, denn sie stößt überall auf ein W a f f e n- ausfuhrverbot. JstdieS wirklich Neutralität, wenn dieses Verhalten der Gerechtigkeit widerspricht? Bleibt der Rat des Böl- kerbmides unbewegt angesichts dieser Situation, die sich ständig verschlimmert? Wird der Rat gestatten, daß dieser ungleiche Kampf zwischen zwei Bölkerbundmitglie- d e r n andaucre, von denen das eine olle Macht besitzt und die Möglichkeit hat, alle seine Hilfsquellen auf die Vorbereitung eines AngrifteS zu konzentrieren, während der andere Staat schwach und friedlich ist, seine internationalen Verpflichtungen einhält und nicht imstande ist, sich dir Mittel zur Organisierung seiner Verteidigung zu beschaffen? Wird der Rat vor der Welt die Verantwortung dafür übernehmen, daß er die Vorbereitung eineS blutigen kriegerischen Angriffes gegen ein Volk, das niemanden bedroht hat, zuläßt, ohne dagegen ernznschreiten? Die Rote der abessinischen Regierung hat in
Genf großes Aufsehen hervorgerufen, wenn auch die abessinische Regierung nicht direkt ein Einschreiten auf Grund irgendeines Artikels deS Völkerbundpaktes verlangt. In den Papierkorb London . Der abessinische Protest gegen das Verbot der Waffenausfuhr nach Abessinien wird, wie die englischen amtlichen Kreise ankündigen, den Standpunkt Englands bis zum Abschluß der Pariser Dreimächteverhawdlungen in keiner Weise ändern. „Todesstoß für die Sicherheit“ London . Der diplomatische Korrespondent des„Daily Tele graph " stellt fest, daß Minister Eden dem Ministerpräsidenten Laval darlegen werde, daß ein Krieg zwi- schenItalienund Abessinien ei« Todesstoß für das Genfer Sicherheitssystem wäre und auch die Scheidung Großbri tanniens von den Verhandlungen über europäische Angelegenhetten bedeuten würde. Das größte Hindernis für eine Vereinbarung erblickt das Blatt in dem Bestreben Mussolinis, eine politische nud militärische Kontrolle über Abessinien zu erreiche«.
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Wenn die Semiten mit Devisen zahlen, dann weiß die rechte Hand nickt, was die linke tut
Doch da erblickte Gamaliot in der Ferne eine Staubwolke, die sich seinem Hause näherte, und er erkannte eine Schar von Menschen. Es waren Boten aus Jerusalem , die ihm Nachricht zu überbringen, hatten, und Bürger von Galiläa und Essäer in Weißen Gewändern. Sie stritten miteinander, und der Lärm ihrer Stimmen zerriß die sanfte Stille des Abends. Sie machten Halt vor Menahems Haus, und dieser fragte sie nach der Ursache ihres Streites. Da traten die Boten vor und sagten: .„Wir bringen dir Nachrichten aus Jerusalem . Höre uns an." Und sie erzählten: „Nachdem du und viele andere Jerusalem verlaßen habt, um im übrigen Land Unterstützung zu suchen, ist König Agrippa , der abwesend war, nach Jerusalem zurückgekehrt. Als er sah, daß das Volk das römische Joch abzuschütteln gedachte, wurde er betrübt, denn er dachte an seine Macht.. Denn wenn er sich den Juden anschließt, so werden ihn die Römer, falls sie siegen, absetzen. Dasselbe werden die Juden tun, wenn er sich auf die Seite der Römer stellt. König Agrippa hat einen Thron und ist bereit, die Sklaverei zu ertragen. Er versammelte das Volk und begann auf die Leute einzureden. Er stand oben und unten stand das Volk. Sich gegenüber hatte er seine Schwester Berenike, die vom Volke wegen ihrer Sanftmut sehr geliebt wird, hingestellt und ihr befohlen, angesichts des Volkes Tränen zu vergießen. So wollte er mit seiner Redekunst das Volk verwirren und mit Frauentränen den Zorn des Volkes verlöschen. In seiner Rede.nannte er Nero einen„milden Herrscher" und die Römer„großmütige Sieger".. Und auf viele haben seine Worte gewirkt, im ganzen Lande werden sie wiederholt und säen Zwietracht im Volke, das sich doch einmütig erhoben hat. Und auch die, di« mll uns kamen, streiten mit uns...* Als die Boten ihren Bericht beendet hatten, traten zwei Kaufleute vor und sagten zu Mena-
„Agrippa hat recht, während ihr Böses tut. Dein Vater ist im Krieg umgekommen und ist schuld am Tode unsrer Väter, die unschuldig am Aufruhr sind. Und setzt willst du auch uns, friedliche Kaufleute, ins Verderben bringen. Du schätzest dein Leben nicht, wefl du nicht reich bist, aber wir schätzen es. Sei gerecht, Weiser Menahem, Sohn des gefallenen Jehuda." Kalt erwiderte Menahem den Kaufleuten: „Mein Vater ist umgekommen und eure Väter find umgekommen... Mein Vater ist mit den Waffen in der Hand gefallen, und eure Väter haben di« grimmigen Sieger umgebracht. Aber ich sage euch: nicht mein Vater hat eure Väter ins Verderben gebracht, sondern im Gegenteil, sie waren es, die dem tapferen Jehuda zum Verhängnis wurden." Die Kaufleute sahen ihn fragend an, und Menahem erklärt«:- „Jehuda erfüllte seine Pflicht, indem er der Gewalt der Eroberer Widerstand leistete. Wenn alle diese Pflicht erfüllt hätten, so hätte Rom es nicht gewagt, seine Grenzen zu überschreiten. ES würde Frieden auf der Erd« herrschen, und die Völker würden nicht unter dem Joch stöhnen. Und mein Vater würde noch am Leben sein. Aber eure Väter, wie auch die Kleinmütigen der anderen Volker, haben ihren Verteidigern ihre Hilfe versagt, und so find sie gefallen. Wir aber, die Söhne jener Mäner, müssen die Schmach der Sklaverei ertragen. Dies ist meine Antwort, Händler.... Geht nun!" Nun traten die Essäer in weißen Gewändern zu ihm heran und sagten: „Du säest eine böse Saat, weiser Menahem, mit deiner Lehre, die in ihrem Hochmut danach strebt, alles zu durchdringen, was war, was ist und was sein wird. Genügt es dem Menschen nicht, die Gesetze Moses zu kennen und zu wissen, wie man den Boden bestellt?... Du säest auch eine böse Saat mit deiner Lehre, die zum Kampf ruft!... Wehe dir, Menahem ben Jehuda! Wenn
Internationale Falkenführertagung In Vemeuil bei Paris In 31 tunen der internationalen Falken« 1 republik in Berneuil fand Freitag, den 9. und| Samstag, den 10. August, eine wichtige Fallen« 1 führertagung statt. Es nahmen an ihr mehr all 3 40 Helfer aus allen Ländern Europas teil. De« I Vorsitz führte Genosse Kurt Löwenstein, der I auch das Rxferaf über das wichtigste Thema der fl Tagung„Arbeit mit den 14- bis löjäh« I r i g e n" erstattete. Der Vertreter der sozial!« 1 stischen Jugendinternationale betonte den Willen 1 seiner Organisation zur Zusammenarbeit mit der M Erziehungsinternationale und gab seine Zustim« 1 mung zu den vorgeschlagenen Thesen, die später I von der Führertagung beschlossen wurden. An der| Aussprache beteiligten sich in sachlicher Weise die| Helfer aus allen Ländern.(Bei uns wurde die 1 Lösung dieses Problems der Schulentlassenen be« I reits im Einverständnis der Kinderfreunde und I sozialistischen Jugendorganisation mit Erfolg ver« 1 sucht.) Am zweiten Tage wurden die Falken« 1 geböte besprochen. Eine Kommission wird ver« 1 suchen, Vorschläge für Fallengebote zu erstatten, A die dann für alle der Internationale angeschlosse« J neu Länder gelten sollen. Zum letzten Punkt der ij I Tagesordnung„Internationaler Austausch" j sprach Genöße Willi H o ck e für das Ostbüro. Er I berichtete ausführlich über den Vertrieb unserer 1 Abzeichen usw. und erstattete neue Vorschläge über 3 Verlagsartikel für den internationalen Austausch. 1 Genosse Kurt besprach die vielen Möglichkeiten,■ wie Organisierung einer internationalen Korre« 1 spondenz der Helfer und Fallen, Helferaustausch A usw. Alle diese Dinge würden zur Vertiefung del j Gedankens wesentlich beitragen. Genosse Willi I Hocke schlägt vor, einen internationalen I Kinderaustausch vorzubereiten. Alle Bor« Ä schlüge und Anregungen wurden einmütig be«.3 schlossen und deren Durchführung dem Büro der 1 sozialistischen Erziehungsinternationale über« 3 tragen.
Nichtangriffspakt Deutschland—Belgien? Brüssel . Nach im Auslande verbreiteten^ Nachrichten soll Belgien einen NichtangrifSpast W mit Deutschland abzuschließen planen. Minister« 1 Präsident Van Zeeland soll darüber angeblich 1 mit dem deutschen Botschafter verhandelt haben, t Die Brüsseler kompetenten Stellen behaupte«' j jedoch demgegenüber, daß diese Meldungen über! E den Abschluß eines Nichtangriffspaktes zwischen 1 Belgien und Deutschland reine Erfindungen f sind.
vlutjustlr In Spanien Madrid . Im Zusammenhang mit de« vorjährigen Oktober-tknruhen fand in Leon ei« Prozeß gegen 6b Aufständisch« statt. Tas Gericht beantragte für einen Angeklagten die Todes' strafe und für di« übrigen 64 lebenSlänglicheö Zuchthaus . Bom Kriegsgerichte in San Sebastian wurde der stellvettretende Bürgermeistrr zu» I T o d e, weiter« sieben Angeklagte zu Freiheit!' I strafen von 12 bis 20 Jahren verurteilt. BSSBSSSBBBBSBBBBSSBS•BBSBSBBSS’SB&i eine Stadt belagert wird und Widerstand leistet« so schenken die Belagerer den unterwürfigen Ein' wohnern das Leben, jene aber, die Widerstand ge« leistet haben, werden getötet. Wir predigen de» Bolle Unterwürfigkeit, damit es dem Untergang entgehe... Aufrührer aber müßen sterben..- Und deshalb sind wir Männer des Lebens, ihr aber seid des Todes... Wessen Lehre ist also besser?" Und sie erzählten ihm ein Gleichnis, das ck aufmerksam anhörte, und noch ein zweites und ei" drittes, in denen gezeigt wurde, daß der Kamp! ein Uebel sei. „Man trocknet nicht Wasser mit Wasser und löscht nicht Feuer mit Feuer. So wird auch ff« Gewalt nicht durch Gewalt überwunden, denn st- ist selbst von Uebel..." * Und die Schüler Menahem ben Jchudaö waren verwirrt..,, Doch Menahem selber war nicht verwirrt und erwiderte: „Ihr habt recht, ihr sanften Essäer: wen« eine Stadt Widerstand leistet, so richten die Be« lagerer ihre Waffen gegen die, die sie verteidige«, denen jedoch, die bereit find, sich zu ergeben, ver« sprechen sie das Leben, um eine um so größere Zahl dazu zu bewegen... Ja, das ist richtig! Aber wenn eine Stadt von Räubern überfallen wird und niemand es wagt, Widerstand zu leisten,— was tun die Ge« walttäter dann?... Metzeln ste dann nicht alle unterschiedslos nieder?... Denkt an Florus! Haben seine Legionen nicht auch diejenigen nieder« gemacht, die mit sanftem Willkommengruß ihnen entgegengingen? Unbegreiflich sind Gottes Weg« dem Sterblichen: vielleicht werden wir» dir Kämpfer für die Freiheft, fallen, ihr aber werd«! leben mit euren Kindern und Kindeskindern. Werdet ihr dann nicht, ihr sanften Essäer, mit Dank« barkeit der Aufrührer gedenken, die den Zorn dcr Gewalttäter ans sich gelenkt haben und mit ihre!« Tod euren Frieden erkauft haben?..." (Fortsetzung folgt.)