Sonntag, 18. August 1935 15. Jahrgang Nr. 192 IENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSIOWAKISCHEN REPUBLIK Einzelpreis 70 Henn (hnchllaBlich 5 Haller Fortei ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung frag dl, fochova«2. TELEFON M77. HERAUSGESER, SIEGFRIED TAU». CHEFREDAKTEUR , WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR, DR. EMIL STRAUSS. FRAG. Kampf der Teuerung! Das Steigen der Fleischpreise Drohende Fettnot Entweder Aufhebung des Margarinegesetzes oder wenn das nicht möglich ist. sofortige Erhöhung des Kontingent- für da­heurige Jahr um 2000 Waggons, Aufteilung dieses Kontingents nur an jene Fabri­ken, welche billige Sorten erzeugen, restlose Sicherstellung des Bedarfes an Kunstfetten für die Konsumgenossenschaften durch Zuweisung von 200 Waggons. Für das Jahr 1836 verlangt Genosse Svojse eine Produktionsquote v o n 1 0.0 OOWaggons, wobei den Konsum­genossenschaften 700 Waggons zur Verfügung ge­stellt werden, Aufhebung derZölle für Schweinefett und Butter, wenigstens für die Dauer der hohen Preise und freie Einfuhr dieser beiden Fettarten. Genosse Svojse schließt seinen Aufsatz mit den Worten: »Die Konsumenten vertragen keine weitere Verelendung und Belastung ihrer ohnehin schon bis auf das niedrigste Minimum eingeschränk­ten Lcbenshaltimg mehr!" Hitlers Vertrauensmann aus der Reichswehr ausgeschlossen General Reichenau ein Opfer der Cllquenkämpfe Im Regime Das statistische Staatsamt gibt soeben die Ergebnisse der Statistik der Lebenshaltungskosten . im Juli und den Index der Großhandelspreise nach h dem Stand vom 1. August bekannt, aus denen das besorgniserregende Steigen der Nahrungsmittel- - Preise hervorgeht. Im Juli sind vor allem die 8 Rarwffelpreise gestiegen, in Prag hat nach diesen Feststellungen im Juli wohl das Steigen der ; Fleischpreise ein Ende erreicht, aber in der Pro- t vinz hält das Steigen der Fleisch- und Selch- t ivarenpreise an. Infolge dieser Verteuerung stieg / auch der Preis vonSchweinefett und eben so haben sich die Selchwarenpreise den Fleischpreisen ange- [ glichen. Außerdem verzeichnen Eier eine Verteue­rung von zehn Prozent. Hinuntergegangen sind wl Juli die Preise von Butter(um 5 Prozent) Und die Preise von Gemüse(um 20 bis 25 Pro- szcnt), was der Saison entspricht. Der Index der ^Großhandelspreise zeigt wieder, daß zum 1. August sich Rindfleisch um 7.2 Prozent, Schweinefleisch um 10.5 Prozent, Kalbfleisch um 3.2 Prozent und Schöpsenfleisch um 10 Prozent verteuerte und daß der Eierpreis um 10.1 Prozent . gestiegen ft. Bon den übrigen Nahrung?- und Genußmit- leln festigte sich Rohzucker um 3.4 Prozent, Kaffee Um 3.5 Prozent, sowie Tee, Hopfen und Malz. Man ersieht daraus, daß nun auch die amt- »che Statistik zugeben mutz, daß der Preis der Nahrungsmittel sich nach aufwärts entwickelt. 8as das in der heutigen Zeit zu bedeuten hat, ist Aar. Ein Teil der Bevölkerung ist arbeitslos, ist auf den Bezug der Unterstützung und der Lebens- iuittelkarten angewiesen und empfindet jede Ver­teuerung auf das empfindlichste. Die ohnehin unerträgliche Lebenshaltung dieser Menschen, welche eine Gefahr für die Gesundheit und das Leben einer großen Bevölkerungs- ' schichte ist, wird nun neuerlich verschlechtert. Aber auch diejenigen, die noch Arbeit haben, läßt fiese Entwicklung nicht unberührt. Die Löhne sind auf einem außerordentlich niedrigen Niveau und «eswegen trifft jede Krone Mehrausgabe für die Notwendigen Nahrungsmittel die Arbeiter furcht­bar. Wir haben schon unlängst an leitender Stelle auf diese Entwicklung hingewiesen und jene Ver- tvaltungs- und gesetzgeberischen Maßnahmen be- A Zeichnet, die Abhilfe schaffen könnten. Es ist höchste Meit, daß der von uns bezeichnete Weg betre­ten wird! Sofortige Erhöhung des Margarine-Kontingents notwendig I Wir haben th dem bereits erwähnten Leit­artikel auch auf die drohende Fettnot, die bevor­steht, hingewicsen. In der neuesten Nummer der »Konsumgenossenschaft" beschäftigt sich Genosse vojse an leitender Stelle mit diesem für die Mrnährung der Bevölkerung so wichtigen Problem. Es wird darauf hingewiesen, daß das Handels­ministerium in jüngster Zeit ein Rundschreiben on ? bi« Fabriken herausgegeben hat, worin strengste ^Einhaltung des Margarine-Kontingents gefordert ^ird. Die Festsetzung des Kontingents erfolgte auf Mund der um 26 Prozent gekürzten Produktion bcs Jahres 1833, während schon der Bedarf im 8ahre 1834 um 25 Prozent höher war und im , heurigen Jahr der Bedarf an Kunstfett noch um *0 Prozent höher ist als im vergangenen Jahre. Die Bevölkerung ist infolge ihres geringen Ein- ^onimens gezwungen, zum Konsum des billigeren Kunstfettes überzugehen. Gerade dieses billige «Aahrungsmittel aber soll der Bevölkerung noch weggenommen werden. Schon jetzt erzeugen die Fabriken die billigen Konsumsorten nicht, weil ihnen diese zu wenig rentabel sind. Dazu kommt sistch das verringerte Angebot am Schweinefett- M^rkt, eine Folge der Dürre. Es droht die Ge- Mr, daß das Schweinefett auf den Preis von 15 bis 16 XL hinaufgeht. Aber die Dürre und die Dadurch bedingte. Not an Futtermitteln, wird auch Futtermangel und höher« Preise der Butter zur Folge haben. _ Genosse SdojZe gelangt auf Grund dieser Erörterungen zu einer Reiche von Forderungen: General v. Reichenau von Reichenau seines Postens bei der Reichswehr begebe. Rach einer anderen Nach­richt, verläßt Reichenau nur das Wehrmachts - Wir haben vor einigen Tagen ein Inter­view unseres P. M.-Mitarbeiters mit dem so­zialdemokratischen Ministerpräsidenten Schwe­ dens gebracht und drucken nachstehend ein Ge­spräch desselben Berichterstatters mit dem so­zialdemokratischen Finanzminister Norwegens ab, aus dem unsere Leser erfahren werden, mit welchen Mitteln auch diese Arbeiterregierung die Krise bekämpft. D. Red. Oslo , im August. Die zweite norwegische Arbciterregierung, die nun seit einigen Monaten im Amt ist, steht vor keiner leichten Aufgabe. Bon Jahr zu Jahr hat sich die Zahl der Arbeitslosen in Norwegen er­höht. Heute sind in Nortvegen rund 150.000 Menschen bei einer Einwohnerzahl von zweiein­halb Millionen zur Arbeitslosigkeit verurteilt. Während im Lahre 1020 57.000 unterstützte Fa­milienerhalter und Selbständige gezählt wurden, sind es heute mehr als 150.000, so daß wir nun damit rechnen müssen, daß 300 bis 350.000 Men­schen in größerem oder kleinerem Grad auf das Fürsorgewesen angewiesen sind. Gleichzeitig leben tausende unserer Bauern unter den schlechtesten Bedingungen. So wie in der ganzen Welt hat die ökonomische Krise auch in unserem Land in hohem Grad den Charakter einer Landwirt- s chaftskxis e angenommen. Am härtesten sind inzwischen die Fischer und Forstarbeiter be­troffen. So ist es nicht weiter verwunderlich, daß die Anzahl der Fürsorgeempfänger auf dem Lande seit 1828 um 50 Prozent gestiegen sind. Das ist| ' amt der Reichswehr und wird in di« Pro­vinz versetzt werden. Die außerordentliche politische Bedeutung dieser Nachricht liegt darin, daß General von Reichenau der eigentliche Dertranens- mann Hitlers in der Reichs­weh r ist. Er vertrat dort den national­sozialistischen Flügel in oft schärfstem Gegensatz zu anderen deutschnational­monarchistischen Teilen der Reichswehrgenera- lität. Er war es auch, der vor allem jenen Kampf gegen oppositionelle Strömungen in der Reichswehr führte, der schließlich mit der Er­mordung Schleichers endete. Auch auf die Beziehungen zwischen dem Regime und Ge­neral Blomberg nahm er oft entscheidenden Einfluß. In der letzten Zeit nahm er besonder- scharf für feinen Grundsatz,die Reichswehr muß nationalsozialistisch werden", in den Partei­blättern den DNDAP Stellung. Sein plötzlicher HinanSwurf, der offensichtlich mit dieser Aktion gegen die monarchistische Reichswchrgenrralität in engem Zusammenhang steht, bietet ein be­zeichnendes Bild der immer erbitterten Macht­kämpfe unter den Cliquen der Herren des Dritten Reiches . das Resultat einer jahrzehnte­langen Herr s ch a ftder bürger­lichen Parteien. Die bürgerlichen Par­teien in Norwegen haben jederzeit die Mehrheit im Storting und dje Leitung des Landes in ihren Händen gehabt. Ihre Politik war geprägt von der Auffassung, daß die Krise von selbst verschwinden werde. Die norwegische Arbeiterpartei hat die ent­gegengesetzte Auffassung von der Krise. Sie hat längst erkannt, daß bloße Fürsorge nicht weiter führen kann. Sie hat weitgehende Maßnahmen verlangt, das Volk in Arbeit zu setzen und radikale Vorkehrungen zu treffen, um denen ein mögliches Auskommen zu sichern, die Norwegens harten Bo­den und Wald bearbeiten oder täglich Leben und Gesundheit auf dem Meer wagen. Bei den Wah­len hat das Volk der Politik der Arbeiterpartei ein Vertrauensvotum gegeben. Lange haben die bür­gerlichen Parteien versucht die deutliche Sprache des Volkes zu' sabotieren. In diesem Jahr nun mußten sie notgedrungen die Leitung des Landes in die Hände einer Arbeiterregicrung legen. Noch hat iüesc Regierung keine Mehrheit im Storting. Gleichwohl hat sie es zustandegcbracht ein Budget vorzulegen, das einen historischen Wendepunkt für Norwegen bedeutet. Die Arbeitslinie hat gesiegt.' Durch das.Krisenbudget der Arbeiterregierung werden vorläufig 30.000 Man» in Arbeit gesetzt. Wir werden vor allem das Straßennetz ausbauen. Man muß in Betracht ziehen, daß wir in Nord- norwegen bis heute keine Durchgangsstraße haben, Kritische Lage in Paris Verhandlungen unterbrochen, da Mussolini schweigt Paris. (Tsch. P. B.) Eine neue Sitzung der Vertreter der drei Großmächte hat heute nicht mehr stattgefunden. Der italienische Delegierte Baron Aloisi ist gegenüber den beiden anderen Delegierten, dem Ministerpräsidenten Laval und dem Minister Eden im Nachteil, da diese Voll­machten besitzen, während Baron Aloisi sich über jeden neuen Punkt mit seinem Regierungschef ins Einvernehmen setzen muß. Mussolini hat Rom jedoch am Samstag nachmittag offiziell wegen einer Truppeninsprk- tion verlassen, so daß die Pariser Konferenz lahmgelegt wurde, obzwar nach den letzten Mel­dungen England und Frankreich sehr weitgehende neue Zugeständnisse an die italienischen For- derungen gemacht haben. Auch im Budget für die Eifenbahnbauten schlägt die Arbeiterregierung beträchtliche Erweiterungen vor. Neben dem Ausbau und Neubau einer Reihe von Bahnstrecken werden wichtige Strecken elek­trifiziert. Durch den energischen Kampf der Ar­beiterpartei erhält Norwegen als letzter der euro­ päischen Staaten jetzt auch ein Flugnetz. Fünf Millionen Kronen hat die Regierung als Staatsgarantie zum Start neuerLndu- striebetriebe oder zur Erweiterung und Modernisierung alter zur Verfügung gestellt. Das erste Resultat dieser Bewilligungen wird eine neue Kunstseidenfabrik auf Notodden sein. Eine weitere Staatsgarantie wird für ein geplantes Stahlwerk bei Kristiansand erteilt. Die Arbeiterregierung^at auch den ersten Schritt dazu getan, das Mißver­hältnis zu beseitigen, daß neun Zehntel der nor­wegischen Handelsflotte im Ausland gebaut wer­den. Die Stellung der noxwegischen Schiffwerften gegenüber der ausländischen Konkurrenz soll ge­stärkt werden. Die Arbeiterregierung hat eine Kommission eingesetzt, welche neue Arbeitsmöglich­keiten in Norwegen untersuchen soll, darunter auch die Bedingungen für die Errichtung moderner Schiffswerften. Selbstverständlich legen wir auch großes Gewicht auf die Bauindustrie. Neue Rat­häuser werden gebaut eine Million Kronen stellen wir zum Hausbau zur Verfügung. Mittel zum Bau von Sportplätze», Bibliotheken, Bädern werden aufgebracht. Zum ersten Male werden auch Mittel bewilligt, um die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Unsere wichtigste Sorge ist natürlich auch die Landwirtschaftskrise. Die Lebensmittelpreise, die 1828 einen Index von 150 gegenüber 100 des Vorkriegsniveaus aus­wiesen, sanken bis 1033 auf 110. Gleichzeitig aber hielten sich die Industriepreise viel besser, gar nicht zu schweigen von den Ausgaben für Steuern, Renten, Abzahlungen etc. Die Einnah­men für den Bauern wurden also bedeutend ver­mindert, während die Ausgaben fast die gleichen blieben. Unser Kleinbauer bezieht sein Hauptein­kommen aus Molkereiprodukten, dann Speck uns Eiern. Die Arbeiterregierung hat nun für einen Minimalpreis für Milch gesorgt. Um diesen Preis zu halten, bewilligt die Arbeiterregierung nicht weniger als 5.4 Millionen Kronen, davon werden 3.5 Millionen durch eine Kraftfutterabgabe ge­deckt, die auf jenen Betrieben lastet, die einen gro­ßen Verbrauch an ausländischem Kraftfutter haben. Um den Verbrauch von Butter zu steigern, sorgt die Arbeiterregierung dafür, daß Butter an Stelle von Margarine in Krankenhäusern, Sana­torien, Tuberkuloseheimen, bei der Militärverpfle- ' gung etc. tritt. Sie will auch eine energische Auf­klärungsarbeit führen, um den Kleinproduzenten die Produktion von Qualitätsbutter zu lehren. Ein außerordentlich wichtiges Glied im Kri­senplan der Arbeiterregierung ist die erweiterte Begünstigung der Neuerrichtung von Bauernhöfen und Urbarmachung unkultivierten Bodens. Norwegen verfügt heute Vie norwegische Arbeiterregierung im Kampf gegen die Krise Von Adolf Indrebb, norwegischem Finanzminister