«r. 192Sonntag, 18. Angnst 1935Sette 3Betrugsversuch an ArbeitslosenAls vor einigen Monaten die Glasfabrik inHoleischen als Opfer der internationalenKartellpolitik stillgelegt wurde, mutzte die Firmagewisse soziale Verpflichtungen gegenüber den erwerbslos gewordenen Arbeitern übernehmen. Voneinem Teil dieser Verpflichtungen suchen sich diekapitalistischen Unternehmer zu drücken. So sindstatt der hundert Arbeiter, die in Schwaz beschäftigtwerden sollten, bisher nur sechs eingestellt worden.Während die Besitzer von Holleischen und die Aktionäre keinerlei Schaden durch die Stillegung erleiden,sollten die zur Arbeitslosigkeit verurteilten Menschen um die ihnen zuerkannten Rechte geprellt werden.Gegen diesen Versuch sind die Gewerkschaftenmit Unterstützung der unter sozialdemokratischerLeitung stehenden Gemeindebehörde von Holleischenvorgegangen und haben ein neues Abkommen mitder Firma getroffen. Darin verpflichtet sie sich, bisEnde Oktober weitere 85 Arbeiter zu übernehmen,die längstens bis zum 15. Jänner 1936 als Hilfsarbeiter verwendet und später in Fachkategorieneingereiht werden sollen. Den Arbeitern, die bis zudiesem Termin nicht zur Arbeit berufen werden,mutz di« Firma einen Lohn von 2.90 Kronen fürden ledigen und 3.15 Xi für den verheirateten Arbeiter nach der Zahl der tatsächlichen Schichtenbezahlen, in die der Arbeiter eingereiht wordenwäre. Außerdem mutz die Firma 30.000 XL zugunsten nicht übernommener Arbeiter zur Verfügung stellen.Die Rettung deS Arbeitsplatzes für 100 Arbeiter und die weitere Hilfe für einen Teil derfrüheren Belegschaft sind ein Erfolg der Gewerkschaften und der sozialdemokratischen^Vertrauensmänner. Das Verbrechen der Betriebsvernichtungdurch die KarteUpolitik konnte freilich nicht wiedergutgemacht werden.das Einkommen sinkt weiterEs ist eine bemerkenSlverte Feststellung, datzdie Kurse einer großen Anzahl von Industrieaktien in der letzten Zeit fortgesetzt steigen, daßdie Jndustrieunternehmungen höhere Gewinne alsin den letzten Jahren abwerfen und demzufolgedie Kapitalisten steigende Profite einstccken können, gleichzeitig daS Einkommen der arbeitendenVevöNerungsschichten aber weiter zurflckgeht. DaS«gibt sich auS der Entwicklung der Einkommensteuer in den ersten fünf Monaten dieses Jahres.Obwohl die Einkommensteuer um den Wehrbeitragerhöht worden ist, hat sie in der Zeit vom Jännerbis Mai 1935 nur einen Ertrag von 386 Millionen Kronen gebracht. Ohne Wehrbeitrag wurden>n der gleichen Zeit des Vorjahre- 403 MillionenKronen Einkommensteuer bezahlt. Die Statistikder Zentralsozialversicherungsanstalt unterstreichtdiese Entwicklung. Sie hat im April 1934 65 Millionen Kronen an Prämien für die Krankender«stckerung vorgeschrieben. In dem gleichen Monatdiese- Jahre- waren es nur noch 55 MillionenKronen. Im Verhältnis noch stärker ist der Rück-gang der für die Invalidität-- und Altersversiche«vung vorgeschriebenen Beiträge: sie sind von 39Millionen Kronen im April 1934 auf 30 Millionen Kronen im April 1935 gesunken.-Da sich die Arbeitslosigkeit in diesem Jahrebisher im wesentlichen auf der gleichen Höhe wieim Vorjahre hält, so zeigt der in diesen Ziffernzum Ausdruck kommende Rückgang des Einkommens an, daß die Kurzarbeit weiter gestiegen istund die Löhne und Gehälter gegenüber dem Vorjahre in diesem Jahre weitere Kürzungen erfahren haben. Es ist darum auch kein Wunder, daßfür eine Reihe wichtiger NahrungS- und Genußmittel der Konsum in diesem Jahre ebenfalls nichtunbeträchtlich zurückgegangen ist.Dr. Groß, der Leiter des Rasieamtes derNSDAP hat an die Rajsenpolitiker der Gauleitungen ein Geheim rundsch reibenherauSgegeben, das das„Pariser Tagblatt" imWortlaut reproduziert. Der Raffen-Wteilungs-Chef Deutschlands wendet sich in diesem mehrals überraschenden Erlaß gegen Begriff undWort„deutsche Raffe" als„sachlich und politischfehlerhaft und schädlich". Das„rasiische Denkenan sich" sei zwar selbstverständlich richtig, aberdie„Tatsache der verschiedenen Rassen innerhalb der deutschenBevölkerung" dürfe nicht geleugnet werden I Wörtlich heißt es weiter:Wer von„deutscher Raffe" spricht, verläßtden Boden des Tatsächlichen. ES gibt eine deutscheSprache, ein deutsche- Volk«. dgl., rassischjedoch ist Deutschland eiuRas-sengrmisch, und wer von der Seite derRaffe her eine Beschreibung des Deutschen unternimmt, mutz die gesicherten Ergebniffe der Raffen-künde zugrundelegen und danach eben von nordischer, dinarischer, ostischer«sw.Rasse sprechen. Wer das vermeiden will, maovom deutschen Bolk, vom deut-s chen Menschen»der dergl. rede«, sollaber den ganz scharf»mriffenrn Begriff Rassein diesem Zusammenhang vermeiden.Un der Schluß dieses denkwürdigen Rundschreibens lautet also:Ich selbst habe vor einem Jahre in allerSchärfe dagegen Stellung genommen, datz'durch«ine zum Teil sachlich falsche undaußerdem in der Form denkbar ungeschickte einseitige Propagierung der äußerlichen Merkmale der nordischenRasse Minderwertigkeitsgefühle erweckt undda- eben beginnende Gefühl derVolksgemeinschaft gefährdetwurde. Ich habe mich dafür eingesetzt, von denverschiedenen Raffebestandteilen des deutschenVolkes in der O e f f e n t l i ch k e i tzunächst nicht oder nur wenig und in einersolchen Form zu sprechen, daß schädlicheAuswirkungen in angegebenem Sinne unmöglichsind. Diese Forderung kann aber niemals dahinausgelegt werden, Grundlagen unserer raffekund-Bund der Frontsoldaten vom Bundder Kriessverletzten abgelehntIn der letzten Zeit habere die HenleinblätterPropaganda für einen Bund der Frontsoldaten gemacht, für dessen Gründung man insbesondere inHitlerdeutschland vielJntereffe zu habenscheint. In diesen Bund der Frontsoldaten sollteinsbesondere der Bund der KriegSverletzten einbezogen werden. Der aber hat nun festgestellt, datzer mit der Sache nichts zu tun hat und nichts zutun haben will. Die geplante neue Organisationsei völlig unnötig und die Propaganda für ihntrage nur Verwirrung in die Reihen der ehemaligen Kriegsteilnehmerschaft, für die„die beabsichtigte Gründung in keinem Falle in Frage kommt".— Diese erfreuliche Abfuhr gönnen wir den SHF-Drahtziehern vom Herzen.lichen Erkenntnis und unserer politisch-weltanschaulichen Programmatik über Bord zu werfenund die Erziehungsarbeit zu einem nordischenIdeal durch das Phantom einer„deutschen Rasse" zu zerstören.Ich bitte deshalb heute, gegen dieses ent-gegeiigesehte Extrem sofort und in aller SchärfeFront zu machen. Dabei ist selbstverständlich, daßdieOeffentlichkeit von diesen innerenAuseinandersetzungen nichts zu erfahren hat, sondern datz die Beseitigung derunklaren Vorstellungen einer„deutschen Raffe"durch unmittelbare Fühlungnahme mit Schulungsleitern, Rednern u. dgl. erfolgen soll,»fit«öffentliches Aufsehen zu«regen. Soweit schriftliche Auseinandersetzungen, etwa in der Preffe,über diese? Thema erforderlich erscheinen, werdeich sie selbst veranlaffen. Ich bitte im Jntereffeder notwendigen Einheitlichkeit gerade in diesernicht einfachen Frage von lokalen Diskuffionenin der Oeffentlichkeit abzusehen.5) Dieses Rundschreiben ist al- vmtranlichz« brfiandeln. Es soll nur den Mitarbeitern zugänglich gemacht werden, die an der Schulung--und Propagandaarbeit auf dem einschlägigen Gebiet unmittelbar beteiligt sind.Heil Hitler Igez. Dr. G r o tz,Leiter des Raffenpolitischen Amte-der NSDAP.Für die Richtigkeit:gez. S ch n e i d e r.Durch Veröffentlichung des Geheimrund«schreibens wäre nun daS gefürchtete„öffentlicheAussehen" doch da— tvenn nämlich die deutschenMenschen im Reich ausländische Zeitungen erhielten. Aber auch so wird diese höchstamtlichewissenschaftliche Bestätigung eines verbrecherischenSchwindels, der unzählige Opfer gekostet hat undnoch kosten wird, dennoch allmählich durchsickern.Aber auch das wird noch nichts helfen. Diejenigen, die sich im Namen Hitlers, Goebbels' undGroß' als„deutsche Menschen" im hakenkreuz«lerischcn Sinne fühlen, werden fortfahren, die„Untermenschen" zu, drangsalieren und abzukillen.Kundgebung der PräserMetallarbeiterGegen Arbeitslosigkeit und Teuerung,Appell an die KommunistenAm Freitag fand in Prag die Sitzung dessogenannten 21er-Ausschufses der Metallarbeiterstatt, welcher die Vertretung der größten Metallbetriebe in Prag ist. In einer Entschließung wirdauf die Zerrüttung der Wirtschaft hingewiesenund festgestellt, datz sich die besitzenden Kreise mitallen Kräften gegen eine neue Ordnung der Wirtschaft und der sozialen Verhältniffe wehren.„Diefascistische Bewegung", so heißt es dann wörtlich,„welche offen als Exponent der wirtschaftlichenReaktion auftritt, hat in fast allen bürgerlichenParteien ihre Anhänger, wa- die Gefahr schwererpolitischer und wirtschaftlicher Konflikte erhöht.Dieser Stand wirtschaftlicher Destruktion, derenFolgen die Verarmung der Welt ist, ruft schwereKonseguenzen für die Arbeiterklasse hervor; es istvor allem die dauernde Massenarbeitslosigkeit unddie allmähliche Erhöhung der Preise aller Lebens«bedürfniffe, wozu systematische Versuche der Her»absetzung der Löhne hinzutreten."Aus diesen Gründen wendet sich der Lier-Ausschuß an die Arbeiterschaft, ihre organisatorischen Reihen zu schließen und dadurch aktionsfähigzu werden. Weiters tritt der Ausschuß in engsteFühlung mit den Gewerkschaftszentralen und denparlementarischen Vertretungen der sozialistischenParteien, damit man auf dem Wege der Gesetzgebung der Arbeitslosigkeit und der Teuerung entgegentrete. Schließlich wendet sich der Ausschuß miteinem Appell an die kommunistisch orientierteArbeiterschaft, um aus der herrschenden Not undden veränderten politischen Verhältnissen die Folgen zu ziehen und uneingeschränkt und voll auf denBoden der Republik, ihrer demokratischen Grund«sähe und der aktiven Zusammenarbeit in den gesetzgebenden Körperschaften zu treten, damit durchgemeinsames Vorgehen der Arbeiterklasse die Voraussetzungen einer ziclbewußten, erfolgreichenAktion geschaffen werden können. Die Kommunisten werden darauf aufmerksam gemacht, daß eSauch im Jntereffe Sowsetrußlands ist, wenn dermitteleuropäische Damm gegen den FasciSmuS,.welchen die Republik darstellt, von innerenKämpfen erfüllt würde, die nur dem Klaffenfeindund dem auswärtigen Feind nützen könnten.Relchenberser MesseSonderausstellung:„Die Frau in derHauswirtschaft“.Heute findet die Eröffnung der 16. Reichenberger Mustermeffe statt.- Die'Messe dauert heuet erstmalig vom 18.bis einschließlich den 25. August und ist täglichin der Zeit von 8 Uhr ftüh bis 6 Uhr abends fürden Meffebesuch geöffnet. In elf vollbesetztenMeffehäuscrn sind in reichhaltiger Schau 18 Wa«reugruppen untergebracht. Die Messe gliedert sichwie in den früheren Jahren in Textil und Textilmaschinen, die technische Meffe mit ihren Untergruppen und Erfindungen uird Neuheiten etc.Die allgemeine Meffe umfaßt Glas, Porzellan,Galanterie«, Leder- u. Spielwaren, kunstgewerbliche Artikel, Möbel und Klaviere, Büromaschinenund Bürobedarf. Radio, Nahrungsmittel undMarkenartikel. Außerdem ist der allgemeinenMeffe eine besonders interessante und lehrreicheSonderausstellung„Die Frau in der Hauswirt«schäft" angegliedert.„Rassisch ist Deutschlandein Rassengemisch“sagt der Leiter des Rassenpolltischen Amtes In Berlin IGötter im GrasUnterhalb Königinhof durchfließt die Elbe«och einmal, bevor sie in die weite Flachlandschaftles nordböhmischen Kreidebeckens eintritt, ein nurknapp vier Kilometer langes, aber landschaftlichsehr ausgeprägtes, steiles Engtal im Quadersandstein von Kukus.Alte Beschreibungen wissen lang und breitdon dem„so heilsamen als berühmten Kutusbade"zu erzählen, das mit mancherlei Bequemlichkeitenund Ergötzlichkeiten; mit Badehäusern, Springbrunnen, Wasserfällen und Lustgärten ausgestattet war. Hören wir den begeisterten Chronisten:„Bey diesen so köstlich aufgeführten Gebäuden leidet nichts an dem, was zur Lust undGemütserquickung der Bad« und Curgäste dienenkann, einigen Abgang. Hierher gehöret der vonbem Badhaus an durch schattige Gebüsche vierhundert und fünfzig Ellen in die Länge sicherstreckende schwibbögige Lust« und Spaziergang;bas Rauschen der zwey auf jeder Seite der grossenStiege aus steinernen Muscheln sich ereignenderWasserfälle; der zwischen der gebrochenen Stiegedurch die Kunst des Wassers verschiedene ArienTag und Nacht fortspielende PolyphemuS oderflrofee Riese; die unterschiedlichen künstlich ausStein gehauenen, sowohl auf der Stiege als aufder Elbebrücke aufgestellten Statuen und Bildnisie.samt vielen andern raren Wasserkünsten mehr,tvelcheS alles lauter angenehme Ergötzungen deSMenschenichen Gemüts heissen mögen. Hierzu kannoch gerechnet werden, datz den Badgästen mitTagen, Schiessen, Fischen und Vogelstellen, sich zuMehrerer Bewegung und Zeitvertreib zuergötzen,ganz frey gestattet und zugelaffen ist." So weißder Schilderer von damals noch viel zu rühmen.Auch„zween absonderliche labgesonderte) Bäderfür die armen Leute" gab es.So war eS vor zweihundert Jahren. KukuSglänzte als künstlerisch auSgestattete Residenz desGrafen Franz Anton von Sporck. Bekannterals er ist Wohl fein Vater, der aus Westfalenstammende Reichsgraf und Reitergeneral Johannvon Sporck, dec sich im Dreißigjährigen Kriege mitden Schwedengeneralen Königsmark und Torsten«son und später mit den Türken vor Wien herumschlägt, in Friedenszeiten aber, nach eigenem Ausspruch„mehr Sporck al» Graf", auf seinen Gütern wirtschaftet. Blieb der Vater zeitlebens desLesens und Schreibens unkundig und auch imGeneralsrock eher ein Bauer, so wird sein SohnFranz Anton als Zögling der Kuttenberger Jesuiten und der Prager Universität und als späterer Anhänger der französischen Jansenisten einMann verfeinerter geistiger Bildung, der für allesInteresse hat, was das kulturelle Leben seiner Zeitbewegt. Er steht in lebhaftem Briefwechsel mitden bedeutenden Männern seiner Zeit, gründetden ersten Freimaurerorden in Böhmen, treibt diePflege der Musik mit seiner eigenen Jagdkapelle,die, was musikgeschichtlich interessant ist, von Parisher das Waldhorn in die deutsche Musik einführt;er hält sich mit einem Aufwand von Riesensummen ein eigenes Operntheater in der Hyberner«gaffe und dann am Pokiö in Prag, legt Bibliotheken in KukuS, Lissa und Prag an und richtetin KukuS eine eigene Druckerei ein, in der u aufseine Kosten die von Pfarrer Bojan ein Leben langgesammelten geistlichen Volksgesänge, Zeugnisseböhmischer Musikalität, dann aber auch freigeistigeBücher drucken läßt, die er in alle Welt verschickt.Das bringt ihn in Konflikt mit den Jesuiten, dieihm die Verbreitung ketzerischer Schriften vorwerfen. Sporck wird eine Zeitlang in die berüch-'tigte Daliborka, das Gefängnis auf dem Hrad-schin, eingekerkert; seine Druckerei wird, gesperrt.Es ist das nicht der einzige Streit, den er zu bestehen hat; immer wieder verstrickt ihn das vomPater vererbte Draufgängertum in zahllose Prozesse. Denn bei allem geistigen Schliff ist er, soschildert ihn Oskar Schürer,„kein Heiliger; erspielt und trinkt Md jagt und pocht auf feineHerrenrechte. Sinkt doch vor der gekrönten Majestät in- Knie, ist glücklich iiber ihre Huldbeweise.Die Gegensätze seiner Zeit schütteln auch ihn, jaschütteln diesen kernigen Charakter heftiger alsalle andern. Aber er ist ein Kerl. Wo er auftritt, wirft er sein ganze» Leben in die Schranken.Was er anpackt, was er treibt, ist mit persönlichster Note gefärbt." Es spricht für seine sozialeEinsicht, datz er mit der Erleichterung der Robotfür seine Leibeigenen seiner Zeit ein gutes Stückvorausgeht. In Kukus gründet er nicht nur dasBad, sondern gleichzettig auch ein Hospital füralte gebrechliche Leute; diese Sporcksche Stiftungbesteht heute noch; sie hat allen Glanz überdauert.Mit der künstlerischen Ausschmückung feinerfleinen Residenz betraut Sporck als großzügigerund kunstverständiger Mäzen keinen Geringerenals den Bildhauer Matthias Braun, den er aufeiner Reise in Tirol entdeckt und mit nach Böhmengebracht hat. Braun stattet Kukus mit reichemFigurenschmuck aus, reiht längs der Stiftsterraffeeine ganze Galerie von Statuen auf, die, mitEmblemen beladen, die Tugenden und Laster symbolisieren, kokette Barockgöttinnen, deren sinnenfrohe Uevpigkeit die Laster nicht weniger verlockenderscheinen läßt als die Tugenden; das schmückendeBeiwerk verspottet in allegorischen Anspielungendie Prunksucht des zeitgenössischen Adels, dieGeldgier der Ordensgeistlichkeit. In die Felswände und Sandsteinblöcke des Parks meiseltBraun phantastische Figurengruppen, biblischeSzenen, Heilige mit knorrigen MuÄeln und wallenden Bärten wie wilde Männer. SeineSchöpfungen im Auftrage Sporcks gewinnen demKünstler auch' in Prag Aufträge; seine Luidgard,sein St. Ivo auf der KarlSbrücke. seine Gigantenam Clam-Gallas-PalaiS in der Husgaffe, die gewaltigen Adler am Palais Thun in der Neruda-gaffe sind Krönungen der Prager Barockplastik, diePrag dem Mäzenatentum Sporcks verdankt, denner hat als Erster dem Künstler die Möglichkett reicher Entfaltung geboten.So bringt Sporck sein kleines KukuS in vielfältige Beziehung zur Kultur seiner Zeit. Aber— wir zitieren wiederum Schürer— sein Schicksal war doch Niederlage.„Niederlage gegen dieZeit und auch Niet^rlage der Zeit selbst. Mit seinem Tod stürzt auch die Adelswelt in Prag zusammen. Eine neue Epoche, der er nur halb angehören durfte und die er auch nur mtt halbemHerzen ersehnen konnte, zieht herauf: die Aus-Ilärung, die im Bürgertum ihre Stütze findet."Denkmal seines Wirkens ist Kukus. EinDenkmal, halb vergessen, fast im Unbekanntenliegend und langsamem Vergehen preisgegcben.Vieles von der alten Pracht ist schon verschwunden.Das Schlößchen, in dem Sporck residierte, ist vorJahrzehnten abgetragen worden. Die hohe Freitreppe, die zu ihm aufstieg, führt nur ins Grüne.Verwitterung nagt an den Bildwerken im Park,wildes Wachstum umwuchert sie— Götter imGras. Fern dem heutigen Leben und schwer erreichbar verträumt Kukus seine Tage in derRuhmlosigkeit dieser Landschaft, durch die sich dieElbe in zahllosen Windungen schlängelt, vorüberan unscheinbaren Dörfern.In einem dieser Dörfer, in Hermanitz, demletzten deutschen Dorf an der Sprachgrenze undeinem der unansehnlichsten, wurde Wallensteingeboren. Das Haus der Waldsteins ist längstverschwunden. An der Kirchenmauer stehen nochdie Grabsteine der Familie, die der Eltern, dieWallenstein selbst hat setzen lassen, und die dersämtlich jung gestorbenen Geschwister. In seinemzwölften Lebensjahre wurde Wallenstein Waise.Aus der einsamen Landschaft seiner bäuerlichenHeimat kam er ins AdelSichlotz des Onkels unddamit an die entscheidende Schwelle seines Lebens.Bon der Wiege in Hermanitz bis ins Mordzünmerin Eger— der Weg führt quer durch Böhmen.Und in der Mitte, in Prag, steht WallensteinsPalais.„Lauernest in unentschiedenen Jahren"und prunkvoller Schauplatz der Lebenshöhe.- E. H.