Seite 2 DienStag, 20. August 1838 Nr. 193 Schacht und die Radikalen Wachsender Gegensatz Wird Hitler   optieren? Auf dem Wege zu einem neuen 30. Juni Fünfjahrplan aus tote ein Ameisenhau- fen neben einem Wolkenkratzer. Und vor allem ist eine in ihrem Chauvinismus, in ihrem nationali­stischen Ehrgeiz gekitzelte Nation durch derlei Mätzchen nicht zu befriedigen. Mussolini   hat hun- dertemale versprochen, ein Diehrer des Reiches zu sein. Er feierte das große Jahr der Erinnerung an Octavianus Augustus  , den Schöpfer des römi­schen Imperiums. Aber tatsächlich hat Mussolini  für Italien   nichts erobert als Schulden. Und es ist ein auf die Dauer für ihn untragbarer Zu­stand, daß unter liberalen Politikern, unter derschwächlichen" Parlamentsherr­schaft, datz unter Crispi, Giolitti, Orlando die Kolonien Erythrea, Tripolis  , Somali, die neuen Provinzen Tirol und Istrien, Gärz und Gradisca, die Städte Triest  , Fiume, Zara, die Inseln vor dem Quarnero und der Dodekanesos gewonnen wurde, unter Mussolini  , dem all das zuwenig war, aber nichts, buchstäblich nichts, was auf der Karte zu sehen wäre, was in den Schulbüchern festgehalten werden kann. Dalmatien   und Sa­ voyen  , Nizza   und Korsika, Tunis   und Malta   sind nicht ohne einen lebensgefährlichen Krieg zu haben. Abessinien ist der Punkt des schwächsten Wider st ands getoesen. Vielleicht nur scheinbar. Was es kostet und ob es nicht Mussolinis Thron sein>vird, der in Gegenrechnung gestellt wird, bleibt abzuwarten. Daß Mussolini   nicht im Traum daran dachte, sich mit den Briten als Kaufmann zu einigen, daß die ganze Konferenz für ihn nur Zeitgewinn war, merken langsam sogar die Franzosen. Sie geben jetzt ihren Besorgnissen um die Folgen eines afrikanischen Krieges in Europa  bewegten Ausdruck. Dabei ermißt Frankreich   noch immer nicht, worauf es ankommt. Daß Mussolini  nicht mehr stark genug sein wird, Europa   vor Hit­ ler   zu schützen, wäre das größte Uebel nicht, höch­stens das Ende einer läppischen Illusion. Nur das aber sieht man heute in Frankreich  . Wichti­ger ist, daß Mussolinis Raubkrieg in Afrika   für Hitler eine gar nicht abzumessende moralische Stärkung bedeuten wird. Hitler   wird Kolo­nien fordern will Frankreich   sie ihm dann ver­weigern?! Hitler   wird sich seines Austritts aus dem Völkerbund rühmen, den Bund wie einen toten Hund behandeln wie will Frankreich  seine Schöpfung verteidigen?! Hitler   wird der Welt erklären, daß die Mächte, die angeblich wegen der Vergewaltigung Serbiens   und Bel­ giens   den Weltkrieg geführt haben, der Verge­waltigung Abessiniens mit Behagen zusehen. Man wird ihm antworten, aber die Antworten werden klägliche Ausreden sein. Und wenn dann Hitler OesterreichsSelbstbestimmungsrecht" reklamiert, dann werden den andern weniger Mussolinis Divisionen fehlen, als die Argumente, mit denen sie der Welt weismachen wollen, daß sie für eine Rechtsordnung kämpfen, die niemand, wirklich nie­mand verletzen dürfe... Laval hat diplomatische Verhandlungen ver­sprochen. Können diese Verhandlungen noch ret­ten, was in Paris   verloren ward? Sie können den Frieden noch immer sichern unter einer Vor­aussetzung: daß England unter vier Augen, von Kabinett zu Kabinett den Trumpf ausspielt» der Mussolinis Karten allesamt sticht und den Lord Eden am Quai d'Orsay noch nicht auf den Tisch legen konnte dieDrohungderKriegs- erklärung Englands an Italien  . Vor ihr allein würde Mussolini   weichen. Sie allein kann den Frieden retten oder den werden­den Krieg im ersten Aufflackern ersticken.. Die laufende Krise des Systems, die ihren Ausdruck einerseits in den wüsten Ausschreitun­gen des Mobs gegen Juden und Katholiken, im Kirchenkrieg der Radikalen und in dem Aufstieg des Poriwgraphen.Streicher zur historischen Figur, andererseits in dem wachsenden Gegen­druck der Wirtschaft und der Reichswehr   findet, nähert sich ihrem Höhepunkt. Die Entfer­nung Reichenaus aus dem Reichswehr­ministerium zeigt, daß die sogenannteReak­tion" den Gegenstoß bereits vortreibt. Nun hat Schacht, um deffen Person anscheinend der Hauptkampf tobt, in Königsberg   anläßlich der Er­öffnung der Ostmesse eine Rede gehalten, die in vielen Punkten an die berühmte Marburger RedePapens erinnert, die dem 30. Juni 1834 vorausging. Schacht wandte sich zwar gegen den Klerus und die Juden, aber doch in wesentlich höflicherem Tone, als es das offizielle Deutschland   sonst in der jüngsten Zeit getan hat. Er forderte den Klerus auf, der Politik fernzubleiben, die Juden, sich an den Gedanken zu gewöhnen, daß sie ihre Rolle in Deutschland   ausgespielt hätten. Dann aber erklärte Schacht, in Deutschland   sei nie­mandrechtlos. Zu dem Kampf gegen die staatsfeindlichen Mächte sagte er: Aber die Lösung dieser Auf­gaben kann nichtungeregelten Einzelaktionen überlassen blei­ben, die eine schwere Beunruhigung der Wirtschaft bedeuten und die des­halb auch immer wieder von den staatlichen wie von den Parteiorganen verboten worden sind. Da unsere Wirtschaft auf das engste mit der der Auslandes verflochten ist, so kann es keinem von uns gleichgültig sein, welche Folgen die erwähn­ten Störungen im In- und Auslande haben. Es ist für die Führung unserer Wirtschaftspolitik unerläßlich, daß das Vertraue  » in Deutschland  als einen Rechtsstaat«»erschüttert bleibt. Mit deutlicher Spitze gegen die Radikalen wände er sich dann gegen die Geldtheo­retiker, dieK u n st st L cke" präsentie­ren möchten. Sehr schärft nahm Schacht gegen alle Abwertungspläne Stellung. Sehr interessant ist in diesem Zusammenhang ein Bericht, den Otto"Strassers D rutsche Revolution" in ihrer letz­ten Ausgabe bringt und der besagt: Wie wir aus besonderer Quelle erfahre«, habe« zahlreiche hohe Funktionäre der Hitlerpartei unter Führung der Abteilungsleiter im Braune« HauS eine« Schritt bei Hitler   unternommen» der in geradezu ultimativer Form di« Absetzung Schachts forderte. Borausgegangen war dem Schritt eine Sitzung im Braune« Haus, in der eine Fülle von Klage» gegen Schacht erhoben wurde; neben feiner Intervention für Jude« und Freimauer(«»bei di« Entsendung des jüdischen Bankiers Jakob Goldschmidt   als Unterhändler desDritten Reiches  " nach Amerika   ein« besondere Rolle spielte!) wnrdr Schacht besonders von den Wirt­schaft-- und Sozialreferenten der Partei alsd e r eigentliche Feind des National­ sozialismus  " angeklagt und seine sofortige Absetzung als Voraussetzung der weiteren Auf­rechterhaltung der Partridiktatur bezeichnet. Rach Rückkehr von der Unterredung mit Hit­ ler   berichtete di« Delegation dem gleichet» Partei­gremium i« München  , daß Hitler dir Ent- lassungSchachtSfr st zugesagt habe! Die Delegation konnte folgende- von der Haltung und der Taktik Hitler  - berichten: Hitler   habe Schacht zum Wirtschaft-diktawr auf Befehl der internationale« Hochfinanz machen müssen, dir erklärte, nur unter dieser Bedingung die Stillhalte-Abkommen zu verlängern und auf die Zwangsmaßnahmen des Aoung- Plane» zu verzichte«. Zähneknirschend habe stch Hitler fügen müssen, da der damalig« RüstungSstand Deutschland eine erfolgreich« Ablehnung der au-ländischen Er- prrffung nicht zngelassen hab«. Deshalb habe Hitler   auch die Anmaßungen Schachts und der Kapitalisten solange ertragen müssen, bis di« Aus­rüstung beendet sei. Im Urteil der Presse (Schluß von Seite 1) Englische Stimmen Die englischen Blätter nehmen dar Pariser   Re­sultat mit Zurückhaltung auf. Ohne den Ernst der Situation zu verschleiern, sprechen einige Kommen­tare doch die Hoffnung aus, daß noch nicht das letzte Wort gefallen ist.Daily H e r a I d" wünscht, daß der Völkerbund mit glücklicher Hand ein­greifen möge.Daily Telegraph  " sagt, daß die Tagung des Völkerbundrates sich jetzt noch schwie­riger gestalten werde, datz jedoch die Möglichkeit einer Annäherung bestehe.'Time s" hält es fi'rr optimistisch zu glauben, datz diplomatischen Verhand­lungen gelingen werde, war der direkten Fühlung­nahme der drei Staatsmänner nicht gelungen ist. Von allen Zeitungen werden aber die Bemühungen Lavals um eine gerechte und uitparteiische Lösung anerkannt. Und die Italiener  ... In der Sonntagszeitung des halbamtlichen Giornale d'Jalia"Voce d'Jtalia" schreibt Gagda u. a., es gebe heute nur noch ein Mittel, um die abessinische Gefahr zu beseitigen, nämlich seine mi­litärische Macht, die sich als für alle bedrohlich her­ausgestellt habe;" derart niederzuschlagen, datz sie niemehr schaden könne. Italien   sei entschlos­sen, die abessinische Frage ein für allemal zu lösen. Schuschnigg  » Propagandamlnhter verletzt Wien  . Der Generalsekretär derVaterlän­ dischen Front  ", Bundeskommissär Adam erlitt gestern unweit Baden bei einem Unfall, dessen Einzelheiten bisher nicht bekannt sind, durch Glas­scherben Schnittwunden am Kopfe und im Gesicht. Ta dies im Herbste der Fall sei, fiele nun­mehr die Rücksichtnahme auf da- Ausland weg und Hitler   verspreche seinen Parteiführer«, daß Schacht noch tm Herbst diese» JahreS entlassen werde, worauf der langersehnte antikapitalistische Kurs gesteuert werde. Dir laufende Aktion gegen Stahlhelm, Kirche und Frrimaurertum sei bereits der Auftakt des nrnen Kurse- und der Führer bitte alle Fnnkfio- näre» sich noch einige Wochen zu gedulde« und ihm zu vertrauen. Wie vor dem 30. Juni versuchen also die Radikalen, Hitler zu einer Option für sie zu be­wegen. Die Reaktion stößt wie damals rücksichts­los zurück. Wird Hitler   optieren? Wird er diesmal für die Radi­kalen oder wieder für das Bank­kapitalentscheiden? Das sind die Fragen, die in Deutschland   zur Diskussion sichen. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß Hitler wieder für Schacht entscheiden und die Radikalen ans Messer liefern wird. Dies um io mehr, als man in wachsendem Maße den Eindruck gewinnt, daß Hitler gar nicht mehr kür die Radi­kalen optieren könnte, ohne seinen eigenen Kopf zu riskieren, da die Reichswehr   heute weit stärker ist als am 30. Juni 1934 und zwischen Reichs­ wehr  , Schacht und den Morarchisten ohne Zweifel ein Kampfbündnis besteht. StraBenkämpfe zwischen deutscher   Kriegsmarine und SS Königsberg. Hier kam es zu einem erbitterten und blutigen Straßenkampf zwischen Matrosen eine- deutschen   Kreuzer-, die in einem jüdischen Geschäft, namenS Lach- manski, in der Junkerstraße, Einkäufe mache« wollten, und S S-Lentrn, die sie daran zu hin­dern suchten. Die Matrosen bahnten sich mit ihren Fäusten den Weg inö Geschäft und setzte« ihren Willen durch. Die SS holte Verstärkung, worauf auch die Matrosen Verstärkung holten. Es kam zu erbitterten Kämpfen zwischen den Matro­sen und den SS-Lentrn, bei denen die SS  -Leute unterlagen. Besondere Erbitterung rief bei de« Seelänten hervor, als sie in einem Schaukasten, der Photos von Käufern in jüdischen Geschäften enthielt, daS Bild eines Offizier- ihres Schifies entdeckten. Sie zertrümmerten diesen Schankosten. Am nächsten Tage wiederholten sich dir Zusam­menstöße, bei denen wieder die SS  -Leute den kürzeren zogen.' Zahlreiche Personen wurde« schwer verletzt. Im übrigen kam es in den letz­ten Tagen mehrfach in Königsberg   zu antisemi­tischen Exzessen. Jn Jiiirxc O ÄMBKHManHWOBUMV MoSka«. Der Vertreter der Polnischen   Tele­graphenagentur und Korrespondent der offiziösen Gazeta Polfla  " in Moskau  , Jan Otmar, wurde aus Sowjetrutzland ausgewiesen. Ti« Ausweisung er­folgte wegen kritischer Abhandlungen über die Akno» der Komintern   in Europa  . Tofio. Wie aus Peiping gemeldet wird, hat da­chinesische Außenministerium am Samstag bei dek japanischen Botschaft in Nanking gegen das zahlreiche Ueberfliegen japanischer Flugzeuge überTientsin ohne vorherige Bewilligung der chinesischen   Behörden offi­ziellen Protest eingelegt. KI VILLA OASE oder: DIE FALSCHEN BORGER Roman von Eugene Debit Berechtigte Uebertragung aus dem Französischen von Bejot Monge, Julien Monge. Ich habe Sie schon von weitem erkannt. Nach der Photographie. Ich bin nämlich Physiognomiker, müssen Sie wissen." Sie hatte sich den Mann anders vorgestellt, von einem besseren Empfang geträumt. Seine plumpen Bewegungen und der rauhe Klang sei­ner Stimme kühlten sie etwas ab. Sie erlebte die erste Enttäuschung. Ein Glück, daß ihre Mutter nahe war! Sie warf sich in ihre Arme und fühlte sich in der weichen Wärme ihres Pelzes geborgen wie in einem Rest. Ein lärmender Dialog ließ sie auffahren. Julien war im Begriff, einen Träger abzuweisen. Die paar Kleinigkeiten trage ich allein", schnauzte er.Macht schon Schluß mit der Schnä­belei. Es regnet und es wird sowieso nicht leicht sein, einen Wagen zu kriegen." Der Bahnsteig war schon fast menschenleer. Helene ging, mager und krummrückig, zwischen Julien, der mühelos ihr Gepäck trug, und Irma, die sich hohtitsvoll aufreckte. Sie schielte scheu nach dem reich aufgetakelten Elternpaar. Haben Sie Ihre Fahrkarte?" fragte Julien. Sie öffnete ihre Handtasche und blätterte, während ihr der Onkel unverwandt auf die Fin­ger sah. nervös in einem Notizbuch. MaminaS Bild, Lauras Bild... Endlich! Die Fahrkarte stak in einem Brief Irmas. Sie traten aus dem Bahnhof. Julien fetzte die Sachen aufs Pflaster.' Bleib hier stehen. Ich hole ein Auto." Der Vorplatz war wie leergefegt. Hinter dem Gitter sah man den windgepeitschten Boule­vard, auf den der Regen niederprasselte. Helene mußte wieder husten. Drücke dich ganz fest an mich, Kleine", sagte Jvma.In einem Pelzmantel ist man ge­borgen. Ich kaufe dir auch einen. Bist du denn deine Erttiltung noch immer nicht los?" In der Bahn war es so zugig, Mama." Julien sprang von einem Wagen ab, ergriff das Gepäck und schrie: Einsteigen, Kinder! Setzen Sie sich auf den Klappsitz, Helene. Für mich reicht er nicht aus." Gern, Onkel." Nennen Sie mich Julien. Und ich sage du zu Ihnen. Bin kein Freund von Fisimatenten. Deshalb duze ich alle Welt." Jedesmal, wenn ein Lichtschein ins Auto fiel, sah Helene das Gesicht ihrer Mutter mit seiner faltenlosen Stirn, der geraden, ausladenden Nase, den roten, etwas aufgeworfenen Lippen, ein Ge­sicht, das Ruhe ausdrückte und majestätische Ueber- legenheit. Auch Julien imponierte ihr. Sie konnte ihn nur verstohlen betrachten. Einmal bemerkte er es. Er lächelle, legte ihr seine schwere Hand, an der zwei Ringe glitzerten, auf dit Schulter und fragte sie: Na, bist du zufrieden?" Jetzt sah sie ihn groß und ohne Scheu an. Nein, Angst brauchte sie vor den gerunzelten Brauen, den schweren Lidern, dem bürstenförmig gestutzten Schnurrbart und den breiten Kinnbacken nicht zu haben. Wenn sie dagegen an die bestiali­schen Züge Achille Demantes dachte... Nein, mit ihm war Onkel Julien nicht zu vergleichen. Er strotzte vor Kraft, und in der rauhen Stimme, die sie zuerst iiberrascht hatte, lag nicht nur Energie, auch Güte. Mit ihrer Mutter aber verband sie schon eine Sympathie, als wären sie sich nie fern gewesen in all den Jahren. Sie strahlle vor Freude. Und heiser, doch mit einem unverkenn­baren Jubellaut, gab sie zur Antwort: Ja, ich bin sehr, sehr zufrieden." Und du. Irma? Nun hast du deine Kleine, brauchst sie nie wieder hinzugeben... Du mußt nämlich wissen, deine Mutter kann nicht die ge­ringste Aufregung vertragen. Als der erste Brief von ihrer Schwester kam, dachte ich, sie würde ver­rückt. Mir hat die Sache übrigens auch keinen kleinen Stoß versetzt. Was, Dicke?" Er beugte sich zärtlich über sie. Nur immer mit der Ruhe! Ta sind wir ja auch schon zu Haus." Der Wagen hielt vor einer grauen Miets­kaserne. Irma stieß die Tür auf, schaltete die Nachtbeleuchtung ein, rief ihren Namen und führte Helene in einen mit Spiegeln und Blattpflanzen dekorierten Flur. Langsam sttegen sie die läufer­belegte Treppe hinauf. Hinter sich hörten sie Schritte, einen keuchenden Atem, dann Juliens Stimme: Noch zwei Stock höher, Helene. Fünfte Etage." Als sie oben waren, steckte Julien den Schlüs­sel ins Schloß, öffnete und bemerkte brununend: Zeit, datz ich ein Sicherheitsschloß an­bringen lasse." Helenes Augen wanderten von ihm zur Tür. Neugier und Freude lagen ihr in den Gliedern, aber auch Müdigkeit. Hinter ihrer Mutter trat sie vorsichtig in die Diele, die bläuliches Licht er­hellte. Hier bist du nun zu Hause, mein Kind," sagte Irma.; Sie ging auf einem Wolltephich, in den ihre Füße einsanken, zögernd ins Eßzimmer, das nicht viel geräumiger zu sein schien als das Auto, das sie hergebracht hatte. In einem Spiegel sah sie ihr Gesicht. Es war sehr häßlicki, erhitzt und so ver­krampft, daß sie es kaum erkannte. Wie gebannt blieb sie stehen und brachte kein Wort über die Lippen. Das gefällt dir wohl," fragte Julien. Schöne Möbel, was? Alles massiv." Ein monumentales Büfett mit geschnitzten Füllungen, eine Anrichte, ein Tisch, sechs Stühle, eine Krone. Der Kamin beladen mit Nippsachen. Komm nur weiter. Der Salon ist noch feiner." Laß sie doch erst sich ausziehen," sagte Irma. Sie soll nur einen Blick hineinwerfen." Er zerrte Helene, die noch nie im Leben ihren Fuß in einen Salon gesetzt hatte, hinter sich her. Offenen Mundes, als hätte sie ein Zauberitab berührt, wackelte sie mit dem Kopfe, wäh- Julien mit ausholenden Gesten ihr den Emp.re- sekretär, den Glasschrank, die Bibliothek, jede« einzelnen Sessel und die an den Wänden pran­genden Bilder zeigte. Darauf warft du nicht gefaßt, was?" .Sie ließ sich in einen Sessel fallen upd strich« zusammenhanglos lallend, mit der Hand über die Sttrn. Irma beugte sich über sie. Komm, jetzt will ich dir dein Zimmer zeigen." Vielleicht will sie erst essen," meinte Julie«. Es gibt ein gebratene» Hühnchen." Ich habe keinen Hunger," murmelte Helene. Ich möchte lieber mein Zimmer sehen." Sih gingen hinein. Vorhänge, Tapeten und Diwandecke waren himmelblau. Helene jubelte.. DaS dachte ich mir. daß es dein Geschmack sein würde," erklärte Irma. Blond und blau paßt zusammen.Onkel wollte lieber alles in Rot/ Na ja, das ist Frauensache. Aber das Bett habe ich ausgesucht. Gute Federn! Darin liegst du wie im Himmel. Früher war das hier die Rum­pelkammer. Bis ich mich eines Tages mit meinet Schwester dahintergeklemmt habe. In unserer Familie saßt man zu, mußt du wissen. Und nun ist es dein Reich. Wenn du nachts ettvas brauchst- kannst du klopfen. Das ist die Türe zu unserem Zimmer." Er streckte den Kopf vor und hielt ihr die Wange hin. lFortsetzung folgt.)