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Donnerstag, 22. August 1938

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Amerikanisches Embargo Washington.(Reuter.) Der Senat hat eine Resolution angenommen, durch welche die Aus­fuhr von Munition an kriegführende Staaten für ungesetzlich erklärt wird.

Indisches Militär nach Addis Abeba London . Wie aus S i m k a gemeldet wird, werden zur Zeit von Bombay aus indische Trup­pen nach Abessinien verladen, um die Wache der britischen Gesandtschaft in Addis Abeba zu ver­stärken.

gedungen gegen den Krieg Mussolinis zu ver­anstalten. 4. Die Sozialistische Arbeiter-Internatio­nale ist bereits an den Internationalen Gewerkschaftsbund herangetreten, um gemeinsam die Mittel zu sichern, mit denen das Weltproletariat sich wirksam dem Krieg entgegen stellen können wird. Sollte aber der Krieg dennoch ausbrechen, dann drückt die Sozialistische Arbeiter-Internatio­nale im Namen der Proletarier aller Länder die Hoffnung aus, daß es dem werktätigen Volke Italiens gelingen wird, die Erschütterungen, die der Krieg Hervorrufen wird, auszunützen, um den wirklichen Feind des italieni­schen Volkes zu schlagen, der nicht in Addis-Abeba sitzt, sondern in Nom. Die Sozialistische Arbeiter-Internationale entbietet den italienischen Arbeitern und Bauern, die Mussolini zu den Fahnen gerufen hat, um sie nach Afrika zu schicken, den brüderlichen Gruß der Arbeiter der Welt und ruft ihnen zu: wendet die Waffen, die der Fascismus euch in die Hände drückt, gegen die fascistischen Tyrannen! Die Sozialistische Arbeiter-Internationale begrüßt die Völker Abessiniens und die mit ihnen fühlenden farbigen Völker über­haupt und hofft, daß es ihnen gelingen wird, im Bunde mit dem Proletariat der Welt ihre feuda­len Fesseln zu zerbrechen, ohne für die feudalen Ausbeuter im eigenen Land die kapitalistischen Ausbeuter aus der Fremde einzutauschen. Die Sozialistische Arbeiter-Internationale lenkt schließlich feierlich die Aufmerksamkeit der Arbeiter der Welt und aller Freunde des Friedens auf die tiefgehendenErschütte- r u n g e n, die ein Krieg Italiens gegen Abessi­nien, die jede mit der Unabhängigkeit Abessi­niens unvereinbare Konzession an Mussolini unter dem Druck der militärischen Mobilisation, die jedes Versagen des Völkerbundes in Europa Her­vorrufen würde nicht zuletzt durch die Ermuti­gung, die dadurch Hitler-Deutschland erführe. Indem die Internationale die West,aufruft, sich gegen das mutige Abenteuer zu weiiLen,'m das Mussolini Italien stürzen will, vertei« digtsid nicht bloß die Rechte Abessiniens und die wirklichen Interessen des italienischen Volkes, son­dern auch dieSachedesWeltfriedenS. Die Verantwortung für einen Krieg würde mit ihrem vollen Gewicht a u f d e n kapitalistischen Klassen und Re­gierungen lasten, in erster Linie auf den westlichen Großmächten, ohne die der Völkerbund niemals die ihm obliegende Aufgabe erfüllen kann. Angesichts ihres Versagens ruft die Sozia­listische Arbeiter-Internationale die Arbeiterklasse auf, alles zu tun, was in ihrer Macht steht, um den Frieden zu retten.

Die Tagung der Internationale Die Kriegsgefahr Beziehungen zu den Kommunisten Die Terror­welle Im Dritten Reich Neosozialisten nicht aufgenommen

Die Exekutive der Sozialistischen Arbeiter- Internationale hielt, wie wir bereits kurz berich­tet haben, vom 16. bis 18. August im Gebäude der Prsvoyance Soziale in Brüssel eine Ta­gung ab. Nachdem die Exekutive den Bericht des Se­kretariats über die Periode seit der letzten Exe­kutivsitzung zur Kenntnis genommen hatte, trat sie in eine eingehende Debatte Wer die Soziali­stische Arbeiter-Internationale und die Kriegs­gefahren ein, vornehmlich unter dem Gesichts« vunkte der italienischen Kriegs­drohung gegen Abessinren. Die italienische Delegation legte dazu ein ausführ­liches Memorandum vor und unterbreitete in Er­gänzung dieses Dokumentes eine Reihe von An­trägen praktischer Natur. Nach eingehender De­batte wurden die italienischen Anträge einer Kommission der Exekutive zugewiesen, die am dritten Sitzungstage einstimmig einen Resolu­tionsentwurf vorlegte, dem die Exekutive nach einer neuerlichen Erörterung einstimmig bei einer Stimmenenthaltung(Bund", Polen ) zu­stimmte. Die Sozialistische und die Kommuni­stische Partei Italiens beabsichtigen die Abhal­tung eines Kongresses derJtalie- ner im Ausland gegen den italie­ nischen Angriff auf Abessinien. Auf Einladung der Sozialistischen Partei Ita­ liens beschloß die Exekutive, sich an diesem Kon­greß vertreten zu lassen. Die Sozialistische Partei Frankreichs be­antragte, auf die Tagesordnung der Exekutive die Frage der Verstellung von Beziehungen zwischen der S. A. I. und der Kom­muni st ischen Internationale zu setzen, um die Bedingungen einer gemeinsamen Aktion auf internationalem Boden gegen den Krieg, gegen den Fascismus und für die Ver­teidigung der demokratischen Freiheiten zu priifen. Die Exekutive beschloß, diese Probleme auf die Tagesordnung ihrer nächsten Sitzung zu stellen und das Sekretariat der S. A. I. zu beauf­tragen, sobald die Berichte und Beschlüsse des gegenwärtig tagenden Siebenten Kongresses der Kommunistischen Internationale vollständig vor­liegen, einen schriftlichen Bericht über die Wand­lungen, die sich in der Kommunistischen Inter­nationale gegenüber der Stellung, die in der Aufstellung der'21 Bedingungen" Ausdruck fand, insbesondere in der Einschätzung der Be­deutung der demokratischen Freiheitsrechte, voll­zogen haben, vorzulegen. Zu der neuen Terra r w e l l e im Dritten Reich wurde nach kurzer Debatte einstimmig folgende Protestresolution angenommen: Die Sozialistische Arbeiierinternationale brandmarkt aufs neue das barbarische Unter­drückungssystem, das im Dritten Reich Mil­lionen Menschen Verfolgungen aussetzt, deren Grausamkeit an die finstersten Perioden des Mit­telalters erinnert. Sozialisten, Kommunisten, Pazifisten, De­mokraten, Republikaner werden nach wie vor in den Konzentrationslagern mißhandelt oder sogar meuchlings ermordet, wie der sozialdemokratische Gewerkschaftsführer Husemann oder ohne

jeden regulären Prozeß, ohne Verteidigung zum Tode verurteilt, wie der Kommunist Kayser. Unter Berufung auf eine Raffenlehre, welche die gesamte Menschheit, wenn sie sich vor ihr beugte, zum ewigen Krieg verdammte, sehen sich Wer eine Million von Männern, Frauen, Greisen und Jugendlichen, nur weil sie Mischer Herkunft sind, aus der nationalen Gemeinschaft ausge­stoßen, der Grundrechte auf Arbeit und Gleich­heit beraubt, die jedem menschlichen Wesen un­verbrüchlich zustehen. Katholiken und Protestanten werden um ihres Glaubens willen ins Gefängnis geworfen. Gegen diesen Sturz in die Barbarei dürfen die Völker nie aufhören, ihren leidenschaftlichsten Protest zu erheben. Die Sozialistische Arbeiter-Internationale wendet sich an alle, die nicht durch ihr Still­schweigen mitschuldig werden wollen an den Ver­brechen, die das Hitler-Regime tagtäglich an Tau­senden seiner eigenen Landsleute verübt. Die Diktatoren in Berlin müssen wissen, daß das menschliche Gewiffen ihnen nicht verzeiht." Die Exekutive beschloß auch einstimmig, den bedrängten spanischenSozialisten in ihrem heroischen Kampfe gegen die klerikal-fasci- stische Reaktion ihre vollste Sympathie aus­zusprechen. Neben diesen politischen Problemen hatte sich die Exekutive mit einerReiheorganisa- torischer Fraaen zu beschäftigen. Louis de Broucköre, der seit dem Eintritt des bis­herigen Präsidenten der Exekutive, Emile V an­der v e l d e, in die belgische Regierung, proviso­risch den Vorsitz der Exekutive geführt hatte, er­klärte sich bereit, dem einstimmigen Wunsche der Exekutive Folge zu leisten und dieses Mandat de­finitiv anzunehmen. Als Sekretär und Kassier wurden Friedrich Adler und Joseph van Roosbroeck einstimmig bestättgt. Der Geschäftskommission der S. A. I. gehören nach den Statuten außer dem Vorsitzenden der Exekutive, dem Sekretär und dem Kassier auch die Exekutivmitglieder des Lan­des an, in dem das Sekretariat der Sozialistischen Arbeiter-Jnternättonale seinen Sitz hat, sowie weitere von der Exekuttve zu bezeichnende Ge­nossen. Dementsprechend werden der Geschäfts­kommission außer dem Präsidenten d e Brouckere, dem Sekretär Adler, dem Kas­sier van Roosbroeck, den beiden Exekutiv­mitgliedern Desire B o u ch e r y und Camille HuySmanS künftig auch der Parteisekretär 'Jean Delvlgne und der Chefredakteur des BrüsslerPeuple ", Arthur W a u t e r s, an­gehören. Um den sozialdemokratischen Parteien Schwe­ dens , der Schweiz und Spaniens eine Vertre­tung im Bureau zu geben, wurde die Zahl seiner Mitglieder auf 14 erhöht. Die bisherigen 11 Mitglieder des Bureaus wurden wiedergewählt, neugewählt Lindström(Schweden ) und Grimm(Schweiz ). Der Vertreter Spaniens wird gewählt, sobald ein Vorschlag der spanischen Partei vorliegt. Dem Sekretariat der SAJ. sind eine große Reihe von Dokumenten zugegangen, die über die Probleme der inneren Schwie-

rigkeitcnder sozialdemokrati­schen Bewegung Deutschlands be« richten. Die Exekuttve beauftragte ihren Vor­sitzenden und Sekretär, diese Materialien einer Prüfung zu unterziehen, dem Bureau und so­dann der Exekuttve Bericht zu erstatten. Der Exekuttve lag eine Reihe von Aufnahme« gesuchen von Parteien in verschiedenen Ländern vor. Die Exekuttve beschloß, das Aufnahmegesuch der Neo-Sozialistischen Partei Frankreichs abzulehnen, das Auf­nahmegesuch der sozialistischen Partei Griechen­ lands erst in der nächsten Sitzung zu behandeln, da das ausführliche Memorandum über deren Lage erst zu Beginn der Tagung der Exekuttve eingetroffen war. Bezüglich der Aufnahme­gesuche von Parteien in Estland , Brasilien und der Ukrainer in Polen werden weitere Informa« i''nen eingeholt werden.

Mussolini mobilisiert heute die Luftflotte Rom . Durch ein neues Dekret wird de» Personalstand der Militärflieger er­höht. Im ganzen verfügt nun die italienische Luftschiffahrt im aktiven Liniendienst über 3061 Offiziere(plus 50 0 neue), 7026 Unter­offiziere plus(1860 neue), 30.396 nie­dere Chargen und Soldaten(plus 1 0.9 8 8 neue). Italien kommt zur Genfer Konferenz, wenn... Rom . Baron Aloisi erklärte nach seinem Eintreffen in Rom , daß Italien , wenn sich nicht irgendeindiplomatischer Fehler" ereignet, am 4. September in Genf anwesend sein werde. Amerika befürchtet europäischen Krieg Washington . Mit Rücksicht auf die ganz ent­schiedene Haltung einer starken SenatSgruppe hat die amerikanische R'tterung der Resolution aus Wahrung der Neutralität der Bereinigten Staaten zugestimmt. Dienstag wurden im Senate leidenschaftliche Reden bezüglich der drohenden Gefahr eines neuen europäischen Krie­ges gehalten. Die Senatoren erinnerten aus jede denkbare Weise an die Möglichkeiten, durch welche die Vereinigten Staaten in einen neue« Weltkrieg verwickelt werden könnten. Senator Bone zeigte zum Beispiel dem Senate amerikanische und ausländische Blätter mit gro­ßen kriegerischen Aufschriften und erklärte:Es ist die höchste Zeit, diesen teuflischen Erdichtun­gen auf irgendeine Weise energisch ein Ende u setzen."

Roosevelts Steuergesetze gesichert Washington . Der Senat der Vereinigte» Staaten hat gemeinsam mit dem Repräsentan­tenhause in einer Ausschußsitzung die d e f i n i- tiveEinigung über den endgiltigen Text der Gesetzesvorlage über die Besteuerung der reichen Schichten der Bereinigten Staaten erzielt.

VILLA OASE oder: DIE FALSCHEN BORGER

Roman von Eugene Dablt Berechtigte Uebertragung aus dem Französischen von Bejot

Sie knipste das Licht aus, blieb auf dem Rük- ken liegen und starrte ins Dunkel. Julien berührte sie leise. Sie sagte nur:Verzieh dich!" und da er nicht hörte, gab sie ihm einen Stotz. Er steckte ihn ruhig ein. Helene schlief nun auch. Jetzt waren sie drei. Wohlgeborgen, von schönen Möbeln umgeben, vor Kälte geschützt, denn im Ofen brannte das Feuer Tag und Nacht. Sie mußte wieder daran denken, daß das der Anfang eines neuen Lebens war. Die Ankunft ihrer Tochter würde Julien endlich be­stimmen, Montmartre gegen ein bürgerliches Vier­tel zu vertauschen, wo sie eine moderne Wohnung mieten würden. Wenn ihr Geschäft so weiter­ginge, würden sie ein zweites Hotel kaufen und sich in einigen Jahren zur Ruhe setzen. Vielleicht als Millionäre. Diese Träume wiegten sie ein, und ihr war, als fei die Stille erfüllt von süßen Melodien. II. Im Sommer wie im Winter stand Julien um sieben auf. Er zog den Vorhang zurück. Das fahle Licht eines Dezembermorgens fiel ins Zim­mer. Er reckte sich gähnend. Dabei fühlte er plötz­lich einen Stich im Rücken. »Und dabei habe ich keinen Tropfen getrun­ken", sprach er, die Hände in den Hüsten, vor sich hin.Vielleicht habe ich mich gestern auf dem Bahnhof erkältet?" Ohne sich lange beim Waschen aufzuhalten,

nahm er ein Flanellhemd aus dem Schrank und zog sich schnell an. Dann trat er ans Bett. Irma war noch nicht erwacht. Im Halbdunkel sah er ein vom Schlaf gedunsenes Gesicht, mit den Schatten der Augen und des halboffenen Mundes, und das Gewirr der Haare auf dem.Kissen. Was bedeutete schon, daß ihr letztes Wort eine Ablehnung gewesen war? Im Grunde hatten sie sich doch lieb. Acht Lahre Gemeinsamkeit waren ein festes Band. Verheiratet waren sie allerdings noch nicht lange. Die Scheidung von der zweiten Frau war schwie­rig gewesen. Aber acht Jahre waren sie zusammen, acht arbeitsreiche Kriegs- und Nachkriegsjahr«. Seine Irma hatte die Hände nicht in den Schoß gelegt. Er lächelte ihr zu. Ganz gut, daß ich ihr das Mädel bewilligt habe. Sie hat ja sonst nichts von ihrem Leben. Schlaf aus, Dicke, den Kaffee mache ich." Er verließ das Zimmer und brannte seine erste Zigarette an. Plötzlich mußte er husten. Ein katterteS Schnupftuch aus der Tasche ziehend, schimpfte er: Verdammtes Gekrächz! Jeden Morgen das­selbe..." Dann besann er sich. Halt, hier nebenan schläft ja das Mädel." Auf den Fußspitzen schlich er in die Küche. Er kochte jeden Morgen den Kaffee. Wenn die Auf­wartefrau nicht kam, bereitete er auch das Mittag­essen, denn Irma konnte den Küchendunst nicht vertragen. Während er das siedend« Wasser ein- gotz, dachte er an seinen Geschäftsteilhaber, den großen Felix, mit dem er am Nachmittag etwas zu besprechen hatte. Ich weiß nicht, was die anstellen im Mont- bcrt. Wenn ich mit Irma dort bin, geht doch alles wie am Schnürchen. Uebrigens eine schöne Ruhe­zeit. Herzlichen Dank!" Er trank eine Tasse Kaffee und zündete die zweite Zigarette an. Auf dem Korridor blieb er an der Türe stehen, zog den Riegel zurück, löste die Sicherhettskette, ging ins Eßzimmer und setzte

sich, die Füße in molligen Pantoffeln, die großen Hände lässig auf den Schenkeln, so bequem wie möglich hin. Zu Hause ttug er immer die ältesten Lumpen: geflickte Hosefl und speckige Jacken. Einen Augenblick kam ihm die Idee, sich umzuzie­hen. Unsinn! Wozu Geschichten machen? Das Mädel würde ihn sehen, wie er wirklich war. Dazu lebte man ja zusammen. Plötzlich bildete sich eine Falte auf seiner Stirn, gruben sich zwei Furchen um den Mund. Er sah Schwierigkeiten voraus, Störungen, an die er nicht gedacht hatte. Irma liebte ihre Toch­ter. Doch sie würde sich nicht um sie kümmern kön­nen. Und was würde aus ihr, wenn mau sie nicht richtig pflegte? Ein Glück, daß Verantwortung ihn nicht drückte. Er würde zwei Frauen auf dem Hals haben, statt einer. Gut. Er hatte andere Sorgen gekannt. Und wenn er mit Irma im Montbert arbeitete, würde eben die Kleine, die man unmöglich mitnehmen konnte ins Geschäft, allein in der Wohnung sein. Sie wird sich daran gewöhnen müssen. Dabei lernt sie den Haushalt kennen und ist im Bilde, wenn sie mal heiratet." Er sprang auf. Helene wünschte ihm guten Morgen. Schon so früh? Gut geschlafen im neuen Bett? Träumst wohl auch nicht? Ganz wie meine Wenigkeit. So, jetzt setz dich hin. Ich gebe dir dein Frühstück." Ich habe keinen Hunger, Onkel." Trotzdem mußt du einen Happen essen. Bei mir rutscht's nicht mehr des Morgens. Aber mit zwanzig Jahren..." Dabei legte er eine Hühnerkeule auf ein Stück Brot. Helene erinnerte sich an Irmas Worte. Sie hatte beim Erwachen über ihr neues Leben nach­gedacht und allerlei gute Vorsätze gefaßt. Auch sie würde Julien für sich gewinnen. Sie biß also in das Brot und ein paar Bissen. Doch sie war schnell gesättigt und konnte den ekelhaften Brei,

der ihr im Munde lag, nicht mehr hinunter­würgen. ", befahl Julien, der mst der Kaffee­kanne kam. Sie ttank. Der Kaffee schmeckt fein." Aha, Mutters Tochter. Irma schwärmt auch nicht für Zichorie. Aber sie darf nicht so viel Kaf­fee trinken. Das ist schlecht für die Nerven." Noch einen Schluck, bitte." Es wäre gescheiter, du äßest dein Brot auf. Er warf einen prüfenden Blick auf ihr Ge­sicht, dessen Magerkeit ihn erschreckte. Als Helen« aus ihrem Zimmer gekommen war, und er sie zum erstenmal im hellen Licht gesehen hatte, war er entsetzt gewesen. Uebrigens schon gestern Abend. Aber er hatte geglaubt, die Kleine sei mitgenom­men von der Reise und von der Erregung des Wiedersehens. Dennoch hatte er Irma seine» peinlichen Eindruck nicht ganz verschwiegen. Helene saß, mit krummem Rücken und'hän­genden Schultern, auf der Stuhlkante, drückte die Hände auf den Magen und machte ein ängstlickeS, sogar em wenig unglückliches Gesicht. Julie» dachte:Sie braucht Kräftigungsmittel", und mit freundschaftlicher Gest« forderte er sie auf, weiter­zuessen. Sie kaute mit Ueberwindung. Er goß ihr nochmals Kaffee ein. .Jetzt bin ich ihr Vater", dachte er. Er hatte sich nie mit Kindern abgegeben, und e? überkam ihn ein Gefühl des Stolzes und der Zärtlichkeit. Er mußte wieder an die Zukunft denken. Alles in allem würde er sein Leben gar nicht zu verändern brauchen. Nur keine Geschick« ten l Die Kleine hatte zu parieren und schleunigst zu Kräften zu kommen. In sechs Monaten", sagte er, mit der Hand seinen Bauch beflopfend, mußt du hier auch was zu sitzen haben." Er beugte sich zu ihr, um ihr einen Kuß zu geben, als draußen gerufen wurde. Deine Mutter verlangt nach mir." lForffetzung folat.1