Nr. 196Freitag, 23. August 1933Seite 3Ein Jagdunffall—und beinahe ein Kriegsanlass!Italiens Konsul In Abessinien schient sich selbst anDonnerstag nachmittags langten sensationelle Nachrichten rin, die von einem Attentat ansden italienischen Konsul in Addis Abeba, M« z iF a l c o n i(übrigens ein Schwiegersohn desbritischen Gesandten in Addis Abeba) z« meldenwußten. Falroni sollte von einem Ausflug nichtzurückgekehrt sein. Weitere Meldungen besagten,er sei angrschossen worden.Sofort tauchte auch die Nachricht auf, derZwischenfall werde für Italien der Anlaß sein,die diplomatischen Beziehungen abzubrechen. Die Vermutung lagnahe, daß es sich um rin bestellte-Attentat handelt.linis schwebt. Eine falsche Nachricht» eine abficht?lich erzeugte oder zufällig entstehende Panik—und die Lawine ist im Rollen.Man erinnert sich angesichts des Unfalles,der beinahe zum Attentat umgelcgen wurde,eines anderen Konsuls, des österreichischenBeamten Prohaska in Prizrend, der 1913angeblich von den Serben verstümmelt wordenwar. Die Nachricht erwies sich als eine Falschmeldung, zu deren Verbreitung allerdings nichtnur Wien, sondern auch Belgrad, indem es einerechtzeitige Klarstellung unterließ, das seine beigetragen hatte. In gewissem Sinne erinnert dermerkwürdige Zufall des Unglücks Falconis auchan den Tod des russischen Gesandten H^a r t w i gin Belgrad im Jahre 1914. Hartwig starb kurznach dem Mord von Sarajewo auf der österreichischen Gesandtschaft während eines KondolenzAm Abend wurde zunächst privat, dannaus amtlicher italienischer Quelle gemeldet, daßFalconi einen I a g d u n f a l l erlitten hat. Sein Gewehr entlud sich, als er esnach einem Versager prüfte, und der Schuß trafihn in dir Brust. Falconi ist nicht ungefährlich ander Lunge verletzt worden.besucheS. Auch dieser plötzliche Todesfall wurdepolitisch ausgemünzt.Im übrigen wird Mussolini seinen KriegDer Vorfall zeigt die große Gefahr, I führen, wann er will, auch ohne Jagdunfall undin der die Welt durch dir Abenteurerpolitik Muss»- I Attentat.Ole Krisein der japanischen Armee(A. P.) Die Ermordung des Generals Na-gata ist keineswegs ein nebensächlicher Vorfall,sondern ein ernstes Sturmzeichen. Mit Blitzesschnelle wird der Vorhang weggerissen, und eSzeigen sich ernsthafte Gegensätze. Trotz der Beseitigung des Shogunats durch die Aera„M e i j i" i. I. 1868 könnten sich die hauptsächlichen Träger des S h o g u n a t s» des j a-panischen Feudalismus, in der Offizierskaste erhalten. Sie ist festgefügt, straff organisiert und nach außen hermetisch abgeschlossen.Diese Samurais und S h i z o k u, derkleine Schwertadel, wahrten sich, trotz Abschaffungaller Privilegien, ihre Sonderstellung und zeichneten sich durch eine gewisse Selbständigkeit gegenüber dem Thron, Widerstand gegen die Demokratie und Ablehnung des Kapitalismus(aber natürlich von der Warte des Feudalismus aus) sowie Verwerfung des modernen Individualismusaus. Diese Fronde vermochte bisher keine Machtzu brechen. Mit A r a k i, dem typischen Vertreterdes kleinen Schwertadels, saß sie jahrelang ander Macht. Wenn Araki auch als Kriegsministerzurücktreten mutzte, so beherrschte er doch weiterdurch seine Freunde, insbesondere den GeneralM a z a k i, den Chef des militärischen Erziehungswesens, die Armee und auch die Politik.Aber groß war die Zahl der Gegner, die, untersich völlig uneinheitlich, doch durch den Gegensatzzu dieser Fronde zusammengehalten wurden. Borallem find eS die Konservativen, die im Abwehrkampf gegen diesen ungebärdigen, frondierendenMilitarismus stehen, wie der alte Fürst Sa«j o n j i, der älteste Politiker Japans genannt, derGeneralstabschef Prinz K a n- I n, der Kriegsminister H a y a s h i. Mit ihnen gehen aber,wenn auch oft aus anderen Motiven, konformsolche Realpolitiker wie Außenminister H i r o t a,der Finanzminister Takahashi und erst rechtdie zwar zur Zeit von der Macht verdrängtenLiberalen wie der ehemalige MinisterpräsidentShidehara.Die Radikalen hatten eS dahin gebracht, daßder Schwerpunkt der politischen Entscheidungensich immer mehr von Tokio nach Mandschukuo verlagerte. Der Schlag gegen die Extremisten undNational-Radikalen erfolgte gerade, als dieKwantung-Armee im Begriff stand, sich noch weitere Machtvollkommenheiten anzumaßen. InNordchina und in der Mongolei hatte man dieRegierung zu einem ihr unerwünschten Zeitpunktvor vollendete Tatsachen gestellt. Deshalb hatteHayashi gehandelt, und die Ermordung seiner Vertrauensmannes N a g a t a war die Antwort der extremen Terroristen darauf. DasT r i u m v t r a t, das die Armee in dör Handhat, bestehend üus'Hah^shi, dem genanntenPrinz enKan-Jn und dem Oberfickornman-dierenden General Watanabe, bezeichnete esals Hauptaufgabe, die Armee zu ihren Pflichtenzurückzuführen.Ueberdenkt man die Argumente dieser frondierenden jüngeren Offiziere, ihr nationalistischesUngestüm, ihre fascistischen Parolen, ihre Forderung nach Politisierung der Armee, so drängensich Parallelen mit Deutschland auf, wo der Kampszwischen Fritsch und Reichenau jetzt auch mit derNiederlage des letzteren endete. Und der Vergleichpaßt auch insofern, als die Hayashi und Watanabe dieselben Expansionsziele haben wie dieAraka und Mazaki, nur daß sie für ein bedächtigeres Tempo eintreten und sich darum mit Realpolitikern wie Hirota und auch mit solchen Wirtschaftlern Ivie Takahashi, die Abenteuern abgeneigt sind, verbünden müssen.Französische Delegationbei den SowjetmanövernParis. Blättermeldungen zufolge wird anden sowjetrussischen Herbst-manövern in der Ukraine die französische Militärmission mit GeneralL o i s e a u an der Spitze teilnehmen.Geschäft geht über RasseBerlin.(Dsch. P.-B.) Der Stadtrat vonKöln hat alle antisemitischenPlakateund Transparente, die von der nationalsozialistischen Partei angebracht worden waren» entfernen lassen. Die Kölner Kaufmannschaft hatte nämlich infolge der Exodus der ausländischen Besucher der Stadt an den Bürgermeister ein Gesuch gerichtet, diese Inschriftenschleunigst beseitigen zu lassen.Juden dQrfen nicht Ins KlnolBerlin. Auf Veranlassung der deutschen Arbeitsfront, u. zw. der Baubetriebe der Gemeinschaft freier Berufe hat das„LichtHriel-Burg-theater" in Weimar als erstes deutsches Lichtspielhaus mit sofortiger Wirkung Juden den Zutritt verboten.Sie verbieten Ihre eigene PresseBerlin-(Tsch. P.-B.)-Der Regierungspräsident von Düsseldorf hat in seinem Amtsbezirk nicht weniger als zehn Zeitungen für dreiTage, u. zw. vom 23. bis einschließlich 25.August verboten. Das Verbot ist sehr auffällig,da sich unter den verbotenen Blättern sogar die»Rheinisch-Westphälische Zeitung" befindet, diegrößte Zeitung des Rheinlandes, die im allgemeinen Wortführerin der nationalsozialistischenBewegung ist.Polens Gehässigkeit gegen RußlandMoskau. In den„Jswestija" schreibt Radek über die Ausweisung des polnischenJournalisten B e r s o n aus der Sowjetunion, daßBerson sich„auf die Vorbereitung böswilligverleumderischer Meldungenüber die Sowjetunion spezialisiert habe, die anein politisches Rowdytum grenzen,und gegenüber der Sowjetunion sich einen beispiellos frechen und beleidigenden Ausfall erlaubthabe". Im Zusammenhang mit der Verweigerungder Einreisebewilligung für den Korrespondentender Taß-Agentur, Kowalski, nach Polen weistRadek darauf hin, daß weder die polnische Regierung noch die polnische Presse imstande sind, auchnur einen einzigen Fall einer böswilligen Informierung der Sowjetpresse durch Kowalski anzuführen. Die Verweigerung der Einreisebewilligungist eine nackte Repressalie.I Die ProvokationsmanöverbeginnenRom.(Tsch. P.-B.) Di» diesjährigen großen Manöver haben Donnerstag in den nördlichen Grenzgebieten begonnen. Sie werden sichhauptsächlich in der Gegend von Bozen ab-spielew.Hilfsaktion für AbessinienParis. Die Blätter melden aus Le Havre,daß dort ein Schiff vor Anker ging, an dessenBord sich ein« Expedition befindet, die von dembekannten amerikanischen Archäologen Byronde Prorok in den Bereinigten Staaten zurUnterstützung Abessiniens organisiert wurde. DerGelehrte sammelte durch Borträge in Frau en-klubs drei Millionen Dollar. Der Expeditionsleiter hofft, noch rechtzeitig ans Ziel zu gelangen, da nach seiner Ansicht die Feindseligkeitennicht vor dem 15. September beginnen dürsten.Die Expedition soll auch dem»Le Jour" zufolgealle notwendigen Schutz- und Heilmittel gegen Giftgase besitzen.Dis Kehrseiteder„Kriegsbegeisterung**Rom. Im Zusammenhang mit der unruhigen Stimmung unter den Eingeborenen vonItalien isch-Ostafrika geht man jetzt dazu über,die Eingeborenentruppen äuszutau scheu. D. h.man schickt die Kolonialtruppen aus Erythräaund Somaliländ nach Tripolis und umgekehrtdie Spahis aus Tripolis nach Jtalienisch-Ost-afrika.— Um zu vermeiden, daß der Rücktransport von so vielen tausenden von Kranken inItalien die Stimmung der Bevölkerung beeinflußt, wurde Rhodos, die größte Insel des Dodekanes, zur Spitalsbasis eingerichtet unddie zwei größten Hotels in Lazarette umgewandelt.— Wegen der- massenweisen Desertionenhaben die Abteilungen der Schwarzhemden, dieden Grenzdienst versehen, den Auftrag erhalten,auf jeden Verdächtigen zu schießen.„ProgrammgemSS“London. Wie Reuter aus Malta meldet,seien alle Einheiten der brftischen Mittelmeer-flotte zur Zeit mit der Uebernahme von Proviantund Munition beschäftigt. Diese Maßnahmestelle nichts Außergewöhnliches dar,da die Flotte programmgemäß Ende dieses Monats zu einer Uebungsfahrt auslaufen werde.Der erste Kongreß„Für dieEinheit der Wissenschaft“in Paris, 15. bis 22. September 1935.Auf dem Prager Philofophenkongreß imHerbst 1934 hat sich das Vorhandensein einer starken Strömung gezeigt, die in schärfster OppositionSegen die sogenannte Wiedergeburt der Metaphysiksteht, wie sie von manchen Seiten als charakteristischfür da- 20. Jahrhundert angesehen wird, eine Wiedergeburt, die von gewissen Regierungen unterstütztwird, die sich auf eine mystische Auffassung derPolitik stützen.Diese, gegenüber der offiziellen Universität-«Philosophie, wie sie besonders in Mitteleuropa getrieben wird, oppositionelle Strömung, hat ein konstruktives Programm ausgearbeitet, dar sich so andeuten läßt:Keine Zerspaltung der geistigen Arbeit in Wissenschaft und Philosophie, keine Lehre von der doppelten Wahrheit, keine grundsätzliche Trennung vonNaturwissenschaft und Geisteswissenschaft, sondernAufbau der ganzen menschlichenWissens nach einem einheitlichenPlan, nach einheitlichen Grundsätzen, die sich andem Muster der weitest fortgeschrittenen Wissenschaften orientieren müssen.Diese neue Bewegung für die Einheitder Wissenschaft fußt in ihren Grundanschauungen zum Teil auf den pragmatischen Lehren ber Amerikaner, den positivistischen der Franzosen und der mitteleuropäischen Schule von ErnstMach. Sie unterscheidet sich von diesen Lehrenaber grundsätzlich durch die große Bedeutung, diesie der logischen Analyse zuschreibt,allerdings nicht der alten scholastisch-aristotelischenLogik, sondern der modernen, insbesondere vonBertrand Russell begründeten Logistik.Diese neue Bewegung wurde deshalb beim PragerKongreß als.Neopositivisten" oder auch, nicht ganzzutreffend, als.Logisten" bezeichnet.Zur weiteren Diskussion und Verbreitung ihrerAnschauungen haben di« Anhänger dieser Bewegungbeschlossen, u. zw. schon in Prag, von nun an wo,möglich jährlich einen Kongreß fü.r dieEinheit der Wissenschaft(unittde la scienee) abzuhalten. Der erste soll diesen Herbstin Paris stattfinden und den Namen„Tongis dePhilosophie scientifique"(Kongreß der wissenschaftlichen Philosophie) tragen.Der Kongreß, dem auch der Begründer dermodernen Logistik, LordBertrandRus-s e l beiwohnen wird, ist von einem in Prag eingesetzten internationalen Komiti veranstaltet, demu. a. C a r n a p und Ph. F r a n k aus Prag,Morris aus Chicago, Schlick aus Wien,Lukasiewicz aus Warschau, R o u g i e raus Besancon, Reichenbach aus Istanbul angehören. Dem großen wissenschaftlichen Komiti gehören noch viele namhafte Wissenschaftler, insbesondere französische an, so der Physiker Langevin,der Psychologe Janet, die Mathematiker Ha,d a m a r d und F r i ch e t u. a. m.Zu der neuen. Bewegung, die den Kongreß veranstaltet, gehören insbesondere der sogenannte„Wiener Kreis", die logistische Schule von Polen,die jüngere pragmatistisch« Schul« aus Amerikaund di« empiristischen Gruppen auS Skandinavien.Die gereinigte türkische Sprache. Bekanntlichhat Atatürk, der Präsident der türkischen Republik,die Erneuerung der türkischen Sprache durch Ausmerzung der darin vorkommenden arabischen oderpersischen Worte angeordnet. Dies« Sprachreinigungist jetzt abgeschlossen. Die neue offizielle Sprach«seht sich auS 48 Prozent spezifisch türkischer Worte,auS 15 Prozent französischer Worte oder Wortelateinischen Ursprungs und aus 40 Prozent vonWorten aus verschiedenen abendländischen Sprachenzusammen. Unglücklicherweise ist diese fabrizierteSprache für die meisten Einwohner unverständlichund man mußte zur Herausgabe von WörterbüchernZuflucht nehmen, von denen die ersten hunderttausend Exemplare dieser Tage in den Buchhandlungen der wichtigsten Orte zum Verkauf ausliegen.Demokratieund SelbstverwaltungVon Otto FriedrichDie deutsche Reichsverfassung ist formal biSzum heutigen Tage nicht außer Kraft gesetztworden. Wohl aber ist dank jenes Gesetzes zurBehebung der Not von Volk und Reich vom24. März 1933 ihr Charakter in allen entscheidenden Punkten ins gerade Gegenteil entstelltworden. Aus einem parlamentarisch-demokratischen Staaisgebilde ist eine Despotie geworden,in der von oben bis unten der unumschränkteWille Adolf Hitlers regiert. Das Merkwürdigstedabei ist, daß das allgemeine, gleiche und geheimeWahlrecht nicht angetastet worden ist und daßHitler selbst sich immer noch darauf beruft, daßdie Staatsgewalt, die er repräsentiert, vom Bolteausgehe, da ja das Volk sie in seinen Abstimmungen sanktioniert habe.« Wir wissen, daß dieseTatsache nur formal zu Recht besteht und daß dieWahlen nur nach Ausschaltung aller gegnerischenMeinungsäußerungen und häufig unter unverhülltem Terror zustandegekommen find. Abertrotzdem kommen wir um die Tatsache selbst nichtherum, daß offenbar das Plebiszit kein ausreichender Schutz der Demokratie ist, sondern daßIvie es auch schon bei Napoleon des Dritten derFall war und sich auch jetzt bei anderen Diktatursystemen gezeigt hat, die Demagogen die Demokratien zu mißbrauchen vermögen, wenn wirals einzigen Beweis für denen Fortbestehen dieAufrechterhaltung eines allgemeinen Wahlrechtesbetrachten.In Wahrheit war das Wahlrecht kein ausreichendes und nicht einmal ein entscheidendesKennzeichen der Demokratie. Demokratie, dasheißt BolkSherrschast, besteht nur dort, wo nichtnur der einmalige Wahlakt, sondern auch diedauernde Herrschaftsaktion der Kontrolle undMitwirkung breitester Volkskreise unterstellt ist.Mit anderen Worten, Kennzeichen der Demokratie darf für uns nicht nur das allgemeine Wahlrecht sein, ihr entscheidendes Kennzeichen ist vielmehr die Aufrechterhaltung einer. wirklichenSelbstverwaltung. Die aus dem englischen Verfassungskampf und auS der französischen Revolu-tivn hcrvorgegangene westeuropäische Form derSelbstverwaltung ist in Deutschland ebenso wie inanderen Diktaturstaaten beseifig worden. In denKommunen war sie vor weit mehr als hundertJahren die gepriesene Errungenschaft des Freiherrn von Stein. Heute ist an ihrer Stelle dieunumschränkte Gewalt eines Bürgermeisters nachArt des italienischen Podesta errichtet wordtn.i Er und seine Beigeordneten sind lediglich au-füb-rende Organe der staatlichen Bürokratie. DieLänderparlamente, Reichsrat und Reich-Wirt«schafrSrat sind abgeschafft, Reichsstatthalter undLandesregierungen hängen von dem Willen derzentralen Führung ab. Der Reichstag ist einereinzigen Partei überantwortet, die statutenmäßig ebenfalls dem„Führer und Reichskanzler"ohne Oppositionsmöglichkeit unterstellt ist, imReichskabinett haben die Angehörigen der gleichenPartei die Majorität, und so läuft alles daraufhinaus, daß in sämtlichen Institutionen und Instanzen der Wille Adolf HttlerS allein maßgeblichist, eine Despotie von Ausmaßen, wie sie die letzten Jahrhunderte nicht mehr gekannt haben.Aller dar ist möglich geworden, weil jeglicheSelbstverwaltung in Deutschlandaufgehört hat.Man wird also in Zukunft, wenn man einenStaat als Demokratie bezeichnen will, nichtallein danach ftagen dürfen, wie sein Wahlrechtbeschaffen ist, sondern wie seine Herrschaft funktionell sich auswirkt, ob er eine Selbstverwaltunghat oder nicht. Machen wir die Selbstverwaltungzu einem entscheidenden Merkmal zwischen demokratischen und fascistischen Staaten, so ergibt sich,daß die alten Demokratien des Westens und Nordens und auch die jüngeren Demokratien innerhalb und auch außerhalb Europas auf der gleichen Linie stehen, auf der sich auch heute dieSowjet-Union, insbesondere nach ihrer neyenVerfassungsrevision, bewegt. Dieses Unterscheidungsmerkmal zwischen fascistischen und nicht-fascistischen Staaten ist nicht nur äußerlicher Art.In der Anerkennung der Selbstverwaltung sprichtsich mehr noch als in der Freigabe des Wahlrechtes der Grundsatz aus, daß jeder Bürger einesLandes die Möglichkeit haben müsse, an denStaatsgeschäften durch aktive Mitarbeit, mindestens in Gestalt einer freien Kontrolle, teilzunehmen. Dem Bürger wird damit nicht nur ein einmaliges Recht, sondern eine dauernde Aufgabezuteil, er wird aus dem Untertan des Staates zuseinem Funttionär. Nur so wird der Obrigkeitsstaat zum Volksstaat. Nur durch die Selbstverwaltung wird er zur Demokratie.