Sonntag, 25. August 1935 Nr. 198 15. Jahrgang Ehtnirtu 70 HiHti (iMchll.Blich 5 Heller Forte) 1ENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung frag xiufochova 62. telefon sott. HERAUSGEBER. SIEGFRIED TAUB  . CHEFREDAKTEUR  . WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR. DR. EMIL STRAUSS. FRAG« Arbeiter-Revolte im Henlein  -Laser VolksgemeinschaftsklüngelDer größte politische Betrug in der sudeten­ deutschen   Geschichte Keine Kampfgemeinschaft mit den Unternehmern Gegen das Filhrerprinzip Für die Demokratie Für die Zusammenarbeit mit den tschechischen Arbeitern Gegen den Rassenwahn Weisungen für den Kriegsfall: Bel Fliegerangriffen in die Wälder flüchten Paris  . DerMotin" bringt eine Mel- stnng, derzufolge man sich in der abessinischen Hauptstadt offenkundig für den Ausbruch von Feindseligkeiten vorbereitet. Der ehemalige tür­kische General Mehmet Behib Pascha hat sich ans der abessinischen Hauptstadt nach O g a d e n be­geben, um dortselvst die mohammeda­nischen Stämme zu mobilisieren. Eines der wichtigsten Argumente für die Agita­tion unter den Mohammedanern in Abessinien zu­gunsten des Staates ist ein Vers aus dem Koran  , der der Ausdruck der Dankbarkeit für die Gast­freundschaft ist, die Mohammed   vor 1400 Jahren in Abessinien zuteil wurde, als er von den Arabern derfolgt wurde. In Abessinien wurde er so freund­schaftlich ausgenommen, daß Mohammed   davon im Koran   Erwähnung tat. Einer Havasmeldung aus Addis Abeba   zu­folge sollen sich alle abessinischen Bürger vom 15. bi- znm 80. Jahr bereit halten, unter die Fahnen berufen zu werde«. Durch einen Sonder-Erlaß des Kaisers wurde der Bevölkerung der abessinischen Haupt­stadt angeordnet, im Falle eines Fliegerangriffs i« die Wälder zu flüchten. AngriffsplSne gegen Malta  ? / New I o rk. Die Rew Dörfer Blätter ver- bffenetichen italienische Pressennchrichttn, die mit Einem Angriff auf Malta   drohen, und Depeschen aus London  , die die Verstärkung der Defeusivpunktc Großbritanniens im Mittelmeer  Mkit. DieNew York   Herold Tribüne" hält eS für WUvohrfcheinlich, daß sich Mussolini   vom EgoiS- wus zu einer Aktion verführe« ließe, die ein« fatale Erschütterung in Italien   Hervorrufen würde, wie dies z. B. ein Angriff auf Malta   sein würde. Ein solcher Angriff würde Krieg bedeuten. Auf Luftangriffe vorbereitet Malta  . Die Regierung hat angeordnet, baß in jedem Bezirk auf der Insel Malta   Unter­stände zum Schutze gegen Flieger­angriffe errichtet werden. Die Polizei hat Zirkuläre verteilt, in denen der Bevölkerung dar­gelegt wird, daß dies für den Fall eines Gas­angriffes geschehe. Pfalt a.(Reuter.) Amtlich wird die Mel- bung dementiert, daß es zur Verstärkung der bri- sischvn Mittelmeerflotte kommen soll. patriotische Lesebuchseschichten Rom  . Die beiden ältesten Söhne Mussolinis, die bamstag an Bord derStatu rnia" nach Ostafrila Eingerückt sind, gingen mit den Fliegerabteilungen ab, bei denen sie dienen, der eine als Kapitän, der andere als Unterleutnant. Auch Mussolinis Schwic« Ekrsohn Graf Ciano war mit 6000 Schtvarzhemden an Bord. Zum Abschied der abgehenden Truppen hatten sich mehr als 100.000 Zuschauer eingesundcn. Rom.  (Stefans) Aus allen Teilen Italiens  Zangen massenweise Anmeldungen einzelner und ganzer Gruppen ein, die sich als Freiwillige nach Aist-Afrika anbieten. Unter ihnen befinden sich auch hervorragende Persönlichkeiten. Der für militärisch« Tapferkeit mit der goldenen Medaille dekorierte Ge­ neral   Graf Norozzo della Rocca wird in den näch­sten Tagen als Kriegsfreiwilliger nach Ostafrika   ab- Eeisen, wo er einer Militärformation zugewiesen werden wird, in der seine beiden Söhne dienen, die stch gleichfalls freiwillig gemeldet haben. Tripolis.  (Stefan!.) Der Zuzug lydischer Migranten, die während des lhbischen Krieges flüchteten und nunmehr in ihre Heimat önrückkehrten, hält in unvermindertem Matze an. Einzelpersonen, Familien und sogar ganze Stämme kehren mit ihrem gesamten, Hab und Gut über die Grenze zurück und erklären, daß sie sich iu dieser R ü ck k e h r in die italienische Kolonie deshalb entschlossen hätten, weil die Kaufleute, mit denen sie zusammentrafen, ihnen wiederholt erzählten, wieJtalienmitseinen Aolonialuutertart^en korrekt um­gehe und welche Hilfe eS den Eingeborenen in Ellen ihren Lebenserfordernissen angedeihen lasse. Am 22. August hat in Aussig   eine Konferenz oppositioneller Delegierter des Arbeiterstandes der Sudetendeutschen Partei  (Vorsitzender Kon­ rad Henlein  ) wrter Vorsitz desKameraden" Friedrich Kopatschek   stattgefunden, in der beschlossen wurde, sich von Henlein   zu trennen und eine sudetendeutsche Arbeiterpartei zu gründe«. Wir sind in den Besitz des Referates gelangt, das Kopatschek zur Begründung des Austrittes aus der Sudetendeutschcn Partei hielt und das eine Reihe interessanter Stellen enthält, di« ein Licht darauf werfen, wie die Interessen der Arbei­ter in der Sudetendeutschen Partei vernachlässigt werden. Kopatschek begann seine Rede mit der Feststellung, daß es vielfach Arbeiter waren, die dem Rufe Henleins Folge geleistet haben und daß die Ursache des Zustroms der Arbeiterschaft in die Reihen der Sudetendeutschen Partei die Wirt­schaftskrise war; die insbesondere auf den sude­ tendeutschen   Arbeitern lastet. Die Arbeiter glaub­ten,daß nun endlich, endlich der Aufbruch der sudetendeutschen   Nation beginnen würde.... denn Arbeit und Brot, Freiheit und Gleichheit bezeichnete Konrad Henlein   als die Grundpfeiler der sudetendeutschen   Volksgemeinschaft, jene vorgeblich« Volksgemeinschaft, in welcher sich Arm und Reich, Hoch und Nied­rig, Fabrikant und Arbeiter, Kohlenbaron und Kumpel um den Führer Konrad Henlein zusam­ menscharen  "- So war es in den Blütentagen der Sudeten­ deutschen   Volksgemeinschaft. Bald aber stellte sich die Enttäuschung ein. Diese Enttäuschung wird nun folgendermaßen geschildert,: Drei Monate find seit jenem 19. Mai, an welchem das sudetendeutsche Volk Konrad Henlein   einen Blankowechsel ausstellte, ver­flossen. Was hat Henlein seit diesem denkwürdi­gen Tage getan, welcher der Beginn des Kamp­fes um Freiheit und Gleichheit, um Arbeit und Brot werden sollte? Konrad Henleins erste und einzig« Tat be­stand darin, daß er an feine Tür ein Schild nagelte: Eintritt verboten! Und an sämtliche Amtswaltertüren: Betteln verboten!" Nun wird in dem Referat auSgeführt, daß die Arbeiteranhänger Henleins gewiß nicht so naiv gewesen sind, von Henlein   die Vollendung eines Werkes in Wochen und Monaten zu for­dern, da bereits Generationen durch Jahrzehnte darum kämpfen, um dieses Ziel zu erreichen, dazu ist ein langer Kampf notwendig, aber eben diesen Kampf will Konrad Henlein   nicht durchsechten: Und Kameraden, weil wir die Erkennt­nis gewonnen haben, daß Henlein   niemals als Feldherr zu jener Schlacht blasen wird, die den Sieg auch des arbeitenden Volkes an die Fahne heftet, deshalb sind wir hier zusammengekommcn, um das Tischtuch zu zerschneiden zwischen uns und jenem, der unter dem hohen, hehren Begriff Volksgemeinschaft" den größten poli­tischen Volksbetrug insze­nierte, der beispiellos in der Ges.chichte des sudetendeut­sch e n V o l k e S d a st e h t." Es wird nun dargetan, daß es sich den in Aussig   zusammengekommenen SHF-Leuten nicht um eine lokale Palastrevolution" handelt, son­dern daß dieseals o rganisierteOppo- s i t i o n in die Oeffentlichkeit treten, daß es nicht einzelne Parteimitglieder find, die seiner Führung das schärfste Mißtrauen aussprechen und entschlossen sind, seiner Partei den Rücken zu keh­ren nein es sind tausende Ar­beitskameraden, die Hinte   runs stehen und uns beauftragten, alles vorzu­bereiten". Begründet wird die Schaffung der neuen Partei wie folgt: «Unser aller Leben ist aufs ärgste bedroht, unser aller Dasein der Vernichtung preis­gegeben, wenn wir uns weiter von jenem Bolksgrmeinschaftsklüngrl führen lassen. Jenem Klüngel, der mit genialer Tarnkappe, aber dafür um so mehr mit verächtlicher Lüge und Heuchelei, mit den heiligsten Hoffnungen der Acrmsten der Armen, mit der Hoffnung auf Arbeit und Brot an ihren Volksgemeinschafts­karren spannen und damit ihre Interessen zu sichern glauben." Konrad Henlein   ist,wenn er jemals den ehrlichen Willen hatte» dem sudetendeutschen Boll «in ehrlicher Führer zu sein, dve Gefangene jener geworden, di»»hm Geld MüdezN in die Parteökasse schütteten." Mit den schärfsten Worten werden aber die Unterführer Konrad Henleins bedacht: Während die Söldlinge der Hei- . matfrontgeldgeber als Offiziere ihres Generals Henlein   den Sieg bei guter Tat und gutem Trunk befraßen und be­soffen, stand der Arbeiter hinter den Stüh- len der Amtswalter als Ehrenwache mit knur­rendem Magen und trockener Kehle. Das waren jene Arbeiter, die den Frontkämpfer Henlein  während der Wahlschlacht Tag und Nacht be­schützen mußten. Jene Arbeiter, die als Agita­toren mit Kleistertopf, Plakaten und Flugzet­teln, mit Farbtopf und Pinsel als gemeine Soldaten Henleins den Sieg der Wahlschlacht erringen halfen. Die Brosamen vom Tisch rülpsender und alkoholisierter, vom Dlachtrausch umnebelter Bolksgemeinschaftler zeigten uns Arbeitern, daß der Glaube an Gleichheit aller in der Volksgemeinschaft ein Irrglaube sei. Es zeigte uns Arbeitern, daß die Herren der Volksgemeinschaft sich als solche fühlen und das wir ihre Knechte sind: Ein Glück, daß man mit einer politischen Tollpatschigkeit ohnegleichen den Arbeiter in­nerhalb der Sudetendeutschen Partei von allen , führenden Funktionen ausschloß, ihn als un­mündiges Parteimitglied betrachtete und aller Rechte entkleidete und für den Arbeiter nur un- bczahlte Arbeit, Pflichten und Kadavergehor­sam dekretiert. Das ehemals gläubigste Par­teimitglied weiß heute. dast es niemals eine Kampfgemeinschaft mit Arbritorn und Unternehmern geben kann, daß der Arbeiter nur als Arbei­ter Schulter an Schulter mit den Arbeitern anderer Zunge in der Republik seinen Kam ns um seine wahren Interessen führen kann, daß er Angehöri­ger der Arbeiterklasse i st. Es weiß heute der Arbeiter in der Sude­tendeutschen Partei, daß eine Partei mit dem Führerprinzip, in der alle demokratischen Rechte und Methoden ausgeschaltet sind und die nach der Devise Maulhalten und Durchhalten! regiert wird, nie­mals ein« Partei des Arbeiters sein kann, denn der Führer werd stets der Feind des Arbeiters und nicht sein Freund sein. Nur dort, wo di« voll kommen st«De­mokratie jenem Arbeiter.das Recht sei­ner Stimme und seines Betos garantiert, ist die Interessen w a h rung ge­sichert. Der Arbeiter in der Heimatfront weiß heute, daß es den Drahtziehern der SHF von Haus aus darum ging, die Arbeiter völlig un­ter das Joch des Unternehmertums zu bringen, sie ihrer demokratischen Rechte zu berauben..« Wenn man mit zwei Gesichtern dem sude­ tendeutschen   Volk dienen will, so kann bei aller realpolitischen Beurteilung unserer Staats­struktur nur das eine erfolgen, datzdassu« detendeutsche Volk nicht nur nichts gewinnt, sonder ndas, was es besitzt, vollends ver­liert. Wir sudetcndeutschen Arbeiter sind am Spielen mit dem Feuer, daß einen Brand Hervorrufen kann, desinteressiert, weil das ein­fach unfern Interessen zuwid erläuft, denn die Staatsform unserer Republik entspricht der einzigen von uns erstrebenswerten Form die Demokratie. Und wir al» sudrtendentsch« Arbeiterpartei! wer­den diese Demokratie verteidigen gegen wen es immer sei... Und wir sind des festen Glaubens, daß der tschechische und slowakisch  « Arbeiter mehr Verständnis für uns hat in der vollen Aner­kennung des Selbstbestim- m u ngsrechtes unserer Nation alsderKapitalistinbeiden Lagern." Von Interesse ist auch die Art, wie sich der Referent gegen das Führerprinzip wendet und wie er seinen Standpunkt begründet. »Ich sagte eingangs, daß wir uns ge­gen das Führerprinzip wenden müssen, denn wir können es mit unserer freien Willensbestimmung und mit unseren aner­kannten Rechten als Staatsbürger nicht in Einklang bringen, daß wir unser Schicksal auf Gedeih und Verderb in die Hand eines einzigen Menschen legen, der Anfechtungen, Irrtümern und Täuschungen unterworfen ist, wie jeder Mensch. Unsere Erfahrung mit Henlein   hat ge­zeigt, daß ein mit solcher ungeheuerer Autori­tät ausgestatteter Fühler dem menschlich ver­ständlichen Wahn zum Opfer fallen muß, ein Gott geworden zu sein. Wir wissen m i t w e l- cher majestätischen Unnahbar­keit sich Henlein   umgeben hat, die Blüten zeitigt, die leider nicht lächelnd als menschliche Schwäche abgetan werden können, weil sie zu tief unsere Existenz bedrohen. In unterem Zeitalter des goldenen Kalbes wird der Führer und mit ihm seine gesamte Unterführung von der goldenen Strivpe geleitet. Er ist eine Marionette in der Hand jener, die zum Nachteil des arbeitenden Volkes Herren des Goldes sind. DaS Führerprinzip ist eine Erfindung der Kapita- l i st e n, die auf Mittel und Wege sannen, di« Arbeiterschaft waffenlos und kampfunfähig zu machen. Von diesem Prinzip rücken wir ab um unserer selbst willen, aber auch aus Pflicht­gefühl gegenüber unserem Kameraden anderer politischer Anschauung, weil wir die gesamt« Arbeiterschaft schädigen, wenn wir eS dulden, daß auch nur ein Teil, durch kapitalistisch« Versklavung der geschloffenen Arbeitsfront ent­gegentritt." Bemerkenswert ist schließlich die versöhnliche Haltung, die der Referent den übrigen politischen Anschauungen innerhalb der Arbeiterschaft ent­gegenbringt. Er sagt da: Unsere Gegensätze zu anderen politi­schen Anschauungen der Arbeiterschaft sind im