t Freitag, 30. August 1935 Nr. 202 15. Jahrgang 1 A BizeW* 70 HiHw (hwrtli.filish» Heller Porto) IE NT CALOR GAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IM DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH,»edAktion und Verwaltung frag xii., fochova«r. telefon«77. HERAUSGEBER. SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  . WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICH» REDAKTEUR  . DR. EMIL STRAUSS, FRAG, Auto-Tod der belgischen Königin Der König am Volant leicht verletzt Luzern  . Bei Merlischachen   in der Nähe von Küßnacht   ereignete sich gestern vormittag« ein schweres Automobilunglück, bei dem die König in vonBelgien umS Leben kam und der König einige Kopfverlet­zungen erlitt. Das Königspaar hatte nach 8 Uhr die Billa Halishorn   in Horw   bei Luzern   verlaffen, wohin es Montag nach dem Besuche des französischen  Präsidenten Lebrun zurückgekehrt war. Der König befand sich am Steuer des offenen Wagens, neben ihm der Hilfschauffeur. Die Königin fast hinten im Wagen. Im zweiten Auto fuhren einige Persönlichkeiten des belgischen Hofes. Die Gesellschaft war für eine Bergtour ausgerüstet. Das Unglück ereignete sich an o f f e- n er geraderStraße. Der Wagen fuhr mit etwa 80 Kilometer Geschwindigkeit über den Straßenrand hinaus. Die Königin wurde zuerst aus dem Wagen gegen einen Baum geschleudert und blieb mit zertrümmertemSchä- d e l liegen. Auch der König fiel aus dem Wagen, erlitt aber nur geringfügige Kopfverletzungen. Das Automobil streifte einen Baum, ü ber­sch l u g sich und rollte dann die Böschung hin­unter und in den See hinaus, der an jener Stelle nur wenig tief ist. Der Chauffeur wurde ins Wasser geschleudert, konnte sich aber herausarbei­ten. Bon Kühnacht eilten sofort Leute zur Hilfe herbei. Die Leiche wurde sofort zugedeckt und bald darauf in einem von Kütznacht herbeigeschafsten Sarg nach der Billa Haslihorn   bei Luzern   zurück­gebracht. Steuerdefekt oder Unachtsamkeit des Lenkers? Es gelang bisher nicht, den stark zertrüm­merten Wagen aus dem See zu bergen. Die Ar­beiten werden aber fortgesetzt, da man Wert darauf legt, festzustellen, ob etwa ein Ste«er­de f e k t das Unglück verursacht hat. Eine andere, jedoch nicht verbürgte Version geht da­hin, der König habe einen Augenblick zum Rigi  hinaufgeschaut, worauf das Automobil auf die Seite geraten und durch eine etwa 3 Meter breite Lücke der Straßenmauer auf die Straßeneinfas­sung gefahren sei. Die Mauer zeigt in der Tat etwa 40 Meter vor Beginn des eigentlichen Ab­gleitens Stoß- und Schürfspuren. Luzern  . Die Leiche der toten Königin von Belgien   wurde Donnerstag abends mit dem fahr­planmäßigen Zuge, der 22.18 Uhr Luzern   ver­läßt, nach Brüssel   Lbergeführt. Im Salonwagen reist auch der König mit seiner Begleitung nach der belgischen Hauptstadt zurück. Im Laufe des Donnerstag Nachmittag wurde eine Sektion der Leiche der Königin vorgenommen, wobei als To­desursache eine Schädelfraktur und eine Verlet­zung innerer Organe festgestellt wurde. Die Todesnachricht In Brüssel  Brüssel  , 29. August. Die Nachricht vom töd­lichen Unfall der Königin Astrid ist in Brüssel  zuerst durch den Rundfunk bekannt geworden. Vor den Ausgängen der großen Zeitungen standen dicht gedrängt Menschenmasscn, die auf nähere Nachrichten und die Extraausgaben der Blätter warteten. Auf der Welt-Aus st ellung verstummte jedweder Betrieb. Die Nachricht wirkte besonders niederschmetternd, weil man im ersten Augenblick, glaubte, daß auch der König bei dem Unglück ums Leben gekommen sei. Auf den Ministerien und öffentlichen Gebäuden sind die Flaggen auf Halbmast gesetzt. Beileidstelegramm Masaryks Prag  . Der Präsident der Republik sandte dem belgischen König Leopold nach Brüssel   fol­gendes Beileidstelegramm: ,»Tief ergriffen von der traurigen Nachricht über das tragische Ableben Ihrer Majestät der belgischen Königin, bitte ich Euere Majestät, meine aufrichtige Anteilnahme an Ihrem großen "Schmerze entgegenzunehmen"., Gezeichnet T. G. Masaryk. * Königin Astrid Die Königin von Belgien   Astrid war noch nicht ganz dreißig Jahre alt. Sie war eine Nichte des König Gustav V. von Schweden  . Prinzessin Astrid hatte vor ihrer Che einen Pflegerinnenkurs besucht und war vier Monate in einem Kranken­hause beschäftigt gewesen. Im November 1926 hatte sie in Stockholm   den ehemaligen belgischen Kronprinzen Leopold geheiratet. j Mussolini   versichert: Geänderte Situation? Englands Interessen nicht bedroht Neuerliche Warnung vor Sanktionen Bozen  . Der Ministerrat, der am Mitt­woch in Bozen   unter dem Borfitz Mussolinis ab- Aehaltem wurde, nahm zunächst eine ausführliche Darlegung der internationalen Lage durch den Regierungschef entgegen. f' Mussolini   teilte mit, daß Italien   an der Bolkerbundsratssitzung am 4. September teil- uehnien werde. Die italienische Regierung werde ihren Standpunkt zur abessinischen Frage dar­legen. Sie werde fernerhin eine a u s f ü h r- licheDenks chrift über die italienisch­abessinischen Beziehungen in den letzten 60 Jahren vorlegen, aus der hervorgehen werde, daß feit dem Vertrag von Uccialli Italien stets ein koloniales Protektor«tsrecht über Abessinien" sugestanden worden sei. Der Denkschrift werde eine kleine Auswahl der neuesten ausländischen Literatur beigegeben, die dieZivilisation" Abes­siniens beleuchte. Italien   wolle seine Auffassung W) sein Lebensinteresse bis zum letzten verteidigen und jedes Völkerbundsmit- tzlicd müsse die Verantwortung für die mögliche Entwicklung der nächsten Zukunft übernehmen. Der Regierungschef erklärte weiters, dass Großbritannien   von der künftigen Politik Italiens   gegen Abessinien nichts zu be- fürchten hab». Die Politik Italiens   be­drohe weder direkt noch indirekt die Interessen , des britischen   Imperiums, weshalb der in ge­wissen Kreisen hervorgerufene Alarm absurd " sei. Italien   habe eine Frage mit Abessinien zu lösen, ober es habe und wolle keine Frage , mit Großbritannien   erörtern, mit dem es im Weltkrieg, in Locarno   und jüngst in Stresa  in einer für die europäische Sicherheit unzwei- . felhaft wichtigen Weise zusammengearbeitet habe. Die fascistische Regierung glaube, daß ihre Kolonialpolitik keine Rückwirkungen auf . die europäische Lage haben dürfte, es sei den«, daß man einen neuen Weltkrieg ent­fessel« wolle,«m z« verhindern, daß eine Großmacht, wie Italien  , in einem weiten Lande 'Ordnung schaffe", in dem die härteste Skla­verei und primitive Lebensbedingungen - herrschten. gy Im Hinblick aufSanktionen", die Völkerbundsrat möglicherweise beschließen »önnte, erklärt der Ministerrat dem italienischen Volk und den anderen Völkern, daß von Sank­tionen zu sprechen soviel bedeute, wie eine schiefe Ebenezu betreten, auf der ,man in schwierigsten Verwicklungen geraten könne. Die fascistische Regierung glaube, daß sich im Bölkerbundsrat verantwortungsbewußte Männer finden würden, die jeden gefährlichen Sanktionsvorschlag gegen Italien   zurück- weisen würden. Die fascistische Regierung erfülle jedoch ihre Pflicht, indem sie dem italie­nischen Bolk mitteile, daß die Frage der Sank­tionen von den höchsten militärischen Stellen > unter allen Gesichtspunkten geprüft worden sei und daß schon seit geraumer Zeit alle Maß- nahnlen getroffen worden seien, um Sanktionen militärischer Art eutgrgentreten zu können. Papier  » sowie der im Ausland ausgegebenen Wert­papiere in Schatzanweisungen. Die Kredite wer­den gegen Barzahlung in Lire   auf Grund des am Tage der Veröffentlichung des Gesetzes fälligen Kurses abgetreten. Der Ersatz der Wertpapiere wird in neunjährigen Schatzanweisungen zu fünf Prozent erfolgen. 2. Zeitweise Herabsetzung der Dividende« der Handelsgesellschaften. 3. Eine zehnprozentige Steuer von Divi­denden und Gewinnen aus Jnhaberpapieren. 4. Pflichtgemäßer Verbrauch von Ersatz- brenn st offen durch alle im öffentlichen und privaten Betrieb benützten Kraftfahrzeuge. Bis zum 31. Jänner 1937 müssen alle Kraftfahrzeuge aus den Betrieb mit Ersatzbrennstoffen umge­stellt sein. London  . Wie Renter ans Rom  berichtet, bemüht sich die britische   Re­gierung derzeit über die Erklürung Mussolinis eine Aufklärung zu erhal­ten, daß Großbritannien   wegen der italienischen Aktion in Abessinien nichts zu befürchten" habe und daß die italienische Politik weder direkt noch indirekt eine Bedrohung der bri­tische« Reichsinteressen darstelle. Ma« glaubt, so berichtet der Reu­terkorrespondent, daß eine neue Verständigung durch die neue Lage zwischen Großbritannien   und Italien   erreicht würde, und zwar in Be­zug auf den Tanasee, bevor noch der Bölkerbundsrat zusammentritt. Eine Bestätigung dieser Meldung durch Londoner amtliche Stelle» liegt jedoch bisher nicht vor. Es seien alle Probleme geprüft worden» die pt« wirtschaftlichen Widerstand Italiens   und die Sicherung der Lebens­bedürfnisse des italienischen Bolles betreffen. Die Nahrungsmittel bleiben durch die außerordent- sich gute Ernte gesichert. Hinsichtlich der für die Industrie notwendigen Rohstoffe hat der Mini- mrrat beschlossen, daß die gegenwärtigen und zu« einstigen Bedürfnisse der Kriegsindustrie den Vorzug vor den Bedürfnissen der Friedensindu- sirie erhalten. Umstellung aut Kriegswirtschaft Der Finanzminister trug im Anschluß daran lvlgendr vier Gesetzentwürfe vor, die vom Mini- sierrat beschlossen und angenommen wurde«: 1. Zeitweise Abtretung der ÄuSlandskreditq und Zwangskonversion ausländischer Wert- Lev Winter Die organisierte Arbeiterklasse der Tsche­choslowakischen Republik nicht nur die tschechi­schen auch wir deutschen   Sozial­demokraten ist von tiefer Trauer er­füllt ob des Hinscheidens eines der besten Män­ner, welche die tschechische Arbeiterbewegung je zu den ihren zählte: Lev Winters. Das erste Wort, das wir unseren tschechischen Genossen und Mit­kämpfern sagen wollen, ist, daß wir in dieser Stunde mit ihnen fühlen, daß ihr Schmerz auch unser Schmerz ist, denn Lev Winter   hat sich nicht nur um die tschechischen Proletarier sondern auch um die deutschen   Arbeitssklaven dieses Landes unvergängliche' Verdienste erworben, die ihm ein Denkmal sichern auch in den Herzen der sudeten­ deutschen   Arbeiter. Erst beim Tode dieses wunderbaren Men­schen kann man ermessen, wie reich dieses Leben gewesen ist. Wenn nach den Worten Masaryks jener Mensch glücklich ist, der einen reichen Le­bensinhalt hat und wenigstens teilweise seine Ideale zu verwirklichen imstande ist dann hat gestern ein glückliches Leben geendet, ein Leben, das einen Sinn gehabt hat, denn es ist ein Mensch von uns geschieden, der seine reichen, großen Gei­stesgaben, sein warmes Herz, wie seinen kühlen Kopf, seinen Idealismus, all sein Sehnen und Empfinden einer heiligen Sache gewidmet hat. Mit eiserner Konsequenz, mit zähem Eifer ist Lev Winter   seinen Weg gegangen, geradlinig.iegt dieses Leben vor uns, klar und eindeutig, unbe­fleckt, rein. Wenn es für den Menschen überhaupt ein Trost, ist, daß alles Irdische vergänglich ist, dann muß in ünserem Schmerze das Bewußtsein lindernd wirken, wie herrlich das Leben war, oas nun abgeschlossen, viel zu früh abgeschlossen, vor uns liegt. In dem Dorfe Hroby   bei Täbor wurde Win­ter am 26. Jänner 1876 geboren. Er studierie am Gymnasium der heimatlichen Bezirksstadt, ging dann an die Universität in Prag  , wo er 1899 zum Doktor der Rechte promoviert wurde. An der Hochschule galt sein Interesse volkswirt­schaftlichen und sozialpolitischen Fragen und ec hatte die Absicht, die wissenschaftliche Lausbahn zu ergreifen. Aber sein Herz zog ihn zur Arbeiter­bewegung, der er seit früher Jugend angehärte. In der tschechischen Sozialdemokratie gewann ec bald durch seine Sachkenntnis allgemeine Achtung» so daß er 1907 31jährig als jüngster sozialdemo­kratischer Abgeordneter in den Wiener Reichsrat gelangte. Er vertrat den Wahlkreis Smichov  , für den er auch 1911 im ersten Wahlgang gewählt wurde, bis zum Ende der Monarchie und hat sich schon in der gesetzgebenden Versammlung Alt­österreichs hervorragend betätigt. Bei den Vor­bereitungen zur Einführung der Sozialversiche­rung, die zur Zeit Oesterreichs   freilich nicht ver­wirklicht wurde, hat er zusammen mit unserem unvergessenen Mathias Eldersch seine glänzenden Fähigkeiten, die ihm üb^r den Kreis seiner Par­teigenossen hohe Achtung verschafften, bewiesen. Während des Krieges zeigte er seinen Mut als Verteidiger in politischen und militärischen Pro­zessen, nach dem Umsturz wurde er der erste Für­sorgeminister der Republik  , welches Amt er im Kabinett Kramär wie in den beiden Regierungen