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Dienstag, 3. September 1935
Nr. 205
der Krieg verloren Ivar und das deutsche Volk eine Katastrophe erlebte, wie sie unsere Nation seit dem Dreißigjährigen Kriege nicht betroffen hatte. Herr Henlein wandelt den Weg der Katastrophe und ein großer Teil des Sudetendeutschtums mit ihm. Die Sozialdemokratie war die einzige deutsche Partei, die im alten Oesterreich gewarnt hat. Die sudetendeutsche Sozialdemokratie macht die ganze Bevölkerung aufmerk-
Paris . Unterstaatssckretär General Valle im italienischen Ministerium für Flugwesen erklärte dem Redakteur des Pariser Blattes„Le Journal" über das italienische Flugwesen folgendes: Die italienische Regierung werde in nächster Zeit nach Erythrea und nach Somaliland 300 der modernsten Flugzeuge, die mit drei Motoren versehen sind, entsenden. Der Aktionsradius dieser Flugzeuge betrage 2000 Kilometer mit einer Belastung von 1000 Kilogramm Bomben. Sie erreichen eine Geschwindigkeit von 350 Kilometern pro Stunde. Die Flugzeuge können eine Höhe von 8000 Metern erreichen und in dieser Höhe fliegen. In Abes- *« England distanziert slchl London . Der britische Botschafter in Rom , Sir Erie Drummond, hat Staatssekretär Suvich offiziell in Kenntnis gesetzt, daß ihm«nd seiner Regierung nichts von dem Abschluß des anglo-amerikanischen Konzessionsvertrages in Abessinien bekannt sei. Wie in amtlichen Kreisen erklärt wird, hat dir brisische Regierung eine strenge Untersuchung ungeordnet, um festzustellen, ob bei der abeffiNischen Konzession mittelbar oder unmittelbar britisches Kapital beteiligt ist. Der Gesandte beim Nesus London . Der britische Gesandte in Addis Abeba , Sir Sydney Barton, hatte mit dem Kaiser von Abessinien eine Unterredung, in der er dem Kaiser die Ansicht verdolmetschen sollte, daß die britische Regierung es begrüßen würde, wem» die Konzession für die„Afriran Development and Ex- ploation Corporation" nicht verwirklicht würde. Ueber das Ergebnis der Besprechung liegen bisher noch keine Meldungen vor. ES wird jedoch angenommen, daß der Ratschlag der britischen Regierung keine Annahme finden wird, da er sich auf den englisch -franzüsisch-italienischen Vertrag vom Jahre 1905 gründet, dessen Gültigkeit Abessinien niemals anerkannt hat. Eine Million Dollar In bar für Kriegsmaterial ßkach abessinischen Meldungen«»acht sich die omorikanische Gesellschaft erbitig, der abessinischen Regierung in vorhinein eine Million Dollar zu zahlen. Eine Summe wird natürlich für Einkäufe von Waffe« »nd Munition verwendet werden. Mau nimmt an, daß bereits Brrhandlumgen über Lieferungen von Gewehren und Munition aufge- unmmctt wurden.
sam auf die Hege, die die Herren Henlein und» Brand, Sandner und Sebekowsky wandeln und die in den Abgrund führen. Je früher sich die Sudetendeutschen dessen bewußt werden, desto besser unb wir sind überzeugt, daß uns die Geschichte einst recht geben wird. So wie Wolf und Teufel in der Geschichte des altösterreichischen Deutschtums mit Ingrimm genannt werden müssen, so wird auch Herr Konrad Henlein fortleben als des Sudetendeutschtums Verderber.
sinien werden die Flugzeuge zu Kundschafterdiensten verwendet werde». Auf die Frage, ob Italien die Flugzeuge zur Einschüchterung der Bevölkerung benützen werde, erklärte der italienische General, daß sie keine Barbaren wären. Im Gegenteil, die Flugzeuge würden niedrig fliegen und Lautsprecher würden die Bewohner darauf aufmerksam machen, sich zu decken. Italien werde in diesem Falle ans den englischen Aktionen im Irak und Britisch-Somali lernen. Nach Addis Abeba »nd zurück zur italie nischen Grenze brauche ein Flugzeug fünf Stunden.. Noch kein Italienischer Einmarsch... Rom . Bon zuständiger italienischer Seite werden die in englischen Blättern nufgetnuchten Gerüchte, nach denen stärkere italienische Truppenkontingente in abessinisches Gebiet emgedrun- gen seien, entschieden dementiert. Ebenso wird eS als unzutreffend bezeichnet» daß nach diesem Bormarsch italienischer Truppen zahlreiche Abessinier fluchtartig ihre Dörfer verlassen hätten. Derartige Meldungen werden zum mindesten als stark de» wirklichen Tatsachen vorauSeilend bezeichnet. Zwischenfalle In Addis Abeba Einer englischen Agenturmeldung aus Addis Abeba zufolge wurden am Montag nachmittags verschiedene Häuser, die von Italienern bewohnt werden, von einer Menschenmenge, die später von der Polizei vertrieben wurde, mit Steinen bombardiert. Der italienische Gesandte hat dagegen bereits Protest eingelegt. Er soll ferner erklärt haben, daß am Sonntag die italienische diplomatische Post von unbefugter Hand geöffnet worden sei. Die Post wurde später im Läuft des Tages ausgeliefert. ein salomonisches Urteil Für Ual-Ual der abessinische Ortskommandant verantwortlich? Genf . Wie es heißt, bezeichnet der fünfte Schiedsrichter, Gesandter P o l i t i s, in seinem Gutachten den örtlichen abessinischen Kommandanten als verantwortlich für den Zwischenfall von Ual-Ual. Da der abessinische Kaiser versprach, Italien volle Satisfaktion zu geben, falls der Spruch der Schiedskommission gegen ihn läutet, hofft man in' abessinischen Kreise», daß durch das Gutachten Politis der Weg zu weiteren Verhandlungen geöffnet wird.
Eden in Paris Paris . Laval empfing Montag um 17 Uhr in Gegenwart des Generalsekretärs des Außenministeriums Leeger am Quai d'Orsay den britischen Minister Eden, der sich in Begleitung deS britischen Botschafters in Paris , George Clerk , und des Chefs der BölkerbundSabteilung im eng lischen Außenministerium, Strang, befand. Die Unterredung dauerte bis*419 Uhr; ein amtlicher Bericht hierüber wurde nicht ausgegeben. Der französische Ministerpräsident empfing sodann den italienischen Botschafter in Paris , C e r u t t i, und den spanischen Botschafter de Bardenas. Nach einem halbamllichen Kommentar verhandelten Laval und Eden über die Lage im italienisch-abessinischen Konflikt und zogen die verschiedenen Möglichkeiten in Betracht, welche die Genfer Institution für die Lösung des Konfliktes bietet. Gleichzeitig prüfte»» beide Staatsmänner auch den Bericht, den sie dem Rate über die jüngst in Paris stattgefur»dene Dreier-Konferenz vorlegen werden. Laval reist Montag um 23 Uhr 20 mit Minister Eden nach Genf ab. Ein Bilderbuch von 700 Seiten Paris . Die Dokumente, welche Italien dem Völkerbunde vorlegen wird, werden Informationen aus Rom zufolge, Bände von 700 Seiten füllen. Sie werden von zahlreichen Photographien begleitet sein. Noch 200.000 Rom . Weitere 200.000 Mann, die diesen I Manat unter die Waffen«erden gerufen werden, gehören den Jahrgängen 1911, 1913»nd 1914 an. Sie werden in der zweiten Hälfte dieses Monats die Kasernen beziehen,«nd zwar wie es im amtlichen Kommunique heißt, für die beschränkte Dauer von drei Monaten. Haifa unter dem Schutz von Kriegsschiffen London . In Haifa , der Endstation der Oelleitung aus dem Irak , sind am Montag die drei englischen Kriegsschiffe„A r e t h u S", „De l h i" und„Durban " eingetroffen. Die Ankunft von acht Zerstörern wird erwartet. Der„Star" berichtet in diesem Zusammenhang, daß besondere BotsichtSmaßnahmen zum Schiche dieses wichtigen Hafens gegen überraschende Angriffe aus der Lust oder von der See her getroffen wurden.
Heiteres aus Danzls Danzig . Anläßlich der Anwesenheit des deutschen Panzerschiffe-„Admiral Scheer" veranstaltete auch der Völkerbundkommissär für Danzig eine»» Empfang, zu dem aber nicht nur die offiziellen Persönlichkeiten, sondern auch der frühere nationalsozialistische Senat-Präsident Dr. Rausch» igg, den die Partei bekanntlich in Acht und Bann getan hat, und sogar, wie das DNB wutschnaubend mitteilt,„ve rschiedene Marxisten und andere Vertreter der Danziger Opposition" eingeladen waren. Senat-Präsident Rauscher verließ daraufhin sofort mit seinen Trabanten das ungastliche HauS und auch der Kommandant des deut schen Kriegsschiffes verabschiedete sich kurze Zeit darauf und zog mit seinen Offizieren ab.
Das Begräbnis des Genossen Dr.Lev Winter Sonntag vormittags fand im neuen Prager Krematorium das Begräbnis des Schöpfers des Systems der Sozialpolstik in der Tschechoslowakischen Republik, Genossen Lev Winter , statt. Obwohl das Begräbnis»»ach dem Wunsche des Verstorbenen, sowie seiner Familie gar»z einfach gehalten war, bewirkte doch die große Verehrung und Liebe, deren sich der Verstorbene nicht nur in der Arbeiterbewegung, sondern auch im ganze» öffentlichen Leben, sowie im Auslande ersteute, daß die letzte Verabschiedung von ihm sich zu einer eindrucksvollen, gewaltigen Feier seiner Arbeit und seiner Persö»»lichkeit gestaltete. Schon lange vor Beginn der Trauerzeremonie war der geräumige Saal des Krematoriums von zahlreichen Trauergästen aus Prag , allen Teilen der Republik , sowie aus dem Auslande erfüllt. Der Katafalk, auf welchem der Sarg mit den sterblichen Ueberresten des Verstorbenen ruhte, lvar mit roten Nelken geschinückt. Unter den zahlreichen Kränzen befand sich auch ein großer Kranz der Sozialistischen Arbeiterinternationale und ein Kranz des ExekutivauSschuffes der tsche- choflowakischen sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Bor dem Sarge hatten die Familienangehörigen des Verstorbenen, seine Gattin, seine Kinder, die übrigen Bertva»»dten, Aufstellung genommen. Bon den Mitgliedern der Regierung waren der Stellvertreter des Vorsitzenden der Regierung, Eisenbahnminister Genosse B e ch h n i, Justizminister Genosse Dr. Derer, Minister für soziale Fürsorge Genosse Jng. R e c a s und Unterricht-minister Dr. K r t m a f, anwesend. Von den Mitgliedern der Nationalversammlung waren anwesend der Vorsitzende des Senates Genosse Dr. Soukup, die Vize- präsidenten des Abgeordnetenhauses Gerwffe Taub, der unsere Partei vertrat, Gerwffe Dr. Markoviä und Dr. Patejdl, sowie zahlreiche Abgeordnete und Senatoren. Insbesondere»varen die Abgeordnetea und Senatoren der tschechossowakischen sozialdemokratischen Partei fast vollzählig erschienen, ebenso die Abgeordneten und Senatoren der deutschen sozialdemokratischen Partei und der tschechoslowakischen nationalsozialistischen Partei. Das Internationale Arbeitsamt war durch den Direktor Butler aus Genf und da- Mitglied der Sozialversicherungssektion Oslvald Stein vertreten. Von den Sozialversicherungsorganisationen Nxrren zahlreiche Funktionäre u. Beamte der Zentralsozialversicherungsanstalt erschienen. Die tschechoflowakische sozialdemokratische Partei war durch den Parteivorsitzenden Abg. Hainpl und Dep»»tationen aus zahlreichen Städten, ebenso die Gewerkschaftsorganssationen mit dem Vorsitzenden der tschechoslowakischen Gewertschastsvereinigwig Senator Rimeäek, die Genossenschaften mit Direktor Lustig, der Verband der Arbeiter-Turnverbände (DA8). her deutsche sozialdemokratische Arbeiter« TurNerveroand„AtUS", verkrtteni Die Trauerfeier wurde nach einem Waldhörneroktett mit einer Gedenkrede des Ministers für soziale Fürsorge Jng. NeöaS eingeleitet. Der Direktor deS Internationalen Arbeitsamtes in Genf Harold Butler betonte in seiner französischen Ansprache, daß sich Dr. Winter nicht nur um den tschechoslowakischen Staat, sondern auch um die internationale Gemeinschaft große Verdienste erworben habe. Namens der tschechoslowakischen sozialdemokratischen Partei, welcher Dr. Winter 40 Jahre angehörte, verabschiedete sich von ihm der Vorsitzende des Senates Dr. Soukup. Nach der Jntonierung der Staatshymne wurde sodann der Sarg der Kremation übergeben.
VILLA OASE oder: DIE FALSCHEN BORGER
Roman von Eugene Dahit Berechtigte Uebertragung aus dem Französischen von Bejot
Irma sprang auf, doch die Beine knickten unter ihr zusammen^ Sie stammelte: „Tuberkulös? „Im letzten Stadium. Sie müßte fort von hier. Ich habe dem Arzt erflärt, das sei unmöglich. Er hat mich gefragt, ob sie Pflege hätte." „Zu Haus?" „Ja. Nur tauge ich nicht dazu, eine Schwester um mich zu haben und in einer Apotheke zu leben... Was hast du, Dicke? Krieg mir nur keinen Anfall. Ich werde die Sache schon in Ordnung bringen." „Weißt du auch, daß man sich anstecken kann?" „Während das Mädel sich anzog, hat der Arzt mit mir gesprochen. Ein tüchtiger Mann. Er wird dich auch behandeln. Bei dir wären eS die Jahre, meinte er. Kurz, er hat mir erklärt: Seien Sie vorsichtig. Mit einer so anfälligen Frau ist nicht zu spaßen. Besser wäre, sie brächte die Kleine ins Krankenhaus." „Ach..." „Im Grunde wird sie schneller gesund und ist ebenso gut dort aufgehoben wie in einem Sanatorium. Freilich ist das nicht lustig. Aber die Hauptsache ist doch: du kriegst dein Mädel wieder." „Jetzt verstehe ich, weshalb meine Schwester sie nicht behalten wollte. Sie hat ja Kinder." „Ich habe gleich bemerkt, daß sie krank ist. Ich habe einen Blick dafür. Dir kann man keinen Vorwurf machen. Schuld ist die Mutter La
gorio und ihr Man», der Katzelmacher. Wahrscheinlich haben sie gesoffen und unhygienisch gelebt, wie das bei dem Volk so gang und gäbe ist. Hör auf zu weinen. Mit zwanzig Jahren kommt man noch davon. Wenn e- uns passierte, wär's schlimmer." Er nahm Irma bei den Schultern, wiegte sie und wischte ihr die Träne» ab. „Du wirst mir nicht krank, Dicke. Hörst Du?" Und da sie schwieg, küßte er sie auf Augen und Wangen. „Ich spreche mit dem Mädel. Natürlich aanz vorsichtig." „Mein Gott » dann hat sich das Wiederfinden ja kaum gelohnt." „Der Arzt hat nicht gesagt, sie wäre verloren. Sieh Charlier an. Saust er nicht um- h. r wie ein Junger? Hör zu, ich will nicht, daß du über die Sache nachgrübelst. Ich werde alles tun, was nötig ist und Helene aufklären." Beim Abendessen fanden sie sich wieder zusammen. Helene sah in gerader Haltung auf ihrem alten Platz am Ofen. Sie war sehr blaß uni> schweigsamer als sonst. Auch Irma, mit ihren geschwollenen Augen, ihren fahlen Wangen, ihrer müden Stimme, glich einer Kranken. Nur Julien aß mit Appetit. Er sprach, teil- aus Genugtuung über seine Entschlossenheit, teils au- Furcht vor der Stille. Er erzählte sogar Geschichten, über die Helene lachen mußte. Als er zum Dessert seinen Bordeaux trank, erklärte er: „Jetzt, da man weiß, worum eS sich handelt, kann man beruhigt sein." Irma seufzte auf. Helene tröstete sie: „Aengstige dich nicht, Mama. Im Krankenhaus wird man schnell gesund." „Eine Angelegenheit von drei Monaten", bestätigte Julien. „Ich werde euch doch Donnerstag- und Sonntags sehen?" „Jeden Tag, wenn es dir Freude macht. ' Wenn du zurückkommst, habe ich ein Auw, und
dann fahren wir gleich aufs Land. Aber jetzt muß ich gehen, Kinder. Ich habe eine Verabredung im Cast des CourfeS." Helene kam näher. Da ihre Mutter heute nicht la-, legte sie den Kopf zärtlich an ihre Schulter und schilderte ihr mit zitternder Stimme ihren Besuch beim Arzt. Sie gestand, daß e- ihr peinlich gewesen, ihm ihre nackte Brust zu zeigen. „Es war zu deinem Besten", sagte Irma. Onkel hatte dieselben Worte gebraucht. Zu ihrem Besten brachte man sie in- Krankenhaus. Aber es betrübte sie, daß sie die Mutter nicht mehr jeden Morgen umarmen konnte. Sie schlang die Arme um ihren HalS, als wolle sie sich an ihr festklammern. Irma war zwar nicht für solche Ueberschwänglichkeiten, aber sie ließ sie gewähren. Die begann sogar zu plaudern und erzählte von dem lärmenden, schwer in Ordnung zu haltenden Betrieb im Hotel Montbert. „Kannst du verstehen, daß ich mich, wenn ich meinen Monat hinter mir habe, nach Ruhe sehne? Jetzt pfeif ich natürlich auf- Geschäft und besuche dich, so ost ich kann, Liebling. Du darfst von mir verlangen, was du willst. Ich bin reich genug, alle deine Wünsche zu erfüllen. Julien hat auch nichts dagegen. Er ist im Grunde eine seelensgute Haut." „Am liebsten bliebe ich bei euch, Mama." „Noch bist du nicht fort." Sie sah ihre Tochter an. Helene war weiß, zart, durchsichtig wie ein WachSpüppchen. Mit der Sorge stahl sich Furcht in ihr Herz. Ihr war, als fehle ihr die Lust, als erstarre ihr Körper, heimgesucht von der gleichen Krankheit, plötzlich zu Eis. Sich gewaltsam aus HeleneS Armen lösend, stand sie auf. „Ich will den Tisch abräumen", stamrnelte sie. Im selben Augenblick trat Julien über die Schwelle. „Rocki nicht im Bett? Das sollte der Arzt wissen, Helene!"
„Ach, Onkel, im Krankenhaus werde ich lange genug liegen müssen." Er beugte sich väterlich zu ihr hinab und erwiderte mit etwas schwerer Zunge: „Da- glaube ich nicht. Alle meine Freunde meinen, du würdest bald zurückkommen." V. Am Ende eines Hofes sahen Julien und Irma drei auS Holz gebaute Pavillons in einer Front. Julien zeigte auf den rechts liegenden. „Hierher hat man sie vorgestern gebracht. Sie ist besser aufgehoben als in dem alten Hauptgebäude. Achtung, Dicke, fall nicht über die Stufen." Er stieß eine Türe auf. Irma blieb stehen. In der Mitte des Saales standen Betten, einhinter dem anderen. Andere standen an den Wänden. Zwischen dem Weiß der Decken und Leintücher wirkten die schmalen Gänge wie dunkle Alleen. Ueberall Kranke. Man atmete gewiß ihre Mikroben ein. Es roch nach Aether und Phciwl. „Komm", sagte er,„das Mädel winkt unschön." Je weiter Irma die Augen öffnete, desto fratzenhafter erschienen ihr die Gesichter. Wenn sie husteten, klang es wie ein Röcheln.„Erschrick nicht", mahnte Julien. Sie ging hinter ihm und preßte die Lippen zusammen. Am liebsten hätte sie nicht- gesehen, nichts gehört, wär« sie weit von hier gewesen. Aber schon sagte Julien: „Ach, da ist ja auch die Familie." Irma setzte sich auf Berthes Stuhl und gab ihrer Tochter einen Kuß. Apothekendüfte schlugen ihr entgegen. Sie fuhr zurück und roch an den» Taschentuch, das sie in der Hand hielt. Dann fragte sie mit schleppender Stimme: „Wie fft eS dir seit Freitag ergangen?" „Helene richtete sich auf. Unter dem dünne- Hemd sah man ihre Brust arbeiten. (Fortsetzung folgt.).