Nr. 205. Dienstag, 3. TcplcmLcr 1935.. Leite,? Konsument und Mustermesse Ei« Rundgang durch die Prager Messe Seit der letzten Prager Mustermesse ist auch hier die Entdeckung gemacht worden, daß der Konsument ass Besucher auf dem Mesfegelände nicht nur ein lästiges;— allerdings Eintrittsgeld bezahlendes— Individuum tarstellt, sondern auch im Exportsektor einer Mustermesse eine wichtige Funktion zu erfüllen hat. Er ist die Zündmaffe, die eine Neuheit in der Hauptstadt und draußen im Lande einschlagen lassen kann. Einkäufer werden psychologisch mehr vom Interesse des Schaupublikums beeinflußt, als eS hier oft die Industrie anzunehmen scheint. Viele Einkäufer wollen mitten im Trubel der übrigen Messe»ihr Urteil fällen und nicht nur„in Ruhe, unbelästigt vom Schaupublikum" einkaufen. Man erweckt so. den Eindruck, als wollte sich der Produzent den unangenehmen Richter„Konsument" vom Leibe halten, dessen Urteil dann allerdings in ganzer Schärfe auf den letzten, den die Hunde beißen, auf den Einzelhandel und das Kaufhaus herunterprasselt. So zeigt zum Beispiel die Ausstellung der böhmischen Glasindustrie gegenüber der letzten Mustermesse ein viel freundlicheres Gesicht auch in. der Haltung zum Schaupublikum. Sie tut auch gut daran, mit ihrer Unmenge entzückender Muster nicht zurückzuhalten. Da gibt es Reihen der herrlichsten Glasfigürchen.. Da gibt es gediegenen modernen Schmuck aus GlaS und Chrom, der trotzdem billig ist. Da ist auch eine prächtige Kollektion der Glasfedererzeugung. Vor dem Kopieren der neuen Modelle kann man sich wirklich nicht schützen, wenn man sich vom Publikum abschließt und„die neuesten Modell- nur Interessenten" zeigt, sondern dadurch, daß man bis zur nächsten Mustermesse wieder eine Reihe neuer Einfälle hat. Vorbildlich in neuen modernsten Mustern und in der Art ihrer Anordnung und Ausstellung sind auch in diesem Jahre wieder die Taschentuchfabriken. Man hat auf diesem Gebiet erst richtig wieder die starke entdeckt. Es ist aber auch in den anderen Sparten der Mustermesse die Entwicklung zur freudigen Farbe Wester gegangen. Wir sehen Bügeleisen in neun verschiedenen Farben. Farbig sind die Küchengeräte, das Küchengeschirr und farbig. sind sogar die Telephone. Allein die Schreibmaschinen scheinen auf der Prager Messe, im Gegensatz zum übrigen Europa , noch nicht von der Farbenfreudigkcit angesteckt zu sein. Farben zeigt auch die Gummiindustrie in einer Anzahl praktischer Neuheiten. Am rührigsten in Mustern und neuen Farben sind hijer besonders di« jungen neuaufstrebenden Berke.' Bpn diesen geben, durch ihre besondere"Art'der' Finanzorganisation, ihre Einstellung zu modernen Ideen, die Gummiwerke in Böhmisch-Kam- nitz dem Konsumenten und erst damit auch, dem Großabnehmer ein Beispiel erstklassiger und zugleich preiswürdiger Ware. Die Musterkollektionen zeigen in erster Linie den erfolgrcichenKampf, den der modern getönte Gummi-Fußbodenbelag' gegen das Linoleum führt. Gummi-Fußbodenbelag war früher, als allein England ihn gut aber teuer herstcllte,- das Material für Luxushäuser und Großbanken. Heute ist er zu einem wichtigen Baustoff bei allen Neubauten geworden. In den letzten Wochen wurde das Ambulatorium einer Prager Krankenkasse, ganz in weißem Gummibelag auSgelegt, Die Böden von anderen Bürogebäuden wurden in verschiedenen Farben getönt. Eine praktische Abart dieser Bodenbeläge ist die G u m m i t a p e t e für die Küche und das Badezimmer. Abwaschbar, ist sie ein billiger Ersatz für Wandfliesen. Zwei ebensoviel gekaufte Reu- heiten für Küche und Bad sind der Gummirand für das Ausgußbecken der Wasserleitung in der Küche und der Seifensparer. Die meisten aller verwendeten Seifenbehälter lassen das Tropf- wasser, das nach dem Gebrauch von der Seife läuft, nicht oder nur unvollkommen abfließen. Dadurch entstehen jährlich den Verbrauchern Verluste, die in jedem Land viele tausend Tonnen Seife betragen. Für sich kann die Hausfrau den Kampf gegen Seifenverschwendung führen, wenn sie die Seife nach Gebrauch auf ein Gummistück mit vielen kleinen Gummiwarzen, dem Seifensparer, legt. Für die Technik ist in diesem Jahre der Kampfgegen denLärmder Haupttrumpf geworden. Diesen Kampf führt die Gummiindustrie mit. So werden jetzt Äummibandagen für Transporträder erzeugt. DaS sind Räder, die an Stelle der Zahnräder allein durch die Reibung des Gumtni‘ die Kräfte der Maschinen lautlos übertragen, Volkswirtschaftlich wichtig ist, daß die Tschechoslowakei in den letzten Jahren die Ersatzgummiwalzen für Schreibmaschinen selbst erzeugt. Das war bis dahin ein großer Exportposten für Deutschland und Nordamerika . Wie bei der Gummiindustrie, so ist auch in jedem anderen Zweig der Prager Messe die rasche Umstellungsfähigkeit der Produzenten entscheidend. Auffällig kommt diese Wendigkeit natürlich bei einer so jungen Industrie, wie es die Radioindustrie ist, zum Ausdruck. Allein von Radio- röhren-Thpen dringt die Ausstellung Hunderte Modelle und dazu natürlich eine Reihe modernster Apparate, neue Antennen und geschickte Vergleichsanordnungen für Lautsprechermodelle der berschiedensten Preislagen. Nicht so fortschrittlich erscheint die M ö befind u st r i e. Hier ist immer noch das Schlafzimmer-Nestchen mit dem obligaten Bild schwebender Elsen das Leitmotiv. Verchromte Stahlmöbel scheinen sich hier nicht durchzusetzen, obwohl fie—r mit Verlaub zu sagen— gegen die Prager Wanzen sehr empfehlenswert wären. Zum Schluß noch ein paar Worte für eine Art volkswirtschaftlich produktiver Reklame, die sich auf dieser Mustermesse zum erstenmal in größerem. Maße zeigt..Das ist die Werbung, nicht dvM teuere. überredende Werbebroschüresi,.so»-., derg^..dürch.«tz^ einfaches überzeugenoes Muster. Anders als bei Werbezesseln, die viel angenommen und wenig gelesen werden, haben die Firmen der Warcrireklame die Garantie, daß sich di«. Messebesucher auch zu Hause noch einmal an sie erinnern. Im Laufe des Montag trafen neue Einkäufer hauptsächlich aus den Nachbarstaaten, der Schweiz , Frankreich , Bulgarien , Italien und Spanien «in. In Prag langte außerdem ein Sonderzug aus Krakau ein, der viele polnische Interessenten der Messe zuführte. Auch meldeten fich weitere überseeische Einkäufer aus Brasilien , China , Aegypten , Indien , Palästina und Tunis . Der Jnlandsbesuch war heute mäßiger. Flucht aus dem Kerker— wie im Kino. Der in Oesterreich , der Schweiz und den Vereinigten Staaten vorbestrafte Schwindler und Geldfälscher Miller-Wagner, bekannt unter dem Spitznamen .Graf Lustig", flüchtete aus dem New Dorkcr Bundesgefängnis. Er ließ sich vom Fenster seiner Zelle mit Hilfe zusammengebundener Betttücher auf die belebte Straße nieder, wo er einen kartenden Kraftwagen bestieg. Bevor die Zuschauer chre Ueberraschung überwunden hatten, war der Wagen verschwunden. Autokatastrophe hek Wien . Eine schwere Autokatastrophe ereilte Sonntag sechs Wiener, die in einem Laftautomobil einen Ausflug unternommen hatten. Nächst Pottenbrunn brach dos rechte Vorderrad des Lastautos in dem Augenblick, als dessen Chauffeur eben einer Gruppe von Motorradfahrern Vorfahren wollte. Zwei der Autoinsassen, Ingenieur N o t i S k a aus Baden bei Wien und die Kontoristin Erna P r o k f ch aus. Wien , erlitten schwere Kopfverl«tzungen und ringen mit dem Tode. Vier weitere Insassen Kurden schwer verletzt. 25 Millionen: 8 Millionen... In So- Kssetrußland werden in diesem Fahre über 25 Millionen Kinder und 483.000 Studenten die Schulen und Lehranstalten füllen, während im zaristischen Rußland insgesamt ungefähr nur acht Millionen Kinder die Elementar- und Mittelschulen, und 124.000 Studenten höhere Lehranstalten besuchten. In den Städten ist der allgemeine siebenjährige Unterricht bereits vollständig verwirklicht, auf dem flachen Lande schreitet seine Einführung erfolgreich fort. 300 Millionen Dollar UeberschwrmmungS- schaden in China . Der von den Ueberschtvemmun» gen angerichtete Sachschaden beträgt allein, in den Provinzen Honan , Hopai und Schantung über 300 Millionen Dollar. Trotz einer sofortigen energischen Hilfsaktion herrscht unter den fünfeinhalb Millionen Flüchtlingen entsetzliche Not. In» folge deS starken Zustroms zu den Lebensmittel- Notlagern der Hilfsaktion ist es mehrmals Ban- bitenbanden gelungen, dies« auSzurauben. Gewaltige Landwirtschaftsausstellung in der stTTR. Die Landwirtschaftliche Ausstellung der Sowjetunion wird im Jahre 1937 auf dem Territorium des Ostankincer Parkes bei Moskau eröffnet werden und einen Raum von 300 Hektar rinnehmen. Ein beträchtlicher Raum wird auf der Ausstellung den Musterkollektivwirtschaften, Sowjetgütern und MTS. eingeräumt werden. Die Besucher der Ausstellung werden Biehzuchtfar- kien mit tausenden Rindern, Schafen, Schweinen und Zehntausenden von Pflanzenarten zu sehen bekommen. Vegetarier im Altertum AP. Auch das Altertum hat schon Vegetarier Selanut. Während jedoch der moderne Vcgetaris- kus im allgemeinen physiologisch und zutveilen ethisch begründet wird, trug er in der Antike Religiösen Charakter und war großenteils nicht grundsätzlicher Natur. Oft gab es nur partielle Speiseverbote. > Der griechische Mythos berichtet bereits von den L o t o p h a g c n, den LotöSessern. Im sechsten Jahrhundert war er die groß« religiöse Bc- tvegung des O r p h i s m u s, die gebot, die Nahrung auf Lebloses zu beschränken. Dabei wurden auch Eier, als von Lebewesen stammend, ab- Selehnt. In Anlehnung an die orphische Lehre sorderte Pythagoras die Enchaltung von Fleisch, Wein und Bohnen. Dies Verbot scheint durch den Glauben an eine Seelenwanderung bedingt gewesen zu sein. Dazu traten hygienische und ethische Motive. Fleisch belaste, so lehrte er, die Verdauung. Außerdem müsse man die Menschen zu einer friedlichen Gesinnung erziehen und die Tiere schonen. Darum lehnte er auch die Tier- upfer ab. Empedokles lehrte ähnlich und berwies auf das in der Urzeit vorhandene, in der Zukunft wiederkehrende goldene Zeitalter deS Friedens. SokrateS war kein Vegetarier, sondern predigte lediglich eine einfache LebcnS- tueise. Aehnlich steht eS mit Plato . Nur die Kyniker waren Vegetarier, vor allem X enokra« te s. Heraklit lehnte wiederum diese Lehre unter Berufung auf die individuelle Freiheit ab, Und Aristoteles lchrte, daß, wie die Pflanzen um der Tiere willen, so die Tiere um der Menschen willen da seien. Theaphrast be- ionte die Verwandtschaft der Lebewesen und forderte die Gctreidenahrnng. Hier tritt das reli- Süise Motiv zurück. Die Stoiker wiederum, »n sich genau so rationalistisch denkend, verwarfen den Vegetarismus, da das Tier als unvernünftig k>eit unter dem Menschen stehe. Nur M u s o- u i u s RufuS machte hier eine Ausnahme, aber S p j k t e t und Mark Aurel folgten ihm darin keineswegs. Seneca verzichtete sogar auf den Vegetarismus, dem er zuerst anhing, um nicht in den Ruf des Aberglaubens zu körn« 'nen. E p i k u r dagegen führte für sich ein vegetarisches Leben, waS manchem angesichts der mit dem Namen verbundenen Bedeutung, die aus einem Mißverständnis beruht, absonderlich erscheinen wird. Mit den NeuphythagoräcrN und Neuplato- nikern lebte das vegetarische Ideal nochmals auf. Apollonius von Thana, Porphyrios und Prokolos drängten auf strengste Askese. Mit Kaiser Julian sank der vegetarische Gedanke ins Grab, um erst in der Neuzeit durch Montaigne , Gassendi und Voltaire wieder Auferstehung zu feiern. Umgruppierung Die Presse hat vor einiger Zeit die Vereinbarung zwischen dem japanischen General Taka« hascht, Befehlshaber der japanischen Armee in Rord-China , und den chinesischen Generälen Den Schi Chan, Gouverneur der Provinz SchaM, und Pu Tsoi D, Gouverneur von Sui Duau, angekündigt. Diese Vereinbarung, die Tschang Kai Tscheks Absichten enthüllt, bezweckt nichts anderes, als ein gemeinsaines Vorgehen gegen die chine- isrschen Sowjets, die vor kurzem in den beiden genannten Provinzen Fuß faßten. Der General Den Schi Chan■ wurde vor einigen Monaten nach Schansi geschickt, um dort die Roten zu vernichten. Dies mißlang ihm und führte nur dahin, daß die Bauern dieser Gegenden die revolutionäre Bewegung verstärkten. Bewaffnete Aufstände ermöglichten der chinesischen Roten Armee, einige Städte zu besetzen und in der Richtung von Schansi und Schensi sowie in der mongolischen Provinz Sui Jüan(unweit de: von den Japanern, besetzten Provinz Tscha- char) vorzurücken. Die chinesischen Sowjets beherrschen jetzt das östliche Gebiet— von Tibet bis zur Mongolei . Tschang Kai Tschek und seine Kuomintang sind außerstande, die Ausbreitung der revolutionären Bewegung zu verhindern. Sie können sie auch nicht zum Stehen bringen. In den Gebieten, die ihnen noch unterstehen, mehren fich Bauernftreiks und Tschang Kai Tschek sah sich gezwungen, der Nanking -Regierung zu erklären, daß Japans Hilfe und Mitwirken im Kampfe gegen den Kommunismus in China not- locndig feien. Tschang Kai Tscheks Lage sieht wirklich sehr bedrohlich aus. Die Rote Armee führt gegenwärtig ihre Aktionen in acht Provinzen durch: Sikang, Setschouen, Kuei-Tschett, Shensi, Schansi, Honan . Kansu Und Hanghuei. Die Partisanen kämpfen in Kiangsi und Fuktien sowie in der Mandschurei , in Nord-China und den mongolischen Provinzen Sui Duan und im Ferue« Oste» Tschachar. Die Unsicherheit der inneren Lage in den- Kuomintang-Gebieten und die wachsend» Strömung für die Bildung einer national-revolutionären Regierung, die gegen die Kuomintang und den japanischen Imperialismus mit.Hilfe der Roten Armee kämpfen soll, unterstreichen noch mehr die wackelnde Stellung Tschang Kai Tscheks, der einen Ausweg zu suchen gezwungen ist. Es ist also zu erwarten, daß in der nächsten Zukunft Tschang Kai Tschek die Japaner nach Setschuan und den oberen Dang Tse Kiang rufen wird. Bemerkenswert erscheint die neue. Richtung, die England in seiner fernöstlichen Politik einzuschlagen sich vorbereitet. Eine neue Annäherung Englands an Japan beginnt sich zu kristallisieren. Es wird eifrig von einem bevorstehenden Bündnis gesprochen. Folgende Voraussetzungen für dieses bevorstehende Bündnis sind zu vermerken: Japans innere politische und wirtschaftliche Lage einerseits, und Englands koloniale Besorgnisse sowie seine Stellung im italienisch-abessinischen Konflikt andererseits. Die politische Atmosphäre Japans hat sich für seine imperialistischen Gelüste sichtbar verschlechtert. Zwischen dem rechten und dem linken Flügel der Armee herrscht Uneinigkeit. Die latente politische Krise ist durch die katastrophale Finanzlage- durch die schlechte landwirtschaftliche Lage und durch die Unsicherheit der zukünftigen industriellen Expansion sehr bedroht. Die in der Mandschurei investierten Milliarden haben nichts eingebracht, sie scheinen verloren zu sein. Ein weiteres Borrücken in China lockt Nicht mehr, die Resultate sind zu ungewiß. Die japanische Bürokratie und die Banken kämpfen gegen die extremen Bestrebungen der Armee und der Trusts und be- füechten' eine Erweiterung des Eroberungs- lampfes in China . Sie suchen deshalb in Eng- Rat und Belehrung finden unsere Gemeindevertrcter in reichem Matze in der „Freien Gemeinde** Redaktion und Verwaltung. Prag XIl., Fochova 82/V. land Unterstützung und bieten diesem eine gemeinsame Ausbeutung der japanischen Eroberungen auf dem chinesischen Markte an. Um diese Vorschläge zu studieren, hat sich der wirtschaftliche Hauptberater der englischen Regierung Sir Leith Roß zum„Studium der Finanzlage Chinas " nach Ostasien begeben. Auf seinem Wege aber wird er zuerst Tokio besuchen, wo eine englisch -japanische Konserenz stattfinden Wird. Die Londoner City beabsichtigt nämlich eine Verschmelzung des englischen Kapitals in China mit der japanischen Ausbeutung durchzuführen. Japan wird auf dieser Konferenz England vermutlich Vorschlägen, die unter der japanischen Korttrolle sich befindenden fünf nordchinesischen Provinzen gemeinsam auSzubeuten. Den englischen Firmen in der Mandschurei sollen Erleichterungen geboten werden, und die englischjapanischen Kapitalien sollen eine gemeinsame Ausbeutung deS restlichen Chinas verwirklichen, Japan möchte aber, daß England ihm eine Wei« tersührung des Dumpings in den englischen Besitzungen erlauben. ES ist fraglich, ob England auf diesen Punkt einzugehen bereit sein wird. ES ist aber als sicher anzunehmen, daß der englische Imperialismus, angesichts der Bedrohung, der seine Interessen im Fernen Osten ausgesetzt sind, Japan als„Hüter der Zivilisation" in China zu helfen nicht abgeneigt sein wird. Dazu kommt noch die Tatsache, daß England auf der Suche nach einem Alliierten gegen Italien im abessinischen Konflikt ist, und obwohl die Interessen Japans und Englands auf diesem Gebiete entgegengesetzt sind, wird England wahrscheinlich nicht abgeneigt sein, Japan Konzessionen zu machen. Die Bedeutung eines solchen Bündnisses ist klar: Es ist eine Kette, die aus England, Japan und Tschang Kai Tschek bestehen und die chinesischen Sowjets fesseln soll. Die Entwicklung dieser gemeinschaftlichen Aktion kann sich auf die Umzingelung der Aeußeren Mongolei ausdehnen und dann... mit Hilfe Deutschlands und Polens , ein gemeinsames Vorgehen gegen die Sowjet union im Endziele haben. I. U l e S. Japans Pläne in Nordchina (AP.) DU Aktiön Japans kn Nordchina war zwar in erster Linie auf die Initiative der japanischen Militärs, insbesondere des Generals M i n a m i, des japanischen Oberkommandierenden in Mandschukuo, und des Generalstabschefs Sakai, zurückzuführen, doch mußte sich das japanische Außenministerium nachträglich damit einverstanden erklären, um nicht in einen immer offeneren Gegensatz zur' Generalität zu geraten. Inzwischen haben diese Kräfte, die seinerzeit vor vollendete Tatsachen gestellt worden Waren, wenigstens in etwas Vorsorge getroffen, daß sich keine Wiederholungen ereignen. In Nordchina werden aber bereits aus der neugeschaffenen Lage die Konsequenzen gezogen. Es besteht die Absicht, aus Japan , Mandschukuo und Nordchina einen Wirtschaftsblock zu schaffen» an dessen Ausgestaltung einmal Japan interessiert ist, der aber auch gleichzeitig der Tatsache Rechnung trägt, daß Mandschukuo und Nordchina wirtschaftlich aufeinander angewiesen sind. Eine führende Rolle wird dabei der Südmandschurischen Eisenbahn zufallen, die eine Kapitalsvermehrung um über 700 Millionen Den für neue Bahnbauten in einer Länge von 2200 Kilometern, für Instandsetzungsarbeiten und Verbesserung der bestehenden Linien sowie für neue Investierungen in Nordchina vornehmen wird. Die Handelskammer Tientsin , bisher die Hochburg der antijapa« Nischen Bewegung, ist bereits umgeftallet worden. Sie wurde der neuen Provinziairegievung von Hopei„gleichgeschaltet" und hat sich in den Dienst des neuen Wirtschaftsplanes gestellt. Ebenso wie Dairen für Mandschukuo, soll jetzt Tientsin der Hauptumschlagsplatz für das neue Wirtschaftsgebiet werden. Der Hafen von T a k u soll aus- gebaut werden. Zur Zeit finden intensive Besprechungen zwischen den Behörden von Tientsin und den interessierten japanischen Geschäftsleuten statt. Taku soll zu einem der bedeutendsten Zentren des ostasiatischen Schiffsverkehrs werden. Die Japaner sind bereit, sich an den Kosten mit 50 Prozent zu beteiligen. Tientsin und Taku sollen zu einer modernen Großstadt verschmolzen werden. Die dazu notwendigen Stratzenbauten wurden schon begonnen. Ferner legen die Japaner Wert darauf, in Nordchina Baumwolle und W o l l e zu produzieren. Beides konnten sie ja zu ihrer großen Enttäuschung au» klimattschen Gründen in der Mandschurei nicht bekommen. In Nordchina sind jedoch die Aussichten für Baumwollanbau und für Schafzucht günstiger. Auch die japanischen B e r g b ,c u-Jntereffen in Nordchina sind bedeutend. Fachausschüsse prüfen bereits alle Möglichkeiten. Die Japanisch-chinesische I n d x* stri egesellschaft unter ihrem Präsidenten Takagi untersucht ferner sonstige InvestierungSmüglichkei- ten. Chinesische Industrielle und Kaufleute werden sich in Kürze zur Besprechung dieser Fragen nach Japan begeben.
Ausgabe
15 (3.9.1935) 205
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten