Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB  , CHEFREDAKTEUR: WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  ,

15. Jahrgang

09612 Mittwoch, 4. September 1935

Was wird Genf   bringen?

Das Schiedsgericht hat den italienischen Standpunkt nicht anerkannt

Genf  . Mit der Ankunft des französischen   den, daß das Urteil konstatiert, daß weder die Ministerpräsidenten und Außenminister 2 aval eine noch die andere Partei eine moralische oder und des britischen Ministers für den Bölferbund finanzielle Berantwortung für den Zwischenfall Eden in Genf   wurde eine wichtige Beriode der politischen Beratungen verschiedener internatio- von Nal- tal fowie für alle nachher eingetretenen naler Fragen eröffnet. Im gegenwärtigen Augen- Ereignisse trägt. Es treffe also weder Italien   noch blick ist die gesamte Aufmerksamkeit der interna Abeffinien eine Schuld.

fionalen Oeffentlichkeit auf die Lösung des abes­

=

finisch italienischen Konflikts gerichtet, deffen| Behandlung heute im Völkerbundrat beginnt.

Die kürzlichen Ereignisse in Afrika  , Italien  and England haben den abeffinisch- italienischen Konflikt derart beeinflußt, daß der Völkerbund­tat vor weit kompliziertere Probleme gestellt fein

Mai und August d. 3.

Alle Staatsmänner, die an der Lösung des beffinisch- italienischen Konflifts ein Interesse haben und alle Ratsmitglieder werden, wie dies schon aus den heutigen ersten diplomatischen Be­ratungen ersichtlich ist, mit größter Umsicht in Genf   handeln, weil die Gefahr eines ern ften Bruches zwischen Italien  und dem Bölter bunde droht.

Gesandter Dr. Osuský, der heute vormit­tags eine lange Unterredung mit dem Minister­bräfidenten Laval hatte, wird gemeinsam mit dem Gesandten Künzl- Fizerffy während der Abwesen heit des Ministers Dr. Beneš, der Freitag in Genf   eintreffen dürfte, die Tschechoslowakei ver­

freten.

In London   verlautet, daß die Verhandlun­sex in Genf   folgende Reihenfolge haben dürften: 1. Berlesung des Berichtes des Schlichtungs­ausschusses über Ual- Ual,

2. Borlegung des Berichtes über die Pari­fer Dreimächte- Besprechungen,

3. Rede des abeffinischen Vertreters und 4. Rede des italienischen Bertreters.

Der Konflikt von Ual- Ual

von keinem Staat verschuldet?

De Brouckère und Jouhaux  

nach Genf  

Das neue Konzessionsgeblet" In Abessinien

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das fast das halbe Kaiserreich umfaßt, ist auf dieser Martensfizze schraffiert eingezeichnet. Man sieht Gen f. Bei der gegenwärtigen Genfer deutlich, daß dieses Gebiet außer der abessinischen Ratstagung wird als Beobachter für die zweite Stadt noch die entscheidenden Punkte des Lan­des, um die es in dem internationalen Konflikt vor Sozialistische Internationale de Broudere und allem geht, insbesondere den Tanasee und damit den Gewerkschafts- Internationale Leon Angelpunkt der Wasserversorgung des britischen  für die Sudans   umfaßt.

Jouhaug fungieren.

Ein zweiter Konzessionär!

Ein New Yorker Makler besitzt Vertragsrechte In Abessinien

New York  . Ein New Yorker Makler namens Chertof, der von sich beharptet, Ber­treter amerikanischer Industrieorganisationen zu fein, erklärt, es sei ihm zuerst die Konzession zur Ausbeutung aller Petroleumvorkommen, Fundstätten von Gold, Silber und anderen Me­tallen in Abessinien erteilt worden. Chertok be­hauptet weiter, der Vertrag über seine Konzession fei am 20. Juli in der abeffinischen Gesandtschaft in London   abgeschloffen worden. Der Bertrag verliere die Rechtskraft, sofern er nicht binnen 90 Tagen zur Ausführung komme und binnen

würden.

tischen Botschaft die Vertreter der Pariſer Preſſe. denen gegenüber er im Wesen die Erklärung ab­gab, daß die Angelegenheit Ricketts eine rein

metitanische Sache sei. Die britische  

Regierung habe die Angelegenheit eingehend untersucht. Sollte es sich um die Beteiligung bri­tischen Kapitals handeln, so werde die englische Regierung ihr Veto gegen die Ausfuhr dieses Kapitals in Anwendung bringen.

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Nr. 206

Hitlers Milliardenanleihe

Mit der angefündigten Auflegung der Mil­liardenanleihe vollzieht das nationalsozialistische Deutschland   seit Beginn dieses Jahres die dritte große Kreditoperation. Jm Jänner wurde den Sparkassen eine Zivangs anleihe von 500 Millionen Mark auferlegt. Drei Monate später wurden unter starkem Druck die öffentlichen Versicherungsanstalten und die pri­vaten Versicherungsgesellschaften gezwungen, dent Reich in größerem Umfange Kredite zur Verfü­gung zu stellen. Der Betrag, der von ihnen er preßt worden ist, ist amtlich bisher nicht genannt worden. Es steht aber fest, daß 500 Million ent Mark von ihnen gefordert worden sind. Schr wahrscheinlich hat das Reich sie annähernd erhal­ten. Und vier Monate später fordert Hitler   wie­der eine runde Milliarde Mark!

Das sind in acht Monaten zwei Millar den Mart, die die Nationalsozialisten offen vor aller Welt zur Finanzierung ihrer Ar­

beitsbeschaffung, oder sagen wir es doch gleich richtig: ihrer Kriegsaufrüstung fordern. Denn von Anfang an war im Dritten Reich   die Arbeitsbeschaffung nichts anderes als Aufrüstung. Sie ist es bis heute geblieben. Die großen Hoffnungen, daß die durch Rüstungsauf­träge berichtete Anfurbelung einzelner Wirtschafts­ziveige eine Belebung der ganzen Wirtschaft aus lösen würde, hat sich nicht erfüllt. Die für die Wirtschaft verantwortlichen Nazihäuptlinge fön= nen heute nicht mehr bestreiten, daß die deuts sche Produktionsfonjunttur nur eine Rüstungstonjunktur ist. Wer­

den die Rüstungsaufträge eingeschränft, so geht die Konjunktur zurück; bricht der Schwindel mit der fast völlig beseitigten Arbeitslosigkeit" voll­ständig zusammen! Schon der Gedanke an die außerordentliche Verschärfung der wirtschaftlichen die fascistische Dittatur ergeben müssen, bringt und sozialen Schwierigkeiten, die sich daraus für über die Nationalsozialisten das Grausen.

Es kann darum nicht überraschen, daß sich Dschibuti  . Der Unterhändler Ridett er zurzeit ihre Anstrengungen darauf konzentrieren,

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und

derselben Frist nicht zu Handen der abeffinischen flärte dem hiesigen Vertreter des Reuter- Büros, die weitere Finanzierung der Aufrüstung sicher­Regierung eine Million Dollar erlegt daß die Gesellschaft, die die Konzessionen in Abes- zustellen. Und zwar sicherzustellen auf einer soli­sinien erhalten hat, eine hundertprozen deren Basis als die Finanzierung sie bisher hatte Chertok erklärte, daß er durchaus beabsichtig amerikanische   Gesellschaft ist. Er und dann möglichst auch so, daß die Kreditwürdig tige, seine Option auszuüben. Er erklärte wei- dementiert energisch das Gerücht, als ob der keit des Dritten Reiches   im Ausland nicht noch ter, daß diese angebliche Konzeffion privater abessinischen Regierung bereits eine bestimmte mehr Schaden nimmt. Denn noch immer Natur sei und er sei bereit, die Million Dollar Summe für die Erteilung der Konzessionen be man muß leider sagen: nicht ohne Gründe hoffen zahlt wurde, für welches Geld, wie die Gerüchte Hitler   und Schacht, daß sie Auslandsanleihen er iederzeit zu hinterlegen. Oberstleutnant Jerves, ein Mitinhaber der weiter besagen, Abessinien bereits Waffen angehalten werden, mit denen sie dann das weitge Paris  . Der fünfte Schiedsrichter in der Londoner Ingenieurfirma Hitchins, Jerves& Co., fauft habe. Schiedskommission für den italienisch- abeffini- teilte einem Pressevertreter mit, daß seine Firma ſchen Konflikt, der griechische Gesandte in Paris   im Auftrage des New Yorker Maklers Chertof bei Bolitis, hat Dienstag sein Urteil verkündet. Db. dem gemeldeten Abkommen die technische Be­toohl die Mitglieder der Kommission sowie die hinter der Gruppe, für die Chertok arbeite, einige fandte hat von der geplanten Demarche wegen des problem und die Aufmerksamkeit, die es im Aus

ratung übernommen habe. Er fügte hinzu, daß

Regierungsvertreter sich verpflichtet haben, daß Bersönlichkeiten mit britischem Kapital sie den Wortlaut des Urteils direkt dem Nate des stünden. Völkerbundes mitteilen werden, kann laut Mit­teilungen aus sehr guter Quelle mitgeteilt wer­

Stojadinovič'

Pariser   Besuch

Baris. Zu einem vorläufigen Bericht über

die Verhandlungen des jugoslawischen Ministers bräsidenten Stojadinovič in Paris   sagt das Tiches hoslowakische Korrespondenz- Büro: Nach mehrs stündigen Verhandlungen gab Laval in Anwesens heit Stojadinovic's den Preffevertretern folgende Erklärung: Wir prüften gemeinsam alle Fras gen, die unsere beiden Länder interessieren. Da Ministerpräsident Stojadinovič, gleichzeitig am­fierender Vorsitzender des Ständigen Rates der Kleinen Entente ist, berieten wir auch über fämt­liche Fragen, die sich auf die Verhandlungen und den Abschluß des mitteleuropäischen Pattes begies| hen. Die Unterredungen wurden im herzlichsten Geifte geführt. Wir stellten die bo II foms mene Einigteit in den Auffassungen feft, daß im Geiste engster Zusammenarbeit forts geschritten werden müsse, die auch weiterhin zivi­schen unseren beiden Staaten traditionell bleibt." Ministerpräsident Stojadinovič fügte dieser Erklärung Lavals hinzu: Jch stimme vollfom men mit der Erklärung des Ministerpräsidenten Raval überein. Mein erster Besuch im Auslande galt Paris   und das bedarf keines Kommentars."

Die englische Regierung wird Rickett nicht decken?

Paris  . Der Pressechef des britischen Außens amtes, Wright, empfing am Montag auf der bri­

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Keine diplomatische Intervention

Addis Abeba  . Der hiesige italienische Ge­Delvertrages Abstand genommen. In der euro­ päischen  

Kolonie in Addis Abeba   ist man aber der Auffassung, daß Italien   angesichts des unerwar­teten Vertragsabschlusses seine Absichten in Abes­sinien beschleunigen werde, um zu verhin­dern, daß die abessinische Regierung mit Hilfe der durch den Konzessionsvertrag einkommenden Gel­der ihren Widerstand ausbauen könne.

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Kolonialpolitik 1935...

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steckte Rüstungsprogramm bis zum letzten Flug= ausführen fönnen. Darin liegt auch die Erklärung zeug, zum letzten Kreuzer und zum letzten Tant dafür, warum sich Dr. Schacht in seiner Königs­berger Rede eingehend mit dem Finanzierungs­land gefunden hat, beschäftigte. Er sagte da:

Auch sehr maßgebliche und fachverständige Leute im In- und Auslande zerbrechen sich den Kopf darüber, wo her denn eigentlich das Geld für die Arbeitsbeschaffung kommen soll. Ich kann diese Frage, die mich selbst täglich beschäftigt, nicht berübeln, aber ich fann versichern, daß we= der Hererei noch Trick dabei ist. Das Geheim nis beruht lediglich auf der ein heitlichen und straffen 3usam menfassung der gesamten Fis nanz- und Wirtschaftspolitit, mie sie nur ein autoritäre s Staatsgefüge ermöglicht. Mit einem demokratischen Parlament würde diese Aufgabe nicht zu lösen sein...

Mit dieser letzten Feststellung hat Schacht unzweifelhaft recht. Ein demokratisches Parla­ment, in dem auch die Arbeiterschaft Einfluß auf die Gestaltung des gesamten staatlichen Lebens nimmt und das der Kontrolle des ganzen Volkes untersteht, würde eine so grandiose Finanzmiß­wirtschaft, durch die die Schuldenlaft Deutschlands  in zweieinhalbjähriger nationalsozialistischer Herrschaft beispiellos vermehrt worden ist, nicht ermöglicht haben. Diese Mißwirtschaft, die die durchwegs von Nationalsozialisten beherrschten amtlichen Stellen mit öffentlichen Geldern treiben, geht selbst dem Dr. Schacht zu weit, so daß er an ihre Adresse sogar den folgenden Appell für notwendig hält:

,, Die Größe der Summen, die für die Ar­beitsbeschaffung ausgegeben werden, könnte an