Seite 2 Mittwoch. 4. September 1833 Nr. 20« dieser oder jener Stelle leicht zu der Ansicht verleiten, datz es auf ein paar Millionen mehr oder weniger nicht ankommt. Zu einer Zeit, die es uns verbietet, an eine Verbesserung der Löhne heranzugehen, ist jeder unnötig ausgegebene Pfennig eine Erschwerung der Gesamtlage, und es kann nicht genug an daSBerantwor- tungsgefühl aller geldauSge- benden Stellen appelliert werden*,.. Die neueMilliardenanleihe i st, wie die ihr in diesem Jahre schon vorauSge- gangenen zwei Anleihen, der krampfhafte Versuch, die Finanzierung derAufrüstung aus der Sphäre der bedenklichsten Manipulationenherauszubringen. Selbst nach den Berechnungen des Statistischen Reichsamtes haben sich die kurzfristigen Schulden Deutschlands unter der nationalsozialistischen Herrschaft um 10,7 Milliarden Mark vermehrt; nach anderen sorgfältigen Berechnungen, die aus detaillierten Angaben beruhen, beträgt die Last der schwebenden oder kurzfristigen, Schuld etwa 18 Milliarden Mark. Davon entfallen 3% Milliarden auf Schatzscheine» 1% Milliarden aus Steuergutscheine, 6 Milliarden auf Arbeitsbeschaffungswechsel und 6 bis 8 Milliarden auf Rüstungswechsel. Mit dieser neuzugewachsenen Schuldenlast ist die Rüstungsfinanzierung noch nicht erschöpft. Die mehr als 800 Millionen Mark, die bei der Machtübernahme Hitlers die Reichsbank als Goldreserve auswies, sind ebenfalls zum größten Teil für diesen Zweck verwendet worden. Die mit der Ausgabe von Steuergutscheinen,, ArbeitSbeschaffungs- RüftungS- und Solawechseln betriebene Politik derKreditauswei» tung hat die wirtschaftlicheEnt« Wicklung Deutschlands immer tiefer in eineSackgasse hineingebracht. Sie hat zu Inflationserscheinungen, vor allem zu einer Preis st eigerung geführt, an der kein Reichspreiskommissar etwas ändern konnte und sie muß bei ihrer weiteren Fortsetzung den Z u- sammenbruch derWährungSpo- l i t i k zur Folge haben, die bis heute noch am Goldstandard festhält, obgleich die Mark im Ausland, wie die starke Unterbewertung der verschiedenen Sperrmark soeben beweist, durchaus nicht mehr als stabile Goldwährung gelten kann. Aus dieser heiklen Situation soll die Anleihepolitik der Retter sein. Die eine Milliarde» die im ersten Halbjahr schon hereingekommen ist, und die weitere Milliarde, die die neue Anleihe bringen wird, sollen angeblich zur Konsilidierung der ttirzfristigen Schulden dienen. Vielleicht werden sie auch dazu teilweise verwendet. Aber eine Verminderung der schivebenden Schuldenlast bringen sie nicht. Schon im ersten Halbjahr 1935 hat die Rüstungsfinanzierung wieder mehr verschlungen, als die Sparkassen und die Versicherungen dem Reiche geben mußten. Und da das RüstungS- tcmpo seither nicht langsamer geworden ist, Wirtz auch die neue Milliarde kaum hinreichen, um die neuen Rüstungsausgaben zu decken» für die Abtragung alter Schulden dürfte kaum ein Betrag übrig bleiben. Die Lösung des Finanzierungsproblemt der deutschen Aufrüstung scheint uns nach alledem mit dir Milliardenanleihe ebensowenig gefunden wie der Ausweg aus der Sackgasse. Wohl können Schacht und Hitler den Sparkassen und Versicherungen noch einige Male Zwangsanleihen auftr« legen und so den Sparern und Versicherten ihre. Ersparnisse und Versicherungsprämien abknöpfen — aber ewig läßt sich dieserDieb- stahl en gros nichtfortsetzen. (Auch bei dieser Milliardenanleihe handelt eS sich wieder um eine Zwangs anleihe: Die Sparkassen müssen 500 Millionen Mark zeichnen und für die anderen 500 Millionen müssen die Banken und wieder die Versicherungen einstehen.) Trotz der Mahnungen Schachts an die Sparer, ihre Ersparnisse für die Aufrüstung„leihweise" herzugeben und sie nicht in Sachwerte „flüchten" zu lassen, trotz seines Hinweises: „...wir sitzen alle in einemBoot und es wird niemandemGelegen- heit gegeben,auszusteigen", wird der Griff nach den Sparguthaben doch Folgen haben, die seine häufige Wiederholung ausschlirßen. Die Hoffnung aber, die Rüstungen aus den Ueber- schüffen der Wirtschaft zu finanzieren, muß sich vollends als illusionär Herausstellen, nachdem die Konjunktur schon jetzt Ermüdungserscheinungen zeigt, die sich in vermehrter Kurzarbeit(Ruhrbergbau, Textilindusttie, Lederindustrie) äußern. Auch die Zwangsanleihen deS Dr. Schacht macht«das deutsche Reichsschiff", wie er sich ausdrückte, nicht seetüchtig. Es treibt unter dem FascismuS der Katastrophe entgegen. Es ist die Aufgabe der Besatzung— des deutschen Volkes— dasSchiff zu retten, der Diktatur aber und ihrem Sy st em die Katastrophezubereiten. Albanien In die Balkan-Entente? Belgrad . Nach einer noch unbestätigten Meldung hat die albanische Regierung die jugo- slawische ersucht, sich für die Aufnahme Albaniens in die Balkan-Entente einzusetzen. Wie es weiter heißt, habe die türkische Regierung diesen albani schen Wunsch günstig ausgenommen und ihre diplomatischen Vertreter in den Balkanstaaten angewiesen, ihn zu unterstützen. Albanien habe, so heißt eS, die Bedingung gestellt, daß ihm Ju goslawien , Rumänien und die Türkei eine Anleihe von 40 Millionen Goldftancs gewähren, zu deren Deckung das Tabakmonopol verpfändet werden würde. Zwangsarbeit für Bettler Im Ständestaat Wien . Am 307 August wurden kn Oberöster reich von motorisierten Streifen der Hei« m a t s ch u tzorgani s a t i o n e n Razzien auf Bettler veranstaltet. Es wurden dabei 915 Menschen perlustriert, davon 488 aus Oberösterreich . Die übrigen wurden ab geschafft. Die nach Oberösterreich zuständigen Personen luurden in ein Bettlerlager bei Schlögl gebracht. Sie werden dort ein zwei Kilometer langes Teilstück der sogenannten N i- belungenstrahe Herstellen müssen. Oesterrelchlsches Wien . Im 5. und 12. Bezirk wurden am Donnerstag und Freitag zahlreiche Sozialdemokraten und Kommunisten verhaftet. Nach einer anderen bisher noch unbestätigten Version find bei mehreren der Verhafteten Waffen und Druckschriften gefunden worden. Paris . Wie HavaS aus Brüssel berichtet, hat der SatzungSausschutz der Fidac mit allen Stimmen(Belgien , Tschechoslowakei , Frankreich , Griechenland , Italien , Polen , Portugal , Rumänien, Jugoslawien und Bereinigte Staaten) gegen die Stimme Großbritanniens beschlossen, die ehemals feindlichen Frontkämpfer nicht in die Fidac aufzunehmen. Rom . Der Gouverneur von Italienisch-So maliland hat einen Erlaß bekanntgegeben, nach dem jede Nachrichtenverbreitung aus den italieni schen Kolonien in Zukunft einer Zensur unterliegen: Moskau . In Irkutsk wurden drei Weißgardisten zum Tode durch Erschießen verurteilt," Sie waren angeklagt, nach Instruktionen aus dem Auslande terroristische Akttonen und Sabotage durchgeführt und mit der Militärmission einer auswärtigen Macht in Verbindung gestanden zu haben. Tokio . Der japanische Botschafter in Moskau , Ohta, hat im Auftrage seiner Regierung den Protest gegen die in den Reden der japanischen Kam- munistcn auf dem Moskauer Kongreß der Komintern zum Ausdruck gekommene kommunistische Propaganda überreicht. Klagenstrt. Dar Militärgericht in Klagenfurt verurteilte den 35jährigen Schneider Andreas Linzer aus Wolf-berg wegen Beteiligung an der Juli- Revolution und schwerer Körperverletzung zu ackr Jahren schweren Kerker- Vie Organisation der Gestapo So groß der Schrecken ist, den die Gestapo bisher verbrettet hat, so wenig ist im Grunde über sie bekannt. Sie ist eine ureigene Schöpfung des nationalsozialistischen Regimes. Als Göring an ihre Errichtung heranging, da leitet« ihn nicht nur das Motiv, der gesamten Opposition aller Schattierungen einen Schlag zu versetzen und auch alle Nichtnationalsozialisten aySzuschalten, eS kam ihm auch darauf an, ein parteipolitisches Gegengewicht gegenüber der alten Polizei zu haben, die nicht nur nicht nationalsozialistisch war, sondern auch über bestimmte, nunmehr als„libe- ralistisch" verschrieen« Auffassungen von Recht verfügte. Vor allem sollte damals auf diese Weise daS Vorhaben der Deutschnationalen, die Nationalsozialisten in der Regierungskoalition vom 80. Jänner 1933 zu erdrücken, paralysiert werden. Göring wollte Preußen zu einem national- sozialisttschen Block zusammenschweißen. Dazu hatte er die Hilfspolizei geschaffen, dazu den Erlaß herausgegeben, datz sie sich gegenüber der SA keine»feindseligen" Handlungen zuschulden kommen lassen dürfe, was auf deutsch hieß, datz sie bei Gewalttätigkeiten nicht einzugreifen hab«. AN das genügte aber noch nicht, und so wurde die Gestapo jene- Instrument, das aNe Lücken auS- zufüllen hatte. Der ehemalige Domokrat Dottor Diels, der sich schon unter Papen die Sporen verdient hatte, indem er einen hohen Beamten provoziert«, eine kommunistische Delegation zu empfangen, und ihn dann denunzierte, half Gö ring dabei. Die Gestapo bildet einen Staat im Staate und ist sakrosankt. Sie bat dar Recht, Haussuchungen vorzunehmcn, Verhaftungen durchzuführen und„mit den Verhafteten nach Gutdünken zu verfahren". Sie kann aber auch militä- rische Hilfe an fordern und verlangen, daß ihr politische Angelegenheiten von der Polizei abgetreten werden. Der Auslandsdienst mutz nach den Instruktionen der Leitung in Räumen, die von der Gesandtschaft getrennt sind, untergebracht und als privates Geschäftsunternehmen getarnt fein, doch muß der Leiter jeweils der Gesandtschaft zugeteilt sein und Exterritorialität genießen. Sein Stabschef ist zugleich Leiter des getarnten Büros. Ihm unterstehen auch bei kleineren Gesandtschaften drei bis vier Referenten und ein Heer von Agenten, die in eigenen Kursen ausgebildet werden. Diese bedienen sich dann noch ihrer Konfidenten, die nur die Agenten kennen. Jede Gestapostelle hat einen Techniker und einen Telegraphisten, einen Radioempfangsapparat für Kurzwellen, Langwellen und Ultrakurzwellen sowie eine eigene funktelegraphische Verbindung. Jeder Gestapomann besitzt eine Contax- Kamera, einen Schlagring und eine Maschinenpistole. Jedes Amt hat einen Theaterfriseur, der die Agenten unkenntlich machen kann. Ueberflüs» sig zu erwähnen, datz eS allenthalben Einrichtungen zur Ermittlung von Geheimsendern und Phonographen zur Aufnahme von Gesprächen auf Schallplatten gibt. Bon Interesse ist die Einteilung. Der Innendienst hat folgende Dezernate: 1. Organisationsangelegenheiten, Landessckmtz, 2. Marxistische Bewegung, 3. Alle politischen Bewegungen nutzer 2» 4 und 8, kulturelle und weltanschauliche Bewegungen, Beobachtung entlassener Beamter, insbesondere Polizei. 4. Nationalsozialistische Bewegung und Nahestehende, Stahlhelm, Arbeitsdienst, Luftschutz, wirtschaftliche und sozialpolitische Angelegenheiten, 4. Ein» und Ausbürgerung, Aberkennung der Staatsangehörigkeit, Aufenthaltserlaubnis, Ausweisungen, Einreiseerlaubnis, Patz- und Sichwermerke, Namensänderungen, eingetragene Vereine. 5. Legale Presse, Waffen-, Munitions- und Sprengstoffvergehen, Druckschriften, politische Büchereien. 7. Schutzhaft, 8. Beschränkung des Eigentums, Eingriffe in Vereinsrecht, Verwertung beschlagnahmten Vermögens, Logen, Freimaurer , Juden, Emigranten, Postgeheimnis. Der Autzendienst verfügt über folgende Inspektionen: 1. Abwehr, 2. Marxisten, Juden, Emigranten, illegale Press«. 3. Alle polttischen Bewegungen außer Marxismus , Kirchenangelegenheiten. 4. NSDAP , Stahlhelm, Arbeitsdienst, Luftschutz, Wirtschaftspolitik, Wirtschaftssabotage, 5. Ein» und Ausbürgerungen, Aufenthaltserlaub-- nis, Pässe. 8. Legale Presse, Waffen«, Muni« tionS- und Sprengstoffvergehen, Politisch« Füh- rung. 7. Zur besonderen Verwendung. Paradies Deutschland Berlin . Der stellvertretende Leiter der ReichSbctriebSgemeinschaft der freien Berufe, Dr. Strauß, teilte in einer Versammlung in Ham burg mit, daß die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei einigen freien Berufen erschütternd seien. Im ganzen üben in Deutschland etwa 1.6 bis 2 Millionen Menschen freie Berufe auS. Gänze Gruppen von ihnen hätten ein monatliches Einkommen von 20 bis 30 Mark als Durchschnittsverdienst angegeben. VILLA OASE oder: DIE FALSCHEN BORGER Roman von Eugene Dabll Berechtigte Uebertragung aus dem Französischen von Bejot „Ich glaube, ich werde mich bald einleben. Man ist nett zu mir. Und, weißt du, der Arzt hat mich untersucht und gesagt, ich solle Radio haben.", Alfred und Rose, seine Frau, tauchten auf. »Hast ja schöne rote Backen", stellte er fest. Er war hoffnungsvoll. Wie ihre Eltern und Onkel und Tante Arenoud. Sie hatte in der ersten Nacht vor Stöhnen nicht schlafen können und gesehen, daß man einen Wandschirm vor eins der Betten schob. Am Morgen hatte ihre Nachbarin auf ihre Frage geantwortet:„Es ist schon die zwölfte, die gestorben ist. Fünf Monate hat sie sich gequält." Alle die gesunden Menschen, die sie heute umgaben, gehörten zu einer Welt, aus der sie vertrieben war. Sie sah sonst nur noch langgestreckte Körper, fleischlose Gesichter, sie hörte nur Wehklagen, Rufe und diesen furchtbaren Husten, der, bald in der einen, bald in der anderen Ecke des Saales ausbrechend, hier nachließ, um dort mit verdoppelter Gewalt aufs neue zu beginnen und pfiff und keuchte wie ein Winterwind. Durch di« Fenster, die man morgens an der Nord-, nachmittags an der Südseite öffnete, drangen die Geräusche des Lebens. ES war unmöglich, ihre Kümmernisse» ihre Klagen los« zuwerden. Gewiß, Etienne hätte sie geteilt. Aber da er schon Tränen in der Stimme hatte, als er sich ihrer Spaziergänge erinnerte, hatte sie ihm ebenso zugeläcbelt, wie sie jetzt ihrer Mutter zulächelte. „Man machte Platz für Papa Adam, den sie- in seinem schwarzen Anzug schon von weitem erkannte. Unter der Weißen Weste wölbte sich sein runder Bauch. In der einen Hand trpg er seinen steifen Hut, in der anderen einen Strauß Mimosen. Als er am Bette stand, verkündete er mit tönender Stimme: „Ich bringe dir die Sonne, mein Kind." Sie roch an dem Strauß. Sie hörte auf das Stimmengesumm. Freundliche Hände legten ihr ein Kränzchen um die Sttrn. Man liebte sie, bemühte sich um sie, während so viele allein gelassen wurden. Dieses Bewußtsein gab ihr neuen Mut. Sie richtete sich wieder hoch, sprach mit fiebriger Leidenschaft, bot von ihren Kuchen und Orangen an und war beleidigt, wenn man nichts nehmen wollte. Sie streichelte Irmas Hand und sagte: „Ich habe noch nie so viel Schmuck an deinen Fingern gesehen." Sie wandte sich nach Rose um, die sie zum ersten Male sah, und beobachtete Berthe, die ihren Nachttisch aufräumte und sie schalt, datz sie so schlecht Ordnung hielt. Am Fußende erörterte man die Heilungsaussichten und lächelte ihr zu. Sie dankte durch ein Kopfnicken, das besonders innig war, wenn es Etienne galt. Sie warf ängstliche Blicke auf die Saaluhr, deren schwarze Zeiger vorrückten. Am liebsten hätte sie sie angehalten oder doch wenigstens die Kalenderblätter abgerissen, denn am Donnerstag begann das Fest von neuem. Ein Riefe erschien, mit dunkelrotem Gesicht, mächtigen Schultern, eingezwängt in einen hellen Ueberzieher. Der große Felix, Juliens Teilhaber. „Ich habe meine Ellbogen brauchen müssen, um noch hereinzukommen", sagte er.„Guten Tag, Helene. Entschuldige, daß ich mich verspätet habe." Sie hatte gerade noch Zeit, ihm zu danken, als eine mahnende Schwester austauchte. Man küßte sie, empfahl ihr, brav zu sein und versprach, sie bald ivieder zu besuchen. Sie umfaßte den Arm ihrxr Mutter. Ernest, Alsted und der große Felix entfernten sich. Julien und Papa Adam folgten nach, schwer und stark wie das Leben selbst. Berthe und Etienne wandten sich um. Da küßte sie Irma zum letzten Male. „Jetzt muß ich fort, Liebling, alle anderen sind schon draußen." „Nun find die Krank-n wieder unter sich", dachte Helene,„und statt der Freunde sind nur die beiden grämlichen Schwestern übriggeblieben." Die folgte ihrer Mutter mit den Blicken. Irma fand ihre Gesellschaft am Portal. Julien faßte sie unter. „Bist ja so blaß, Dicke?" „Sie soll nicht so oft hierher gehen", meinte Alfred.„Das greift sie zu sehr an. Wie wär's. wenn wir eine kleine Stärkung zu uns nähmen?" „Kein dummer Gedanke", pflichtete Papa Adam bei.„Die Luft da drinnen! Man wagt kaum, den Mund aufzumachen.** Sie gingen in ein Cast. Nach einem solchen Besuch verlange der Körper Alkohol, erklärte Julien und bestellte einige steife Grogs. Der Duft von Rum und Tabak, den sie gierig in die Nüstern zogen, tat Wohl. Sie tauschten ihre Eindrücke aus, die vorwiegend günstig waren. Helene hatte fast nicht gehustet, und der Husten war überhaupt lockerer geworden. Das war ein sehr guter Zeichen, ein Beweis, daß er sich löste. Dann sprachen sie von Krankenhäusern. Von Saint-Louis, wo der große Felix, wie er ohne Erröten gestand, sich hatte spritzen lassen müssen, von Bichat , wo Alfred einmal mit einer Bauchfellentzündung gelegen hatte. Julien schüttelte sich. Er setzte den Fuß nur ins Krankenhaus, um dott Freunde zu besuchen. Lachend erzählt« er bei der Gelegenheit, man habe ihn in der Jugend für sHvindsüchtig gehalten. „Mit dem Brustkasten", prahlte er,„werde ich hundert Jahre alt. Die Aerzte sind alle.. Er tränk aus. Es war ihm eingefallen, daß seine Frau nicht gern von solchen Dingen reden hörte. Eine richtige Jungfer, seine Dickel „Na, vielleicht können wir uns was Besse ' rcS erzählen?" „Ohne mich", sagte der große Felix. muß ins Montbert zurück. Die Miß ist allein." Als er hinaus war, äußerte Julien feint Begeisterung über den Freund. Er wäre bet feinste Kerl, den man sich vorstellen könne. Chor' lier dagegen, der während des Krieges sein Teil' Haber in Säint-Dizicr gewesen war, habe immer geschimpft und schlechte Laune gehabt. „Trotzdem hast du mit ihm Geld gemacht" wandte Alsted ein. „Da müßte ich wett ausholen... Ich wollte nicht weg. Das Hotel, das mir Adam empfahl» lag mir zu nahe an der Front." Sie ließen ihre Erinnerungen aufleben. Ernest war der einzige unter ihnen, der den Krieg mitgemacht hatte. Alfred war einarmig' Felix herzkrank. Julien hatte damals an Asthiph gelitten, Papa Adam war über das Atter hin/ aus gewesen. Alle hatten sie verdammt geschul' tet, um es zu etwas zu bringen. Glücklicherweise» Denn heute gingen die Geschäfte nicht mehr st glänzend. Die Hochkonjunftur war vorbei, und ob die Deutschen je zahlen würden, war keines' Wegs sicher. „Wollen wir jetzt den Aperitif genehm!' gen?" fragte Ernest. Papa Adam und Julien tranken ihren Per' nod nur im Cast des Tourses. Sie standen aut Man beschloß, sich am nächsten Besuchstag wiebel am Bett des Mädels zu treffen. Am Donnerstag sah Helene ihre Eltern- Rose, Alsted , den großen Felix, Charlier und Nonoche. Und am Sonntag die Familie Ärenoub- Julien» in Begleitung der Portiersfrau, und Papa Adam, der, seinem Mündel zuliebe, a 11' das Rennen verzichtet hatte. (Fortsetzung folgt.)'
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15 (4.9.1935) 206
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