Nr. 216 Sonntag, 15. September 1035 Gerte 5 »Frau Doktor, Auskultanttn und Großgrundbesitzerstochter" Abenteuerliche Streiche einer Hochstaplerin Prag  . Die alte Erfahrung, daß Frauen, die sich der betrügerischen Hochstapelei ergeben, bei ihren Unternehmungen dreister, skrupelloser und mit mehr Phantasie zu Werke gehen als ihre männlichen Zunftgenossen, wurde neuerlich durch diesen vor dem Strafsenat Verner verhandelten Fall bewiesen. Bor diesem Senat hatte sich eine sehr hübsche junge Frau wegen einer langen Reihe von Betrügereien zu verantworten. Emanuela Kella, geborene Hodänek, versteht ihr Geschäft taffachnch von Grund au-. Emanuela Melka ist die Tochter einer armen Frau, die e- mitBersorgung-genüffen" von mo» natlich 85 KL fertigbrachte, ihrer Tochter den Besuch de- Gymnasium- zu ermöglichen. Diese legte die Reifeprüfung ab und fand Anstellung bei der Be­zirksbehörde inHorajjdoviee. Dort befreun­dete sie sich mit einem Kanzleibaemten de- Bezirks­gerichte-, mit dem fie sich später in Prag   wieder- sah, wohin dieser Beamte inzwischen versetzt wor­den war, und zwar als Kanzleibeamter de- Pra­ger Arbeitsgerichtes. Enmnuela, die inzwischen ihre Stellung aufgegeben hatte lder Grund geht aus dem Strafakt nicht hervor), bat ihn als alten Bekannten, auf der Kanzleffchreib- maschine einige Korrespondenzen erledigen zu dür­fen, was ihr auch gestattet wurde. Der alte Freund der geschäftStüchffgen Emanuela wußte allerdings nicht, welcher Art dieseKorrespondenzen" waren. Sie stellte sich auf der Kanzleischreibmaschine zwei Dokumente aus, nach deren Wortlaut Frl. FUDr. Mekka  , AuSkultantin des Prager  Arbeitsgerichtes, ein Monatsgehalt von 1025 AL beziehe und dieses Gehalt durch keinerlei Forderungen bedeckt fei". Diese fingierten Dokumente versah sie heimlich mit den erforderlichen Stampiglien und Unterschrif­ten und ging an dieArbeit". Bei der Firma Rudinger erhielt sie ge­gen Vorlage dieser Dokumente anstandslos Stoff« im Werte von 860. KLaufKredit. Ein Schuhmacher lieferte derAuSkultantin" nicht nur ein Paar teuerer Schuhe, sondern lieh ihr noch in bar 250 KL usw. Die saubereAuSkultantin" hat aber bereits vorher eine lange Reihe von Betrügereien verübt, wenn auch ohne Ausnützung der selbstverfertigten Dekrete. Im Oktober deS Vor­jahre- befreundete sie sich in einem NachtcafL mit einem Beamten Jaroslav H o r ä k, dem sie sich mit ihrem Mädchennamen, aber abgeänderten Vornamen als JUDr. Milena H o d ä n e k vorstellte und al- AuSkultantin des Bezirksgerichtes Prag  -West. Diesem Freund zapfte sie unter allerhand Vorspie­gelungen über 1000 KL als Darlehen ab, die der Geschröpfte um so eher hergab, als sich ihm die Emanuela als GroßgrundbesitzerStocht« ausgegeben hatte. Der Zufall kam ihr zuhilfe, indem HorLk plötzlich nach Kladno   versetzt wurde. Nun nahm die Angeklagte dessen Kollegen H r u s k a aufs Korn, dem sie gelegentlich vorgestellt worden war und borgte" ihm gleichfalls 1000 KL ab. Im Mai d. I. fiel Ihr unter genau den glei­chen Umständen em Herr Wenzel P e s e k zum Opfer, dem fie 790. KL herauSlockte und den sie überredte, ihr, da er kein verfügbares Geld mehr besaß, einen kostbaren venezianischen Spiegel zu überlassen. Natürlich trat sie auch in diesem Fall als Doktorin der Rechte und Groß­grundbesitzerstochter auf. Emanuela war aber nicht wählerisch in der Auswahl ihrer Opfer. Als sie einmal Geld brauchte, fälschte sie einen Brief, in welchem der letzterwähnte Herr H r u i k a den Zählkellner seines Stamm­lokale- anwieS, der Ueberbringerin 850 KL auSzu­zahlen. Diese- Manöver hatte och« nur teilweisen Erfolg, da der Ober nicht mehr als 180 KL zur Hand hatte, die« ihr freilich ohne Bedenken über­gab. Ein Kapitel für sich bilden die kostenlo­sen Autoreisend« Angeklagten, wobei meh- rue Chauffeure schwer geschädigt wurden. Einen dies« Chauffeure dirigierte sie zunächst nach Bu­tz e n t s ch, von dort nach Theresienstadt  , von dort nach Klattau  , von dort über Horaj« d o v i c e nach Brünn  . Der Chauffeur, der einen Schaden von 1840 KL«leidet, war i n S- gesamt vier T a g e u n t e r w e g s und wurde bereits alS vermutliches Opfer eine- Attentates durch Radioaufruf gesucht! Dievornehme" Kundin hetzte den Chauffeur unter den buntesten Vorspiegelungen in der Welt herum. Allerorten suchte sie einen Bekannten oder Verwandten, der natürlich niemals zu Hause war. Zum Schluß gab sie dem Chauffeur einen billigen Ring zum Pfand und als er auch ihren Fuchs­pelz beschlagnahmen wollte, erklärte sie in Hoheit-« boller Empörung:Ausgeschlossen den brauche ich zu Repräsenta­tionszwecken! Und der einfältige Chauffeur schenkte demFräulein Doftor" Glauben!... Einen anderen Chauffeur prellte sie um 600 KL Fahrgeld, indem sie sich nach Senftenb«g fah­ren ließ und dort verschwand. Vor dem Straffenat Berner bekannte sich die Angeklagte im wesentlichen schuldig und berief sich lediglich auf ihre leichtsinnige Natur und ihre unglückliche Ehe, wobei fie ihresehr gute Erzie­hung" nachdrücklichst betonte. Auf die Frage des Beisitzers OGR. Dr. Pazderskh, warum sie sich ausgerechnet den Doftortitel angemaßt habe, antwortete sie kokett:Ach nur au- Kaprice 1" Emanuela Melka hat Glück gehabt. Nach der stattlichen Liste der eingrklagten Delikte hätte sie wohl eine schwere Strafe zu gewärtigen gehabt. Sie ist aber kurz vorher vor dem Krei-gericht Klattau  wegen anderweitiger Delikte zu einem Monat Kerker verurteilt worden. So kmmte der Straf­senat im Sinne der Strafprozeßordnung nur eine Ergänzungsstrafe verhängen. Das Urteil lautete auf weitere fünf Monate schweren Kerker-. Die Angeklagte bat um eimnonatlichen Straf­aufschub, weil in den nächsten Tagen vor dem Zivil« krcisgericht in Pilsen   ihr Ehescheidungs­prozeß verhandelt werde und der Gerichtshof bil­ligte ihr trotz Einspruch de- Staatsanwaltes diesen Aufschub zu. Es ist freilich die Frage, ob dieser Ausschub der Angkelagten frommen wird, denn ge­rade die Pilsner Polizei sucht sie seit längerer Zeit wegen ein« ganzen Reihe wei­terer Schwindeleien. rb. Sn zweijähriges Kind als Geisel Bon Herrn mag. seient. Mogens P i h I, Kol- ding, Göhlmannsvej 86, in Dänemark   werde ich um Bekanntgabe folgenden Berichtes gebeten: Durch einen Studienkameraden hörte ich, daß ein zweijähriges Kind, dessen Mutter nach Dänemark   emigriert war, sich im Gewahrsam der deuffchen Polizei befand. Da die Mutter wegen des Schicksals ihre- Kindes sehr ängstlich war und da sie eS selbst nicht holen konnte, beschlossen meine grau und ich auf Bitte meines Freundes, das Kind in Pflege zu nehmen und es zunächst einmal aus Deutschland   zu holen. Von der Mutter erfuhr ich, daß sie das Kind, dessen Name Karl Ernst Fränkel ist, einer Freundin überlassen hatte, deren Adresse ich er­hielt. Außerdem bekam ich ein« Vollmacht, die die Mutter ausgestellt und ein Notar in Kopen­ hagen   beglaubigt hatte. Ich wandte mich sofort an die Adresse der Freundin der Mutter in Berlin   und erfuhr dort, daß die Polizei da- Kind in ein Waisenhaus ge­bracht hatte. Ich wandte mich an das Heim. Dort stellte sich heraus, daß die Identitätskarte des KindeS die Bemerkung enthielt, daß die Mutter verhaftet werden sollt«, sobald sie sich an das Heim wegen Herausgabe deS Kindes wenden würde. Im übrigen wurde ich an das Rathaus Berlin-Char­lottenburg gewiesen. Auf dem dortigen Jugend­amt sollte di« Enffcheidung über daS Kind ge­troffen werden. Dort gab man mir keine klare Auskunft und sagte mir, nur die Geheime Staats­ polizei   könnte di« Entscheidung treffen. Auf der Geheimen Staatspolizei wurde ich von einem Kommissar empfangen, der auf das bestimmteste meinen Antrag abwieS mit der Be­gründung, die Mutter soll« selbst das Kind holen. Die Begründung hörte ich an allen Stellen, wo ich gewesen bin, mit dem Hin­weis, die Lich  « der Mutter zu ihrem Kind könne ja nicht sehr groß sein, wenn sie eS nicht selbst holen wolle. Man hält das Kind als Gei­sel zurück, da die Polizei offenbar stark das Kommen der Mutter wünscht. Im übrigen verbrachte ich eine höchst unan­genehme Zeit auf der Geheimen Staatspolizei, da mein« dänische Staatsbürgerschaft und auch meine Person sichtbar in Zweifel gezogen wurden. Mein Paß wurde mir abgenommen und gründlich unter­sucht, wobei mehrere der Polizeibeamten laut darüber diskutierten, wie vorzüglich die Kommu­nisten Pässe fälschen könnten. Ich selbst bin Mit- glied der dänischen sozialdemokratischen Partei. Man steht hier einem typischen Fall von Justiz­willkür gegenüber. Dem Kind ist gute Pflege in Dänemark   gesichert, aber man behält das Kind zurück für die Frau, deren einzige- Verbrechen darin besteht, daß sie antinazistisch eingestellt ist. Im übrigen fiel mir auf und macht mich unruhig, daß der Vorsteher des Waisenhauses bei ein« Unterredung mit mir über daS neue Deutschland  die Bemerkung machte, daß man sich in erster Linie für di« gesunden Menschen interessier« und die kranken Menschen nurmitdemRot« wendigsten versorge." Genügt dieses Material, um die liberalen Aweifler über daS zu unterrichten, was sich als »neuer Geist" in Deuffchland präsentiert? Jetzt hat der Lügenapparat des deutschen   Reichspropa­gandaministers da- Wort. Neue Terrorwelle in Deutschland  Die GefSnsnlsse überfüllt (P. G.) In derB e r u« r T a g w a ch t" lesen wie folgenden entsetzenerregenden Tat­sachenbericht aus dem Dritten Reich: In den letzten Wochen häufen sich erneut die Mitteilungen über den Terror in Deutschland  . .Einzelheiten aber werden oft genug selbst in grundsätzlich antifascistischen Kreisen für Ueber« treibungen gehalten. ES ist heute in den nicht» fascistischen Ländern genau so, wie es vor Er­richtung des Hitler-Regimes in Deutschland   war: Als die polnische Parlaments-Opposition in Brest- Litowsk   in die Kasematten gesperrt und mißhan­delt wurde, wollte man eS nicht glauben. Als Henri Barbusse   sein Buch»Tatsachen" veröffent­lichte über die Terrorgreuel in Bulgarien  , Ru­ mänien  , Ungarn  , Italien  , Jugoslawien  , hielt man den Inhalt für agitatorische Entstellung. Bei Meldungen aus dem heutigen Deutschland   ver- lan'gt man Namen. Man kann zu einem solche» Verlangen zweierlei sagen: Erstens muß sich der Bürger eines liberalen Staates daran gewöhne», daß in fascistischen Län­dern das Prügeln, Brennen, Hungern- und Frie- renlaffen der politischen Opposition zurnormalen Staatsführung" gehört, auch dann, wenn die Opfer keiner anderen»Schuld" verdächtig sind, als eben antifascistischer Gesinnung. Zweitens, daß mit Rücksicht auf die Sicher­heit unserer Berichterstattung allenfalls die Namen der Ermordeten genannt werden können. Ihnen gegenüber ist das fascistische Regime machtlos. Darum also: In Altona   wurde d« 60 Jahre alte Ar­beit« Ott«mordet. Am 20. Mai wurde FrauLasch, 34 Jahre, verhaftet. Ihr Mann ist auf 15 Jahre in- Zuchthaus gesperrt. Am 28. Mai wurde sie g e f o l t e r t, um Adressen zu erpressen, mit dem Erfolg, dass sie am 30.| Mai in der Irrenanstalt Grifmkerg   bei Essen  starb. Am 20. Mai wurde d« Arbeit« Frank aus Berghausen festgenommen und am 4. Juni zu Tode geprügelt. Dasselbe ge­schah mit dem Arbeit« Neugebauer in Essen   am 5. Juni, in d« Nacht vom 5. und 6. Juni mit dem Arbeit« Breuer. Zur gleichen Zeit mit v i e r a«d«en in Dortmund  . Mitte Mai und Mitte Juni wurden verhaf­tet in r S 160, in Rheinhausen   28, in Essen  -Oberhausen   100, in DinS> a- ken 22, in Homburg   12 Personen. Die Ge­fängnisse sind überall überfüllt. DaS Essen ist ungenießbar. Die neueste Foltermethode ist, daß man die Gefangenen vor eine weißgetünchte Wand stellt undStillstehen* kommandiert. Die Opfer haben eine, zwei, drei Stunden zu stehen. Da die Wand keinen Fixierpunkt bietet, ist das Stillstehen so gut wie unmöglich. ES tritt Schwin­del«in; Augenschließen hilft nur für wenige Augenblicke. Mißhandlungen beim Hin- und Her­schwanken sind die Folge. Im Prozeß gegen Brünen, Nie der- hellmann und Genossen in Westdeutschland wurden die Gefangenen gefesselt vorgeführt und täglich zwei bis drei Stunden geprügelt. Die 24 Jahre alte Berta Karg  aus München   wurde zu 18 Jahren Zuchthaus  verurteilt, weil sie mit einembesonders gefähr­lichen Emigranten" Verbindung aufrechterhalten hatte. Die Nazi-Parteikorrefpondenz bei der Identifizierung des Staates mit der Partei ein amtliches Organ fordert Todesstrafe gegen alle Juden, die Nichtjuden als Untermieter,! ärztliche Patienten, Rcchtskliniken, HäuSpersonal annehmen. Die Ernennung des ReichstagSbrand- stifterS Helldorf zum Berliner   Polizeipräsi­ denten   bietet die besten Aussichten für die Durch­führung dieser Forderung^ Luftkrieg 1938" Ein neuer ZukunstSkriegSroman? Nicht ganz. Der Verleger hat daS im Jahre 1982 erschienene BuchLuftkrieg 1936 Die Zertrümmerung von Paris  " als billigen Serienband auf den Markt ge­bracht, mit der einzigen Aenderung, daß der Ver­fass« das Datum deS Krieges um zwei Jahre ver­schiebt. Aber: eine neue Note hat der Roman für den kritischen Leser erhalten, seitdem Dorothy Wood­man in ihrem außerordentlichen Dokumentenwerk HitlerS Luftflotte startbereit" berichtet hat, daß sich hinter dem AutornamenMajor Helders" einer der engsten Mitarbeiter GöringS im deuffchen Lust­fahrtwesen verbirgt Dr. KnauS, der Ches der Deutschen Lufthansa. Dadudrch wird der Rang deS RomaneS als eines kriegswis­senschaftlichen Werkes beglaubigt und in der Tat finden wir daS Buch in den Bibliotheken der Kriegsministerien. Denn in der Debatte üb« den ZukunftSkrieg hat die Phantasie Heimattecht; auch die Wissenschaft kann da nur mit Wahrscheinlich­keiten arbeiten; und die bildhafte Schilderung künf­tiger KriegSgeschehntffe erhält den Wert der Lösung umfassenderManöveraufgaben"'. Wird fie von einem ernstzunehmenden Fachmann geliefert, so fft sie ebenfalls ernstzunehmen. Und ist sie noch wie dieser Roman mit unleugbaren schriftstellerischem Geschick geschrieben, so wird die Gefahr aller solchen Bücher, daß sie die KriegSromanttk fördern, um so größer. Für unS aber hat das Buch ein anderes Interesse: eS ist das Gedankenexperiment eines hohen LuttofftzierS, der, indem« einen englisch  -französi­schen Krieg annimmt, sich einen künftigen deutsch  -französischen Krieg konkret borzuftellen sucht. Da der Verfasser offenbar England als Feind Frankreichs   nur statt Deuffchland vorschiebt, so ist auch die angenommene Kriegsursache von geringem Interesse. Ein Zwischenfall in Aegypten   verlaßt Frankreich  , dort Truppen zu landen für England der Kriegsfall. Am 8. Juli 1988 um 20 Uhr läuft das englische Ultimatum an Frankreich   ab, ohne be- ftiedigende Antwort. Am 9. Juli um 4 Uhr früh »rdnet die französische   Regierung den Kriegszustand an; und kurz nach 6 Uhr wird er beretts in der furchtbarsten Weis« Wirklichkeit. Im englischen Kriegsrat hat der Chef der Luftflotte, Brackeley, die Oberhand bekommen und den Luftangriff auf die Rüstungszentren Frankreichs  , mit dem weiteren Zweck die Bevölkerung zu terrorisieren, durchgesetzt. Der erste Bombenangriff am zeitlichen Morgen deS 9. Juli gilt Paris   und er erzeugt sofort ein« wilde Panik. Spreng- und Brandbomben zerstören die kriegSwichffgen Teile der Stadt und berauben fie deS elektrischen Stroms, deS Wasser- und Leuchtgases und der Eisenbahnverbindungen. Tausende von Ein­wohnern werden von den Bomben zerrissen oder unter den einstürzenden Häusern begraben. Ein explodierendes Gaswerk wirkt verheerend auf den Sttom der bereUS Flüchtenden. Alle- will fort, in rasender, planloser Hast. Die über der Stadt auf­gestiegenen Jagdflieger sind durch die Überlegene Feuerkraft" der englischen Bomber niedergekämpft worden; ein weiterer Angriff ftanzösischer Flieger auf daS zurückkehrende englische   Geschwader wird von diesem mit einigen Verlusten abgewiesen. Der Pariser   Kommandant ordnet die Räumung der Stadt an. Die Mobilmachung der Pariser   Dienstpflichti­gen erweist sich infolge der Zerstörung» der Bahnhöfe und der Meutererstimmung in der Bevölkerung als undurchführbar. Da- Kabinett flüchtet nach dem (200 Kilometer südwestlich gelegenen) TourS; dort tritt auch daS Parlament zusammen, jedoch auf ein Drittel reduziert; ein Dreierausschuß, bestehend au- Ministerpräsident, Kriegs- und Arbeitenminist«, er­greift die Zügel der Regierung. Am 9. Juli nach­mittags wird ein ftanzösischer Fliegerangriff auf London   durch die überlegene Geschwadertaktik d« englischen Luftflotte abgewiesen. Und wieder wird, in der Nacht zum 10., da- unglückliche Paris   bom­bardiert, außerdem Brüssel, Antwerpen   und drei an­dere Städte. Die Franzosen machen einen berzwei- felten Gegenangriff: sie landen eine EinfallSarmee, zum ersten Mal seit Jahrhunderten durchbricht ein Feind Englandsglänzende Isolierung". Der französische   Handstreich auf den Hafen Portland ge­lingt und am 11. Juli find bereits französische Trup­pen in breiter Front und 40 Kilometer tief in daS Jnsellönigreich eingtdrungen. Da greifen englische Luftgeschwader den eigenen Hafen Portland mtt Bomben an und stören die ftanzösischen Transporte, verwüsten allerdings Leben und Eigentum der Be­wohner. Zwar gelingt nicht der Angriff mit Flug­zeugen auf die ftanzösische Transportflotte. Die erste Enffcheidung aber bringt eine große Suschlacht am 11. Juli nachmittags. Schon hat die Ueber- legenheit der schnellen französischen   Kreuzer den eng­lischen Admiral gezwungen, sich zum Rückzug zu ent­schließen, da greifen rechtzeüig 162 englische Rie­senflugzeuge in die Schlacht«in und vermögen mit Bomben, Maschinengewehrfeuer auS geringen Höhen und Lufttorpedos die Kampftrast der ftanzösischen Schiffe zu brechen. Und auch in die Landschlacht greift die englische Luftflotte, nachdem sie die fran- zösische verfolgt und nied«gekämpst hat, ein. Die ftanzösische EinfallSarmee hat am 12. Juli bereit- mit 90 Tanks die vordere englisch  « Linie durchbro­chen, als 70 englische Flugzeuge erscheinen und ttotz ungünstiger Witterung die Tankgeschwader zu zer« sprengen vermögen, wenngleich mit großen eigenen Verlusten. ES fällt auch der Kommandant der eng­lischen Luftflotte, General Brackeley. Da unterneh­men die Engländer noch einen Rachezug in da- ftan­zösische Hinterland und suchen eine ganze Reihe von Städten bi- Lyon   mit Brand und Mord heim. Die ftanzösische Regierung ab«, von bolschewistischem Aufstand bedroht und außerstande, weit«e Luft­angriffe abzuwehren, muß Frieden um jeden PreiS schließen. Die Tendenz deS Buche-, daS llebergewicht der Luftwaffe üb« die anderen Waffengattungen zu demonstrieren, ist deutlich sichtbar. DaS unermeß­liche Unheil der Luftangriffe ist nur ein Grund mehr, sie zu unternehmen. Die Verzweiflung der bettoffenen Bevölkerung ist ebenso sachlich geschil­dert wie die im einzelnen begründete Strategie und Takttk der auS Riesenflugzeugen bestehenden Ge­schwader oder die Arbeitsteilung im Flugzeug, die durch Spezialisierung weit über die Leistung de- Einzelpiloten hinausführt. Die Gesinnung deS Buche- enffpricht ganz jener d« Herren des heutigen Deutschland  : Barbaren im Besitz von Wissenschaft und Technik, die sie erbeutet haben wie andere Krieg-mittel auchl Trotzdem ist der Verfasser keineswegs ftei vonGefühlsduselei", die ungeachtet seiner DarstellungSgabe widerlich kiffchig wirken muß. WaS empfindet der eine Helv deS Romans, der Leutnant Winton, al- sein näch­ster Vorgesetzter und Freund, Kapitän Crawley, ein Gefecht ankündigt?Sein Körper straffte sich dem unbekannten Schicksal entgegen. WaS auch kommen möge, an der Seite diese- Manne-, unter der Füh­rung seine- Marc Crawley, war. es gut zu fallen... Und über und durch diese kleinsten Zellen der Waf- fenkameradschast zuckte wie ein xlekttischer Funke der Geist DrackeleyS." Brackeley fliegt über einen eng­lischen Bauernhof, die Familie winkt herauf:Ja, du englisches Volk, für dich kämpfen wir, für dich fallen wir", sagt Brackeley zu sich. Als aber leider die Bevölkerung der eigenen Hafenstadt massakriert werden muß, da läßt sich eben nichts tun; denn Krieg muß sein. Hier aber hat auch die Kritik anzusetzen. Knaus läßt den ftanzösischen Lustangriff auf Lon­ don   daran scheitern, daß die Engländer das feind­liche Geschwader rechtzeitig aufspüren und eS in die Flucht treiben. Mit dieser Annahme steht Knaus, soviel ich sehe, allein. Ob wir den Urheber des Gedankens vomtotalen Luftkrieg", den Italiener Douhet, ob wir anerkannte deuffche Fachmänner wie Hauptmann Ritter oder ftanzösische wie den Luft­minister Denain   beftagen sie alle wissen, daß Luftangriffe nicht abgewehrt, daß sie nur verhindert werden können durch Vernichtung der feindlichen OperattonSbasiS aus dessen eigenem Boden. Bei der übergroßen Schwierigkeit dieses Unternehmen- haben sie alle dem Luftkrieg den Charakter de- D o p p e l« selbstmords der beiden Kriegsgegner zugeschrie­ben. Das müßte ein Luftoffizier wie KnauS wissen und er müßte darüber zum Kriegsgegner werden. Ab« versucht eS, Männer von der Art Doktor KnauS' zu überzeugen! Vergebliche Hoffnung; sie können nur durch größere Macht gezwungen werden. Gelingt«S nicht, die Herren des Dritten Reich  -, die ttotz allem, was sie gleich un- wissen, den Krieg wollen, politisch zu schlagen, dann wird die wilde Jagd deS modernen Kriegs, wie ihn Knaus aufs abschreckendste geschildert hat, über uns, aber auch über ihr Reich hinwegbrausen. E. B.