Nr. 216Sonntag, 15. September 1035Gerte 5»Frau Doktor, Auskultanttn undGroßgrundbesitzerstochter"Abenteuerliche Streiche einer HochstaplerinPrag. Die alte Erfahrung, daß Frauen, diesich der betrügerischen Hochstapelei ergeben, beiihren Unternehmungen dreister, skrupelloser und mitmehr Phantasie zu Werke gehen als ihre männlichenZunftgenossen, wurde neuerlich durch diesen vor demStrafsenat Verner verhandelten Fall bewiesen.Bor diesem Senat hatte sich eine sehr hübsche jungeFrau wegen einer langen Reihe von Betrügereienzu verantworten. Emanuela Kella, geboreneHodänek, versteht ihr Geschäft taffachnch vonGrund au-.Emanuela Melka ist die Tochter einer armenFrau, die e- mit„Bersorgung-genüffen" von mo»natlich 85 KL fertigbrachte, ihrer Tochter den Besuchde- Gymnasium- zu ermöglichen. Diese legte dieReifeprüfung ab und fand Anstellung bei der Bezirksbehörde inHorajjdoviee. Dort befreundete sie sich mit einem Kanzleibaemten de- Bezirksgerichte-, mit dem fie sich später in Prag wieder-sah, wohin dieser Beamte inzwischen versetzt worden war, und zwar als Kanzleibeamter de- Prager Arbeitsgerichtes. Enmnuela, dieinzwischen ihre Stellung aufgegeben hatte lderGrund geht aus dem Strafakt nicht hervor), batihn als alten Bekannten, auf der Kanzleffchreib-maschine einige Korrespondenzen erledigen zu dürfen, was ihr auch gestattet wurde. Der alte Freundder geschäftStüchffgen Emanuela wußte allerdingsnicht, welcher Art diese„Korrespondenzen" waren.Sie stellte sich auf der Kanzleischreibmaschine zweiDokumente aus, nach deren Wortlaut„Frl. FUDr. Mekka, AuSkultantin des PragerArbeitsgerichtes, ein Monatsgehalt von 1025AL beziehe und dieses Gehalt durch keinerleiForderungen bedeckt fei".Diese fingierten Dokumente versah sie heimlichmit den erforderlichen Stampiglien und Unterschriften und ging an die„Arbeit".Bei der Firma Rudinger erhielt sie gegen Vorlage dieser Dokumente anstandslos Stoff«im Werte von 860.— KLaufKredit.Ein Schuhmacher lieferte der„AuSkultantin" nichtnur ein Paar teuerer Schuhe, sondern lieh ihr nochin bar 250 KL usw. Die saubere„AuSkultantin"hat aber bereits vorher eine lange Reihe vonBetrügereien verübt, wenn auch ohne Ausnützungder selbstverfertigten Dekrete. Im Oktober deS Vorjahre- befreundete sie sich in einem NachtcafL miteinem Beamten Jaroslav H o r ä k, dem sie sich mitihrem Mädchennamen, aber abgeänderten Vornamenals JUDr. Milena H o d ä n e k vorstellte und al-AuSkultantin des Bezirksgerichtes Prag-West.Diesem Freund zapfte sie unter allerhand Vorspiegelungen über 1000 KL als Darlehen ab, die derGeschröpfte um so eher hergab, als sich ihm dieEmanuela als GroßgrundbesitzerStocht« ausgegebenhatte. Der Zufall kam ihr zuhilfe, indem HorLkplötzlich nach Kladno versetzt wurde. Nun nahm dieAngeklagte dessen Kollegen H r u s k a aufs Korn,dem sie gelegentlich vorgestellt worden war und„borgte" ihm gleichfalls 1000 KL ab.Im Mai d. I. fiel Ihr unter genau den gleichen Umständen em Herr Wenzel P e s e k zumOpfer, dem fie 790.— KL herauSlockte und den sieüberredte, ihr, da er kein verfügbares Geld mehrbesaß, einen kostbaren venezianischenSpiegel zu überlassen. Natürlich trat sie auch indiesem Fall als Doktorin der Rechte und Großgrundbesitzerstochter auf.Emanuela war aber nicht wählerisch in derAuswahl ihrer Opfer. Als sie einmal Geld brauchte,fälschte sie einen Brief, in welchem der letzterwähnteHerr H r u i k a den Zählkellner seines Stammlokale- anwieS, der Ueberbringerin 850 KL auSzuzahlen. Diese- Manöver hatte och« nur teilweisenErfolg, da der Ober nicht mehr als 180 KL zurHand hatte, die« ihr freilich ohne Bedenken übergab.Ein Kapitel für sich bilden die kostenlosen Autoreisend« Angeklagten, wobei meh-rue Chauffeure schwer geschädigt wurden. Einendies« Chauffeure dirigierte sie zunächst nach Butz e n t s ch, von dort nach Theresienstadt, vondort nach Klattau, von dort über Horaj«d o v i c e nach Brünn. Der Chauffeur, dereinen Schaden von 1840 KL«leidet, war i n S-gesamt vier T a g e u n t e r w e g s undwurde bereitsalS vermutliches Opfer eine- Attentates durchRadioaufruf gesucht!Die„vornehme" Kundin hetzte den Chauffeurunter den buntesten Vorspiegelungen in der Weltherum. Allerorten suchte sie einen Bekannten oderVerwandten, der natürlich niemals zu Hause war.Zum Schluß gab sie dem Chauffeur einen billigenRing zum Pfand und als er auch ihren Fuchspelz beschlagnahmen wollte, erklärte sie in Hoheit-«boller Empörung:„Ausgeschlossen—den brauche ich zu Repräsentationszwecken! Und der einfältige Chauffeurschenkte dem„Fräulein Doftor" Glauben!...Einen anderen Chauffeur prellte sie um 600KL Fahrgeld, indem sie sich nach Senftenb«g fahren ließ und dort verschwand.Vor dem Straffenat Berner bekannte sichdie Angeklagte im wesentlichen schuldig und beriefsich lediglich auf ihre leichtsinnige Natur und ihreunglückliche Ehe, wobei fie ihre„sehr gute Erziehung" nachdrücklichst betonte. Auf die Frage desBeisitzers OGR. Dr. Pazderskh, warum siesich ausgerechnet den Doftortitel angemaßt habe,antwortete sie kokett:„Ach— nur au- Kaprice— 1"Emanuela Melka hat Glück gehabt. Nach derstattlichen Liste der eingrklagten Delikte hätte siewohl eine schwere Strafe zu gewärtigen gehabt. Sieist aber kurz vorher vor dem Krei-gericht Klattauwegen anderweitiger Delikte zu einem MonatKerker verurteilt worden. So kmmte der Strafsenat im Sinne der Strafprozeßordnung nur eineErgänzungsstrafe verhängen. Das Urteillautete auf weitere fünf Monate schweren Kerker-.Die Angeklagte bat um eimnonatlichen Strafaufschub, weil in den nächsten Tagen vor dem Zivil«krcisgericht in Pilsen ihr Ehescheidungsprozeß verhandelt werde und der Gerichtshof billigte ihr trotz Einspruch de- Staatsanwaltes diesenAufschub zu. Es ist freilich die Frage, ob dieserAusschub der Angkelagten frommen wird, denn gerade die Pilsner Polizei sucht sieseit längerer Zeit wegen ein« ganzen Reihe weiterer Schwindeleien. rb.Sn zweijähriges Kindals GeiselBon Herrn mag. seient. Mogens P i h I, Kol-ding, Göhlmannsvej 86, in Dänemark werde ichum Bekanntgabe folgenden Berichtes gebeten:„Durch einen Studienkameraden hörte ich,daß ein zweijähriges Kind, dessen Mutter nachDänemark emigriert war, sich im Gewahrsam derdeuffchen Polizei befand. Da die Mutter wegendes Schicksals ihre- Kindes sehr ängstlich war undda sie eS selbst nicht holen konnte, beschlossenmeine grau und ich auf Bitte meines Freundes,das Kind in Pflege zu nehmen und es zunächsteinmal aus Deutschland zu holen.Von der Mutter erfuhr ich, daß sie dasKind, dessen Name Karl Ernst Fränkel ist, einerFreundin überlassen hatte, deren Adresse ich erhielt. Außerdem bekam ich ein« Vollmacht, diedie Mutter ausgestellt und ein Notar in Kopenhagen beglaubigt hatte.Ich wandte mich sofort an die Adresse derFreundin der Mutter in Berlin und erfuhr dort,daß die Polizei da- Kind in ein Waisenhaus gebracht hatte. Ich wandte mich an das Heim. Dortstellte sich heraus, daß die Identitätskarte desKindeS die Bemerkung enthielt, daß die Mutterverhaftet werden sollt«, sobald sie sich an das Heimwegen Herausgabe deS Kindes wenden würde. Imübrigen wurde ich an das Rathaus Berlin-Charlottenburg gewiesen. Auf dem dortigen Jugendamt sollte di« Enffcheidung über daS Kind getroffen werden. Dort gab man mir keine klareAuskunft und sagte mir, nur die Geheime Staatspolizei könnte di« Entscheidung treffen.Auf der Geheimen Staatspolizei wurde ichvon einem Kommissar empfangen, der auf dasbestimmteste meinen Antrag abwieS mit der Begründung, die Mutter soll« selbst dasKind holen. Die Begründung hörte ich anallen Stellen, wo ich gewesen bin, mit dem Hinweis, die Lich« der Mutter zu ihrem Kind könneja nicht sehr groß sein, wenn sie eS nicht selbstholen wolle. Man hält das Kind als Geisel zurück, da die Polizei offenbar stark dasKommen der Mutter wünscht.Im übrigen verbrachte ich eine höchst unangenehme Zeit auf der Geheimen Staatspolizei, damein« dänische Staatsbürgerschaft und auch meinePerson sichtbar in Zweifel gezogen wurden. MeinPaß wurde mir abgenommen und gründlich untersucht, wobei mehrere der Polizeibeamten lautdarüber diskutierten, wie vorzüglich die Kommunisten Pässe fälschen könnten. Ich selbst bin Mit-glied der dänischen sozialdemokratischen Partei.Man steht hier einem typischen Fall von Justizwillkür gegenüber. Dem Kind ist gute Pflege inDänemark gesichert, aber man behält das Kindzurück für die Frau, deren einzige- Verbrechendarin besteht, daß sie antinazistisch eingestellt ist.Im übrigen fiel mir auf und macht mich unruhig,daß der Vorsteher des Waisenhauses bei ein«Unterredung mit mir über daS neue Deutschlanddie Bemerkung machte, daß man sich in ersterLinie für di« gesunden Menschen interessier«und die kranken Menschen nurmitdemRot«wendigsten versorge."Genügt dieses Material, um die liberalenAweifler über daS zu unterrichten, was sich als»neuer Geist" in Deuffchland präsentiert? Jetzthat der Lügenapparat des deutschen Reichspropagandaministers da- Wort.Neue Terrorwelle in DeutschlandDie GefSnsnlsse überfüllt(P. G.) In der„B e r u« r T a g w a ch t"lesen wie folgenden entsetzenerregenden Tatsachenbericht aus dem Dritten Reich:In den letzten Wochen häufen sich erneut dieMitteilungen über den Terror in Deutschland..Einzelheiten aber werden oft genug selbst ingrundsätzlich antifascistischen Kreisen für Ueber«treibungen gehalten. ES ist heute in den nicht»fascistischen Ländern genau so, wie es vor Errichtung des Hitler-Regimes in Deutschland war:Als die polnische Parlaments-Opposition in Brest-Litowsk in die Kasematten gesperrt und mißhandelt wurde, wollte man eS nicht glauben. AlsHenri Barbusse sein Buch»Tatsachen" veröffentlichte— über die Terrorgreuel in Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Italien, Jugoslawien—, hieltman den Inhalt für agitatorische Entstellung. BeiMeldungen aus dem heutigen Deutschland ver-lan'gt man Namen.Man kann zu einem solche» Verlangenzweierlei sagen:Erstens muß sich der Bürger eines liberalenStaates daran gewöhne», daß in fascistischen Ländern das Prügeln, Brennen, Hungern- und Frie-renlaffen der politischen Opposition zur„normalenStaatsführung" gehört, auch dann, wenn dieOpfer keiner anderen»Schuld" verdächtig sind, alseben antifascistischer Gesinnung.Zweitens, daß mit Rücksicht auf die Sicherheit unserer Berichterstattung allenfalls die Namender Ermordeten genannt werden können. Ihnengegenüber ist das fascistische Regime machtlos.Darum also:In Altona wurde d« 60 Jahre alte Arbeit« Ott«mordet. Am 20. Mai wurdeFrauLasch, 34 Jahre, verhaftet. Ihr Mannist auf 15 Jahre in- Zuchthaus gesperrt. Am28. Mai wurde sie g e f o l t e r t, um Adressenzu erpressen, mit dem Erfolg, dass sie am 30.|Mai in der Irrenanstalt Grifmkerg bei Essenstarb. Am 20. Mai wurde d« Arbeit«Frank aus Berghausen festgenommen undam 4. Juni zu Tode geprügelt. Dasselbe geschah mit dem Arbeit« Neugebauer inEssen am 5. Juni, in d« Nacht vom 5. und6. Juni mit dem Arbeit« Breuer. Zurgleichen Zeit mit v i e r a«d«en in Dortmund.Mitte Mai und Mitte Juni wurden verhaftet in Mö r S 160, in Rheinhausen 28, inEssen-Oberhausen 100, in DinS> a-ken 22, in Homburg 12 Personen. Die Gefängnisse sind überall überfüllt. DaS Essen istungenießbar. Die neueste Foltermethode ist, daßman die Gefangenen vor eine weißgetünchte Wandstellt und„Stillstehen* kommandiert. DieOpfer haben eine, zwei, drei Stunden zu stehen.Da die Wand keinen Fixierpunkt bietet, ist dasStillstehen so gut wie unmöglich. ES tritt Schwindel«in; Augenschließen hilft nur für wenigeAugenblicke. Mißhandlungen beim Hin- und Herschwanken sind die Folge.Im Prozeß gegen Brünen, Nie der-hellmann und Genossen in Westdeutschlandwurden die Gefangenen gefesselt vorgeführtund täglich zwei bis drei Stundengeprügelt. Die 24 Jahre alte Berta Kargaus München wurde zu 18 Jahren Zuchthausverurteilt, weil sie mit einem„besonders gefährlichen Emigranten" Verbindung aufrechterhaltenhatte. Die Nazi-Parteikorrefpondenz— bei derIdentifizierung des Staates mit der Partei einamtliches Organ— fordert Todesstrafegegen alle Juden, die Nichtjuden als Untermieter,!ärztliche Patienten, Rcchtskliniken, HäuSpersonalannehmen. Die Ernennung des ReichstagSbrand-stifterS Helldorf zum Berliner Polizeipräsidenten bietet die besten Aussichten für die Durchführung dieser Forderung^„Luftkrieg 1938"Ein neuer ZukunstSkriegSroman? Nicht ganz.Der Verleger hat daS im Jahre 1982 erschieneneBuch„Luftkrieg 1936— Die Zertrümmerung vonParis" als billigen Serienband auf den Markt gebracht, mit der einzigen Aenderung, daß der Verfass« das Datum deS Krieges um zwei Jahre verschiebt. Aber: eine neue Note hat der Roman fürden kritischen Leser erhalten, seitdem Dorothy Woodman in ihrem außerordentlichen Dokumentenwerk„HitlerS Luftflotte startbereit" berichtet hat, daß sichhinter dem Autornamen„Major Helders" einerder engsten Mitarbeiter GöringS im deuffchen Lustfahrtwesen verbirgt— Dr. KnauS, der Chesder Deutschen Lufthansa. Dadudrch wirdder Rang deS RomaneS als eines kriegswissenschaftlichen Werkes beglaubigt und inder Tat finden wir daS Buch in den Bibliotheken derKriegsministerien. Denn in der Debatte üb« denZukunftSkrieg hat die Phantasie Heimattecht; auchdie Wissenschaft kann da nur mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten; und die bildhafte Schilderung künftiger KriegSgeschehntffe erhält den Wert der Lösungumfassender„Manöveraufgaben"'. Wird fie voneinem ernstzunehmenden Fachmann geliefert, so fftsie ebenfalls ernstzunehmen. Und ist sie noch wiedieser Roman mit unleugbaren schriftstellerischemGeschick geschrieben, so wird die Gefahr aller solchenBücher, daß sie die KriegSromanttk fördern, um sogrößer. Für unS aber hat das Buch ein anderesInteresse: eS ist das Gedankenexperiment eines hohenLuttofftzierS, der, indem« einen englisch-französischen Krieg annimmt, sich einen künftigendeutsch-französischen Krieg konkretborzuftellen sucht.Da der Verfasser offenbar England als FeindFrankreichs nur statt Deuffchland vorschiebt, so istauch die angenommene Kriegsursache von geringemInteresse. Ein Zwischenfall in Aegypten verlaßtFrankreich, dort Truppen zu landen— für Englandder Kriegsfall. Am 8. Juli 1988 um 20 Uhr läuftdas englische Ultimatum an Frankreich ab, ohne be-ftiedigende Antwort. Am 9. Juli um 4 Uhr früh»rdnet die französische Regierung den Kriegszustandan; und kurz nach 6 Uhr wird er beretts in derfurchtbarsten Weis« Wirklichkeit. Im englischenKriegsrat hat der Chef der Luftflotte, Brackeley, dieOberhand bekommen und den Luftangriff auf dieRüstungszentren Frankreichs, mit dem weiterenZweck die Bevölkerung zu terrorisieren, durchgesetzt.Der erste Bombenangriff am zeitlichen Morgen deS9. Juli gilt Paris und er erzeugt sofort ein« wildePanik. Spreng- und Brandbomben zerstören diekriegSwichffgen Teile der Stadt und berauben fie deSelektrischen Stroms, deS Wasser- und Leuchtgasesund der Eisenbahnverbindungen. Tausende von Einwohnern werden von den Bomben zerrissen oderunter den einstürzenden Häusern begraben. Einexplodierendes Gaswerk wirkt verheerend auf denSttom der bereUS Flüchtenden. Alle- will fort, inrasender, planloser Hast. Die über der Stadt aufgestiegenen Jagdflieger sind durch die ÜberlegeneFeuerkraft" der englischen Bomber niedergekämpftworden; ein weiterer Angriff ftanzösischer Fliegerauf daS zurückkehrende englische Geschwader wirdvon diesem mit einigen Verlusten abgewiesen. DerPariser Kommandant ordnet die Räumung der Stadtan. Die Mobilmachung der Pariser Dienstpflichtigen erweist sich infolge der Zerstörung» der Bahnhöfeund der Meutererstimmung in der Bevölkerung alsundurchführbar. Da- Kabinett flüchtet nach dem(200 Kilometer südwestlich gelegenen) TourS; dorttritt auch daS Parlament zusammen, jedoch auf einDrittel reduziert; ein Dreierausschuß, bestehend au-Ministerpräsident, Kriegs- und Arbeitenminist«, ergreift die Zügel der Regierung. Am 9. Juli nachmittags wird ein ftanzösischer Fliegerangriff aufLondon durch die überlegene Geschwadertaktik d«englischen Luftflotte abgewiesen. Und wieder wird,in der Nacht zum 10., da- unglückliche Paris bombardiert, außerdem Brüssel, Antwerpen und drei andere Städte. Die Franzosen machen einen berzwei-felten Gegenangriff: sie landen eine EinfallSarmee,zum ersten Mal seit Jahrhunderten durchbricht einFeind Englands„glänzende Isolierung". Derfranzösische Handstreich auf den Hafen Portland gelingt und am 11. Juli find bereits französische Truppen in breiter Front und 40 Kilometer tief in daSJnsellönigreich eingtdrungen. Da greifen englischeLuftgeschwader den eigenen Hafen Portland mttBomben an und stören die ftanzösischen Transporte,verwüsten allerdings Leben und Eigentum der Bewohner. Zwar gelingt nicht der Angriff mit Flugzeugen auf die ftanzösische Transportflotte. Dieerste Enffcheidung aber bringt eine große Suschlachtam 11. Juli nachmittags. Schon hat die Ueber-legenheit der schnellen französischen Kreuzer den englischen Admiral gezwungen, sich zum Rückzug zu entschließen, da greifen rechtzeüig 162 englische Riesenflugzeuge in die Schlacht«in und vermögen mitBomben, Maschinengewehrfeuer auS geringen Höhenund Lufttorpedos die Kampftrast der ftanzösischenSchiffe zu brechen. Und auch in die Landschlachtgreift die englische Luftflotte, nachdem sie die fran-zösische verfolgt und nied«gekämpst hat, ein. Dieftanzösische EinfallSarmee hat am 12. Juli bereit-mit 90 Tanks die vordere englisch« Linie durchbrochen, als 70 englische Flugzeuge erscheinen und ttotzungünstiger Witterung die Tankgeschwader zu zer«sprengen vermögen, wenngleich mit großen eigenenVerlusten. ES fällt auch der Kommandant der englischen Luftflotte, General Brackeley. Da unternehmen die Engländer noch einen Rachezug in da- ftanzösische Hinterland und suchen eine ganze Reihe vonStädten bi- Lyon mit Brand und Mord heim. Dieftanzösische Regierung ab«, von bolschewistischemAufstand bedroht und außerstande, weit«e Luftangriffe abzuwehren, muß Frieden um jeden PreiSschließen.Die Tendenz deS Buche-, daS llebergewicht derLuftwaffe üb« die anderen Waffengattungen zudemonstrieren, ist deutlich sichtbar. DaS unermeßliche Unheil der Luftangriffe ist nur ein Grundmehr, sie zu unternehmen. Die Verzweiflung derbettoffenen Bevölkerung ist ebenso sachlich geschildert wie die im einzelnen begründete Strategie undTakttk der auS Riesenflugzeugen bestehenden Geschwader oder die Arbeitsteilung im Flugzeug, diedurch Spezialisierung weit über die Leistung de-Einzelpiloten hinausführt.Die Gesinnung deS Buche- enffpricht ganz jenerd« Herren des heutigen Deutschland: Barbaren imBesitz von Wissenschaft und Technik, die sie erbeutethaben wie andere Krieg-mittel auchl Trotzdem istder Verfasser keineswegs ftei von„Gefühlsduselei",die ungeachtet seiner DarstellungSgabe widerlichkiffchig wirken muß. WaS empfindet der eine HelvdeS Romans, der Leutnant Winton, al- sein nächster Vorgesetzter und Freund, Kapitän Crawley, einGefecht ankündigt?„Sein Körper straffte sich demunbekannten Schicksal entgegen. WaS auch kommenmöge, an der Seite diese- Manne-, unter der Führung seine- Marc Crawley, war. es gut zu fallen...Und über und durch diese kleinsten Zellen der Waf-fenkameradschast zuckte wie ein xlekttischer Funke derGeist DrackeleyS." Brackeley fliegt über einen englischen Bauernhof, die Familie winkt herauf:„Ja,du englisches Volk, für dich kämpfen wir, für dichfallen wir", sagt Brackeley zu sich. Als aber leiderdie Bevölkerung der eigenen Hafenstadt massakriertwerden muß, da läßt sich eben nichts tun; dennKrieg muß sein.Hier aber hat auch die Kritik anzusetzen.Knaus läßt den ftanzösischen Lustangriff auf London daran scheitern, daß die Engländer das feindliche Geschwader rechtzeitig aufspüren und eS in dieFlucht treiben. Mit dieser Annahme steht Knaus,soviel ich sehe, allein. Ob wir den Urheber desGedankens vom„totalen Luftkrieg", den ItalienerDouhet, ob wir anerkannte deuffche Fachmänner wieHauptmann Ritter oder ftanzösische wie den Luftminister Denain beftagen— sie alle wissen, daßLuftangriffe nicht abgewehrt, daß sie nur verhindertwerden können durch Vernichtung der feindlichenOperattonSbasiS aus dessen eigenem Boden. Bei derübergroßen Schwierigkeit dieses Unternehmen- habensie alle dem Luftkrieg den Charakter de- D o p p e l«selbstmords der beiden Kriegsgegner zugeschrieben. Das müßte ein Luftoffizier wie KnauS wissenund er müßte darüber zum Kriegsgegner werden.Ab« versucht eS, Männer von der Art DoktorKnauS' zu überzeugen! Vergebliche Hoffnung; siekönnen nur durch größere Macht gezwungen werden.Gelingt«S nicht, die Herren des Dritten Reich-, diettotz allem, was sie gleich un- wissen, den Kriegwollen, politisch zu schlagen, dann wird die wildeJagd deS modernen Kriegs, wie ihn Knaus aufsabschreckendste geschildert hat, über uns, aber auchüber ihr Reich hinwegbrausen. E. B.