ZENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IH DER TSCHICHOSIOWAKISCHEN REPUBLIK
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung präg xii., fochova a. telefon sxm, HERAUSGEBER! SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEURi WILHH.M NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR, DR. EMIL STRAUSS  , PRAG.
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15 Jahrgang
Donnerstag, 26. September 1935
Nr. 225
Genf  . Der Bölkerbundsrat tritt Don
Görings Jagdgäste sind außer Gömbös auch von Ribbentrop, Hillers Vertrauensmann in außenpolitischen Fragen, und eine Reihe hoher p o l.n i sch e r Funktionäre, so der Staatssekre­tär im Polnischen   Kriegsministerium General F a b r i r e, Fürst R a d z i w i l l und Graf P o t o ck i. Die Polnischen   Gäste weilen schon seit der Borwoche in Deutschland,  , ahne daß die deutsche Presse darüber berichtet hätte.
B u d a p c st. Der ungarische Ministrrprä- sident gömbös begibt sich Donnerstag früh im Flugzeug nach Deutschland  , um auf Einladung des Ministerpräsidenten General G ö r i n g an einer von diesem veranstalteten Jagd teilzuneh» men. Ministerpräsident Gömbös   wird auf seiner Reise auch Berlin   berühren und dort Hitler  seine Aufwartung machen.
daß er den Wert dieser Mitteilung h o ch ein­schlägt und sie mit Genugtuung ausgenom­men hat." Zu dieser amtlichen italienischen Mitteilung wird von maßgebender Seite noch bemerkt: Italien  habe keinen Streitfall mit England und wolle ihn auch jetzt nicht. Der Streitfall bestehe zwischen Italien   und Abessinien und der Kolonial­charakter dieses Streitfalles sei so klar, daß es für jeden gesunder] Menschenverstand unmöglich und widersinnig erscheine, ihn auf Europa   her- überzgtragen und damit die italienisch-englischen Beziehungen zu verfälschen. Der Nesus verlangt Feststellung des Angreifers Addis Abeba.  (Reuter.) Dir abes­sinische Regierung ersucht den Völkerbund, sofort ein Flngzeng der internationalen Kommission salls notwendig, auf Kosten der abessinischen Re­gierung nach Abessinien zu entsenden. Diese Kommission soll bezeugen, ob Abessinien Offensiv­maßnahmen ergriffen hat, und fcststrllen, wer die Feindseligkeiten beginnt. * Genf  . Nach den in Völkerbundkreisen vor­herrschenden Ansichten hat daS Ersuchen Abessi­niens um Entsendung von Beobachtern tp e n i g Hoffnung auf eine günstige Aufnahme durch den Rat, weil man der Ansicht ist, daß es nicht zur Beruhigung beitragen und schwerlich seine Mission erfüllen würde.
n e r s t a g um 10 Uhr 30 zusammen. Das Sekretariat des Völkerbundes veröf­fentlicht den Bericht des Fünferausschusses an den Dölkcrbundrat, in welchem dargelegt wird, wie der abessinisch-italienische Konflikt beigelegt wer­den sollte. Die Wichtigkeit dieses Berichtes be­ruht auf dem Umstand, daß auf Grund des Er­gebnisses der bisherigen Verhandlungen der Mit­glieder des Bölkerbundrates dieser Bericht als Endempfehlung des Völkerbund­rates übernommen werde» kann. Der Bericht enthält einen theoretischen Teil, kn welchem hauptsächlich die Prinzipien Erwäh­nung suchen, von welchen der Ausschuß geleitet wurde, und festgestellt wird, daß der Ausschuß sowohl die gegen Abessinien erhobenen Klagen der italienischen Regierung alS auch die Antwort der obesfimschon Regierung auf diese Anklagen in Be­tracht gezogen hat. Rach Anficht des Fünferausschus­ses ist die internationale Hilfeleistung, welche Abessi­nien gewährt werden soll, eine für beide Parteien an­nehmbare Lösung. Die Ll n- ab HLngigkeit und die t e» r U toriale Integrität Abes­siniens sollen respektiert werden. Demgegenüber hätte Italien   die Möglichkeit, mit Abessi­nien wieder eine engere Zusammen- arbeit bei garantierter Sicherheit aufzunehmen.
Politische Jagd Gömbös   bei Göring  / Auch ein polnischer General dabei I
Italiens Einwände Italien   hat seine Antwort auf die Vorschläge deS Fünferausschusses mündlich durch Baron A l o i sii dem Vorsitzenden des Fünferausschusses bekanntgegeben. Italien   beschwert sich darüber, daß der Rat nicht die italienischen Beschwerden gegen Abessi­nien in Erwägung gezogen habe und Abessinien als vollwertigen Mitgliedstaat ansehe. Nach italie­nischer Auffassung sollte das abessinische Problem in Genf   auf Grund folgender zwei Hauptprinzi­pien gelöst werden: 1. Abessinien soll in eine derartige Lage gebracht werden, daß es seiness Nachbarn nicht schaden" könne. Seine Admini­strative sollzivilisiert" werden. 2. Verschieden« unter abessinischem Joche besindlichen Völker sollenbefrei t" wer­den. Leiters machte Baron Aloisi darauf auf- mersiäm, daß der abessinische Staat neben barba­rischen Verhältnissen auch eine stark entwickelte Rüstung aufwcise, so daß die internationale Kon­trolle diises Staates entschieden nicht genügt und Jtalienanvertraut werden sollte, welche in Abessinien seinen gefährlichsten Feind erblickt. Ein neuer Ausschuß? Rach der Veröffentlichung des Berichtes des FLnferünsschuffes nuiß nunmehr für die donners­tägige Sitzung deS^Ratrs der Modus festgesetzt werden, mit welchem der Rat diese Phase der Lösung des italienisch-abessinischen Konflikts be­enden wird. Man glaubt, daß rin Sonderaus­schuß ernannt werden wird, in welchen gegebe­nenfalls auch sämtliche Ratsmitglieder gewählt werden und der in den nächsten Tagen einen Vor- schlag für die e n d g ü l t i g e Empfehlung des Rates ausarbeiten soll. Völkerbundplenum in Permanenz Am Abend trat das Präsidium der Völker- hundSversammlung zusammen, um über die An­
Enslisches Geschwader in der Adria Athen  . Am Mittwoch lief in den Hafen vonNavarino, Argostoli   und Korfu  eine Division der englischen Mittelmeerflotte, be­stehend aus vier Schlachtschiffen, zwei Flugzeug-Mutterschiffen, acht Kreuzern und 48 Zerstörern, ein. Die englische Flotte wird bis zum 23. Oktober in den griechischen Gewässern bleiben. In Korfu   erwartet man außerdem tzas Eintref­fen eines italienischen Hilfsschiffes. Höfliche Freundschafts­beteuerunsen Rom.   lieber die am Montag erfolgte Unter­redung zwischen M'u s s o l i n i und dem eng­lischen Botschafter wird folgende amtliche Mittei­lung ausgcgeben: Der Duce hat im Palazzo Venezia   den englischen Botschafter Sir Eric Drummond  empfangen, der ihm eine persönliche Botschaft des englischen Außenministers Sir Samuel Hoare   übermittelt hat, der darin als alter Freuird Italiens   seinem besonderen Wunsche Ausdruck gibt, jedes un­nötige Mißverständnis zwischen den beiden Ländern zu beseitigen. Der Duce hat den Bot­schafter gebeten, in London   wissen zu lassen,
regung zu entscheiden, nach welcher die Versamm­lung ihre 10. Tagung, sobald die Kommissionen ihr« Arbeiten abgeschlossen haben werden, nicht schließen, sondern ihre Sitzungen bloß ver­tagen soll, so daß die Delegationen jederzeit einberufen und der Bersammlrmg der abessinisch­italienische Konflikt zur Erledigung vorgelegt werden könnte. Rach einer längere« Debatte, an der sich der britische Minister Eden, der schweizerische Delegierte Motta und der irische Delegierte d e/ B a l e r a beteiligten, wurde beschlossen, die Entscheidung über diese Frage in der nächsten Sitzung deS BcrsammlungSpräsidiums am Don­nerstag oder Freitag zu tteffrn. Der Sturz Mussolinis der einzige Auswes für Italien  ? Paris  . Die Genfer Korrespondentin deS Linksblattes2' O u v r e" meldet, daß die Posi­tion Italiens   sowohl bezüglich seines inneren Re­gimes als auch bezüglich des europäischen   Frie­dens als sehr gefährlich bezeichnet wissd, und registriieTt in Genf   kursierende Gerüchte über die Möglichkeit einer anderen Regierung in Ita­ lien  , angeblich mit einer hochstehenden Persönlich­keit«n der Spitze a» Stelle Mussolinis. Wiewohl diosen Einzelheiten keine Wichtig­keit beigcmessen wird, glaubt man nichtsdestowe­niger dem ,,L' Oeuvre" zufolge, daß in Italien  der Augenblick kommen könnte, in welchem nur eine A e n de rung der Regierung die Lage gegenüber dem Völkerbünde und den Großmächten retten könnte.
Kriessvorbereitunsen In Ostpreußen  ? Paris.Echo de Paris" meldet eine Bewe­gung deutscher   Truppen südlich von Königsberg  und vertritt die Absicht, daß die Memeler Frage bereits jetzt den Gegenstand der Verhandlungen im Völkerbundrate bilden sollte. Der Pariser  Jntransigeant" befaßt sich mit der deutschen   Propaganda im Mrmelgebiet und sagt, daß deutsche Automobile und Motorräder das ganze Gebiet durchfahren, deutsches Propa­gandamaterial verbreiten und gleichzeitig das baldige Einschreiten des deut­ schen   Nationalsozialismus be­kanntgeben. Der litauische Rundfunk werde durch die gleichzeitige deutsche Sendung systema­tisch gestört. Auch seien bereitsschwarze Listen" fertig. Die militärischen Vorbereitungen in Ostpreußen   seien groß und ein nationalsozia­listischer Putsch im Memelgebirt sei nicht ausge­schlossen. Litauische Garantien In Berlin   notifiziert Genf  . Ministerpräsident Laval hatte am Mittwoch eine Besprechung mit dem litauischen Außenminister Lozoraitis. Zu der Unterredung erfährt der Genfer   Be­richterstatter desT e m p s": .Litauen   gab bereits vor der Nürnberger   Rede Hitlers Frankreich, England und Italien   als Ga­rantiemächten die ausdrückliche Versicherung, daß die litauischen Behörden, deren Vorgehen in frü­herer Zeit berechtigte Kritik hervorrief, das Wahl­statut anläßlich der Wahlen vom kommenden Sonntag voll respektieren werden. Außenminister Lozoraitis wiederholte nun den Vertretern aller drei Großmächte diese Versicherung. England, Frankreich   und Italien   werden die von der litau­ischen Regierung gemachten Zusicherungen, daß die Wahlen ganz normal vor sich gehen werden, unverzüglich im diplomatischen Wege der Berli­ ner   Regierung bekanntgeben.
Abessiniens Unabhänsiskeit muß respektiert werden Der Schlußantras des Fiinferausschusses
Deutschland fordert Kolonien! Im deutschen   Buchhandel erscheint soeben mit ausdrücklicher Genehmigung der NSDAP  eine Broschüre von Dr. Bauer mit deut Titel: »Kolonien oder nicht?" Der Verfasser setzt sich mit äußerster Entschiedenheit für die Rückerstat­tung der ehemaligen deutschen Kolonien ein und betont, daß Hitler selbst ein Anhänger der Kolo« nialpoliük sei: Deutschlandmüssejo« lange kämpfen, bis die Haken« kreuzfahnen.auf der deutsch  - afri- klinischen Erde flattern. Die Red. Die Vorbereitung des Kriegsverbrechens ast Abessinien durch Mussolini   und die Anstrengun­gen des Völkerbundes zu seiner Verhinderung er­möglichen es der deutschen   Regierung, ihre kom­menden.außenpolitische» Vorstöße weniger beob­achtet von der Öffentlichkeit einzuleiten. ES köimte fast scheinen, als ob mit der Zerreißung des Verfailler Friedensvertrages, mit der Wieder­aufrichtung Deutschlands   als führende euro­ päische   Kriegsmacht, die außenpolitischen Pläne der gegenwärtigen Machthaber zunächst erfüllt seien. Aber diese Annahme wäre ein schwerer Irrtum, obgleich seit der gesteigerten Aktivität im vergangetten Frühjahr eine äußerliche Pause zu bemerken ist. Denn das Programm des neuen deutschen   Imperialismus ist mit dem Aufbau einer starken Kriegsmacht zu Lande, auf dem Wasser, in der Luft keineswegs erfüllt. Im Ge­genteil darf gerade diese gewaltige Aufrüstung nur angesehen werden als die Schaffung von Voraussetzungen, die hie Durchführung der weit­zielenden imperialistischen Pläne überhaupt erst ermöglichen. Die Nationalsozialisten glauben sich zu der Sendung berufen, das Deutsche Reich ver­größern zu müssen. Mancherlei Länder haben sie sich als Objekte ihrer Eroberungssucht ausgesucht. In Europa   und außerhalb Europas  . Je mehr Deutschland   seinen gewaltigen Kriegsapparat vervollständigt, desto mehr werden bestimmte territoriale Forderungen von ihm in den Bordes gründ gerückt und mit allem Nachdruck, die es ihnen als vollwertige Kriegsmacht zu geben ver­mag, vertreten werden. Vieles spricht dafür, daß der Zeitpunkt, an dem es die Neuregelung der Weltaufte,ilung auf die Tages­ordnung stellt, nicht mehr weit entfernt ist.; Schon seit zwei Jahren wird in Deutsch­ land   eine ganz außerordentliche Propa­ganda für den Kolonialgedan­ken betrieben:«Deutschland   muß wieder Kolo­nien bekommen I" so wird dem Volke in der Schule, in den Zeitungen, in den Reden der»Füh­rer" ununterbrochen eingehämmcrt. Diese Kolo­nialpropaganda hat in der jüngsten Zeit einen so hohen Grad der Intensität erreicht, daß die offi­zielle Anmeldung des Anspruchs Deutschlands   al» Kolonialmacht in Kürze zu erwarten ist. Wieder ein Stück der»nationalen Schmach" soll getilgt werden. Deutschland   ist im Versailler Vertrag der gesamte koloniale Besitz weggenommen worden und es wurde, ihm darin auch die Qualifikation als Mandatsmacht abgesprochen. Der weitaus größte Teil von den früheren deutschen Kolonien wurde in die Betreuung Englands gegeben, einen kleineren Teil erhielten Frankreich   und Japan  - England hat das'ehemalige Deutsch-Südwest­ afrika   inzwischen fest in sein großes südafrikani« sches Kolonialreich eingegliedert und betrachtet wie auch die anderen Erben die ihnen zuge­wiesenen Länder mehr oder weniger als festen Besitz. Es ist sicher, daß die deutsche Forderung nach Zurückgabe der Kolonien die weltpolitischen Spannungen noch steigern und die Kriegsgefahr verschärfen muß. Hugenberg   hatte als ReichöwirtschaftSmini- ster der Hitlerregierung schon auf der'Weltwirt- fchastskonferenz im Frühjahr 1933 die Kolonial­forderung erhoben. Er war damit zu weit ge­stoßen das Regime hielt, sich damals weder innen- noch vor allem außenpolitisch gefestigt genug, um die Komplikationen auf sich nehmen zn können, die sich aus dem Festhalten an der von Hugenberg   vorgetragenen Forderung ergeben mußte». Also sprach man vorerst nicht mehr dar­über und Hugenberg   selbst nahm bald darauf sei­nen Abschied. Erst zwei Jahre darauf hat Dr- Schacht, der Reichsbankpräsident und Reichswirt­schaftsminister, auf der Leipziger Frühjahrs-Messe ganz aggressiv die Notwendigkeit von Kolonieri