Nr. 225
DonnerStag, 26. September 1935
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Konkurrenz für Lourdes und Konnersreuth Die rumänische Oeffentlichkeit besaht sich seit einiger Zeit mit dem sogenannten„28 undervon Maglatvit". Ein dort lebender Hirte will eine Gotteserscheinung besehen und mit Gott, den er„den Alten" nennt, gesprochen haben. Maglawit ist seit Wochen bereits das Zentrum eines ununterbrochenen Stroms von Pilgern, die in diesem Hirten einen Heiligen verehren. Der bekannte Bukarester Psychiater Professor Marinescu begab sich ebenfalls nach Maglatvit, um mit-em Hirten Peter Lupu zu sprechen. Die versammelten Gläubigen wollten zunächst verhindern, daß Professor Marinescu mit Lupu spreche. Eine fanatisierte Menge umgab den Hirten, um ihn, wie sie behauptete, davor zu schützen, weggeführt zu werden. Unter dieser Dkenge befanden sich auch einige Popen. Dem Bezirksarzt, der Profeffor Marinescu begleitete, gelang es, die Menge zu beruhigen und schliehlich doch ein längeres Gespräch zwischen dem Bukarester Psychiater und dem Hirten herbeizuführen. Professor Marinescu hat sein Gutachten für Ende September in Aussicht gestellt. Er erklärte jeddch, daß der Hirte weder geistesgestört noch geistig zurückgeblieben sei. Der ganze Fall sei einer der interessantesten Fäll« von Massenpsychosen, die in der letzten Zeit in Rumänien zu beobachten waren.
Borficht ist der bessere Teil... Aus Batavia wird gemeldet, daß die Schiffe der Java- New Aork-Linie nicht durch Len S u e z- k an a l, sondern um das Kap vergüten Hoffnung fahren. Nene Volkszählung in der Sowjetunion . In der Sowjetunion wird im Dezember 1936 eine neue allgemeine Volkszählung durchgeführt werden. Nach der letzten Volkszählung im Jahre 1928 zählte die Sowjetunion 147,027.000 Einwohner. Die Volkszählung hatte 187 Völkerschaften- die in 149 Sprachen sprechen, erfaßt. Seit dem Jahre 1926 sind im Lande große Veränderungen vor sich gegangen. Die Stadtbevölkerung hat sich beträchtlich vermehrt. Es wurden neue Industriestädte und Siedlungen gegründet.. Die bevorstehende Volkszählung in der Sowjetunion , die gegenwärtig ungefähr 170 Millionen Einwohner hat, soll auch ein klares Bild über alle erfolgten Veränderungen geben. Aber wie ist'S mit dem Wein? Das in Neusatz erscheinende Blatt„Dan" veröffentlicht Ziffern über den Bierkonsum in Jugo- s l a w l e n. Während in Deutschland jährlich durchschnittlich-S&l, in der- Tschechoslowakei 28.b und in Oesterreich 76.1 Liter- auf den einzelnen entfallen, trinkt der Jugoflawe nur etwa 1% Liter Bier i m Jahr. Die jugofla-
Die Wiederkehr der Aechtung ■*' Neben vielen anderen Barbareien des Mittelalters hat daS Dritte Reich auch das alte, längst überholte Institut der Aechtung wieder hervorgeholt und will es, nachdem es in den vergangenen zweieinhalb Jahren ohne jegliche Rechtsgrundlage bereits verwandt worden ist, nunmehr im neuen deutschen Strafrecht, wenn man von Recht überhaupt reden darf, verankern. Die Aechtung soll, wie die amtliche deutsche Strafrechtskommission vorschlägt, die schwerste Strafe werden, denn die Todesstrafe soll nur ein Teil von ihr sein. Der zum Tode verurteilte Bauer, der seinen Vater vergiftet hat, um früher in den Besitz des Hofes zu gelangen, wird auch in Zukunft sein Vermögen vererben und noch in der Todeszelle letztwillige Verfügungen tresfen dürfen, der wegen Verbrechens an der Volksgemeinschaft Geächtete geht selbst dieses Rechtes verlustig, er wird nicht nur ehr- und staatenlos, was mit Rücksicht auf die folgende Hinrichtung ohne große Bedeutung ist, sondern er verliert auch jede Geschäftsfähigkeit einschließlich der Fähigkeit, ein Testament zu machen, und, was das bezeichnenbe fijx die gegenwärtigen Rechtsverhältnisse in Deutschland ist, diese Unfähigkeit beginnt nicht etwa mit dem Tage der Rechtskraft des Aech- tungsurteils, sondern bereits mit der Tat, für die später die Aechtung verhängt wird. Das politische Ziel dieser Strafandrohung liegt auf der Hand. Die Entscheidung, was zum Ausschluß aus der Volksgemeinschaft und zur Aechtung führt, liegt ganz im Ermessen nationalsozialistischer Richter, womöglich noch des sogenannten Volksgerichtshofes, der aus Parteifunktionären zusammengesetzt ist. Sie sind nach dem neudeutschen Grundsatz, daß auch ohne gesetzlich« Grundlage verurteilt werden kann, wenn die Tat dem von ihnen repräsentierten Volksempfinden widerspricht, in ihren Entscheidungen bis zur völligen Willlür frei. Wer sich also im Dritten Reich oppositionell regt, riskiert, daß ein späteres Aech- tungsurteil auch alle von ihm in der Zwischenzeit durchgeführten Rechtshandlungen für ungültig erklärt und so auch alle schädigt, die von diesen Handlungen Vorteile haben sollten oder überhaupt an ihnen beteiligt sind. Besonders für jene oppositionellen Kreise, die über Geldmittel verfügen, ist die Drohung deutlich, aber auch die Abschreckung für die anderen Volksgenossen, sich, mit
wischen Brauereien konnten im Vorjahr ihre Kapazität kaum zu 15%, ausnützen. Der Bierkonsum Jugoslawiens ist in den Jahren 192.8 bis 1934 um 71% gesunk e n. Der Bierausstoß in der ersten Hälfte dieses Jahres betrug 105.405 Heftoliter, während er im gleichen Zeitabschnitt des Vorjahres nach 109.582 Hektoliter betragen hatte. Verwandtschaft. Ein gewisser Thomas Deller heiratete im Alter von 65 Jahren Miß Meßner, 22 Jahre, aus Hannnond(USA ). Diese ist die Tochter von Joseph Meßner , der wiederum in zweiter Ehe mit der Tochter von Della verheiratet ist. Auf diese Weise wird Deller der Schwiegersohn seines Schwiegersohnes, und seine Tochter wird seine eigene SHviegermutter. Sollte das junge Paar Thomas Teller—Emmi Meßner, ein Kind bekommen, so wird die Sache noch komplizierter. Dann wird nämlich Frau Joseph Meßner geborene Deller die Großmutter ihres eigenen Bruders, bzw. Schwester. Aber das unglückliche Kind ist auch Schwager, bzw. Schwägerin seiner eigenen Großeltern, und darum Tante seiner eigenen Mutter, bzw. deren Onkel. Sonstig« Bcrwandtschaftsbeziehungen bestehen unseres Wissens nach nicht, aber wir lassen uns gern eines anderen belehren.
Prag . Der Nimbus abenteuerlicher Romantik, den die Auwren oewisser Sensationsgeschichten um die Welt der Einbrecher— vor allem der berufsmäßigen Kassenknacker— gewoben haben, hält einer nüchternen Betrachtung nicht stand. Jeder ständige Besucher des Gerichtssaales weiß, wie nüchtern und uninteressant die Prozesse gegen Einbrecherplatten im allgemeinen u verlaufen pflegen, auch wenn es sich um Unternehmungen großen Formats handelt. Keine Regel ohne Ausnahme.— Dieser vor dem Sttafsenat I l l n e r verhandelte Prozeß war wirklich einmal reich an abenteuerlichen und merkwürdigen Momenten. Am 29. Dezember v. I. hatte das Städtchen U v a l y seine Sensation. In der vorhergehenden Nacht hatten mehrere Täter einen verwegenen und wohldurchdachten Anschlag gegen die dortige„Bürgerliche Sparkasse" ins Werk gesetzt. Die Einbrecher waren vom Nachbargrundstück aus über eine hohe Mauer in den Garten der Sparkasse eingedrungen, hatten mit einer Spitzhacke die Tür zum Archiv aufgesprengt und waren dann weiter in die Kanzleiräume gelangt, wo ein T r e s o r stand, in welchem zu dieser Zeit Dukaten und goldene Wenzelsmedaillen für 8000 Kä, ferner 18.000 Kö in bar und Wertpapiere für 8000 KC lagen. Die Einbrecher arbeiteten nicht leise genug und so wurde der im Sparkassengebäude wohnende Buchhalter RoöovskH aufgeweckt. Als er in die Kanzlei eilen wollte, fand er, daß er die versperrte Türe seiner Wohnung nicht aufschließen konnte. Die Einbrecher hatten das Schloß durcheimen von tr ü ß'e Wftch lils 1»l l».ch.gesteckten S p er r haken blockiert. Der Buchhalter riß das Fenster auf und rief um Hilfe. Gleich dar-
Volkswirtschaft und Sozialpolitik Voraussetzungen für die wirtschaftliche Gesundung - Der amerikanische Staatssekretär Hüll Hai vor kurzem in einer Diskussion die Voraussetzungen angegeben, die zu einer Gesundung der ame rikanischen Wirtschaft notwendig sind. Nach seiner Ansicht sind dies: 1. Es muß eine materielle Grundlage durch Hervorrufung eines Bedarfes nach Kapital- und Dauergüter geschaffen werden. 2. Ein besseres Gleichgewicht in den industriellen Preisen ist notwendig, da die Preise wichtiger Schwer- und Bauindustrien stark überhöht sind. 3. Es muß alles daran gesetz werden, um eine Ausgleichung der internationalen Preise zu erreichen. Die Möglichkeit von Steigerungen der Preise muß unterbunden werden. Die Beseitigung von Schwankungen in den Währungen würde das Streben nach Ausgleichung der Preise erleichtern, worauf auch die bestehenden künstlichen Schranken, die jetzt den internationalen Verkehr behindern, befestigt werden können.
auf krachte von" draußen ein Schuß, worauf er es begreiflicherweise vorzog, sich in. die Sache nicht mehr einzumengen und den Dingen ihren Lauf zu baffen. Aber nicht nur der Buchhalter war alarmiert worden, sondern auch ein anderer Hausbewohner, ein Herr Hlävka, der sich eben aufs Klosett begab, wurde auf dem Gang über die„Pawlatsche" durch den Schutz aufgeschreckt. Er erfatzte sofort die Situ- atton und schrie aus Leibeskräften:„H i l f e! Einbrecher!" Und wieder krachte ein Revol- verschutz aus dem dunklen Garten und eine Stimme rief:„Brenn' ihm eins aufs Fell!" Herr Hlävka bewies anerkennenswerten Mut. Obwohl unbewaffnet, lief er in den Garten, von wo aus die Schüsse gefallen waren. Er wurde durch einen dritten S ch u.tz empfangen. Der Lichtkegel einer starken Taschenlampe, ihm direft in die Augen gerichtet, blendete ihn, und wieder hörte er die gleiche Stimme:„Alter, du entkommst uns nicht!" Gleich darauf krachte es zum vier- tenmale. Nun räumte auch Hlävka das Feld und zog sich ins Haus zurück. Aber auch die Einbrecher zogen es vor, den begehrten Geldschrank ungeschoren zu lassen und enttarnen auf dem gleichen Weg, auf dem sie gekommen waren. Auf dem Tatorte hinterließen sie«inen Hut, zwei Knöpfe und drei ausgeschossene Pattonenhülsen. Der Hut wurde agnosziert als Eigentum eines polizeibekannten Dübjettes, des 40jährigen Anwn G ö tz aus Michle, der alsbald ausgeforscht und festgenmnmen wurd«, Götz., legte das Geständnis ab, den Einbruch,^ursternomryen zu haben, wobei, ihm der 80jährige Anton Frhdl und der 38jährige Georg Kaspar assistierten. Kaspar habe Schmiere
FeindtejnisereivZähw sind am gefährlichsten, wenn sie ihr Zerstörungswerk unbemerkt vollbringen können wie das Millionenheer det Fäulnisbakterien. Wenn die Schäden sichtbar werden, ist es schon zu spät. Besser ist rechtzeitiges Vorbeugen durch regelmäßige Zahnpflege mit Chlorodont-Zahnpaste, die trotz größter Putzkraft den empfindlichen Zahnschmelz nicht angreift. Tube Kc 4'—.
gestanden und auch die Schüsse abgefeuert, doch habe- er nicht auf Rosovskh und Hlävka gezielt, sondern gegen die Erde geschossen. Nun nahm man diese beiden aufs Korn-. Frydl wurde alsbald verhaftet, Kaspar erst bei späterer Gelegenheit, wobei er sich wieder als Revolverschütze produzierte. ES handelte sich um einen nächtlichen Zusammenstoß mit dem Detekttv Mota, der Kaspar anhielt, als dieser von einem Einbruch in Nusle, mit Beute beladen, in seinen Unterschlupf heimkehrte. Damals versagte der Revolver Kaspars, den er auf Inspektor Mota angelegt hatte. Der Detektiv schob gleichzeitig, aber mit besserem Erfolg, denn sein Schutz zerschmetterte Kaspar die rechte Hand. Kaspar entfloh damals zwar, wurde aber später halbverblutet aufgefunden und vor Gericht gestellt. Er bekam mit- Rücksicht auf seine 22 Vorsttafen damals drei Jahre, die er derzeit in Karthaus absitzt und von- wo er zur heuttgen Verhandlung zum Prager Kreis-- gericht transportiert wurde, um sich nachträglich für. den Uvaler Einbruch zu verantworten. Kaspar, der jede Beteiligung an dieser Sach« leugnete, war nicht allein.durch das Geständnis seine- Kumpans Götz überführt. Durch Waffensachverständige war mit absoluter Sicherheit festgestellt worden, datz die aufgefundenen Patronenhülsen aus dem Revolver Kaspars abgefeuert wurden, den man bei seiner Verhaftung beschlagnahmt hatte.- Da nicht nachgewiesen werden konnte, daß Kaspar auf RoöovskH und Hlävka wirklich gezielt hat(man fand keine Einschläge in der Mauer,) kam er nicht wegen Mordversuches vor das Schwurgericht. Die Anklage lautete lediglich auf das Verbrechen derErpressung, weil er durch seine Schreckschüsse(also durch gefährliche Drohung!) den Rückzug der Bedrohten erzwang. Außerdem war er natürlich des schweren Einbruchs« diebstahls angellagt, ebenso, wie seine beiden Spiehgesellen. Von diesen ist der Führer der Banie« Anton Götz, gleichfalls ein schwerer Junge.' Er hat„nur" zehn Vorstrafen, darunter aber zweimal je vier Jahre, einmal drei, Jahre und einmal zwei Jahre schweren KerkerS. Insgesamt hat dieser 40jäh- - rige Einbrecher, der diesmal seine Kumpane inS »Kriminal gebracht hat, etwa siebzehn Jahre im Gefängnis verbracht. A n t o nF r h d l' ist noch ein Neuling; er ist nur viermal wegen leichterer Delikte vorbestraft. DaS Urteil erfolgte erst in den späten Nachmittagsstunden. Götz und KaSpar wurden zu je zwei Jahren, Frhdl zu einem Jahr schweren und verschärften KerkerS verurteilt. MitangeklaUt war noch wegen V o r s chubleistungdie Geliebte , tz, hje^ 28iährigL Vroftittlierte Bozena. Z ä h r ä d k a, die sich bechüht hat, die Polizei auf falsche Spür zu lenken. Sie erhielt dafür vier" Monate Kerker. rb.
Mit Sperrhake« und Revolver Gl«— ausnahmsweise— romantischer Girrbrecherprozetz
solchen oppositionellen Individuen in irgendwelche Geschäfte einzulasien. Selbstverständlich ist bei der Aechtung auch die Beschlagnahme des Vermögens vorgesehen, so datz nicht nur der Erbe um seinen väterlichen Besitz kommt, sondern auch der Käufer eines Hauses, das einem Geächteten gehörte, sein Eigentum verliert, obwohl er das Haus noch vor dem Prozeß und in Unkenntnis der später bestraften Tat erworben hat. . Die deutsche Straftechtskommission hat damit unter Paragraphen gebracht, was gegenüber den politischen Flüchtlingen aus dem Dritten Reich bisher schon Tag fjir Tag praktiziert worden ist. Ohne Urteil werden nicht nur Staatsbürgerschaften abgesprochen, sondern selbst in jenen Fällen, in denen nicht einmal nationalsozialistische Rechtswillkür zu diesem Mittel zu greifen sich entschließt, wird Ausgabe oder Verlängerung reichsdeutscher Pässe ohne Begründung abgelehnt, wodurch der Betroffene eines wesentlichen Staatsbürgerrechtes verlustig geht; ohne Urteil werden Bankguthaben, Sparkassenbücher, Einfamilienhäuser, Wohnungs. einrichtungcn einstiger politischer Gegner beschlagnahmt und es wird auch nicht anerkannt, wenn solche Vermögenswerte etwa in der Zwischenzeit — ein schriftlicher Bescheid über die Beschlagnahme wird fast nie ausgestellt!-— in dritte Hände, selbst die eines Ausländers übergegangen sind. Im Gegensatz zu ihrer sonstigen Uebung wie z. B. bei der Erweckung der Zünfte, dem imitierten Reichsschwert für Hitler, der Thingromantik, dem Erbhofbauerntum usw. ist diesmal vom nationalsozialistischen Deutschland ausdrücklich betont worden, daß die nationalsozialistische Aechtung mit der mittelalterlichen nicht identisch sei. Die Ermordung von Lessing und Formis und die Entführung von Jacob fanden nicht di^ Zustimmung des unverständigen Auslandes und so wollen die nationalsozialistischen Rechtsheroen jetzt schon ausdrücklich feststellen, haß die moderne Aechtung im Gegensatz zur mittelalterlichen keinen allgemeinen' Tötungsauftrag an jeden x-be- liebigen enthält. Womit natürlich nicht gesagt ist, daß im gegebenen Falle der Mörder, wie die Erfahrung lehrt, nicht doch straffrei bleibt, wenn es ihm gelingt, nach Erledigung seines Opfers auf ausländischem Boden die schützenden Reichsgrenzen zu erreichen.Es sind eben immer Halbwahrheiten, die Goebbels verbreitet, bestimmt, Laien uns Habbfachleuten, besonders aber gutgläubigen Engländern Sand in die Augen zu streuen. Schließlich werden auch die heutigen Zünfte keine Meistersinger hervorbringen und der.Führer" wird
auf keinem Kaiserthron mit dein imttierten Reichsschwert in der Hand Recht sprechen und mit Ausnahme Görings wird auch niemand sich in Felle hüllen und Auerochshörner aufs Haupt setzen, um gemeinsam mit dem französischen Emigranten- sprößling Dar« an einem Thing teilzunehmen oder aus dem Berliner Zoo entlassene Auerochsen im Neandertal zu jagen. Und doch ist die Verknüpfung mit dem Mittelalter unverkennbar und für das Dritte Reich charakteristisch. Die Große Fran zösische Revolution war die Erfüllerin der Ideen der Aufilärer, der deutsche Nationalsozialismus erinnert sich der germanischen Barbaren, die die römische Kultur vernichteten, und sucht im Kul turellen ihre Tradition fortzusetzen. Die Ausmerzung des römischen Rechtes aus hem gegenwärtigen.deutschen Rechtsleben liegt ganz im Zuge dieser Entwicklung. Die barbarische Achtstrafe war aus dem deutschen Rechtsleben verschwunden, noch bevor die Stürme der Französischen Revolution, gegen deren Auswirkungen sich der Nationalsozialismus durchaus konsequent wendet, die vorhandenen verstaubten Rechtsbegriffe auf den Kopf stellten und auch in den deutschen Richterstuben wenigstens ein Fenster einschlugen und ftische Luft hineinließen. Sie war in den letzten Jahrhunderten ausschließlich zu einer Strafe gegen politisch mächtige Gegner geworden. Schiller läßt in „Wilhelm Tell " den geächteten Herzog von Oesterreich , der seinen„Ohm und Kaiser" erschlagen hatte, als Parricida auftreten,„dem Freund verboten und dem Feind erlaubt. Ihr dürft nicht weilen, wo die Ruhe wohnt!"; Martin Luther wie der letzte König von Böhmen , Friedrich V., der Winterkönig, wurden von ihr getroffen. Luther wurde von dem damals mächtigsten deutschen Kurfürsten, dem von Sachsen , dem kaiserlichen Zugriff in einem Versteck auf der Wartburg entzogen, Friedrich, der sich der Protestantischen Union angeschlossen hatte, unterlag in der Schlacht am Weißen Berg« bei Prag und floh geächtet nach Holland . Die letzte eigentliche Acht wurde 1706 gegen den Kurfürsten von Bayern und seinen Bruder, den Kurfürsten von Köln , verhängt» weil sie auch nach dem gegen Frankreich erklärten Reichskrieg von der Verbindung mit Paris nicht lassen wollten. Doch kurz darauf gelang es den Reichsständen bereits, dem Kaiser die Acht« erllärung, die ein wichtiges politisches Kampfmittel geworden war, aus den Händen zu winden, indem ihre Verhängung an die Genehmigung der Stände gebunden wurde. Damit war die Acht tot, bis Hiller sie zusammen mit dem imttierten
Reichsschwert zu neuem Leben erweckte. Es entbehrt nicht der historischen Pikanterie, daß der letzte kaiserlich habsburgische Aechtungsantrag bei den Reichsständen gegen Friedrich den Großen wegen seines Ueberfalls auf Schlesien eingebracht wurde, an deren Widerspruch aber scheiterte. Die große politische Bedeutung der Aechtung lag in dem Recht der Krone, das Vermögen, bei Fürsten also ihr Land, einzuziehen, und in dieser Richtung wird man unter Anpassung an die modernen Verhältnisse auch einen Teil der Bedeutung der Hitlerschen Aechtungsgesetze zu sehen haben. Eine spätere. Zukunft wird es deutlicher werden lassen.. Die Kraft der Aechtung gegen die lleineren Schächer hatte sich früher verloren. Schon zur Zeit der deutschen Rechtsbücher, des Sachsen - und des Schwabenspiegels, also im 13. Jahrhundert, galt sie eigentlich nur noch für Landfriedensbruch, also meist auch schon ein Delikt politisch und wirtschaftlich einflußreicher Kreise. Der gemeine Verbrecher, der in den Urwald geflüchtet war und dort ehrlos und vogelfrei, wie ein Wolf ruhelos ein mehr als kümmerliches Leben führte, während seine Frau als Witwe und seine Kinder als Waisen galten, gehörte schon damals einer vergangenen vorchristlichen Epoche an. Das Asylrecht der Kirchen hatte diesem Spuk ein Ende bereitet, der scheue Waldläufer, den jeder Men durfte, verschwand aus dem deutschen Leben. In Deutschland gibt es, bekanntlich dank der Leistungen der Nationalsozialistischen Partei, keine Urwälder mehr und so ist es trotz besten Willens nicht möglich, den vogelfreien Waldläufer wieder auferstehen zu lassen. Die Strafrechtskommissiön hat daher auf ihn verzichtet. Es ist jedoch nicht anzunehmen, daß die deutsche Staatsraison natio, nalsozialistischer Prägung die Möglichkeit, den politischen Gegner kurzerhand zu. killen, überhaupt verworfen hat. Da werden eben auch fernerhin einer gläubig-ungläubigen Welt Fluchtversuche vorgetäuscht werden, bei denen Arbeiter und Arbeiterführer das Leben gelassen haben, von unbekannter Hand erschossen, und wenn der Umfang der Erschießungen die Erllärung mit dem üblichen Geschastsverfahren der Gestapo verhindert, wird offenbar wieder ein Reichsgesetz erlassen werden, das nachträglich die Morde billigt, wie es nach dem 30. Juni 1934 geschehen ist, an dem Dutzende von Menschen gemeuchelt worden sind. Die Proklamation des„Führers" auf dem Nürnberger Parteitag läßt iy dieser Beziehung an Deutlichkeit nichts zu wünschen. Deutschland watet auch weiterhin in Menschenblut.