Nr. 226
Freitag, 27. September 1935
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,Westböhmisä;e Kreditgenossenschaft" Kapital IIS Kc 30 h Pilsen. Das Kreisgericht in Pilsen   verurteilte Donnerstag unter dem Vorsitz des OberrateS E l e d den öljährigen Tischlermeister auS Pilsen   Ludwig Ancineczuacht Monaten, den 3Sjähri- gen Handelsvertreter Alois Hanke aus Bischoftei- nitz zu z w e i Jahren, den 85jährigen Drex- lermeister Wilhelm Soukup ans Pilsen   zu z w e i Jahren, den 41jährigen Handelsvertreter Johann P i t t n e r auS Blisova zu einem Jahr und den 50jährigen Agenten Wenzel<Z v ä b aus Piivo- zeczulstiJahren schweren verschärften Kerkers unbedingt wegen des Verbrechens deS Betruges. Alle Angeklagten hatten vor längerer Zeit in Pilsen   eine ,Ftreditgesellschaft" unter dem Namen W e st böhmische Kreditgenossen- sch a f t" gegründet, hatten Einschreibgebühren, kleine Einlagen und Kautionen von den Parteien entge­gengenommen, denen sie die Gewährung hoher Geld­anleihen oder Beschäftigung bei der Gesellschaft ver­sprachen, und so im ganzen 121 Personen um rund 200.000 Kc betrogen. Bei einer Hausdurchsuchung fand die Polizei in der Kasse dieser Gesellschaft bloß 115 KL 30 Heller Bargeld. Soukup, der Kassier der Gesellschaft war. und Sväb waren bereits mit schwe­rem Kerker, Soukup wegen Diebstahls sogar mit fünfjährigem Kerker vorbestraft.
Kulturvolk am Polarkreis vor 1500 Jah­ren. In der Nähe des P o l a r k r e i s e s wurde an der Mündung des Polarflusses, 5 Kilometer von Salechard  (dem früheren O b d o r s l) entfernt, eine alte Siedlung ausgegra­ben, die augenscheinlich vor ungefähr 1500 Jah­ren existiert hat. Es wurden 12.000 Gegen­stände gefunden, darunter ungefähr 1500 Gegen­stände aus Bein, Bronze und Stein und sehr viel« Hausgeräte und Schmuckgegenstände, die sich durch außerordentlich feine Schnitzereien aus­zeichnen. Die gefundenen Gegenstände beweisen, daß vor 1500 Jahren im Norden Menschen gelebt haben, die eine verhältnismäßig hohe materielle Kultur besaßen. Es wurden auch Knochen von Tieren gefunden, die jetzt im Norden nicht mehr Vorkommen, z. B. die Knochen eines Kranichs. Augenscheinlich war das Klima dort damals milder. Zehn Todesopfer eines SturmeS. Der heftige Sturm» der gestern über Holland   niederging, hat zehn Menschenleben gekostet. Schwarzer Mittwoch. Der letzte Mittwoch war in der französischen   Militärluft­fahrt ein Nnglückstag. Richt weniger als fünf ernste Flugunfälle ereigneten sich in der Umgebung von Paris  , bei Charleville   und Com- piegne. Die Mehrzahl der Flieger und Beobachter rettete sich durch Fallschirmabsprung, nur einer kam umS Leben und einer wird vermißt. Die Flug­zeuge wurden zertrümmert.
Volkswirtschaft und Sozialpolitik Sirr Brannkohlenkartell Nach langen Verhandlungen ist zwischen den Werken des Nordböhmrschen Braunkohlenreviers eine Kartellvereinbarung zustande gekommen. Es wird eine Quotenverteilung vorgenommen wer­dend Die Staatsgruben gehören dem Kartell nicht an, sollen sich aber verpflichtet haben, das Kartell nicht zu stören.
Exportschüdigung durch Deutschland  Die schwere Schädigung des tschechoslowaki­schen Exports durch die handelspolitischen Maß­nahmen des Dritten Reiches  , wie das Exportdum­ping und andere, trifft auch die Arbeiterschaft der tschechoslowakischen Exportindustrie recht hart. Obwohl die Tschechoslowakei   bei der Einfuhr deut­scher Waren sehr liberal vorgeht, wird immer neue- Material bekannt, das die Behinderung unseres Warenaustausches durch Deutschland   be­legt. So wurde, wie die Presseberichte der Pra­ger Mustermesse mitteilen, ermittelt, daß die deut­schen Behörden die Vorschriften über die Einfuhr tschechoslowakischer Waren nicht einhalten und durch unkorrektes Vorgehen die tschechoslowakische Ausfuhr schädigen.
Die ersten weiblichen Polizisten in Polen  In Warschau   traten die ersten weiblichen Polizisten Polens   ihren Dienst an. Sie haben vor allem die Aufgabe, Frauen und Kinder vor den Gefahren des Großstadtverkehres zu bewah­ren. Die weiblichen Polizisten, die sich beim Eintritt in den Dienst verpflichten müssen, inner­halb der nächsten 7 Jahre nicht zu heiraten, tragen blaue Uniformen mit Silberknöpfen und Silberstreifen am Arm. z z...,
Hilfe, hier regiert der Hackte Hanger! Katastrophale Massennot Im Bezirk Kaaden
Im..Volkswille' berichtet Genosse de Witte über daS erschreckende Massenelend in Westböh­men, über die erschütternden Einzelheiten aus dem hungrigen Alltag einer Bevölkerung, die im wahrsten Sinne des Wortes unmittelbar vor, dem Untergang steht, wenn nicht sofort Hilfe geschaffen wird. Mit Recht stellt Genosse de Witte an die Spitze dieses Notschreies, der nicht ungehört bleiben darf, die Worte:Ich wünschte, der Herr Ministerpräsident hätte mit unhören und mit ansehen können, was ich in Meretitz bei Klösterle gehört und gesehen habe. Er würde mir sicherlich beipflichten, wenn ich sage, daß es unmenschlich wäre, solchem grauen­vollen Elend weiterhin nur mit halben Mitteln oder überhaupt nicht entgcgenzuwirken. v Wer in Westböhmen lebt, der weiß etwas MeM. sich-wie statistischen Erhebungen üoer den Umfang, der Arbeitslosigkeit an, er findet darin verzeich­net, daß in den Bezirken mit deutscher Mehrheit rund 71 Arbeitslose auf tausend Einwohner kom­men gegenüber 24 Arbeitslosen auf tausend Ein­wohner sm überwiegend tschechischen Siedlungs­gebiete) und dann sagt er sich: Wir wären ja «och froh, wenn diese Ziffer 71 auf 1000 bei uns stimmen würde! Er denkt an die Fabriksruinen von Rothau  , an den Zusammenbruch der ganzen Wirtschaft im GraSlitzer   Bezirke, an die vielen Tausende seit einem halben bis zu einem ganzen Jahrzehnt Arbeitsloser im Fallenauer und im Elbogener Bezirke, er hat vor sich die Katastrophe im Bezirk Karlsbad   140 Arbeitslose auf je tausend Einwohner, Säuglinge und Greise unter diesen Einwohnern mit gerechnet er denkt an die schrecklichen Bilder der Not, die ihm überall im Erzgebirge   begegnen, er sieht vor sich das Trümmerfeld in den oberen Bezirken Eger, Wildstem usw. Und der Bezirk Kaaden  , den man doch unbe­dingt nicht als einen Notstandsbezirk anerkennen will? Nun, ich möchte im Nachstehenden eine kleine Schilderung dessen geben, was ich dort an­getroffen habe. Die Ortschaft Meretitz beim Bahnhof Klö ­
sterle hat 1571 Einwohner, das neugeborene Kind und das äüeste Mütterchen mit eingerechnet. Die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen in Meretitz aber beträgt 517. Vorige Woche tagte dort eine Versammlung unserer Parteigenossen, die sich mit der Feststel­lung des Notstandes im Kaadener Bezirke und den Maßnahmen zu dessen Bekämpfung befaßte. Aus Meretitz, Klösterle, Zuflucht, Pürstein  , Roschwitz und Brunnersdorf waren Vertreter und Mitglie­der unserer Organisationen zusammengekommen. Fast alle selbst arbeitslos. Sie schilderten schlicht und meist an der Hand der amtlichen Aufzeich­nungen und Erhebungen, wie es um daS Boll in den genannten Orten steht. ,... In: Meretitz ist feit zwei. Jahre» der Betrieb der Porzellan-Union, stistgelegt. Fünfhundert Ar­beiter und Arbeiterinnen aus Meretitz und Um­gebung,.aus Klösterle usw. hatten dort ihr Brot gefunden. Nun liegen sie hoffnungslos auf der Straße. Biele sind in die Porzellanfabrik Thun in Klösterle gegangen. Der Betrieb kam in Finanz­nöte, seit Jahren hieß es aussetzen, die Löhne konnten nicht aufgebracht werden, und wer noch dann und wann arbeitet, muß sich eine ungemein starke Lohnreduktion gefallen lassen. Zwei Fa­brikanten im Nachbarort nützen die Situation in ihrem Sinne aus. In der einen Fabrik kommt man nur an, wenn man sich als Anhänger Hen­leins bekennt, in der anderen muß man ein Fuß­baller sein, wenn man eine Arbeit haben will. Von den gewerkschaftlich Organisierten sind längst viele ausgesteuert, 225 erhalten Lebensmittel­karten und inzwischen sind viele junge Leute hcrangewachsen, die überhaupt nichts bekommen, weil sie den dreimonatlichen Nachweis einer ver­sicherungspflichtigen Arbeit nicht erbringen kön­nen. Die Gemeinde ist ohne Geld, Zuweisungen aus dem Titel der produktiven Arbeitslosenfür­sorge haben jeden Sinn verloren, weil die Ge­meinde selbst aus ihren Mitteln nichts zu einer Arbeit beizusteuern vermag! Im Vorjahre hatte man noch eine Ausspeisungsaktion für Kinder
Masaryk  , der Realist Unter dem Titel ,T- G. Masaryk, Mensch unter Menschen' ist im OrbiS-Verlage ein« Sammlung von den Präsidenten charakterisieren­den Anekdoten erschienen, die von Ivan Herben  und Josef Mach   zusammengestellt sind.(Die deut­ sche   Ausgabe besorgte Dr. Stanislav Brandejs). Wir geben hier einige dieser Anekdoten wieder, die den Wirklichkeitssinn des Präsidenten zeigen: Der Sinn des Präsidenten für Einfachheit und Zweckmäßigkeit zeigte sich anläßlich seiner Besichtigung der Kunstgewerbeschule   in Prag  . In einem Atelier fiel sein Auge auf eine kleine Vi­trine mit prachtvoll gebundenen Büchern. Der Rektor der Schule, Franz Kyscla, erklärte ihm so­gleich, daß dies Arbeiten von Schülern seien, die auf- der Ausstellung der dekorativen Künste in Paris   mit Preisen ausgezeichnet wurden. .,Die Schüler haben die Einbände selbst ent­worfen, sie vergoldet, eingebrannt, geschnitzt, die Bücher selbe» gebunden...' erklärte der Rektor. Der Präsident nahm unterdessen einen von den Prachtbänden in die Hand, sah sich den ge­rühmten Einband gar nicht an, sondern hielt das Buch mit dem geöffneten Rücken gegen das Licht. Einige Blätter lockerten sich im Einband und der Präsident stellt« trocken fest:Da wird mit den
Büchern viel Prunk getrieben. Und dabei sind sie schlecht zusammengenäht.' In einer anderen Abteilung zeigt« man dem Präsidenten Glas herrlich gravierte Stücke und man servierte ihm dazu einen Vortrag über die Bedeutung der Glasindustrie, über die Not­wendigkeit, den Export durch neue modernere Muster zu hÄen, und man zeigte ihm, was alles auf dem einen Glas eingraviert sei. Ja,' dreht der Präsident das kleine Glas nach allen Seiten,aber das Glas sollte keine Blasen haben. Es soll rein sein.' * In der Ausstellung des Tschechoslowakischen Werkbundes blieb der Präsident bei den slowaki- scken Kotzenteppichen stehen. Dr. V. V. Stech fing sogleich an, über diese Volkskunst einen Vortrag ^zu halten, daß ganze Dörfer von dieser Heimar­beit leben, wie unsere Künstler diese Arbeiten durch neue Muster verjüngt haben, damit solche Teppiche imstande wären, ein Bestandteil der mo­dernen Wohnungseinrichtung zu werden usw. Der Präsident besieht die Teppiche von vorn und von hinten und unterbricht auf einmal Dr. Stech durch die Bemerkung:Aber tüchtige Staubfänger sind es'. * Anläßlich jener Besichtigung der Kunst­ gewerbeschule   hlieb der Präsident schon auf der Straße vor seinem Automobil stehen und fragte,
da er sich daran erinnerte, daß man den Rettor abgesetzt und eine Professorenautonomie einge­führt hatte, wie sich diese neue Einrichtung be­währe. Gut, Herr Präsident, nur halten uns die Sitzungen vom Malen ab." Warum haltet ihr den Sitzungen ab? Und ost?' Ziemlich ost, denn es gibt immer etwas zu besprechen.' Das sagt mir nichts. Sagen Sie mit lieber, worüber Ihr in der letzten Sitzung beraten habt." Zum Beispiel, Herr Präsident, mußten wir über die Reparatur der Wasserleitung, über den Einkauf von Kohle, über die Stipendiengesuche der Schüler entscheiden... I" Na, dann ist alles in Ordnung, ich fürchtete nämlich, daß Sie nur so debattieren, wie es Leh­rer gewöhnlich tun." Masaryk   haßt nichts so, wie allgemeine Phra­sen und sogenannte ewige Wahrheiten. Einst wurde er auf einen Zeitungsartikel aufmerksam gemacht. Er las ihn durch und faßte dann sogleich sein Urteil folgendermaßen zusammen:Das sind lauter ewige Wahrheiten. Gewiß, der Artikel ist frisch geschrieben, aber er paßt ebenso für China  wie für die Eskimos.- Sagen Sie mir, was könnte man daraus für unsere konkrete Situation gewinnen?"
durchgeführt; aber das ist nun vorbei, da keine Hundertkronennote mehr in der Kasse ist. An Umlagen bekommt die Gemeinde jetzt vorn Steuer­amte durchschnittlich im Monat 80 bis 100 Ke sage und schreibe: Achzig bis hundert Kronen monatlich) zugewiesen. Für Zwecke der Heilfür­sorge ist die Gemeinde dem Arzt und dem Apo­theker schon 8000 KL schuldig. Für Schulbücher und Hefte schuldet sie rund 4000 KL, für Kohlen- 8000 KL. Die Milchaktion erfaßt nur die Hälfte-. der bedürftigen Kinder. Den Kindern sieht man eS von weitem schon an, was los ist: Müde und mit bleichen Gesichtern schleichen sie heran. Man muß gute Nerven haben, um nicht davonzurennen. Zwei Schulklassen sind wegen Diphtherie   gesperrt und die Seuche greift weiter um sich. Ueberdies. wird die Schule schon darum bald gänzlich ge­schloffen werden müssen, weil, man sie nicht behei­zen kann, denn kein Kohlenhändler wird dauernd Kohle auf Kredit geben, und in ungeheizten Räu­men können ausgehungerte Kinder am allerwenig­sten verweilen. Einer schildert die Lage des Bezirkes Kaa-. den. In drei von allen Pezirksgemeinden Kaa- dens gibt es noch eine Gemeindesozialkommission, in den anderen muß der Vorsteher oder Sekretär allein die LebenSmittelkartenagenda führen. Die unglückseligenRichtlinien", die dem Ministerium für soziale Fürsorge von der Koalitionsmehrheit aufgezwungen wurden, werden auf das rigoro­seste gehandhabt. Die Bezirksbehörde Kaaden   hat am 27. August einen Erlaß an die Gemeinden hinausgegeben, in dem die Gemeindeämter, bzw. die Vorsteher und sonstigen Funktionäre persön­lich dafür haftbar gemacht werden, wenn sie in' irgendeinem Falle diese Richtlinien übertreten. Die Nichtzubeteilenden,welche zwar große Not leiden", sollen auf die Gemeindearmenfürsorge übernommen werden- und dabei reichen die Einkünfte der Gemeinde nicht einmal zur Bezah­lung Lines Beamten, bzw. eines Polizisten oder irgendeines Hilfsorganes l Am bedrückendsten sind die Klagen, die über daS Vorgehen bei staatlichen Unternehmungen er- hoben werden. Der Bahnumbau WartaPürstein war eine ziemlich große Arbeitsgelegenheit, aber von einer Einstellung einheimischer Arbeitsloser war dabei so gut wie keine Rede. Es wird erzählt, daß der maßgebende Beamte auf deutsche   An­fragen überhaupt nicht reagierte, oder aber stellt? er die Frage, ob der Arbeitsuchende nicht tschechisch könne, und wenn dieser dann einige tschechische Brocken, die er vom Militär mitgebrat hatte, aus­kramte, so war erst recht an keine Einstellung mehr zu denken: Warum hat er aber auch diese Kennt­nis vorher verschwiegen? Diese Bähnregulie- rungsarbeit wird jetzt fortgesetzt, und es besteht die Gefahr, daß auch das System fortgesetzt werde, nach dem man von weit herbeigeholte fremde" Arbeiter beschäftigen und damft die zuschauenden ^einheimischen' Arbeitslosen'''neuerdings seelisch quälen werde. Ein Arbeitsloser sagt: Es ist auch'' den tschechischen Arbeitern kein Dienst getan, wenn sie hierher auf den Bahnbau beordert wer­den, denn der Lohn ist so gering, daß die Frem­den damit nicht auskommen können, während der Einheimisch ja doch zur Not damit sein Auslangen finden könnte. WaS ich da unten iM Kaadener Gebiet und rund herum gesehen habe, es ist leider fast das­selbe schon, wie man eS aus den Unglücksgebieten oben in GraSlitz   und Rothau, in Elbogen   und in Karlsbad   kennt. Auch diese Menschen sind nahe dem Ende ihrer Kraft. Will man ihnen überhaupt helfen, dann muß man schnell und tüchtig zugreifen und gründlich sein!
Der Ehrenpreis für das Masarhk- Rennen Am 29. September findet auf dem Masaryk-Ring bei Brünn   das große Autorennen um den Preis des tschechischen Staatspräsidenten statt. DaS Rennen wird in diesem Jahr unter stärkster Sie* setzung durchgeführt. Unser Bild zeigt den Ehren- preis für das Masaryk-Rennen.