Sette 6 Sozialdemokrat" Freitag, 4. Oktober 1935. Nr. 23f Trager fei-tog Toter nuf der Straße. Donnerstag morgens wurde auf der Stratze neben der Eisenbahnstrecke in Hloubötin die Leiche des 41jährigen Angestellten Franz Scdina aus Zizkov   gefunden. Nach einem hinterlassenen Brief hat er Selbstmord begangen, indem er sich vor einen fahrenden Zug warf. Das Motiv der Tat hat er nicht angegeben. Spiel im Morgengrauen. Gestern nach Mitter­ nacht   überraschte der Feldhüter I. K. aus Male- schitz zwei unbekannte Männer auf einem Rüben­feld in Hloubetin, die einen vollen Sack trugen. Als er sie anrief, stehen zu bleiben, warfen sie den Sack weg und ergriffen die Flucht. Später kehrten sie jedoch zurück und suchten den weggeworfenen Sack auf dem Felde, ohne ihn in der Dunkelheit finden zu können. Hiebei stießen sie wieder auf den 'Feldhüter, den sie nicht erkannten und, in der Mei­nung, er habe den Sack gefunden, aufforderten, ihn ahnen auszuhändigen. Der Feldhüter hatte zwar den Sack ebenfalls gesucht, aber ebensowenig fin­den können, wie die Beiden, die, als er sie anhal­ten wollte, abermals die'Flucht ergriffen. Hiebei schossen sie mehrmals auf den Feldhüter, ohne ihn zu treffen. Als es endlich hell wurde, fand der Feld­hüter den Sack auf dem Felde; er enthielt fünf geschlachtete Gänse. Die Diebe hatten sie ans dem Stall des Gebäudes, in dem sich die Kanzlei des Lebensmittelsteueramtes in Hloubetin befindet, zum Schaden der dortigen Beamten gestohlen. Sie konn­ten bisher nicht dingfest gemacht werden. In Flagrantt. Donnerstag vormittags fand eine Frau aus Dejwitz, als sie vom Einkauf in ihre Wohnung zurückkehrte, in dieser einen Einbrecher vor. Auf ihr« Hilferufe eilten auf der Straße be­schäftigte Arbeiter hinauf, die den Täter der Wache 'Übergaben. In ihm wurde der 29jährige wohnungs­lose Tischler Josef Mudra aus Pilsen   festgestellt; bei der Taschendurchsuchung wurden ihm 200 Kd in bar und zwei silberne Taschenuhren abgenommen, die er in der Wohnung der Mosohskä'gestohlen hatte, ferner wurden Einbruchswerkzeuge bei ihm gefunden. Er wurde nach Pankratz eingeliefert. Aericktssaat Verschwundene Briefe Poftangrstellter unter Anklage der systematischen Ausplünderung von Geldbriefe» Zweimal er­tappt und im Amt belassen! Prag  . Es ist keine Kleinigkeit, wenn ein Post­angestellter beschuldigt ist, sich an den ihm anver- ttauten Postsendungen vergriffen- zu haben. Die Post ist ein öffentliches Unternehmen, zudem die Bevölkerung absolutes und restloses Vertrauen haben muh. Es ist daher nur recht und billig, daß solche Verfehlungen, mag der materielle Schaden auch noch so unbedeutend sein, als schweres Verbrechen vor das Schwurgericht kommen. Mit der gerichtlichen Verfolgung und Bestra­fung der Schuldigen ist freilich nicht alles getan. Der alte medizinische Grundsatz:Vorbeugen ist besser als heilen" läßt sich auch auf das kriminalisti­sche Gebiet übertragen:Vorbeugen ist bes­ser als strafen." Gerade dieser Prozeß for­dert geradezu zu der Feststellung heraus, daß die Personalkontrolle der Postvcrwaltung offenbar zu wünschen übrig läßt. Der 88jährige Postangestellte Otto Vogel­sang vom Postamt 31 in Z i z k o v war vor dem Schwurgericht(Vors. OGR Dr. Svoboda) des Verbrechens de«mißbrauchten Amts­gewalt angeklagt. Tie Anklage legt ihm zur Last, systematisch Briefe, in denen er Geld vermutete, bei­seitegeschafft, geöffnet und eventuell ausgeranbt zu haben. Die Anklage beruft sich auf das Ver­schwinden von vier Briefen, in denen 10, 20, 30 und 40 Kd eingelegt waren, wobei der Angeklagte dringend verdächtig erscheint. Abgesehen von der materiellen Schädigung der Absender betont di« Anklageschrift den moralischen Schaden, den der Staat an seinem Hoheitsrecht der Postbeför­derung erlitten hat, sowie auch die Schmäle­rung seines guten Rufes infolge der Unzuverlässigkeit seiner Postbeför- d e ru n g." Dieser Standpunkt der Anklage ist sicher wohl begründet.- Man sollte erwarten, daß die Postver­waltung gleicher Anstcht ist und daher rigoros über die Zuverlässigkeit ihrer Organe wacht. Nicht ohne Staunen vernahm man daher die einleitenden Aus­führungen der Anklageschrift: Der Angeklagte Otto Vogelsang steht seit Jahren in dem Verdacht, daß er systematisch Briefe ausplündert und ist mich schon zweimal bei solchen Taten betreten»nd überführt worden." Der Angeklagte bekam damals vierzehn Tage Arrest(nur wegen Verletzung des Brief- geheimniffes). Die Awklage fährt fort: Trotz der Strafe, die ihm nicht zur War­nung diente, fuhr er in der Ausraubung der Briefe fort und bei dem Postamt, wo er beschäf­tigt war, wurden zahlreiche Verlustanzeigen er­stattet, gar nicht zu reden von den nicht gemeldeten Verlusten..." Die Kollegen des Angeklagten trugen es schwer, einen Dieb unter sich zu wissen und paßten auf den Angeklagten auf. Am 23. Feber d. I. glaubte dec Unterbeamte Jaroslav K y l i a n e k endlich, den An­geklagten auf frischer Tat ertappt zu haben, als die­ser einen Brief verschwinden ließ, den er vorher sorgfältig abgetastet hatte. Die Anklage konstattert sachlich: ... er(Kylicmek) hatte den Angeklagten schon früher beim Diebstahl ertappt und kannte die Art, in welcher der Angeklagte stiehlt." Trotz dem jahrelangen Verdachte und trotz der! behördlichen Feststellung, daß der Angeklagte ein! st a r k e r Trinker ist, fanden es die zuständigen Stellen nicht für nötig, dem Ilnznverlästigen«inen Posten zuzuteilen, wo er keinen Versuchungen aus­gesetzt gewesen wäre... Im vorliegenden Fall wurden freilich keine corpora delicti beigebracht. Ter Zeuge K y l i a n« k erklärt,«r habe beim Einlauf der Morgenpost um 9410 Uhx bemerkt, wie der Ange­klagte einen Brief unter Druckschriften verbarg und dann heimlich in die linke Hosentasche steckte. Dann begab er sich auf den Abort. Kylicmek erstattete beim Vizedirektor S k o r p i l Meldung und sie begaben sich gemeinsam auf den diskreten Ort und stellten den Angeklagten. In der Muschel fanden sie meh­rere, auf kleine Stücke zerrissene Briefe vor. Eine Leibesvisite verlief ohne Resultat. Vogelsang amtierte weiter und wurde nunmehr um.so schärfer bewacht. Nach einiger Zeit schien es den Beaufsichtigenden wieder, daß er einen Brief beiseite schaffe. Wieder folgte eine Lei­besvisite, die aber wiederum nichts zutage förderte. Da aber in der gleichen Zelt vier Briefe, die Geld enthietten, verloren gegangen waren, wurde Vogel­sang unter Anklage gestellt. Er leugnete entrüstet und berief sich darauf, daß er zweimal wertvolle Funde ehrlich abgeliefert habe, lind wie gesagt ein schlüssiger Schuld­beweis lag nicht vor und die Erwägung über Schuld oder Nichtschuld war in das Ermessen der Geschwo­renen gestellt. Die Beratung dauerte ziemlich lang und ihr Ergebnis war ein Verdikt, welches den An­geklagten nur mit sechs Stimmen schul- d i g befand. Zur Verurteilung ist A ch t ft i m« menmehrhe't erforderlich. Der Schwur­gerichtshof fällte im Sinne des Wahrspruches einen F r e i s p r u ch. rb. Juuist und Wlasen Spirlplan des Neuen Deutschen Theaters. Freitag 8 Uhr: Attentat. Samstag 8: Ich kenne Dich nicht mehr. Spielplan der Kleinen Bühne. Freitag halb 8: Giuditta  , volkstümliche Vorstellung, Abonne­ment aufgehoben. Samstag halb 7: T r i st a n und Isolde, Gastspiel Anni Konetzni, D 1. Manifestationsversammlung der Liga gegen den Antisemitismus gegen dir Nürnberger   Juden­gesetze. Bereits diesen Samstag, 8 Uhr abends, im großen Saal des Frauenklubs, Prag   H., Ve Smec- käch 26. Redner: Univ.-Prof. Dr. Frant. Bednak, Obersektionsrat Dr. Alfred Fuchs, Pfarrer V. Vancura. Allgemein zugänglich. Eintritt frei. Das fortschrittliche Prag   erscheint in Massen. Der Dim, Die Heilige««d ihr Rare Ueber die künstlerischen Werte dieses Goebbels- Films ist nichts zu vermelden, denn er hat mit Kunst so viel zu tun wie Herr Goebbels   mit Aufrichtigkeit Das liegt nicht etwa(wie gewisse Verteidiger der reichsdeutschen Film-Mache behaupten möchten) an einer falschen Wahl des Themas, sondern ganz im Gegenteil daran, daß man das Thema richtig ge­wählt hat: es ist der Inhalt eines der ödesten und verlogensten Kitschromane, die es in deutscher Sprache gegeben hat, die fürstlich-gräfliche Wunder- und Liebesgeschichte der Agnes Günther  , deren Werken inan sich jetzt ganz folgerichtig in dem von Geist und Stil gesäuberten Tritten Reich zuwendet, nachdem man die sämtlichen Werke Ludwig Ganghofers be­reits verfilmt hat(und nach der Günther werden dann vermutlich Rudolf Herzog  , die Eschtruth und die Marlitt an die Reihe kommen). Wer noch im­mer nicht weiß, was im reichsdeutschen Film vor­geht, der sehe sich diesen hier an: denn hitr, wo di» trällernde Schlagermusik, das neckische Gehüpfe und die faulen Witze fast ganz fehlen, offenbart sich der Blut- und Boden-Blödsinn in reinster und deshalb gespenstischer Gestalt. Dem Kenner offenbaren sich auch noch einige 'moralische Züge. Ta ist Herr Hans Deppe  , der Regisseur dieses Films, der jahrelang in der Ber­ liner  Katakombe" den verblödenden Kitsch verspot­tet hat und jetzt den entsetzlichsten Kitsch selbst i verfilmt. Ta ist Herr Hans Stüwe  , der innige I I Hauptdarsteller, der einst die deutsche  ' Film- und 1 Theaterwelt wegen dunkler Geschäfte verlassen mußte und jetzt beimErwachen der Nation" wieder aus der Versenkung aufgetaucht ist. lind schließlich ist auch die hiesige Verleihfirma Elekta zu erwähnen, deren nichtarischen Leitern die Nürnberger   Rassen­gesetze offenbar so Wohlgefallen haben, daß sie die­sen Schund aus dem Dritten Reich propagieren, der vermutlich in Prag   das Geld einbringen soll, das er drüben in Deutschland   erfreulicherweise nickt ein­gebracht hat.eis Spwt Spiel Jwperpffege Leichtathletik Meisterschaften des TAL Der finnische Arbeitersportverband(T11L) trug in Tampere   leichtathletische Meisterschaften aus. die u. a. nachstehende Ergebnisse zeitigten: 100 Meter: E. Nuppola 11 Sek.; 200 Meter: E. Nuppola 22.6 Sek.; 400 Meter: V. Härmä 81.9 Sek.; 800 Meter: V. Härmä 2:00.4 Min.; 1800 Meter: L. Korppi 4:06.4 Min.; 8000 Meter: M. Laihoranta 15:14.8 Min.; 10.000 Meter: E. Tik- kanen 32:11.4 Min.; Weitsprnng: B. Letbonen 6.83 Meter; Hochsprung: Väino Lethinen 1.75 Meter- Dreisprung: M. Salonen 14.53 Meter; 110 Meter Hürden: Väino Lethinen 16.4 Sek.(Vorlauf: 16.3); Stabhoch: A. Vienonen 3.60 Meter; Diskus: T. Letho 40.53 Meter; Gewicht: S. Heino 14.21 Meter; Speer  : T. Rautavaara 58.17 Meter; Schleu­derball: A. Franzen 53.95 Meter; Kugel: A. Fran­zen 14.07 Meter: Hammer: S. Heino 48.42 Meter. Freie Bereinigung sozialistischer Akademiker. Freitag, den 4. Oktober, um 20 Uhr findet im Parteiheim(Narodni 4) eine wichtige Mit­gliederversammlung statt. © Ortsgruppe Prag  . Samstag, den 5. Oktober: Zusammenkunft um halb 3 Uhr beim Autobus in Smichov  , beim Cafe Westend. Fahrt nach Mnisek. Wanderung zur Hütte. Decken bereits in der Hütte. Am Sonntag Touren in die Um­gebung der Hütte. Die für Sonntag angesetzte Tour findet aus technischen Gründen nicht statt. Mitteilungen aus dem Publikum. Im Wirbel der Errigniffe, im fortwährenden Wechsel der Begebenheiten, in einer Zeit, in der man nie weiß, was der nächst« Tag brin­gen wird, kann nur der bestehen, nur der durchhalten, derden Kopf nicht verliert"! Das ist aber nur möglich, wenn Geist und Körper stets elastisch sind! Gewinnen, erhalten Sie diese Elastizität durch regelmäßige Einreibungen mit deut Alpa-FranzbrannktAin. Sic mächcn frisch/ kräftig und gerüstet für jedes Ereignis! Das wird sogar Ihr Arzt bestätigen. Urania-Kino, Klimentska 4. Fernsprecher 61623. Ein Waker aus Wien   Hauptrollen: Pauk Hörbiger, Theo Lingen  , Adele Sandrock  . Ab Freitag, halb 6, halb 9 Uhr. Nation«nd Geschichte Marx   und Engels haben im kommunisti­schen Manifest vorausgesagt:Die nationa­len Absonderungen und Gegen­sätze derVölker verschwinden mehr und mehr schon mit der Entwicklung der Bour­geoisie, mit der Handelsfreiheit, dem Weltmarkt, der Gleichförmigkeit der industriellen Produktion und der ihr entsprechenden Lebensverhältnisse". Der gegenwärttge Verlauf der Geschichte scheint aber Walter Rathenau   recht zu geben, der für die Zeit nach dem Welttriege starke nationalistische Strö- mungen voraussah. In Irland  , in Oesterreich  , in Ungarn  , in Deutschland  , in Italien  , in Japan  , bei der Saarabstimmung, bei der letzten Wahl in der Tschechosiowakei haben nationalistische Bestrebun­gen nicht nur die Bourgeoisie, sondern auch breite Schichten des Proletariats ergriffen. Die Forde­rungenAsien   den Asiaten!" undAfrika   den Negern!" künden unheilvoll ähnliche Strömungen bereits für die anderen Erdteile an. Die Führer aller dieser Bewegungen wollen Absonderung und die Gegensätze der Nattonen behaupten und erhalten. Sie geben vor:den ureigensten Lebensgesetzen des Volkes und des Volkstums zu folgen." DieRundschau", das Blatt Henleins, erklärt, daß der Wille zur deut­schen Einheitaus den Tiefen unseres Volkstums kommt und sich anschickt, alle Lebensbereiche unse­res Stammes von innen heraus neu zu gestalten und zu prägen." Otto Bauer   schreibt über solche Auffassungen:Die nationalistische Darstel­lung der Geschichte stellt die Nationalcharaktere als verschiedene Substanzen dar, deren Anziehung und Abstoßung den eigentlichen Inhalt der Ge­schichte bilde." Das Gerede vonVolkstum, Volks­seele, Volksgeist" bezieht sich meistens auf Herder, derdie Menschheit um die Erkenntnis des Eigen­wertes der Völker und Kulturen reicher gemacht", habe. DieErkenntnis" Herders wird nicht auf ihren wissenschaftlichen soziologischen Wert hin nach­geprüft, sondern trotz ihrer Romantik alsureigen­stes Lebensgeseh" als unabänderliche,letzte" Tat­sache einfach übernommen und geglaubt. Die wirkliche Geschichte zerstört die Romantik. England und Amerika  , ursprünglich Völker gleichen Volkstums, haben sich zu zwei Nationen entwickelt, die verschiedene Charaktere angenommen haben und auch verschiedene Interessen besitzen. Deutschland   und Oesterreich   haben trotz-derureigensten Lebensge­setze" verschiedeneVolksseelen". In der Schweiz  haben sich verschiedeneVolkstümer" zu einer Na- tion vereinigt. Und in Deutschland   läßt sich trotz des Nationalsozialismus bei den Bayern   und Preußen nur sehr schtver die gleicheVolksseele" erkennen. Die Nationen sind eben keineletzten" Tatsachen, keine unabänderlichen Naturgegebenheiten, kein Schicksal; sie sind geschichtlich geworden, von den Menschen nach ihren Bedürfnissen gebildet. Die nattonalistische Geschichtsauffassung können wir dadurch überwinden, daß wir... den National­charakter des substanziellen Scheines entkleiden, in­dem wir zeigen, daß der jeweilige Nationalcharak­ter nichts anderes ist als ein Niederschlag vergan­gener geschichtlicher Prozesse, der durch folgende ge­schichtliche Prozesse wieder verändert wird"(Otto Bauer  ). Max Adler   weist darauf hin, daß zur Natton das Nationalb ewußtsein gehört. Eine Nation wird geschichtlich erst durch das Bekenntnis zu ihr wirksam; ein gemeinsamer Wille verbin­det dann die Gliedes der Nation.Wir können daher sagen, daß wir unter Nation die aus h i st o r i- scher Schicksalsgemeinschaft entstandene Wil­lens gemeinschaft zur Erhaltung einer in der Regel sprachlich oder staatlich bestimmten Jntereffen- und Kulturgemeinschaft verstehen"(Max Adler). Der Löwe ist o b j e k t i v ein Raubtier. Er gibt sich immer und überall als Raubrier, ohne ein Art­bewußtsein zu besitzen. Die nationalen Charaktere sind keine derartigen vom Bewußtsein unabhängigen Tatsachen. Sie sind einer Menschengruppe nicht ob- jekttv, als besondere GcisteSart, gegeben. Tie Na- Honen sind gebildet worden von den Subjek­ten, die bewußt so sein und bewußt so zusammen­gehören wollen. Nicht die Natur, nicht ein göttliches oder metaphysisches Wesen, sondern die Menschen selbst haben eine bcstinmtte Nation gewollt und sie nach ihren ges ellschaftlichenBedürf- nissen gestaltet. Die politischen Landkarten Euro­ pas   aus dem letzten Jahrtausend weisen in ihrer Bnntscheckigkeit eine Fülle von Nationen und Na- tiönchcn nach, die gebildet worbest sind von bestimm­ten Menschengruppen, ganz nach ihren gesellschaft­lichen Verhältnisse!;. Die Arbeiterklasse muß die völkische Romantik als Herrenideologie ablehnen. Die so­ziologische Analyse läßt erkennen, daß dieNation" bisher eine Klasseneinrichtung war. Zwischen einem sächsischen Bergarbeiter und einem ostpreußischen Feudalherren besteht wirklich keine Charakter- und Kulturgemeinschaft; sie stellen beide auch nicht e i n Volkstum dar. Wer sind die Trä­ger der Natton? Wer sind die Drahtzieher der na­tionalen Bewegung? Die*hcrrschenden Schichten ha­ben die von ihnen beherrschten Klassen immer nur alsH i n t e r s a s s e n" der Nation geduldet. Die unteren Volksschichten haben oft genug fürna­tionale" Belange geblutet, während die Träger der Natton nur ihre Klasseniutereffen im Auge hatten. Die vielen Kriege Friedrichs des Großen hatten die besonderen Interessen des Hauses Hohenzollern zum Ziele; der Weltkrieg wurde nicht von den Nationen, sondern von den interessierten Klassen der Nattonen gewollt. Und der geplante Krieg Mussolinis gegen Abessinien ist nicht eine Forderung der gesamten Nation, sondern der am Fascismus interessierten Volksklassen. Der Kampf zwischen den Nationen ist nicht einKampf ums Dasein" im Sinne Dar­wins, sondern ein Kampf um den Profit. Der Rationalismus unserer Tage droht zu einer Gefahr für die arbeitende Menschheit überhaupt zu werden. Einzelne Nationen Europas   streben einer autarkischcn Wirt­schaft zu. Der Erdteil zerfällt ingeschlossene Handelsstaaten", in nationale Währungsgebiete, '.wischen denen ein Ausgleich sehr schwer möglich ist. Die Weltwirtschaft, die durch die fortschreitende Verkchrstechnik immer mehr zu einer arbeitsteiligen Einheit zusammengeschloffen wurde, zerbricht vor! unseren Augen. Die Völker schachteln sich inBlut, und Boden" ein trotz Radio, Kino und Flugzeug, die den Menschen auf der gesamten Erde allgegen­wärtig gemacht habcy. Derselbe Mensch, der mit Physik, Chemie und Technik die Natur in einem Ausmaße beherrscht, das früher für utopisch gehal­ten worden ist, sieht in der nationalen Askese und in dem Heldentode für seine Volksgemeinschaft höchstes Glück der Erdcnkinder." Wenn die völkisch- fascistischcn Systeme sich festigen und ausbreiten soll­ten, dann müßte die Wirtschaft Europas   vermodern. Die bürgerliche Gesellschaft würde sich als unfähig erweisen, demureigensten Lebensgesetz" der ge­schichtlichen Entwickelung zu folgen. Sie vermöchte weder den gesellschaftlichen Fortschritt im allgemei­nen noch die Steigerung der Produktivkräfte im be­sonderen zu organisieren. Daß darunter nicht nur die Arbeiter, sondern auch wette Schichten des Bür­gertums schwer zu leiden hätten, wird schon heute den Beteiligten, insoweit sie die Entwicklung den­kend zu verfolgen imstande sind, geradezu aufge­drängt. Immer kleiner werden dienationalen" Kreise, die aus dervölkischen" Politik ihren Nutzen und ihren Profit ziehen. Das Bürgertum verläßt sich in dieser Sitti- ation auf die völkischen Propheten und er­wartet Hilfe von der neuhcidnischen Walhalla  . Metaphysik und Religion waren immer dieRet­tungsanker" niederbrechender Volksschichten. Das Bürgertum überhört die Rufe seiner einsichtigen Führer, die zu einer Zollunion der europäischen  Nationen und zu einem übernationalen Groß- Europa   rieten. Es fürchtet, mit seinen nationalen Gebilden auch seine nationalen Privilegien zu ver­lieren. Um so mehr muß in der aufstrebenden Ar­beiterklasse und in den proletarischen Schichten des Bürgertums der S i n n für die Wirklich­keit und die Erkenntnis geweckt werden, daß der Welt von heute ein Problem gestellt ist, das nicht durch nationale Einkapselung, sondern nur durch in­ternationale Planung zu lösen ist. Dasureigenste Lebensgesetz" der arbeitenden Menschheit ist die internationale Solidarität. Nicht der nattonalistische, sondern der internationale Sozialismus vermag uns aus dem Elend zu erlösen." I, K. Bezugsbedingungen: Bei Zustellung tnS Haus oder bei Bezug durck die Bost monatlich Kd 16.. vierteljährig Kd 48.. halbjährig Kd 96. ganziährig Kd 192.. Inter«« werden laut Tarif billigst berechnet. 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