Sonntag, 6. Oktober 1935 Nr. 233 15. Jahrgang EtaHlmls 70 Hell« (intchli.Wich S H«ll«r M4 IENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TXGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung mag xii.,fochova«. Telefon non. HERAUSGEBERi SIEGFRIED TAUS. CHEFREDAKTEUR ! WILHELM NIESSNER, VERANTWORTLICHER REDAKTEUR, DR. EMIL STRAUSS, FRAG. Wird Genf versagen? Höchstens wirtschaftliche Sanktionen und auch die nicht so rasch Paris . Der Genfer Sonderberichterstatter der Agentur Labas erfährt zum Verlauf der Genfer Verhandlungen am Samstag, daß von militäri­sche« Sühnemaßnahmen oder einer Blockade, die ebenfalls unter müitärische Sühnemaßnahmen zu zählen sei, nichtmehrdieRede sein Könne. Es sei lediglich damit zu rechnen, daß wirtschaftliche und finan­zielle Maßnahme« gegenüber Italien angewandt würden, aber auch hierzu feien,«ach dem Verlauf der Samstag-Sitzung zu urteilen, langwierige Verhandlungen notwendig. Paris . Unter dem Eindruck der einstim» migen Entschließung des französischen Minister­rate-, der militärische Sanktio­nen gegen Italien adlehnte und »nr wirtschastbiche Sanktionen in allmählichem Tempo in Gang fette« will, sswie unter dem Eindruck der Beruhigung-Vorschläge Mussolinis an Sir Sa» muel Hoare ist die französische Presse am SamS- tag ruhig und spricht die Hoffnung aus, daß die richte prüfe. Der Rat tagte zunächst in nichtöffentlicher Sitzung, in der das weitere Borgehen bei der Lö­sung des afrikanischen Konfliktes festgestellt wurde, und nahm dann, in öffentlicher Sitzung den Berich tdes Drei zehner au s- sch n s s e S des Rates an, der nur eine objek- tipe Darstellung aller Ereignisse des Konfliktes bis zur Eröffnung der Feindseligkeiten enthält. Der Rat selbst beschränkt sich vorläufig auf die Empfehlung, sofort jeder Paktver- Addis Abeba.Während Sams­tag früh bereit- amtlich der Fall von Adua gemeldet und auch die Erobe­rung A k s u m s für die nächste« Stun­den in Aussicht gestellt wurde, wurde später gemeldet, daß die Abessinier beide Orte noch'in ihrem De sitz habe« und auch Adigrat «och«icht gefalle« ist.Reuter bestätigte diese Meldung noch um 16 Ahr. Offenbar spielen sich um den Be­sitz der Stadt noch erbitterte Rah- Kämpfe ab, in denen die Italiener mtt alle« ihnen zur Verfügung stehende« moderne« Kampfmitteln Vorgehen. Die Verluste sind aufbelde« Seiten schwer. Reuter meldet, daß die bei­de« im Norden von Adua kämpfenden Gegner im verzweifette» Kampf vor ttallenischen Schützengräben zusam- menttafen, wobei Mann gegen Man« mit Dolche« und Dajo- Feindsrligkeiten in Abessinien nur von kurzer Dauer sein werden. Pari-. Die Genfer Verhandlungen und dir Mitteilungen Mussolini - an die englisch « Re­gierung werden an amtlichen Pariser Stellen als neue Aussichten auf eine verhältnismäßig nahe hevorstehende Einstellung der Feindseligkeiten und Regelung drS Konfliktes ohne Erschütterung der englisch -französisch-italienischen Zusammenarbeit auSgelegt. Niemand verhehlt aber, daß di« Ange­legenheiten noch nicht in diese Phase gettrtr« find. letzung«in Ende zu machen. Außerdem behält er sich vor, später andere geeignete Empfehlun­gen zu machen. Der italienische Vertreter Baron Aloisi be­hielt sich die Stellungnahme zum Bericht deH Dreizehncrausschusses bis zur Montagssitzung des RateS vor. Den gleichen Beschluß faßte auch der abessinische Delegierte. Der Rat beschloß dann, am Montag wieder^usammenzutreten. nett en gerungen wurde. Keiner der beide« Parteien sei es bisher gelungen, einen nennenswerten Vorteil zu er­ringen. Rach anderen Meldungen hat Adua im Laufe des Tages wieder» holt den Besitzergewech» selt. Trotz der Tapferkeit der Abes­sinier ist jedoch kaum anzunehmen, daß sie die Stadt werden hatten können. Der Fall Aduas wurde in Rom schon im Laufe des Freitag erwartet, doch leisteten die Abessinier erbitterten Widerstand, so daß der letzte Angriff auf Adua auf Samstag früh drei Uhr verschoben werden mußte. In der Nacht hatten die Abessinier noch erfolgreiche Gegen­angriffe unternommen. Die Italiener gehen mit insgesamt- sechs Divisionen, die 100.000 Mann zählen, in einer Breite von 63 Kilometer von Eritrea her vor. Schätzungsweise haben die italienischen Truppen bis jetzt etwa 3000 Quadratkilometer abessini­schen Gebietes besetzt. Der italienische Vormarsch erfolgt nach dem »Daily Telegraph " i n d r e i H e e r e s s ä n- len. Die linke Säule unter dem Oberbefehl des General Santini hat Adigrat genommen, die mittlere Säule unter General B i r o l i befindet sich in Debradamo nordwestlich von Adigrat, wäh­rend die rechte Säule unter General Maravigna unmittelbar auf Adua marschiert. Oer letzte abessinische Bericht lieber den letzten Stand der GefechtS- W läge sst folgendes Telegramm des Armee­führers Ras Seyum eingegangen: In der Umgebung von Mayeta und Enguela ist zwischen, den Italienern und Abessiniern eine Schlacht im Gange. Die Abessinier haben zahl­reiche Gewehre und Maschinen­gewehr« erbeutet. Die Italiener haben starke Verluste erlitten. Adigrat ist von der italienischen Streitmacht n och nicht eingenom­men. Die Italiener find erfolgreich biS H a v a- r i a t vorgedrungen, daS etwa eine Stunde von Adigrat entfernt liegt. Die Abessinier leisten trotz ständigen Bombenangriffen Widerstand. In den Gebieten, in welchen fich die abessi­nischen Truppen nicht zu stellen beabsichtigen, rücken die Italiener nach den bisherigen Ersiih- rungen täglich etwa sieben Kilometer vor. Unter diesen Umständen wird hier auch mit der baldigen Eiwnahme von Aksum gerechnet. Abessinische Reserven unterwegs Der NeguS ordnete an, daß sich Ras Amru, der Kommandant der Reserven in der Provinz Godjam, in Marsch setze und die Posi­tionen rinnehmr, welche früher in der Umgebung von Debra Tabor Ras Kassa inne hatte, der nun mit 100.000 Mann in die Gegend von Adua und Adigrat zieht, um Ras Seyum Hilfe zu leisten. »Paris Soir" meldet aus Addis Abeba : Abessinische Flugzeuge befördern Munition nach Adua. Reguläre abessinische Truppen haben die zurückgehenden Formationen, denen sie zu Hilfe eilen, noch nicht erreicht. Im Gebiete des Berges Muss« A l i be­gegnen die Italiener großen Schwierigkeiten. Ihre Flugzrngbombardements bleiben unwirk­sam, denn die Eingeborenen besitzen in den Ber­gen glänzende natürliche Unterstände. Ole sauren Trauben... Rom . An amtlicher Stelle werden die Nach­richten Wer eine Einnahme von Adua durch die Italiener und eine Wiedereinnahme von Adua durch abessinische Truppen aufs bestimmteste dementiert. Adua sei bis jetzt von den italieni­schen Truppen überhaupt noch nicht besetzt wor­den, Auch am Samstag sei der Zweck der Ope­rationen gewesen,»lediglich den Druck auf Adua von.zwei Seiten her zu verstärken". Man nehme an, daß Adua in den nächsten Tagen, vielleicht schon am Samstag, in italienische Häiide fallen werde. Die italienischen Verluste seien bis jetzt ganz geringfügig(?), doch könnten noch keine Verlustziffern angegeben werden. Abessinische Hauptwlderstands- llnie erst viel weiter südlich Emer Meldung desDaily Telegraph " auS Addis Abeba zufolge hat ein abessinischer Regie- rungSvsrtreter erklärt, daß Abessinien auf Grund eines lange vorbereiteten Planes n i e m« IS| beabsichtige, die Linie Aksu mA d u a zu ver­teidigen. Der wirkliche Entscheidungskampf werde viel weiter südlich vor sich gehen. Daß die abessinischen Truppen an der Nordfront dem italienischen Vormarsch Widerstand leisteten, sei geschehen, um nicht direkt die offene Tür zu zeigen. Man rechnet mtt der Fort­setzung des italienischen Angriffs, ist aber über­zeugt» daß der italienische Vormarsch auf der Linie MakaleAttabeMasfini aufgr halten werden wird. Einheitswollen gegen Spaltungsgeist Die Schlcksalstase von Karlsbad (Schluß.) Drei Tage lang währte der entfesselte Kamps der Meinungen. So erbittert, so voll letzter Hin­gabe und Leidenschaft ist auf sudetendeutschem Boden noch nie um politische Klarheit gerungen worden» Auf solcher geistiger Höhe find die Pro­bleme der Nachkriegszeit selten auf einem soziäli« stischen Parteitag erörtert worden. Alte Kampf­gefährten standen gegeneinander, ja Vater und Sohn strittew in verschiedenen Lagern. Die alte Parteimehrheit ließ eine ganze Reihe von starken Verfechtern ihrer Jdeengänge aufmarschieren, aber auch die andere Seite führte blendende und wir­kungsvolle Redner ins Treffen. In der Debatte dominierte ernste Sachlichkeit,'doch das Tcmpera- ment der Redner und Zuhörer ließ immer wieder zu Sturmszenen aufbrausey. Der Vorsitzende hatte ein schweres Amt. Seiner Kaltblütigkest und der Disziplin der Delegierten war es zu danken, daß die Verhandlungen des Parteitages doch nach jeder stürmischen Unterbrechung wieder in das Fahrwas­ser einer sachlichen Auseinandersetzung gelenkt werden konnten. Liest man heute in den schon etwas vergilbten Seiten des Protokolls nach, so verspürt man noch den Gluthauch dieser Tage Kommende Historiker werden es als ein großes Dokument einer schicksalsvollen Zeit mit Eifer nachlesen, als wertvollen Beitrag zur Geschichte der sudetendeutschen Arbeiterbewegung und der deutschc» Politik in diesem Land« entdecken. Die Situation, in der damals gekämpft wurde, war in vieler Hinsicht eine andere als heute. Es wäre also eine billige Wortklauberei, hier jedes Wort oder jeden Satz nachzuprüsen, in­wiefern er von dem Lauf der Geschichte widerlegt oder bestätigt worden ist. Was aber die Grund­auffassung anbelangt, so ist in der Zwischenzeit den Vertretern der sozialdemokratischen Richtung so manche Genugtuung zuteil geworden. Einer der prominentesten Redner der Linken er ist inzwischen aus dem politischen Leben unrühmlich abgegangen, wie so viele, die mit ihrer revolutio­nären Gesinnung nicht genug lizitieren konnten proklamierte die Aufgabe, die Massen auf den Zusammenbruch vorzubereiten. Aus dieser Per­spektive, daß schon in ganz naher Zeit zwischen der Demokratie und der Diktatur des Proletariats zu wählen sei, erflärte er auch: »Genosse Seliger, eine Verständigung zwi­schen zwei Richtungen, von denen di« eine von der Diktatur des Proletariats, die andere von der bloßen Demokratie die Verwirklichung des Sozia­lismus erwartet bei so grundverschiedenen An­sichten halte ich eine Verständigung für unmög­lich." Es mag sein, daß die Bedeutung, der Demo­kratie als Kampfmittel in diesem Ringen von so­zialdemokratischer Seste manchmal Werbetont wurde. Man konnte vor fünfzehn Jahren noch nicht übersehen, was die seelischen Verwüstungen des Krieges auf mitteleuropäischem Boden, dem Vordringen sozialistischer Ideen an furchtbaren Hindernissen aufgerichtet hatten. In Skandina­ vien , in England, in der Schweiz , außerhalb also des kontinentalen Zauberkreises des Völkerhasses und des Revanchegeistes der Besiegten, hat sich die Demokratie als Vormarschgelände der Arbeiter- flasse und damit des Sozialismus zweifellos be­währt. Und die konterrevolutionären Siege in den mitteleuropäischen Ländern hätten wahrschein­lich keine so verheerenden Ausmaße annehmen können, wenn nicht«der kommunistisch gewordene Teil des Proletariats selbst zur Pernichtung der Demokratie beigetragen hätte. Die Triebfeder der Spaltung war die Ungeduld einer sich revolu­tionär gebärdenden Schicht, die nicht darauf war­ten wollte, bis die arbeitenden Massen für die Ideale des Sozialismus erobert sind. Ohne Ge­folgschaft der werktätigen Massen gibt es aber weder eine erfolgreiche Sozialreform, noch eine siegreiche Revolution. So oder so es muß der Machtergreifung die Eroberung der Gehirne vor­ausgehen. Das wollen nun auch die Kommuni­sten im Wege von Einheitsfronten und Volksfron­ten zuwege bringen. ES stünde wahrlich um den westeuropäischen Sozialismus und auch um So- Noch ein Ausschuß Völkerbundplenum für Mittwoch einberufen Genf.(Renier.) Die Völkerbund Versammlung wurde für Mittwoch de« 8. d. um 16 Ahr einberuf««. Der Dölkerbundrat beschloß am Samstag folgende Empfehlungen r 1. Wenn irgendeine Verletzung des Völkerbundpaktes eingetreten ist, so müsse eine Remedur eintreten. 2. Der Dölkerbundrat behalt sich das Recht vor, alle notwendige« Maß­nahme« zu treffe«. 3. Der Dölkerbundrat hat eine« sechsgliedrigen Ausschuß ge­bildet, welchem der engttsche, der französische, der rumänische, der portugie­sische, der chllenische und der dänische Delegierte angehören, damit er die Lage im Lichte der von den beide« Streitpartelen eingegangenen letzte» De » erbittertes Ringen um Adua Nahkampf mit Bajonett und Dolch Die Italiener kommen nicht vorwärts