Stift 2 Sonntag, 6. Oktober 1935 Nr. 233 wjetrußland besser, wenn Moskau   nicht erst auf fünfzehnjährigem Umweg zur Einsicht gekommen wäre, däß die Erhaltung Wenn mich nur der bür­gerlichen Demokratie deni Sieg des Faseismus Uorzuziehen ist! » In der entscheidenden Abstimmung des Par­teitage- wurde der Antrag Hillebrand mit 292 gegen 146 Stimmen angenommen. Obwohl sich nach aller Gepflogenheit die Minderheit der Zwei­drittelmehrheit einfach zu fügen gehabt hätte, wurden noch immer goldene Brücken gebaut. Denn der Antrag Hillebrand verlangte die Einsetzung einer Kommission» die einen Kompromißvorschlag au-arbeiten sollte. Die Kommission tagte Tag und Nacht. Der todkranke Seliger gab seine letzten Kräfte her, um doch zu einer einheitlichen Platt­form mit den sogenannten linken Genoffen zu kommen. Bor Müdigkeit kaum der Sprache fähig, berichtete Seliger sodann in einer Nachtsitzung, daß doch ein Kompromiß gefunden wurde, die so­genannte Karlsbader Deklaration. Sie stellte in der Tat ein Höchstmaß von Verständigungsbereit­schaft der Parteitagsmehrhesi dar. Auch die Dik- tatur wurde als Eventualfall bejaht, sobald der friedliche Vormarsch des Proletariats durch den Gewaltstreich einer kapitalistischen   Minderheit be­droht war, als Diktatur der Mehrheit über die Minderheit. Diese dann vom Parteitag einstim­mig angenommene Deklaration enthielt auch fol­gende Abschnitte: »Der Parteitag verpflichtet di« Parieimit glieder zu vollständiger Einheitlichkeit der Aktion der Partei, wobei er das Recht aller Parteimit­glieder, ihrer Ueberzeugnng gemäß all« Probleme des Sozialismus zu erörtern, anerkennt. Jede gehässige, persönliche Kampfescheise in­nerhalb der Partei, sowohl in der Presse wie in Versammlungen und Organisationen, ist zu unterlassen. Von der Bildung eigener Gruppen innerhalb der Partei und von der Veranstaltung von Son- deraktionen wird Abstand genommen. ES ist selbstverständlich, daß die Beschlüsse des Partei­tages für jedes Parteimitglied als bindend anzu­sehen sind." Obwohl mit diesen heiß erkämpften Formu­lierungen die Einheit der Partei gesichert erschien, gingen doch di« meisten Delegierten mit einem sor­genvollen und beklommenen Gefühl nach Hause. Es sollte in der Folgezeit auch keineswegs als selbstverständlich gelten, daß die Beschlüsse des Parteitages für jedes Mitglied verbindlich seien Die sogenannte Reichenberger Linke war in der Zeit, da sie in Karlsbad   noch Vergleichsverhand- lungen führte und zum Schein einer Kompromiß­resolution zustimmte, bereits der Dritten Inter­nationale angeschloffen. Nur aus taktischen Grün­den vermied sie noch in Karlsbad   den offenen Bruch, weil dir Verhältnisse in der tschechischen Sozialdemokratie noch nicht völlig auSgereift waren. Deshalb wollten die deutschen   Linken nicht vorprellen, sondern einen günstigen Moment für die Sprengung der Partei abwarten. Er schien ihnen gekommen, als im Dezember 1920 der bekannte Streikputsch ausbrach, der die Be­gleitmusik zur Zerreißung der tschechischen Ar- beiterbewegung war. Von einer Einheitlichteit in der Gesinnung und Taktik war schon seit Karls­ bad   nicht mehr die Rede. Es war nur die äußere Konsequenz des gegebenen Zustandes, als im Jän­ner 1921 das Tischtuch zerschnitten und Kreibich die ersehnte Gelegenheit gegeben wurpe, als Füh­rer einer kommunistischen   Partei zu beweisen, daß er die Arbeiterschaft zu größeren Erfolgen führen könne als ein Viktor Adler  , ein Josef Seliger  , ein Karl Eermak und ein Oswald Hillebrand. » Heute predigt Karl Kreibich   den sudetendeut­ schen   Arbeitern wieder die Einheitsfront. Längst wagt kein Kommunist mehr zu behaupten, daß die kommunistische Partei allein die Weltrevolution beginnen oder die Diktatur des Proletariats auf­richten könnte. Heute braucht man bei jeder klei­nen Aktion wieder die Mithilfe der Sozialdemo­kraten, die fünfzehn Jahre als Verräter, als Lakaien der Bourgeoisie und zuletzt als Sozial- fascisten geschmäht wurden. Heute ruft man auch die Kleinbürger und die Kleinbauern, deren Be­deutung von den linken Rednern in Karlsbad   so gering eingeschätzt wurde, zur sogenannten Volks­front. Heute aber nehmen wir Karl Kreibich   bei den Worten, die er in Karlsbad   gesprochen hat: ES wurde hier von der Einheit des Prole­tariats gesprochen. Die Einheit deS Proletariats ist unser sehnlichster Wunsch, aber die Einheit hat nur einen Sinn, wenn sie die Einheit inr revolu­tionären Klaffenkarnpf ist.(Zustimmung.) Die Einheit ist keine formale Sache, ist Sache des Ge­dankens, in dem wir siegen wollen, und wenn das Proletariat nicht in diesem revolutionären Geiste des Klassenkampfes einig ist, dann ist die organi­satorische Einigkeit für das Proletariat von ge- geringem Wert und wir wollen Und unser Ziel ist: das Proletariat auf diesem Wege zu dieser Einheit zu bringen." Amtlich, wird gemeldet: Der Kattowitzex polnische Rundfunk for­dert seit dem 15. September systematisch die Angehörigen der polnischen Minderheit in der Tschechoslowakischen Republik zu a n t i st a a t- lichen Aktionen auf und gibt ihnen hie­bei die Versicherung, daß die ganzePol- nische Republik hinter ihnen st e h t. Diese provokative und in den inter­nationalen Beziehungen sicherlich vereinzelte und unerhörte Kampagne hat zur Folge, daß sich auf dem Gebiet« der Tkchrchoflowakischen Republik doch einzelne Angehörige der polni­schen Minderheit gefunden haben, die sich» an­geeifert durch die Hetzorrien deS Kattowitzer Rundfunks in provokativ« und strafbare Hand­lungen einlaffen. PolnischesMärtyrertum" als Trick Wie das amtliche tschechoslowakische Preß­büro mftteilt, setzen die offizielle Polnische   Tele­graphenagentur und der polnische Rundfunk ihr« Hetzereien gegen die Tschechoslo- wakische Republik fort und führen in ten­denziöser Weise einige Fälle von angeblicher »roher Behandlung" polnischer Staatsangehörige, und tschechoslowakischer Bürger polnischer Natio­nalität auf tschechoslowakisch-polnischem Gebiete an. Dazu wird konstatiert, daß in letzter Zeit pol­nische Staatsangehörige des öfteren direkt mit der Absicht in die Tschechoslolvakei kommen, durch ihr unanständiges Auftreten ihre Verhaftung zu pro­vozieren, sich so in Polen   einen Namen zu machen und leichter eine Anstellung zu finden. Im ver- Wie weit haben es die Parteispalter mit der Einigkeit deS Proletariats gebracht, indem sie fünfzehn Jahre vom revolutionären Kürffenkampf geschwätzt haben? WowäredieArb eiter« bewegung der Tschechoslowakei  heute, wenn nicht dieSozialdeno- traten trotz Schimpf und Hohn ihre demokratischen Dase in sgrun dla gen gerettethätten? Der Kreibich von 1920 zeugt gegen den Kreibich von 1985. Da­mals hatte für ihn die formale Einheit keinen Wert und deshalb mußte sie zerschlagen werden. Heute hausiert er im Lande mit der Lehre herum, daß Sozialdemokraten und Kommunisten wer weiß was für revolutionäre Taten sehen, wenn sie ge­meinsame Komitees bilden. Die Einheit vom Jahre 1920 war die schlechte und heute jubelt die»Rote Fahne" über einen großen Erfolg, wenn Sozialdemokraten und Kommunisten einen Kilo­meter hintereinander auf der Straße marschiert sind, ohne sich zu prügeln. 1920 wußte es Krei­bich, daß selbst die organisatorische Einheit von geringem Wert ist, ohne die Gemeinsamkeit der Anschauung und der Gesinnunq. Heute nähme er mit jedem Kuddelmuddel vorlieb. Jawohl, die Einiguna im revolutionären Geiste ist notwendig, aber nicht in einem Geiste, der nur revolutionär ist gegen die Sozialdemokratie, sondern revolutio­när in der Liebe und in der Sorge kirr die Ar­beiterklasse, wie jene Männer und Frauen, die unter Josef Seligers Führung in Karlsbad   für die Einheit der Bewegung gestritten haben I gangenen Monat führte die polnische Telegraphen» Agentur eine Kampagne gegen die Tschechoslo­ wakei   wegen der Verhaftung und Verurteilung der polnischen Staatsangehörigen Sophie R zy­ma n o v ä, die während des zweitägigen Aufent­haltes in der Tschechoslowakei   durch eine Eintra­gung im Fremdenbuch da- tschechoslowakisch« Volk grob beleidigte. Nunmehr veröffentlicht diese Frau im Krakauer illustrierten Kurier Godzienni ein Inserat folgenden Wortlautes:»Ein Opfer tschechischer Persekution, aller Mittel zum Lebensunter- haltentblöst, bittet um irgendeine Beschäftig»»g". Bereits aus diesem Falle gehen die Absichten klar hervor, von welchen sich einige polnische Staatsangehörige bei ihren Ex­kursionen in die Tschechoslowakei   leiten lassen. diene Provokationen Im Teschener Gebiet AuS dem Teschner Gebiet werden wei­tere Fälle gemeldet, wo F e n st e rscherb en in tschechischen Schulen eingeschlagen wurden. In der Nacht auf Samstag haben unbe­kannte Täter um 2.80 Uhr die Fenster des tsche­chischen Kindergartens in Stanislavovice zertrüm­mert. Drei Steine wurden auch in die Wohnung des Schulleiters O n d r ä c e k geworfelt, ohne jemanden zu treffen. In derselben Nacht wurden um 1 Uhr die Fensterscheiben in Horni TirliLko und in der Wohnung des Schulleiters eingeschla- gen. Auch im Kinderheim in Horni Terlicko wur­den fünf Fensterscheiben zertrümmert. Schließlich schlugen unbekannte Täter fünf Scheiben in der tschechischen Schule in Oldiichovice ein. ES gelang nicht, die Täter zu finden. 56K polftlk führt ins Verderben Demonstration In RoBhaupt Zwanzig Verhaftungen Durch alle Blätter ging im Laufe der Woche die Meldung über die Vorfälle im Dachauer Be­zirk, bei denen nicht nur demonstriert, sondern als Endergebnis des von Henleinleuten organisierten Aufstandes, gegen 20 Menschen verhaftet wurden. Im Jntereffe dieser Verhafteten, als auch im Jntereffe der Wahrheit sei deshalb der Verlauf dieses bedauerlichen Ereignisses kurz dargestellt. Das RestgutSchafhütte" in Roßhaupt   ist vor zwei Jahren herrenlos geworden. Um den Boden, der nunmehr neuerlich irgendwie aufgeteilt wer­den mußte, möglichst zweckmäßig zu verwerten, versuchte man durch Errichtung einer Pacht­genoffenschaft die Gründe den ansäffigen Klein­landwirten und Häuslern zu erhalten. Dieser Weg war aber mit großen Schwierigkeiten ver­bunden und da andererseits das Bodenamt auf eine endgültige Regelung drängte, um den Boden nicht noch länger brach liegen zu lassen, mußte die Kleinzuteilung vorgenommen werden. Daß sich nunmehr auch tschechische Bewerber bei der Zuteilung einfanden, braucht nicht sonderlich er­wähnt und begründet zu werden. Aber es ist nicht richtig, daß den tschechischen Bewerbern zwei und den deutschen nur ein Drittel des zur Verteilung gelangeichen Grundes zugewiesen I wurde. Es ist überhaupt noch nicht ganz klar, wie­viel auf die deutschen und wieviel an die tschechi­schen Bewerber entfallen sollte. Schon aus diesem Grunde war es entschie­den verfrüht, mit irgendwelchen Aktionen gegen die beabsichtigte Zuteilung einzusetzen. Um so mehr, als man wußte, daß nur durch kluges Ver­handeln mit den maßgebenden Stellen ein Erfolg für die deutschen Kleinlandwirte herbeigeführt werden könne. Aber die Henleinführer dachten anders. Sie hatten kein Jntereffe an einem tat­sächlichen, sondern nur an einem politischen Erfolg. Deshalb gingen sie hin und beriefen für Sonntag, den 29. September, eine Versamm­lung ein, die vorläufig^wch ohne äußeres Er­gebnis blieb. Montag, den 30. September, wurde neuerdings eine bei der Behörde nicht gemeldete Versammlung ahgehalten, in welcher der Bier­verschleißer H a y b a ch daß große Wort über die Aufteilung des Restgutes führte und'' die Ver­sammelten in Erregung brachte. Dienstag wurde dann zur Aktion geschritten. Ungefähr dreihun­dert Personen versammelten sich auf der Staats­straße und nachdem sie vorerst vor der Verkaufs­stelle des KonsumvereinesNieder mit dem Kon­sum!" geschriecn hatten, zogen sie vor die Woh­nungen tschechischer Staatsangestellter und prote­stierten laut gegen die beabsichtigte Art der 'Dodenäustennng. Nicht genug anven dummen Schimpfereien, schnitten Demonstranten an einigen Stellen die T e l e f o n l e it u n g d u r ch, um zu verhindern, daß Gendarmerie zu­gezogen werde. Haybach verlas eine Resolution gegen die Bodenzuteilung an tschechische Bewerber und dann zogen die Demonstranten wieder heim­wärts. Es war also eine Aktion von politischen Dummheiten, die in ihrem Gefolge alle jene hatte, die da glaubten, daß ihnen auf diese Art ge­holfen werden könne. Aber am anderen Tage mußten sie nur zu deutlich fühlen, daß so ihr Recht nicht verteidigt werden kann. Neben dem Bezirksfiihrer der SdP in Roßhaupt  , H a y- b a ch, und dem Vorsteherstellvertreter Tietz, Der polnische Rundfunk fordert zu Verbrechen gegen unsere Republik   auf VILLA OASE Oder: DIE FALSCHEN BORGER Roman von EiigMie Berechtigte Übertragung aus dem Französischen von Bejot In der Nähe lagen das Elysöe-Montmartre, wo er mit seiner ersten Frau getanzt, und der Zir­kus Me'drano, wohin sein Vater ihn an einem Weihnachtsabend geführt hatte. Wie fern lagen die Tage, an denen er auf der Terraffe eines der Cöfks an der Place Blanche gesessen hatte. Einen seltsamen Freundeskreis hatte er damals. Die einen verkauften Lakritzenwasser, die anderen trie­ben Mädchenhandel, aber Genießer waren sie all«. Was mochte aus ihnen geworden sein? Er warf eisten Blick auf die armselige Faffade des Kaba­retts zum Himmel und auf Moulin Rouge mit den entfärbten Flügeln, die sich nicht mehr drehten. Ach, ihr Montmartre war tot. Man begegnete dort nur noch Fremden, gegen die er eine Abnei­gung hatt«. Zum Glück war im Cafi des Courses noch aHeS unverändert. Er ließ sich an seiner alten Stellt, neben Papa Adam, auf das ausgeleierte Sefa fallen. Vergangenheit, Gegenwart und Zu­kunft: alles ging in seinem Köpfe durcheinander. Die Freunde führten eine lebhafte Unterhaltung. Papa Adam empfahl vorteilhafte Kapitalanlagen und warf mit Ziffern um sich. Er war, trötz seinem Alter, noch immer unternehmungslustig, während er. Julien, an der Kette lag. Zuweilen stieg blinde Wut auf Irma in ihm hoch. Dann beschwichtigte er sich selbst, indem er sich sagte, daß er mit einer Kranken lebe. Nicht ohne Grund behandelte man ihn wie einen zur Ruhe gekommenen Familien­vater. Aber das war er nicht immer gewesen. Hatte er sich etwa das Geringste entgehen lassen? Noch jetzt? Lebte er nicht in Paris  , ohne einen Sou auszugeben? Konnte er nicht, wenn eS ihm einfiele, mor­gen zurück aufs Land gehen? Den Winter i  » der Stadt verleben, den Sommer in seiner Villa, ganz wie ein Kapitalist? Als er ins Hotel zurückkam, saß Irma mft einem Buch in der Hand, und auf ihren Knien lag eine kleine Photographie ihrer Tochter. Sie hörte kaum zu, wenn er sprach. Am liebsten hätte er sie geohrfeigt wie ein ungezogenes Schulmädel. Immer wieder predigte er ihr, sie solle ihren Auf­enthalt doch besser verwenden, oder er schlug ihr vor, mit ihm ins Kino oder ins Barietö zu gehen. Sie sagte nein, ohne die Ablehnung zu bechmnden. Aber er kannte den Grund. Es war ihr nicht mehr möglich, sich von Helenes Schatten zu befreien. Er schrie, eines Tages werde er alles in Stück« schlagen. Er hätte sie an den Schul­tern packen, sie schütteln, sie gewaltsam aus diesem Zustand reißen wollen. Anfangs, als sie die Villa Oase verlassen hatten, schien sie ganz zufrieden zu sein. Sie hatte noch gelegentlich einen Besuch ge­macht. Aber jetzt behauptete sie, ihre Freundin­nen wären mißgünstig und wünschten ihr Schlech­tes. Sie zählte die Tage, die sie noch von der Rückkehr aufs Land trennten. Charlier ließ sichs wohl sein aus ihre Kosten. Sie schwor, der ein­zige Grund ihrer Mißstimmung sei ihre körper­liche Erschöpfung. WaS blieb Julien übrig, als an seinen Freund zu schreiben? Sie gingen nach Chapelle-sur-Seine zurück und begannen wieder ihr monotones Leben. Der Winter zog sich in die Länge. Sooft sich das Wet­ter aufhellte, ging Julien in den Garten und ar­beitete, um seine tüben Gedanken zu verscheuchen, wie ein Taglöhner. Abend? befiel ihn daß graue Elend. Irma saß und stickte, und er sah ihr auf die Finger. Herrlich, ihr Rentnerleben! Bor einem Monat war er noch in Paris  . Jetzt war er allein mft einer Nervenkranken, einer Gestörten, die nicht sprach, nicht mehr Karten spielte, die einem Por­trät geheim-isvolle Zeichen gab und im übrigen wie eine Gelähmte in ihrem Sessel bockte. DaS war seine Zukunft. Er ersehnte den Frühling und die Zeit, in der die Freunde wieder Leben in die Bude bringen würden. Gegen seine frühere Absicht Latte er doch den Gäriger wieder angenommen. An einem schönen Nachmijjag führte er Irma hinunter und zeigte ihr die neuen Wege, die er anlegen ließ. Sie ging ganz langsam wie eine von schwerer Krank­heit Genesene. »Nun, gefällt dir das?" »Nein. Ich möchte lieber einen französi­ schen   Garten haben. Man müßte den Teich be­seitigen." »Willst du mich frotzeln?" Was nützt er uns eigentlich, dein Wunder­teich? Er sieht uns Mücken auf den Hals uns stinkt. Man sollte ihn zuschütten." Das wäre«ine Riesenarbeit. Uebrigens hatte ich das Haus ja hauptsächlich des Wassers wegen gekauft." Sie gingen weiter und stritten sich. Irma versteifte sich auf ihre Idee. Sie kehrte ins HauS zurück und setzte sich ans Fenster, auf ihren alten Platz. Hier hatte sie den größten Teil des Win­ters verbracht, und hier würde sie noch Jahre verbringen, immer den Teich vor Augen, auf des­sen düstere Oberfläche sie in alle Ewigkeit würde starren müssen. Wenn sie das Porträt ihrer Tochter angesehen hatte, war ihr, als werfe das Wasser Helenes Bild zurück, und so fand sie Ruhe, sich in ihre Trqume einzuspinnen. Julien stand unten am Rande deS Teichs. Er erzählte gern, er habe einen See in seinem Park.Einen See, Jungens, einen richttgen See." Der Dummkopf! Sie war ihm böse wegen seiner unerschütterlichen Riche. Wenn sie ihm ge­standen hätte, daß der T-ich sie traurig stimmte, hätte er sie ausgelacht. Es reizte sie, ihm zuzu­sehen. Er schlenderte am Waffer hin, hob einen dürren Zweig auf, riß Unkraut aus, war zufrie­den mit sich selbst und sah nicht weiter, als seine Nasenspitze reichte. Mehr als essen, schreien und schlafen konnte er nicht. Aber sie, Irma, gab den Dingen eine Seele, durch die sie Leben gewannen. Sie deutete Zei­chen und Vorzeichen der Natur, entschleierte ihre Geheimnisse und sucht« täglich den Sinn ihrer Träume. Auf einem Spaziergang hatte sie ver­sucht, Julien in ihre Gedanken einzuweihen. Aber er, der mit seiner massigen Figur den Raum aus­füllte, hatte verständnislos geantwortet:Mir scheint, du legst dich auf den Aberglauben." Jetzt, hörte sie seinen Schritt auf der Treppe. Jetzt trat er ins Zimmer. »Ich habe mit dem Gärtner gesprochen", sagte er.Man kann nichts machen, da der Teich von einer Quelle gespeist wird. Aber sieb ihn dir doch mal richttg an. Mich erinnert er an eine Eck« deS Sees von Annecy." Er glaubt« an eine Laune und fand kein bes­seres Gegenmittel, als daß er ihr die Schönheit des Teichs in all Sn Tönen anprieS und ihr er, zählte, daß man sie überall darum beneide. Für den Sommer wolle er ein Boot kaufen, so daß"c rudern könnten, und einen SHvan. Der Früh­ling war nahe. Bald konnte er die Rohrmöbel draußen aufstellen mit dem Gesicht zum Wasser. Irma drehte ihren Sessel dem Hause zu. Er zuckte die Achseln. So wandten sie einander bei­nahe den Rücken und verbissen ihren Aerger. Abends, wenn sie chre Suppe gegessen, hat­ten sie ihre kleinen Gewohnheiten wie zwei alte Leute. Irma liebkoste Bobby, rauchte Zigaretten und las in einem Roman. Julien gähnte, stand auf, ging in die Küche, schwatzte mit Solange und trank. Wenn Irma einmal besser aufgelegt war, spielten sie eine Partie Belotte. Gelegentlich empfingen sie den Besuch des Herrn Maigret, eines Lehrers, der zugleich Gemeindeschreiber war. .(Fortsetzung folgt.).