Seite 2 Mittwoch, 16. Oktober 1935 9h. 241 Katholizismus als offene Frage bleibt, eben zu vertagen. Auch gegen Henlein   wird es anders nicht gehen. Neber die Fehlerhaftigkeit der Taktik der Henleinbewegung und daniit auch über die Irr« tümer Hilgenreiners sagt Mahr-Harting sehr richtig: Gewiß sind allzuviel Parteien nicht von Nutzen. Es würde Imseren Verhältnissen voll ent­sprechen, wenn wir drei weltanschaulich gegliederte Parteien hätten: eine konservative, eine liberale und eine sozialistische. Aber eine Partei das ist zu wenig auch auSnationalenGründen. Eine deutsche Einheitspartei kann nur entweder in der Regierung oder in der Opposition stehen. Die SdP ist, glaube ich, noch lange Zeit zur Opposition ver­urteilt. L i n i t Moska uP r a gP aris gesucht Werden muß, an die Wien   den Anschluß finden müßte. Nach einem, die gefährliche Halbheit seiner Entschlüsse kennzeichnenden und in seinem Munde doppelt anrüchigen Ausfall gegen die deutschen  Regierungsparteien kommt Mayr-Harting am Schlüsse nochmals auf die Abgrenzung gegen die SdP, auf die Gefahr jeder Gleichschaltung zurück. Die Rede Mahr-Hartings könnte, obwohl sie auffallenderweise nicht die Rede des neuen Par ­teiführers.ist, einen Anfang zur Umkehr darstellen, aber wir dürfen nicht verkennen, daß sie eben ein Anfang ist und alle Gefahren eines halben Entschlusses birgt. Was die Christlichsozialen im Ringen um ihre Selb­ständigkeit noch retten könnte, ist keine schwan­kende Politik der Mitte, sondern der zielbewußt einsehende Einfrontenkrieg gegen den Fascismus, zu dem es ihnen vorder­hand noch immer an dem nötigen. Mut, aber wohl auch an der nötigen Erkenntnis fehlt. Ansfukheradsetrung grunclsStrllch genehmigt Prag  . Amtlich wird gemeldet: Dienstag nachmittags fand im Finanzministerium eine Be­ratung des Komitees der politischen und Wirt- schaftSminister mit den Vertretern der koalierten Parteien statt. Der Finanzminister erstattete einen detaillierten Bericht über die B o r b e r e i- tungen zur Milderung derZin­se n l a st sowohl im privaten Geldwesen, als auch in den öffentlichen Finanzen. Die Prinzi­pien, auf denen die bisherigen Verhandlungen vor sich gehen, die sich ihrem Ende nähern, wurde» in der Debatte, an welcher sich alle Vertreter der koalierten Parteien beteiligten, genehmigt. Sanktion Nr. 3: 15 Rohstoffe sollen gesperrt werden Er betont des weiteren auch, daß die außen­politische Freundschaft mit Deutschland   keines­wegs eine Garantie gegen nationale Unterdrük- lung wäre, was sich am Beispiel Polens   gezeigt habe. Den Deutschen   Polens   gehe es bedeutend schlechter, seit Deutschland   mit Polen   befreundet ist. Endlich nimmt Mayr-Harting auch daS Ar­gument auf, das wir mit gutem Grunde der Lo­sung der nationalen Einheitsfront immer wieder entgegengehalten haben: daß eine nationale Ein­heitsfront der Deutschen   nur die gleichen Tenden­zen auf tschechischer, beziehungsweise slawischer Seite auslösen und daß die schwächere deutsche Front an der zahlenmäßig und wahrscheinlich auch moralisch fester gefügten der Slawen zer­brechen würde. In der Behandlung der außenpoliti- schenFragen der Republik   rückt Mayr-Har- ting auch recht deutlich von der Romantik ab, die Hilgenreiner unter seine Leute getragen hat und die sich oft wenig von den Illusionen Henleins unterschied. Von Hilgenreiners Parole ders u- detendeutschen Saar-Abstim- mung"(die am 19. Mai für Hilgenreiner so bös ausgefallen ist wie am 13. Jänner jene für die Saarkatholiken I) bis zu folgendem Bekennt­nis Mayr-HartingS' ist ein weiter Weg: Jeder besonnene Mensch weiß freilich: so wie er ist, wird eS nicht bleiben, wir müsien vielmehr alle gemeinsam ein« Lösung anstreben, die alle be­friedigt, aber einen Krieg vermeidet. Und die Lösung hat vielleicht bereits ein Seipel vorge­zeichnet, als er sagte: weder Anschluß, noch Donaukonföderation, sondern beides: Erhaltung der Selbständigkeit Oesterreichs   im Rahmen eines politisch und wirtschaftlich organisierten Donauraumes und seinen Zusammenschlußmit'Mit­ teleuropa  . DaS können auch wir akzeptieren. DaS be­deutet Selbständigkeit des tsche­choslowakischen Staates und Kul­turgemeinschaft mit dem. ganzen deutschen   Polle. Im Zeichen"einer solchen Außenpolitik finden Nvir uns mit..der. tschechischen offiziellen Außenpolitik auf einer Linie und dadurch allein wird auf bei­den Seiten das Vertrauen geschaffen, das auch , eine innenpolitische Lösung gestattet. Auch dieser Formulierung fehlt die letzte Konsequenz. Sie verschweigt die Notwendigkeit einer Revision der christlichsozia­len Politik in Oesterreich   und sie wagt eS nicht auszusprechen, daß deutsche Kulturgemeinschaft nuraußer- halbHitler deutsch! andS, nur gegen Hitler  , Göring   und Goebbels   möglich ist, ebenso wie mitteleuropäische Sicherheit nicht auf der Linie Berlin  Prag  Wien  , sondern auf der Italiens  London  . Drude aus Mukaöevo, ins Bb- Lokota war schon vor dem Senat angehörte, und wegen öffentlicher Genf  . Dienstag nachmittags tagten in Genf   zwei Ausschüsse, das Subkomitee der Mi- litärsachver ständigen, das die Liste der Waffen, des Kriegsmaterials und der Muni­tion» deren Ausfuhr nach Italien   verboten wurde, vervollständigte, und sodann das wirtschaft­liche Subkomitee, das die Frage des gegen Ita­ lien   verhängten Embargos für einige Rohstoffe und Produkte, die für die Fortsetzung des Krie­ges notwendig sind, und dir Frage des Verbots der Einfuhr aus Italien   prüfte. Es wurde entschieden, zuerst die Frage des das infolge der Verurteilung verlorene Wahl­recht noch nicht wieder erlangt hat. Der parlamentarische Sparausschuß hat in der letzten Woche keine Sitzung abgehalten, weil seine Mitglieder mit der Bearbeitung der ihnen zugewiesenen Budgetkapitel teils im Finanz­ministerium, teils in den einzelnen Ressortmini- sterien beschäftigt waren. Am Dienstag erstatte­ten die Ausschutzmitglieder Referate über die er­zielten Ersparungen. Einen abschließenden Be­richt über den gegemvärtigen Stand der Budget­arbeiten erstattete Sektionschef Kafka   vom Finanzministerium. Mussolini Jun. beschossen? Einer unbestätigten Nachricht zufolge wurde ein Flugzeug, das Leutnant Bruno Mussolini  , der Sohn des Duce, bei einem Fluge über der Gegend von Malaie lenkte, von vier Schüssen ge- Lokotas Mandat nicht verifiziert. Durch eine Verlautbarung des Innenministers wird an Stelle des bei den letzten Wahlen ins Abgeord­netenhaus gewählten ehemaligen kommunistischen  Senators Ivan L o k o t a, dessen Mandat vom Wahlgerichthof durch Entscheid vom 23. Septem­ber annulliert wurde, dessen Ersatzmann Olexa Borkaiiuk, Landwirt geordnetenhaus berufen, einigen Jahren, als er wiederholt ausgeliefert Gewalttätigkeit verurteilt worden, was schließlich zgr. gerichtlichen Aberkennung des Mandates führte. Das Wahlgericht hat seine fetzige Wahl Embargos auf gewisse Rohstoffe nach Italien   zu behandeln, da diese Maßnahme allgemein als die wirksamste angesehen wird, den Angreifer an der Fortsetzung der Feindseligkeiten zu hindern. Der Ausschuß stellte ein Verzeichnis von Grundrohstoffen zusammen, deren Einfuhr nach Italien   verboten werde» soll. Es sind dies: Eisenerz, Magnesit, Antimon, Kohle, Bauxit» Nickel, Zinn  , Zink, Blei, Quecksilber, Chrom, Schwefel, Kupfer, Petroleum und Eisenlegie­rungen. Vereinfachung der Steueradmlnlstrative Prag  . Amtlich wird gemeldet: Im Finanz­ministerium fand am Montag unter dem Vorsitz des Finanzministers Dr. T r a p l eine Beratung von Sachverständigen statt, die sich mit Vorschlägen zur Verein Dachung der Steuer- ad ministrative befaßte. Es wurde die Notwendigkeit anerkannt, daß im Interesse einer besseren Aufteilung der Arbeiten der Steuerverwaltungen die Fristen zur Eingabe der Bekenntnisse zur Zinssteuer und der Haus- und WohnungSverzeichniffe auf die Zeit vom 1. bis 31. Dezember und zu den übrigen direkten Steuern und zur Umsatzsteuer auf die Zeit vom 1. Jänner bis 31. Jänner verschoben werden. Dadurch soll eine frühere Beendigung der Bemessungsarbeiten erzielt und die Ausgabe der Zahlungsaufträge be­schleunigt werden. Ferner befaßte sich die Beratung mit der Ver­einfachung der Auferlegung der Erwerbs- und Ein­kommensteuer bei kleinen Steuerzahlern. Diesen soll, sofern sie keinen Widerspruch dagegen erheben, die Steuer auf einmal für zwei Jahre bemessen werden, um das Steuerverfahren sowohl zugunsten des Steuerzahlers,, als auch" der Steuer­verwaltung zu vereinfachen. Flottenstärke im Roten Meer WieDaily Telegraph  " berichtet, befinden sich gegenwärtig in den ost ­afrikanischen Gewässern folgende italienische Kriegsschiffe: Zwei Kreuzer, ein Flugzeugmutter­schiff, vier Zerstörer, acht, U-Boote und vier Kanonenboote. Unter den Hilfsfahrzeugen befin­den sich zwei U-Boot-Mutterschiffe, vier Tank­dampfer, zwei Lazarettschiffe und ein Kabelschiff. In Massana ist jetzt ein Schwimmdock verankert. Frankreich   unter England droht mit Revanche bei einem Konflikt FrankreichDeutschland Paris.Paris Soir" veröffentlicht ein Interview mit dem Führer der englischen   Kon- seroaiiven. Sir Austin Chamherl,ain» das seine Bedeuffurg hauptsächlich durch die Erklä- rung Chamberlains erhält, daß.sich nieistapd in England nach einem Konflikt mit Italien   sehne. Passiv zu bleiben, würde jedoch bedeuten, mehr als Abessinien, nämlich das oberste Prinzip selbst zu opfern, daß die internationalen Beziehungen von der internationalen Gerechttgkeit und Lega­lität geleitet werden sollen. Zwecks Einhaltung des Völkerbundpaktes sei England darauf vorbe­reitet, seinen Platz bei den sich als unerläßlich er- weistnden Maßnahmen welcherArtimmer einzunehmen. Wenn der Bülkerbundpakt den Sieg davonträgt, dann werde sich das Vertrauen festi­gen, das Großbritannien   in ihn setzt, und Groß­ britannien   schaffe so ein Präzedenz, das sein Ver ­halten in künftigen ähnlichen Krisen leiten wird. Wenn jedoch die übrigen Staaten jetzt ihren Ver ­pflichtungen aus dem Völkerbundpakt, n i ch t nachkommen, dann werde sich Großbritannien   als von seine«SM r p f l i ch t etm^e u^-e-»^i«äÄbgeordnctenhauLnicht. verifiziert, da Lokota freit erachten und seine Politik werde sich wie vor Errichtung des Völkerbundes ausschließlich nur nach britischen Interessen richten. »Wenn Sie nicht aufhören werdens erklärte Chamberlain schließlich dein französischen   Inter ­viewer,»auf Ihre Freundschaft zu Italien   Rück ­sicht zu nehmen, und wenn Sie bei der Geltend ­machung der Sanktionen nicht mit«ns gehen, d a nn könnenSieauch fürde« FalleineSKanflikteSmitDeutsch- Iland nicht auf«ns rechnen. Man wartet auf den Marschall  Rom. Die Linie AdigratAduaAksum wird jetzt als BasiS für das weitere Borrückrn befestigt und organisiert. Die Front steht jetzt mit der eritresischen Grenze durch zwei Straßen in Verbindung. Man nimmt an, daß die weitere Offensive nicht eher beginnen wird, alS bis der italienische Grneralstabschef Marschall Badoglio an der Front eintreffen wird. 10.000 kranke Italiener auf dem Heimwes? Einige Berichterstatter melden übereinstim ­mend, daß die italienischen Soldaten an Malaria und Dysenterie leiden. Am Montag find durch den Suez  -Kanal 10.000 kranke italienische Sol- troffen. Der Leutnant blieb unverletzt und konnte baten nach der Heimat transportiert worden. I normal landen. 60 VILLA OASE oder: DIE FALSCHEN BORGER Roman von Eugene Dabit Berechtigte Uebertragung aus dem Französischen von Bejot Mich bringt etwas ganz anderes um." Er sah sie wütend an, packte die Platten ein und nahm seinen Marsch durchs Zimmer wieder auf. Morgen fahre ich nach   Paris. Ich will..." Sie war gespannt, was er nun erfinden würde. Ich geh« ins Montbert, und wenn Alfred nicht endlich berappt, gibt's einen Mordspektgkel." Am nächsten Morgen rasierte er sich mit besonderer Sorgfalt, wählte seinen besten Anzug aus und machte Programm. Er würde seinen Freund besuchen, in die Loraine gehen, ins Cafö des CourseS, und vielleicht in der Rue Bourquin übernachten. Irma beobachtete ihn. In einer Anwandlung von Zärtlichkeit sagte er: Ich bringe dir ein Geschenk mit, Dicke. Schlaf noch eine Weile." Irma erwachte spät. Sie streckte den Arm aus, fand den Platz leer und erinnerte sich, dag ihr Julien vor seiner Abfahrt einen Kuß gegeben hatte. Wenn er stach   Paris will, ist er um einen Bortvand nicht verlegen", dachte sie. Solange brachte ihr das Frühstück und be­merkte: Der Herr ist zeitig sortgegangen. Er war gewiß in sehr guter Laune, denn er pfiff immer- zu." i Geh in die Küche", gab ihr Irma mit vol­lem Mund zur Antwort. Sie konnte ihre Nähe nicht lange ertragen. Instinktiv wanderte ihr Blick von dem Bilde zu Solange, die sich noch immer wie Helene frisierte. Sie mußte daran denken, daß ihre Tochter härte laufen, singen und lachen können wie jetzt das fremde Mädchen, und ihr Schmerz wurde stock bohrender. Eine Zeitlang hatte sie eine Art von Auferstehung nicht für unmöglich gehalten. Nicht etwa, daß Helene wie Solange durchs Haus ge­hen würde, sondern daß ihre Gedanken sich be­gegneten. Und eine furchtbare Entdeckung hatte ihre Hoffnung im Keime erstickt. Eines Morgens hatte sie, als sie das Bild betrachtete, einen jähen Schlag verspürt: der Sprung im Glase zeichne:« ein Kreuz mitten ins Gesicht. Julien hatte ihr erklärt, die Erschütterungen durch die vorüber­fahrenden Züge seien schuld, daß der Sprung sich vergrößert habe. Aber die technische Erläuterung gab ihr keinen Trost. Eines Hages würde das Glas in Trümmer gehen und damit ihren eigenen Tod besiegeln. Seitdem prüfte sie das Bild mit besonderer Eindringlichkeit. DaS Kreuz wuchs! Und drau­ßen vollendete der Regen die Trostlosigkett des neuen Tages. Sie schüttelte sich und dachte rIch werde ein Bad nehmen." Die Türe des Badezimmers ließ sie offen. So konnte Solange sie hören und ihr zu Hilfe kommen, wenn ihr schlecht werden sollte. Sie lag in der Wanne, ihre Müdigkeit verschwand, sie fühlte sich leicht. Während sie sich abseifte, summte sie ein Lied. Plötzlich brach sie ab und stöhnte. Sie mußte an ihr Leiden denken. Aber der Schmerz, den sie zu verspüren meinte, ließ"schnell nach. Sie betastete ihre Arme, fand daß ihre Haut noch glatt, ihr Fleisch noch fest, und daß sie alles in allem weniger dick sei als Julien. Mittags setzte sie sich, ftisiert, parfümi:rt, mit einem lange nicht gekannten Wohlbehagen, ! zu Tisch. Vor ihr standen zwei Medizinflaschen. Nachdem sie davon genommen, schwang sie ein» Glocke, die ihr Alfred auf Mont-Saint  -Michel geschenkt hatte. Solange erschien, ohne Schürze und mit schmutzigen Händen. Wenn Julien zugegen war. schwieg Jrnia. um nickt Zank heran fzubeschwö- ren. Aber jetzt ließ sie ihrem Aerger freien Laue. Erst mach dich gefälligst sauber", fuhr sie das Mädchen an.Dann werde ich dir auftun." Sie langsam, sprach und trank nicht, wie der Arzt es ihr verordnet hatte. Sie stellte übri­gens fest, daß sie bei gutem Appetit war, daß aber Solange nicht viel gekocht hatte. Sie nahm noch Fleisch und Kartoffeln. Es blieb fast nichts übrig. Ihr konnte es gleich sein, und für das Mädchen war es eine Lektion. Sie atmete tief auf. Kein Julien, der brummte und ihr den Kaffee verbot. Sie setzte sich in ihren Sessel und trank mit lleinen Schlucken. Bohby heulte.Ein Stück Zul­ker, Liebling?" Er hatte so intelligente Augen und war so wachsam, daß er beim leisesten Geräusch bellte. Sie nahm sich ihre Stickerei vor. Wenn sie auf Julien gehört hätte, würde sie lieber Socken gestopft haben. Sie zeichnete die Blumen selbst. Sogar einen Engel hatte sie zuwege gebracht. Jetzt arbeitete sie an einem Teegedeck, das für Rose bestimmt Ivar. Alfred würde Augen machen. Er liebte doch alles, was Kunst war. Alfred... Julien würde ihn ja sehen. Hoffentlich hatten st» keinen Streit. Ihr Alter... ES gab eine Zeit, in der sie ihn um den Finger wickeln, er nicht aufmerksam genug zu ihr sein konnte. Damals ließ er sie nie allein. Jetzt konnte er ihr nicht schnell genug davonlaufen. Sie hatte sich nicht verändert. Höchstens, daß sie weniger anspruchsvoll war als früher. Sie war jetzt einverstanden, ohne Auto, ohne Personal, ohne Verkehr auf dem Lande zu leben, und er, s fr Idiot, wollte wieder ein Hotel übernehmen. Biele Jahre hatte sie ihm gewissenhaft geholfen,.in Vermögen zu sparen, und jetzt war er so undank­bar, daß sie darunter litt. Zu ihrem Unglück konnte sie sich nicht mehr verteidigen, und er nützte ihre Schwäche aus. Eie wünschte, daß er krank würde. DaS stand ihm auch sicher bevor, denn er trank zu unmäßig. Sie sah ihn halb gelähmt, seiner Sprache beraubt. I Dann würde«t glücklich sein, eine Irma zu haben,.1 die ihn pflegte, die ihm aber auch begreiflich 1 machte, wie schimpflich er sich benommen. Ja, sie sah ihn sicher noch als hilflosen Krüp- W pel, während sie bald wieder ganz gesund sei» würde. Es war warm. Das Ticken der Wanduhr war I wie Musik. Bobby atmete ganz tief. Die Stim- I men der Außenwelt drangen nicht bis in ihr.1 Haus. ES war, als sei die Welt hier zu Ende. Sie 1 konnte tagelang allein sein und in sich hinein lau- scheu, ohne das Bedürfnis zu verspüren, nach Pa-| ris zu gehen oder in die Rue Bourquin zurückzu- I kehren. Höchstens, daß sie beim Saisonwcchsel die! Modeaeschäfte besuchte, um sich auf dem laufende» I zu halten. Sie las keine Zeitung mehr. Denn I Verbrechen, Streiks, Unfälle, Politik: aus allen i klangen nur Drohungen heraus. Sie wollte aber um keinen Preis in Erregung geraten. Sie lebte» I unbekümmert um andere Menschen, mit ihren I kleinen Freuden und Schmerzen, und wenn sie je I zu Gott betete, so war der Inhalt ihres Gebets, I er möge verhindern, daß man ihren Frieden störe. W Es war bald Abend, und die Nebel wogten 1 über dem Teich. Sie betrachtete ihre Stickerei: J Rosen,   Veilchen, ein ganzer Garten und dav.i I behauptete Julien, sie sei faul. Sorgfältig schloß I sie die Läden und trank ihren Tee. Sie wußte I sich geborgen hinter guten Mauern, in sicherer 1 Hut inmitten dieser nachtdunklen Einsamkeit. Decke den Tisch, Solange, der Herr kommt I bald nach Haus." Sie hörte den um sieben Uhr dreißig fälli- j gen Zug einfahren. Der Bahnhof war nahe. Zehn I Minuten später: kein Julien. Sie. Doch ohne> Appetit. .(Forffctzung folgt.)