Einzelpreis 70 Hellar (alnachllaBlich 5 Haller Porto) 1ENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TXGLICH FRÜH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 42. TELEFON 53077. - HERAUSGEBER! SIEGFRIED TAUB  . CHEFREDAKTEUR  ! WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  . 15. Jahrgang Sonntag, 3. November 1935 Nr. 256 Ein Griff insBraune Netz Massenverhafftung reichsdeutscher Spione/ Eine große Organisation Natürlich SdP-leute darunter I Die Prager   Polizeidirektion gibt folgende amtliche Nachricht aus: Seit Monaten ist eine Reihe von Personen der Spionage zugunsten des Deutschen Reiches Verdächtig, die in den letzten Wochen verhaftet und, nach Beendigung der Voruntersuchung, wegen Militärverrats nach§ 6, Abs. 2, des Schutzgesctzes in die Haft deS Präger KreisgerichteS in Pankrac eingeliefert worden find. Die Namen der Verhaf­teten sind: Erwin Gcheichenost, stellungsloser tech­nischer Beamte aus Pleil-Sorgental bei Weipert  , Gisela Scheichenost, geb. Fischer, dessen Mutter, Marie S ch m i e d l, stellungslose Arbeiterin aus Weipert  , dessen Verlobte, Otto Rauscher, stellungsloser Privat- leamte aus Perntesgrün, Roman P f o b, stellungsloser Arbeiter aus Pleil bei Weipert  » Josef G ö r g, arbeitsloser Privatbeamter aus Pleil bei Weipert, Adolf B ii r g e r, Fleischergehilfe aus Wei- tzrrt, ' Georg N o v o t u h, Kellner aus Prag  » Magda Schul», alias Brkcy, stellungslose Pkgieherin, . Hermann Wolfsohn, reichSdeutscher StaatSangehiiriger, angeblicher Svndiku», Friedrich Karl Witte, stellungsloser Pri- datteamter aus Eger, Augusta Witte, geborene Klement» dessen Mutter, Staatsbeamtenswitwe aus Eger, Karl Strass, städtischer Aushilfsbeamter aus Eger, I Heinrich Glaser, Inhaber einer Rellame- kanzlei aus Komata  «, Adam Böhm, stellungsloser technischer Be­amter aus Haslau bei Dresden  , Reserveoffizier, Hermann R e i n e l, reichSdeutscher StaatS- Rugehöriger, ehemaliger Förster ohne ständigen Wohnsitz, Anna D i e n e l, stellungslose Privatbeamte »vs Eger, Jng. Walter Fischer» stellungsloser tech- nischer Beamte aus Prag, Alexander M i ch a l e k, Hörer an der Pra­ ger   deutschen   richtS- und staatswissenschaftlichrn Fakultät, Franz W»l l r a h, Hörer der höheren Bier- hrauereischule in Freising   in Bayern  , Ernst Bauer   aus Schalldorf bei Znaim  , Friedrich R i p p e l, Beamter der Kohlen- besrllschaftBritannia", Königswart, Georg Tebensky, Inspektor d. R. der ehemaligen Buschtkhrader Bahn, Friedrich Klee, stellungsloser Architekt, österreichischer Staatsbürger, wohnhaft in Trp- litz-Schönau, Rudolf S e m s ch, Hörer an der Prager  deutschen naturwissenschaftlichen Fakultät aus Trplitz-Schönau, Franz S a s« m, Beamter des Karlsbader 8entralverbandes deutscher   Sparkassen aus Prag  . Lerroux droht mit Enthüllungen die di« Republik  s in'Gefahr bringen könnten Madrid  . Der Vorstand der Zensurbehörde Alauro Ponte wurde abberufen, weil er seine Einwilligung zur Veröffentlichung einer Erklä- rung Lerroux  * erteilte, in der dieser darlegt, darum er sich nach der Erklärung der Regierung in den CorteS nicht sofort erhob, um sich zu ver­teidigen.ES wird besser sein," erklärte Lerroux, »wenn ich m ö g l ich st spät sprechen werde. Wenn ich aber sprechen werde, so wird dies nur deshalb geschehen, um die Sache der Gerechtigkeit zu verteidigen, doch könnte die Repu­ blik   in Gefahr gebracht werden, weshalb ich vorläufig lieber davon absehe," Von den Verhafteten ist nur einer schon früher offiziell politisch hervorgetreten: Otto Rauscher, der ehemalige Sekretär der aufge­lösten Nationalsozialistischen   Deutschen   Arbeiter­partei. Von den Egerer Verhafteten war Fried- Der Unverantwortliche: An Loyalität kann uns niemand überbieten Erklärung der SdP in der Mährischen Landesvertretung rich Karl Wittein der DNSAP   organisiert; er arbeitete für den reichsdeutschen Kriminalkom­missar Krellmann, wofür er sich in den Augen der reichsdeutschen Stellen dadurch besonders eig­nete, daß er zusammen mit dem gleichfalls ver ­hafteten Otto Strotz eine Zeit lang ein privates Jnformationsbureau betrieben hatte. Strotz hatte als städttscher Aushilfsbeamter die Meldeagenda der Egerer Stadtgemeinde bearbeitet. Anna Die­ne! hingegen, die mit dem Dresdner Spionage­chef Helm und einem Offizier des reichsdeutschen Nachrichtendienstes in Beziehungen gestanden haben soll, hat diesen beiden unter den Kleidern Informationen über die Grenze gebracht; auch soll eben bei ihrer Verhaftung belastendes Ma­terial gefunden worden sein. Für den Spionage­chef Helm arbeitete auch der verhaftete Glaser aus Komotau  . Mit reichsdeutschen amtlichen und Par- teistellen in Annaberg   in Sachsen   soll ferner der verhaftete Erwin Scheichenost in Verbindung ge­standen haben, während sein Mitarbeiter, der Fleischergehilfe Bürger, verdächtig ist, zusammen mit S. A. einen gewissen Anton Sacher aus Wei­ pert   nach Deutschland   gebracht und der Gestapo  ausgeliefert zu haben. Den übrigen wird Militär­verrat, Heinrich Glaser auch Industriespionage, teils unmittelbar, teils durch Beihilfe begangen, zur Last gelegt; als Mitarbeiter Straffens wurde zuletzt ein Kaufmann namens Walter Zimmer­hackel aus Beäov verhaftet. Wie dasPrävo Lidu" erfährt, find sämtliche Verhaftete, die tschechoslowakische Staatsbürger find, auch Mitglieder der SdP. Die Prager Presse" nennt namentlich den Witte als Mitglied der SdP. Walter Fischer war Herausgeber der berüch­tigten, jetzt behördlich eingestellten Zei­tung Aufbruch, die sich ohne Tarnung zu Hitler   bekannte. Besonders aufschlußreich war die Verhaf­tung der A n n a D i e n e l, bei der man Formu­lare fand, die für den Verkehr der Spione mit den hitlerdeutschen Zentralen dienten. Außerdem trug sie eine Aufforderung an den deutschen Rundfunk bei sich, alle Beteiligten radiotelepho­nisch zu warnen. Diese Warnung erfolgte also nicht mehr. Sanktionen ad 18. November Keine Aussicht auf raschen Frieden Genf.(Tsch. P. B.) Der achtzehngliedrige Ausschuß der Sanktionenkonferenz behandelte Samstag die wichtigsten Fragen, die diese Kon­ferenz, in der gegenwärtigen Session zu lösen hat. Der Ausschußvorsitzende gab eine Erklärung ab, in welcher er darauf aufmerksam machte, daß die Sanktionen Nr.. 1 bis zum heutigen Tage 51 Staaten, die Sanktionen Nr. 2 von ebenfalls 51 Staaten, die Sanktionen Nr. 3 und 4 von 49 Staaten genehmigt wurden, während 44 Staaten die gegenseitige Unterstützung bei der Anwendung der Sanktionen genehmigten. Der achtzehngliedrige Ausschuß stimmte dem Anträge des. spanischen Delegierten zu, der die Frage der Ueberschüffe aus dem Clearingüberein­kommen der Mitgliedsstaaten mit Italien   be­trifft. Ueber Vorschlag des jugoslawischen Ge­sandten. Subotiö wurde festgesetzt, daß die Wirt­schaftssanktionen am 18. November in Geltung treten. Der Ausschuß der Sanktionenkonferenz trat auch nachmittags wieder zusammen und prüfte den Bericht des Finanzausschusses über die Ant­worten der Regierungen der Mitgliedsstaaten in Angelegenheit der finanziellen Sanktionen. In dem ohne Aussprache einstimmig angenommenen Entschließungen wird davon Kenntnis genommen, daß die Kreditsperre gegen Italien   bereits von 39 Regierungen durchgeführt wird und daß sich 43 Regierungen bereit erklärt hätten, die Ein- und Ausfuhr-Sanktionen gegen Italien   anzuwenden. Alle Völkerbundsmitglieder werden anfgefordert, die notwendigen Maßnahmen zu treffen und die Sanktionen auf allen ihren Gebieten vom 18. November ab durchzuführen. * Heftig umstritten war die Rolle der Schweiz  , die bekanntlich die Sanktionen nur mit Einschränkungen mitmacht, was von den übrigen Delegierten heftig mißbilligt wurde. Nachdrücklich fetzte sich der russische Vertreter für die Sanktionen ein. Madariaga  (Spanien  ) erklärte eine Vermittlungsaktion der großen Mächte für erwünscht. Laval und Hoare   betonten die völlige Einmütigkeit Frankreichs   und Englands. Immerhin fiel auf, daß Laval   wiederum einen italienfreundlichen Unterton in seine Rede mischte, während Hoare   kategorisch erklärte, eine Einigung sei nur im Rahmen des Völkerbun­des möglich. Sie müsse für Abessinien, Italien  und den Völkerbund annehmbar sein. Sowohl Laval als auch Hoare   hatten Be­ratungen mit Alyisi, die aber ergeb­nislos blieben. Aloisi soll verttäulich erklärt haben, daß Italien   jetzt die Vorschläge Lavals ablehnen müßte, Diese Vorschläge sollen darauf hinauslaufen,' 1 daß Abessinien selbst bestimmen würde, was es an Italien   abtreten will, wofür Italien   ihm einen Hafen überlassen müßte. Laval   ist bereits wieder nach Paris   ab­gereist. Seine Stellung als P r e m i e r ist st a r k erschüttert, da die Linke und die Radikalen seine Außen- und Innenpolitik täglich heftiger angreifen. Als seine möglichen Nachfolger werden Herriot  , Flandin, Mandel genannt. Ueberraschungswahlen in England I. H.» London  , Ende Oktober. Der nachfolgende Artikel unseres Londoner  Mitarbeiters ist v o r den eben stattgefundenen Wahlen in einzelnen englischen Gemeinden ge­schrieben. Wie aus dem Schlüsse des ArttkelS hervorgeht, glaubt der Verfasser, daß bei den Gemeindewahlen lokale"Fragen eine Rolle spielen, die bei den Parlamentswahlen in Wegfall kommen. D. Red. Was man in den letzten Wochen bereits wußte, vor einem Monat noch aber für unmög­lich gehalten hätte, ist nun Tatsache geworden: das Parlament ist aufgelöst und schon am 14. Nlwember finden Neuwahle ninGroß- britannien statt. Man hatte bis in den Sommer hinein mit Herbstwahlen gerechnet. Als aber dann der italienisch-abessinische Konflikt sich immer mehr zuspitzte und England selbst in eine exponierte Lage geriet wie noch nie in der Nachkriegszeit, erschienen Wahlen undenkbar. Die kritische außenpolitische Situation erforderte und fand auch in der Tat ein geeintes Land; Wahlen mutz­ten notwendigerweise diese Einheit zerreißen. Dennoch hat die Regierung just den Augenblick der stärksten Umdüsterung des weltpolitischen Horizonts gewählt, um die Nation in einen Wahlkampf zu stürzen. Denn so ungünstig der Zeitpunkt auch außenpolitisch ist, so g ü n st i g ist er allerdings w a h l t a k t i s ch für die herrschend« Partei. Der Feind ist auf unserer* Seite" Was die nationale Regierung bei Wahlen zu fürchtest hatte, waren die innerpolitischen Fragen. Sie hat in den vier Jahren ihrer Amts­zeit eine gewiß nicht erfolglose, aber eine durch und durch k a p i t a l i st i s ch e Politik ge­macht, eine Politik, die das Elend in den Depressionsgebieten in Nordengland  , Schottland  und Wales nicht gemindert, den Verfall der alt­ehrwürdigen Grundindustrien Englands, des Bergbaues, der Textilindusttie, der Schiffswerf­ten, nicht aufgehalten hat, die an den Arbeits­losen sparte und den Unternehmern Millionen­subventionen gab, eine Polltik, der die Aktien­kurse wichtiger waren als die Löhne und die die soziale Weiterentwicklung des Landes zum Stocken brachte. Aber, alle inneren»Fragen und Probleme treten heute weit zurück vor den großen außen­politischen Entscheidungen, die alle Geister und Gemüter beherrschen. Und in der Außenpolitik findet sich die Regierung, nach so vielen Sünden in der Vergangenheit, heute zum erstenmal einig mit dem ganzen Land von der kleinen ultrapazifistischen Gruppe links und der nicht größeren, aber einflußreicheren ultraimperialisttsch- isolationistischen Gruppe rechts, abgesehen. Gewiß, die entschiedene aktive Völkerbundpolitik, die sie nun zum erstenmal ver­folgt oder wenigstens bis zum Beginn des Wahl­kampfes verfolgt hat, ist in Wahrheit di? seit dem Kriegsende gepredigte Politik der L a b o u r Party; aber indem siebte sich zu eigen gemacht hat, hat sie ihrer großen Gegenspielerin die wich­tigste,. die heute entscheidende Angriffsfläche entzogen. Der Karikaturist eines großen Londoner  Blattes hat diese Situatton glänzend veranschau­licht: Er zeichnet Baldwin im Feldherrnzelt; ein Bote tritt vor ihn:Ich melde gehorsamst, der Feind steht auf unserer Seite:" Darauf Baldwin: Wohl, dann kann die Schlacht beginnen." Rüstungspläne hinter der Völkerbundpolitik Als er die Wahlen so überraschend angesetzt hat, hat Baldwin wohl auch auf die Unstimmig­keiten innerhalb der Labour Party   gerechnet, wie sie auf dem Parteitag in Brigthon in der Sank­tionspolitik zum Ausdruck gekommen sind, und auf die Wirkungen des eben erfolgten Führer­wechsels. Lansbury   ist, wie zu erwarten war, knapp nach dem Parteitag, seinem unbedingten Pazifismus gehorchend, zurückgetrrten. Die Par­tei hat den Major A t t l e y zu seinem Nachfolger bestimmt, einen ausgezeichneten Mann, einen treuen, ehrlichen Verfechter der Arbeiterinteressen, den in der Vorkriegszeit ernstes Studium zum