Sosialdemokrat
ZENTRALORGAN
DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .
Donnerstag, 7. November 1935
Einzelpreis 70 Heller
( einschließlich 5 Heller Porto)
boh
Nr. 259
D
7
0
6
2
5
!
15. Jahrgang
Genosse Kögler in der Außendebatte:
Abg. Ka z: Aber Mitglieder Ihrer Partei. Ihr babt die sente bineingehebt. Das iſt eine Feigheit, fie nachträglich abzuleugnen. Die find Eurer Flüsterpropaganda erlegen!( Widerspruch, Lärm.)
Kriegsgefahr- ein Werk des Fascismus Farbe bekennen!
Die Arbeiterschaft geschlossen hinter dem Völkerbund
Prag . Die Mittwoch- Sigung des Abgeordnetenhauses brachte neben der Wahl Malypeters und der Vorstellung Hodžas eine außerordentlich interessante Aussprache über die Außenpolitik, in der einerseits die scharfen Angriffe der Hlinka- Leute, andererseits die Zustimmung der Kom. munister zur Friedenspolitik des Außenministers und ihre Erklärung, sogar für das Exposé stimmen zu wollen, einigermaßen überraschte. Für die Koalition gab Genosse Hampl eine zustimmende Erklä rung zur Außenpolitik ab.
Der Sprecher unserer Fraktion war Genosse Kög le r, dessen erstes Auftreten auf der Parlamentstribüne sich unzweifelhaft zu einem persönlichen Erfolg gestaltete. In musterhaft aufgebauter Rede, die durch die klangvolle, klare Stimme nur noch mehr gewann, erbrachte Kögler den schlüssigen Nachteis, daß wir die Kriegsgefahr ausschließlich dem Fascis. mus zu danken haben, der sich zwangläufig zum Friedensstörer entwickeln muß. Die Nuzanwendung dieser These auf die Innenpolitik brachte den Redner bald in Konflikte mit den Henlein- Leuten, deren be zeichnendes Schiveigen zu den Hauptproblemen unserer Außenpolitik er entsprechend inprangerte.
Bei der Abfertigung der Zwischenrufer wurde Rögler von unseren Genoffen bestens unterstützt. Seine Rede wurde auch von den tschechischen Genoffen lebhaft applaudiert.
Genosse Kögler führte u. a. aus:
operiert.
S
Der Krieg ist das fürchterlichste Vorrecht der über das Leben der Menschen verfügenden Despotie".
Deshalb stehen die Arbeiter aller demokratischen Länder hinter dem Völter
b und als demokratischer Organisation zur Erhaltung des Friedens, zur Verhinderung neuer Kriege. Er ist heute das einzige Instrument, das eine Kontrolle dafür zu bieten vermag, daß friegerische Absichten nicht verwirklicht werden. Und es liegt aus diesem Grunde außerordentlich hohe Bedeutung auf der Erledigung des italienischabessinischen Konfliktes a Is Präzeden z faII
Es muß die Respektierung des Völkerbund paktes durchgefeßt, nur in seinem Rahmen, friedlich, müssen die Differenzen der Völker bereinigt werden.
Wir wünschen den Bemühungen des Völkerbundes den verdienten Erfolg, damit man die an neuen Kriegen interessierten Kräfte in den verschiedenen europäischen Ländern vor den Beweis stellt, daß man den Frieden nicht ungestraft brechen darf
Wir erkennen heute England& Entschlos= fenheit zu einer tatkräftigen Völkerbundpolitik an, aber wir stellen eben so rückhaltlos fest, daß die Anerfennung der deutschen Aufrüstung durch Engden anderen Ländern er muntert worden, ähnliche Tatsachen zu sehen, die im Gegensatz zur Friedenspolitik der europäischen Nationen stehen.
Rögler( fortfahrend): Diese Tatsache wers den Sie weder durch das bolschewistische Gespenst, das Sie an die Wand malen, noch durch Loyalitätsbeteuerungen aus der Welt schaffen. Hier tut lar= heit not, nichts anderes!
Wie steht die Sudetendeutsche Partei zur Außenpolitik der Tschechoslowakischen Republik, wie zum Bölferbund, wie zu den außenpolitischen Gewaltzielen des europäischen Fascismus? Ihr Schweisen, meine Herren von der Sudetendeutschen Partei, kann nur negativ gedeutet wer den!
Wir stehen treu hinter der Völkerbundpolitik des Außenministers, dessen aufrichtige Bemühungen um die Erhaltung des europäischen Friedens die Anerkennung der Welt gefunden haben, der auch wir uns aufrichtig anschließen. Wir sprechen die Hoffnung aus, daß es ihm gelingen möge, den Frieden als das kostbarste Gut der europäischen Nationen zu erhalten.
Der Rüstungswahnsinn
Wir brauchen den Frieden auch aus anderen Gründen. Denken Sie nur daran, wie das durch den europäischen Fascismus erschütterte Vertrauen der europäischen Nationen zu einander zu einem immer schärferen Tempo in den Wettrüstungen führt.
Nicht weniger als 20 Milliarden Golddollar hat die Rüstung der dem Völkerbund angeschlossenen Staaten im Jahre 1931 gefordert. Und seither hat Die Arbeiterklasse Europas ist ausnahmslos mühungen um unsere Nachbarn, die Fäden nacht and erfolgt ist. Dadurch ist der Fascismus in ein neues unerhörtes Tempo in der Aufrüstung einaußerordentlich um die Erhaltung des Friedens be- Warschau und Budapest , politische gefeßt. Das bedeutet, daß ein gewaltiger Teil des forgt. Sie hält den Frieden durch die jüngsten Er- Jagden, oder etwas ganz Neues in der modernen Volksvermögens in Rüstungen investiert wird, eignisse, den Konflikt Italiens mit Abessinien, für Politik: politische Hochzeitsreisen im Flugzeug, die für Zwecke, die keinesfalls der Ankurbelung der fehr schwer erschüttert und fürchtet über Budapest , Belgrad bis nach Dubrovnik führen Wir stellen ebenso rückhaltlos fest, daß das wirtschaft dienen. Der Austritt Deutschlands cus um seinen Bestand. auf der anderen Seite aber ein Propa Desintereffement Englands dem Völkerbund und in seinem Gefolge die Einfüh ganda Apparat, der in ganz Europa an den Problemen im Donauraum nicht nur zur rung der allgemeinen Wehrpflicht, das rasende nicht seinesgleichen findet und der nach unserem Niederwerfung der österreichischen Sozialdemokratie, Tempo von Deutschlands Aufrüstung kann nichts anGeldwert mit M i Iliardenbeträgen der tapferen Verfechter der demokratischen Republik deres erzeugen als Mißtrauen unter den Staageführt, sondern auch zu einem nicht ungeten.( Dr. Neuwirth: Besonders, wenn die EmigraZu dieser Propaganda gehört auch die ten fährlichen Vorsprung des a- tion hebt.) Sie haben eine eigenartige Auffassung denziöse Entstellung der Ber - cismusim Donauraum sehr wesent- von der Emigration. Glauben Sie, daß Ihr Emihältniffe in unseren Grenzlich beigetragen hat. grant Hans Krebs gegen die deutschen Rüstungen ist? gebieten, durch Tatarennachrichten über Es ist selbstverständlich, daß aus dieser Tats Hungerrevolten, die der reichsdeutsche Rundfunk wohl zunächst ihre inner politischen fache der Tschechoslowakischen Republik die Vernicht einmal, sondern wiederholt verbreitet hat. Beweggründe, die Wahlen. Wr empfinden trotzdem Ich muß offen gestehen, wir setzen leider diese Art Genugtuung über diesen Wan= Pflichtung erwachsen muß, den Stand ihrer m lis der tendenziösen Außenpropaganda, diesen Ver- del aus dem einfachen Grunde, weil die Erhal tärischen Ausrüstung auf ein solches Maz suchen der Vergiftung viel zu wenig Widerstand tung des Friedens in Europa und die Herbeifüh- zu ergänzen, daß sie allen Eventual tä en entgegen. So leisten wir uns heute noch den rung geordneter politischer Verhältnisse im Interesse gewachsen ist, die bei dem Kriegerischen Geist tes Lurus, die deutsche Grenzbevölkerung in der der Arbeiterklasse ganz Europas gelegen ist. Die Fascismus geradezu stündlich drohen. Daher ist es Republik geradezu ausnahmslos von den Sendern Arbeiter erwarten mit Sehnsucht eine fried wichtig, daß diesem Umstande das notwendige Iiche Lösung. Augenmerk auch in unserem Staate zugewendet wird.
Diese Bedrohung der Friedens kommt aber durchaus nicht überrasch en d. Sie ist einfach und logisch eine Konsequenz der Tatsache, daß es dem Fascismus in Europa gelungen ist, über einige Völfer seine Herrschaft zu etablieren. Der Friede in Europa ist permanent in Gefahr, seitdem es einen Fascismus gibt, weil die auf Gewaltanbetung beruhenden fascistischen Systeme planmäßig auf seine Erschütterung hinarbeiten müssen, weil die Dynamit des Fascismus, seine außenpolitische Zielsetzung zwangsläufig den Weg in die Katastrophe führt.
Die bisherige geschichtliche Erfahrung lehrt: Wenn sich das fascistische System in einem Lande aller Einrichtungen bemächtigt, wenn es alle Hemmnisse überwunden hat, dann wendet es sich seinen außenpolitischen Zielen zu, dann tritt der Zeit- Unsere Außenpolitik steht auf dem Boden stren punkt ein, wo es feinen Nachbarnger Neutralität gegenüber dem italienisch- abessinibedroht und den Frieden in schen Konflikt. Der Konflikt ist in einen Strieg ausGefahr bringt. gemündet. Die Arbeiter aber baisen den Krieg, namentlich wenn es sich um Eroberungen handelt. Für ihn gilt nach wie vor das Wort des großen Franzosen Jauré 3::
Wir denken jezt nur an jenes fascistische System, das sich unter dem Symbol des Hakenkreuzes vor nehmlich dort ausbreitet, wo wir Angehörige der deutschen Nation in Europa haben. Diesem System hat der maßgebendste Führer des Fascismus in dem Buche ,, Mein Kampf" die Richtlinien gegeben, denen heute eine ganz außerordentliche, nicht nur theoretische, sondern vor allem prattische Bedeutung zukommt. Sie sind geradezu das Evangelium des deutschenatenreuzfafcis mus geworden.
Als Mittel zur Erreichung seiner Ziele fennt dieser Fascismus nur die Gewalt, denn der Verfasser dieses Buches sagt selbst:
In der ewig gleichmäßigen Anwen dung der Gewalt allein liegt die erste Voraussetzung zum Erfolg." Daß diese Gewalt mit triegerischen Mitte In arbeiten will, beweist ein anderes Bekenntnis:
Die Wendung in der englischen Politik hat doch
Die friedlichen Bemühungendes Völkerbundes haben durch den Beitritt der Sowjetunion wesentWir bedauern es außerordentlich, daß es nicht lich günstigere Aussichten auf einen posi- möglich war, in den Bemühungen um die Abrüstung tiven Erfolg, der Sowjetunion , zu der die Tsche- in der Nachkriegszeit positive Erfolge zu erzielen. choslowakische Republik dank den sozialistischen Par- erhindert hat dies aber ver teien in der Koalitionsregierung in einem Verhält- ascismus. nis von gegenseitig Verbündeten steht.
Das verdächtige Schweigen der SdP
Wir deutschen Sozialdemokraten stehen hinter den Beschlüssen der Gewerkschaftsinternationale und der Sozialistischen Arbeiter- Internationale. Wir stehen hinter dem Völkerbund. Wir sind der Auffassung, daß es nur eine Meinung geben kann: Fortiebung der bisherigen auf die kollektive Organis sation des Friedens gerichieten Bemühungen, wie sie stellt hat. Der sozialistischen Arbeiterbewegung Euro pas dient, wie schon Jaurès ausgesprochen hat. als Richtschnur für ihre Aktionen die Erhaltung eines
Der Ablauf dieser ganzen Entwicklung ist SdP und Spionageprozesse Dr. Benes in feinem Ervoié ſo einleuchtend darge
auch auf unsere Innenpolitik nicht ohne Einfluß. Es muß die Tatsache hervorgehoben wer den, daß nicht alle politischen Parteien des Staates geschlossen hinter der Außenpolitik der Republik stehen. Die größte deutsche Wählergruppe, die Sudetendeutsche Partei , legt feit mehr als zwei Jahren eine gerade zu verdächtige Schweigia mteit hinsichtlich ihrer außenpolitischen Ziele an den
Tag.
,, Heute werde ich nur von der nüchternen Erkenntnis geleitet, daß man verlorene Zwei Jahre hat die Schweigsamkeit gedauert, Gebiete nicht durch Zungenfertigkeit geschlif da endlich regte sich etwas bei der Kundgebung in fener parlamentarischer Mäuler zurückgewinnt, e plis Schöna u. Aber wer der Meinung fondern durch ein geschliffenes
Man kann verstehen, daß der Sudetendeutschen Partei gewisse außenpolitische Fragen außer= ordentlich peinlich sind. Man kann verstehen, daß man auf
tiefen, dauernden, organisierten und endgültigen Friedens. Nur dann wird sich das Wort erfüllen, das die prozesuelle Lage gewisser Parteianhänger Fürsorgeminister Nečas vor ein paar Tagen ge= Partei, die durch mehrfache Verhaftungen von Par- ten, in der Lage sein roerden, nicht nur feindliche Rücksicht nehmen muß. Man kann verstehen, daß eine sprochen hat, daß wir, wenn wir den Frieden erhalteimitgliedern wegen Beteiligung am Spionage- Kräfte von außen fern zu halten, sondern auch den dienst zu Gunsten einer ausländischen Macht kom- ungernden Brot zu schaffen. promittiert wird, dann einen be- Sie, meine Herren( zu den Abgeordneten der SdP sonderen Mut an den Tag legt, außenpolitische gewendet), haben an dieser Erkenntnis feinen Probleme aufzuziehen und ihre Fahne herauszu- Anteil!( Lärm.) Solange in der Sudetendeutschen stellen. Das werden die Herren( Abg. Dr. Neu- Partei die Grundsäße gelten, daß die deutsche Mannnicht abtun fönnen mit dem einfachen Hinweis dar- Muskeln haben...( Dr. Neuwirth: Das hat nieauf, diejenigen ihrer Mitglieder, die sich da in ein mand behauptet.) Dann leien Sie gefälligit die Netz von der Auslandsspionage einspinnen ließen, Turnzeitung! Solange die Auffassung besteht, daß das Gehirn nicht im Kopf, sondern in den Musteln fibt, werden Sie an den Auseinanderiebungen und Vorteilen diefer Politik keinen Anteil haben.
Schwert zu erobern hat, also durch gewesen ist, daß es da zu einer Klarster tirth:... daß die Polizei gelogen hat!) haftigkeit erst bei denen beginnt, die die stärkeren
ben blutigen Kampf."
So sehen die außenpolitischen Ziele iener Macht aus, die in Europa dem Völkerbund die Ge folgschaft versagt, weil sie der Meinung ist, daß fie Losgelöst aus der Gesellschaft der Nationen ihre gefährlichen Ziele besser zu verfolgen vermöge, Biele, die mit den Friedensverträgen un bereinbar
find.
Der Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund geschah aus Absichten, die unserer friedlichen Außenpolitik entgegenwirten müssen.
I ung der außenpolitischen Auffassungen der Sudetendeutschen Partei kommen würde, der fand fich tief enttäuscht:
Die Sudetendeutsche Partei setzt sich lediglich auf den lahmen Gaul des Antibolschewismus, fie richtet da eine Attrappe der Vol. schewikengefahr in der Tschechoslowakischen Republik auf und kämpft gegen fie. Das ist kein flares Bekenntnis, das ist eine Don Quichoterie! Diefen Gaul hat Josef Goebbels schon seit dem
Die Früchte sehen wir schon. Nicht nur die gewalt- Jahre 1933 ohne jeden Erfolg lahmgeritten. Das fame, atemberaubende Aufrüstung allein, die Be- list teine Klarstellung außenpolitischer Bielel
feien Narren oder Verbrecher.
Nein, meine Herren, das geht einmal, aber das glaubt Ihnen auf die Dauer niemand. Es bedeutet wenig Mut und wenig Konsequenz, wenn die verantwortlichen Faktoren in dem Augenblick, in dem ein paar arme Teufel Opfer, ihrer Politik geworden sind, von diesen armen Teufeln einfach abrücken.
Wir hoffen und wünschen die Erhaltung des Friedens als des bedeutendsten europäischen Werkes. Hinter diesem Bemühen steht die sozialistische Arbeiterbewegung aller europäischen und demokratischen Länder und sie ist bereit, mit dem Einfaß ihrer ganAbg. Kund t: Es sind lauter Arbeitslose, zen Kräfte diesen Bemühungen zu einem dauernden die jahrelang teine Arbeit haben, Erfolg zu verhelfen!( Lebbafter Beifall.)