Nr. 259
Donnerstag, 7. November 1935
Seite 3
Sudeten deutsch er Zeitspiegel Dringlich? Forderung der Freien Deutschen Gewerkschaften; Für rasche Winterhilfe in den Notstandsgebieten FUr die Durchführung der vom Völkerbund beschlossenen Sanktionen gegen Italien
wünschen, weil man in Polen wisse, daß es nicht zu seinen Gunsten ausfallen könne. Kreibich(Komm.) begrüßt jedes Wort, das Dr. Benes zur Betonung deS freundschaftlichen Verhältnisses zu Sowjetrußland verwendet hat, sowie die Darstellung unserer Außenpolitik im Expose überhaupt. Durch das Expose ziehe sich wie ein roter Faden der Wille zur Aufrechterhaltung des Friedens und das fei heute eines der Hauptinteressen der nationalen Minderheiten und vor allem auch der deutschen werktätigen Bevölkerung in der Tschechoslowakei . Bei der Erörterung, was die Sudetendeutschen bei einem Siege der Politik des Dritten Reiches zu erwarten hätten, kommt eS zu heftigen Auseinandersetzungen mit den Henleinleuten. Es müsse alles getan werden, um auch die nationalen Minderheiten für die Politik des Dr. BeneS zu gewinnen. Die Not in den deutschen Gebieten sei der beste Agent HitlerS in der Tschechoslowakei . Bon-HodZa befürchtet Kreibich einen Rechtskurs in der Innenpolitik. Bon der Koalition sprachen noch die Agrarier Dr. S t e f a n e k, der das Bündnis mit Rußland warm befürwortete, der BolkS- parteiler R h p a r und der Agrarier S t o» d o l a, der trotz allem, was heute von Seite der Hlinkapartei Gehässiges in der Debatte gesagt worden war, doch nicht die Hoffnung aufgeben will, die Einheit der Nation durch die Einbeziehung der Hlinkapartei in die Regierung zu festigen. Nächste Sitzung Donnerstag vormittags.
Kämpfe um Makale Addis Abeba . In Addis Abeba lief heute nachmittag ein Funkspruch der Militärfunksta» tion an der Nordfront ein, wonach um M a k a l e einfurchtbarerKampf entbrannt sei. Dienstag abends hätten italienische Truppen die Stadt schlagartig besetzt. In der Nacht hätten abessinische Truppen einen heftigen Angriff auf die Stadt unternommen. Nach einem eineinhabstündigen Nahkampf seien die Abessinier wieder Herren der Stadt geworden. Bei ihrem Rückzug sollen die Italiener Tote und Verwundete auf dem Platze gelassen haben. Wie es in dem Funkspruch weiter heißt, stehen schwere Kämpfe in der Umgebung von Makale bevor. Fast gleichzeitig liefen auch Meldungen von der Südfront ein, wonach cs bei Webi-Schebeli ebenfalls zu großen Kämpfen gekommen sei. Die abessinischen Truppen kämpfen dort unter dem Armeeführer U g e z- n o u r, dessen Truppen sich in befestigte Stellungen zurückziehen. ES wird mit großer Erbitterung gekämpft. Zwei italienische Bombenflugzeuge, die die Linie der Abessinier sehr niedrig überflogen, ,wurden abgeschossen. DaS eine Flugzeug ervlo-s dierte in der Luft, das, zweite stürzte ab. Die vier Mann Besatzung der zweiten Maschine waren tot. Die Wege wieder trocken London . Bon den abessinischen Kriegsschauplätzen wird gemeldet: Die Sonne hat das kotige Terrain, das den Bormarsch der Italiener in der Provinz Tigre erschwerte, auSgetrocknet, so daß jetzt bereits alles zum weiteren Borrücken der italienischen Truppen vorbereitet ist, die in mehreren Strömen parallel und in enger Fühlung Vordringen werden. DaS Ziel des italienischen Borrückens bleibt Makale, über dessen Schicksal fortwährend gegensätzliche Meldungen eintreffen.
Wettere Aussprachen notwendig London.(Reuter.) Mittwoch adendS wurde hier erklärt, daß noch weitere Aussprachen notwendig seien, bevor«S möglich sein werde, zu entscheiden, ob Italien und Großbritannien eine konkrete Aktion binfichtlich der Lage im Mittelmeer unternehmen werden.
Gegensanktionen Italiens Ram.(Tsch. P.-B.) DaS Mittagsblatt des halbamtlichen„Giornale d' Italia" veröffentlicht eine Liste von bisher aus England und seinen Dominions bezogenen Gegenständen, die in italienischen Läden nicht angeboten und in Zukunft von der Käuferschast nicht mehr verlangt werden dürfen. Folgende englische Waren fallen unter das Verbot: Wolle, Hüte, Kleider, Mäntel, Regenmäntel, Pelze, Schuhe. Ueberschuhe, Baumwollstoffe, Gegenstände auS Nickel, Eisen, Stahl und Zinn, Rasierklingen, Möbel, Liköre, Parfümerien, Apothekererzeugnisse, Bücher, Zeitschriften und Zeitungen. Aus Australien sollen keine Naturwolle und keine Schafsfelle eingeführt werden. Der gleiche Boykott trifft die Exporterzeugung. G Mailand. Durch ein Gesetz ist die Verkaufsabgabe für Benzin und Mineralöle erneut erhöht worden. Diese Erhöhung wird eine weitere bedeutende Steigerung der Treibstoffpreise mit sich bringen. Paris . Der Sonderkorrespondent del„Jntran- sigeant" telegraphiert aus Addis Abeba , daß der Keller mit dem Schatz des Kaisers Menelik geöffnet wurde. Der Schatz barg 8 Millionen Taler pnb Gold- und Platinbarren im Werte von 135 Millionen Francs.'
Die Zentral gewerkschaftSkom- Mission des Deutschen Gewerkschaftsbundes hielt am Montag, dem 4. November l. I., eine Vollsitzung ab, die sich neuerlich mit den trostlosen Zuständen beschäftigte, die«ach den furchtbaren Auswirkungen der nun schon sechs Jahre andauernden Wirtschaftskrise in den Randgebieten unserer Republik bestehen. Mit jedem Monat wächst das Elend! In den Familien der Beschäftigungslosenfehltes an allem! Die Menschen hungern und frieren! D.ie Kinder leiden an hochgradiger Unterernährung«nd v e r k ü m- m er n! Vergeblich sucht die Heranwachsende Jugend in den Arbeitsgebieten einen Ausweg auS dem Jammer, in welchem sie körperlich«nd seelisch zugrunde geht. Wie sollen die gequälten Opfer der Wirtschaftskrise den kommenden Winter Überstehen, wenn nicht außerordentliche Hilfsmaßnahmen getroffen werden? Was bisher an Maßnahmen gegen die Rot in den schlimmsten Krisenbezirken getan wurde, reicht bei dem gesteigerten Elend diesen Winter lange nicht auS. Für' die große Armee der Arbeitslosen ist Beschäftigung und Verdienst nicht zu schaffen. Deshalb müssen große Hilfsaktionen durch die Beistellung staatlicher und öffentlicher Mittel für diese Hungergrbiete ermöglicht werden. Erhöhte Fürsorge ist die dringlichste Forderung der Stunde! Die Zentralgewerkschaftskommisston deS Deutschen Gewerkschaftsbundes verlangt die größtmögliche Ausgestaltung der ErnährungS-
<R. B.) Uebereinstimmende Genfer Berichte der Pariser Presse— besonders von Per- t i n a x im„Echo de Paris" und Frau Gene-
vieve T a b o u i S im„Oeuvre"— weisen auf dunkle Treibereien hin, die der ReichSbankpräfi- dent Schacht gelegentlich der jüngsten Verwaltungsratssitzung der Baseler Bank für internationale Zahlungen unternommen hat. Dem Gouverneur der Bank von England » Montag« Rorma«, versuchte Schacht m i t sichtlichem Erfolg darzulegen, daß die Sanktionen gegen Italien die europäische Wirtschaft furchtbar schädigen, die Lira«nd sogar datz Pfund'zugrunderichten würden. Dem Gouverneur der Bank von Frankreich, M. Tanner», gegenüber schlug er eine deutsch-fran» zöstsche Vermittlung im italo-abessinischen Kon» flikt vor. Unter Berufung auf eine ausdrückliche Ermächtigung Hitlers fragte er den Franzosen: Warum sollten Frankreich und Deutschland nicht rin Abkommen miteinander schließen können? Wir denken nicht daran, unsere Westgrenze zu ändern. Früher oder später werde» Deutsch land «nd Polen die Ukraine untereinander auf»
aktion, die heute die einzige Lebensquelle für Hundrrttausende von Menschen bildet. Die Zuteilung von Kartoffeln, Fett, Brot, Kohle«nd Bekleid ungs waren ist in ausreichendem Umfang zv organisieren! Bor allem aber muß rasch gehandelt werden und von der für den Winter zu organisierenden großen Hilfsaftion sind alle notleidenden ArbeitSmenschen in den von der Krise am härtesten betroffenen Jndustrirbezirken zu erfassen. Der Sitzung der Zentralgewerkschaftskom- mission lag ein Bericht über die Tagungen des Internationalen GewerkschaftSbundrS«nd der Sozialistischen Arbeiterinternationale in Brüssel vor, in dem zu der Kriegsgefahr und zu Beschlüssen deS Völkerbundes Stellung genommen wurde. In einer gemeinsamen Beratung der beiden Internationalen ist beschlossen worden, überall im Namen der Menschlichkeit«nd der Zivilisation auf die Regierungen einzuwirken, daß die Beschlüsse des Völkerbundes gegen den Friedensbruch Italiens strengstens befolgt werden. Die von den Mitgliedstaaten des Völkerbundes beschlossenen Sanktionen sind durchzu- führen, damit die Kriegsgefahr, die für Europa auS dem Konflikt zwischen Italien «nd Abessinien erwachsen kann, abgewrhrt wird. Die GrwerkschaftSverbände werden aufmerksam gemacht, an der Durchführung der Bölkerbundbe- schlüsse durch entsprechende Propaganda mitzuwirken.
teilen, im Augenblick aber sind wir zufrieden, unseren Einfluß in den baltischen Ländern geltend z« machen. Rach„Oeuvre" war diese Ankündigung Schachts der Grund zu den besonders scharfen Ausführungen deS SowjetbotschasterS Patiom- k i n in der Genfer Sanktionskommission über die Unteilbarkeit deS Friedens. Wir dem„Daily Herold" auS Paris gemeldet wird, verlautet in der dortigen Diplomatie, datz Laval sich an den Baseler Arutze- rnngen Schachts lebhaft interessiert zeige. Er habe einen privaten Unterhändler fso-
Reichswirtschaftsminister, größter Finanzakrobat des Jahrhundert«
zusagen einen französischen Ribbentrop), M. Fernand dr B r i n o n, nach Berlin geschickt, der schon vor zwei Jahren«inen ähnlichen Auftrag auSgeführt hatte. Diesmal sollte Brinon angeblich Hitler anSrichtrn, daß Laval die Ratifikation deS französisch - russischen Vertrages durch das Parlament noch weiter verzögern und Deutschlandfreie Hand in Osteuropa haben werde. Als Bedingung dafür waren vorgesehen, daß Deutschland Garantien für die Aufrechterhaltung der entmilitarisier-
Mb dellt
Alarmierende Ccrfldite Uber Sdiadtt-lavarsche intrlducn
hinter den Kulissen vor?
Die Not der Jugend Es muB rasch und ausgiebig geholfen werden Gestern abends hielt in der Prager deut schen Arbeitersendung der zweite Vorsitzende deS Sozialistischen JugendverbandeS , Genosse Willi W a n k a, einen Vortrag zur Einleitung der großen sozialpolitischen Aktion», die der Jugendverband gemeinsam mit den Gewerkschaften und dem Atus in den nächsten Wochen durchführt. Wir zitieren aus diesem Vortrag: Viele junge Manschen finden nach dem Verlassen der Schule überhaupt nicht mehr den Weg in das Berufsleben. Wenn sie kein Handwerk oder sonst einen Beruf zu erlernen trachten, bleiben ihre Hände gleich von allem Anfang an müßig. Wir zitieren zur Illustrierung dieser Seite der Jugendnot das Ergebnis einer voin Verband der christlichen Gewerkschaften angestcll- ten Untersuchung, die 20.103 Jugendliche erfaßte. Von diesen konnten 2762 nach der Schulentlassung überhaupt kein Arbeitsverhältnis finden, also mehr als zehn Prozent. Was die Dauer der Arbeitslosigkeit anbelangt, so werden die Jugendlichen genau so betroffen wie die älteren Arbeitsbewerber. Es gehört schon zur Regel, daß uns die jugendlichen Arbeitslosen berichten, daß sie seit drei und vier, viele schon seit fünf und sechs Jahren keine regelmäßige Beschäftigung hatten. Der Sozialistische Jugendverband in der Tschechoslowakischen Republik mutzte sich heuer im Sommer davon überzeugen, datz die Hälfte der in einem grötzeren Arbeitslager erfatzten Jugendlichen bereits zwei Jahre arbeitslos, davon aber wieder ein Drittel schon durch drei Jahre und einige durch vier bis fünf Jahre ohne Beschäftigung waren. Verschärfend tritt hinzu, daß auch in den Familien dieser Jugend an und für sich ärgste Not zu Hause ist, bleibt doch der Familienerhalter in nicht wenigen Fällen allein auf die staatliche Hilfe aus der sogenannten ErnährungSaktton angewiesen. Alle diese Erscheinungen führen zur schwersten gesundheitlichen Bedrohung der Jugend. Ein Bericht der Aerzte aus dem Karlsbader Bezirk besagt, daß von 748 Untersuchten 306— also nahezu die Hälfte— als„schlecht ernährt" bezeichnet werden müssen; in 303 Fällen stellte der Arzt Blutarmut , bei 120 Jugendlichen dringende Erholungsbedürftigkeit fest. Bei 28 Jungarbestslosen mutzte die Nichteignung zur Ausübung eines Berufes ausgesprochen werden. In der Heimstätte für arbeitslose Jugendliche in Sternberg waren die meisten Teilnehmer unterernährt, bei mehreren mutzte der Gesundheitszustand als vollkommen schlecht bezeichnet werden. Es wurden Untergewichte bis zu 20 Kilogramm vom'Normalgewicht festgestellt.
t e n Rheinlandzone, die politische Unabhängigkeit Oesterreichs und die territoriale Integrität der Tschechoslowakei gebe. Hitler habe jedoch diese Garantien verweigert. Trotzdem jedoch wolle Laval die Möglichkeit, zu einem Abkommen mit Hiller zu gelangen, nicht als verloren ansehrn. Darum setze Laval die Taktik fort, daS Parlament nicht zur Diskussion«nd Ratifikation des Vertrages mit Sowjetrußland kommen zu lassen. Auf die Kenntnis dieser Taktik LavalS dürste das entschiedene Eintreten He r r i o t S auf dem Radikalen Parteitag für daS Bündnis mit Moskau zurückzuführen sein«nd ebenso die Gerüchte über einen baldigen Regierungswechsel. Laval selbst dementtert allerdings, daß er zurückzutteten beabsichtige.
Labour-Erfolge In Schottland London.(Reuter.) Eine Analyse der Ergebnisse der dienstägigen Gemeindewahlen in Schottland ergibt, daß die Arbeiterpartei elf Mandate und die kommunistische Partei vier Mandate gewonnen hat.
Deck wieder aktiv Warschau . Autzenminister Beck ist Mittwoch mittags aus Rabka zurückgekehrt, wo er nach überstandener Grippe zur Erholung weilte. Der Minister übernimmt am Donnerstag die normale Amtsführung.
Niederlage Roosevelts In New York New Avrk. Die bisherigen Wahlresultate im Staat« New Fort lassen erkennen, datz die Re publikaner die im Jahre 1982 verlorene Mehrheit im staatlichen Abgeordnetenhaus wieder gewonnen haben. Das Stimmenverhältnis ist jetzt 81 zu 69 gegenüber dem bisherigen BerhäÜniS von 76 Demokraten zu 73 Republikanern, wobei tas Wahlergebnis nur eines Wahlkreises noch auS- steht. Die Republikaner sehen in ihrem Siege etne Niederlage des Newdeal und eine Verurteilung der Politik Roosevelts. Die Niederlage Roosevelts im Staate New Uork läßt kaum einen Schluß auf die im nächsten Jahre stattfindenden Präsidentschaftswahlen zu, da der Staat von jeher vorwiegend republikanisch gesinnt war. Die Wahlergebnisse aus anderen Landesteilen bestätigen dies. So waren die Demokraten in den Agrarstaaten Virginia und Mississippi siegreich.