Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077, HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB  . CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  ,

15. Jahrgang

Ribbentrop   nach Paris Paris  

. ,,' Oeuvre" erfährt, daß in der Berliner   Wilhelmstraße die Meldung über die Reise Ribbentrops nach Paris   Ende November als offiziell bestätigt wurde. Es wurde angedeu­tet, daß Ribbentrop   über Fragen der Beschrän lung der Landrüstungen und über die beabsichtigte Flugkonvention berhan­deln werde. Allgemein wird jedoch angenommen, daß die Unterredungen diesen eng umgrenzten Rahmen überschreiten werden.

Samstag, 9. November 1935

Hitler   befiehlt

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 261

Henlein- Jünger

Stahlhelm- Auflösung mit und ohne Maske

Seldte kuscht und bedankt sich noch Berlin  . Am Freitag ist die endgültige In seinem Antwortschreiben erklärt Seldte  Liquidierung des Stahlhelms erfolgt. Hitler   hat n. a.:,,Wenn wir am Tage, da die neue Reichs­an den Führer des Stahlhelms Reichsminister fahne aufgezogen wird, unsere alte Fahne ein­Seldte ein Schreiben gerichtet, in dem er un- ziehen, und unsere Ziele für er ter Bezugnahme auf die Vereidigung des ersten reicht erklären, tun wir es mit dem Rekrutenjahrganges auf das Dritte Reich und Dank des Kämpfer s, der es noch erle­In London   sei man der Meinung, fügt das seine Flagge als Krönung des Neuaufbaues der ben darf, daß seine Ziele und Ideen- Erfüllung Blait hinzu, daß Frankreich   bei dieser Gelegen deutschen   Wehrmacht   die Vorausset- und Gestaltung fanden. Ich melde hierdurch die heit von Deutschland   die Aufrechterhal zungen für die Weiterführung von mir befohlene Auflösung des Stahlhelm." tung des derzeitigen status des Stahlhelm als nicht gege= quo in Mitteleuropa   garantiert erhalten ben ansieht.Q tönnte. Deutschland   habe Interesse an getrennten Indem Hitler Seldte und seinen Mitkämp­Verhandlungen mit Frankreich   und Großbritan- fern dankt, erklärt er, daß das, was heute nien und wünsche nicht, schon von Anfang an bei vielen ehemaligen Stahlhelmmitgliedern als ein den Verhandlungen auf eine gemeinsame fran- schweres Opfer erscheinen mag, nichts anderes als die geschichtliche Aufwertung(!) 3ösisch- britische Front zu stoßen. der bisherigen Arbeit und Leistungen sei.

England

und der Völkerbund

der

Angriffe der Arbeiterpartei

V

Für die Aufnahme der Stahlhelmmitglieder durch Einzelanmeldung wird die bestehende allge­meine Mitgliedersperre der NSDAP   aufgehoben. Mitgliedern des Stahlhelms, die nicht mehr politisch tätig sein wollen, wird der Eintritt in den Kyff­häuse rb und empfohlen. Die Liquidation des Stahlhelm und seiner wirtschaftlichen Einrichtungen und Unternehmungen erfolgt durch die Bundesfüh­rung oder deren Beauftragten.

Nur SdP gegen Beneš- Exposé

*

Nicht nur die großen Debatten, sondern auch die kleinen Zwischenfälle im Abgeordnetenhause gestatten tiefe Einblicke in das Wesen der Par­teien. Die Voltsvertreter von Gnaden Henleins haben es wahrlich nicht leicht. Sie sollen gleichzei­tig zur Erbauung ihrer Wähler den wilden Mann spielen und nach der tschechischen Seite wieder als loyale Patrioten auftreten. Aber immer wieder rutschte den Herren in der Hiße des Gefechtes die demokratische Maske vom Gesicht und die wasch­echte fascistische Gesinnung kommt zum Vorschein. Daraus ergeben sich ergößliche und groteske Situationen. Einige Momentbilder von der netenhauses verdienen festgehalten zu werden. großen außenpolitischen Debatte des Abgeord=

*

Genosse Kögler schloß seine Anklagerede

gegen die fascistischen Kriegstreiber mit einem kraftvollen Bekenntnis zur Friedensmission der Arbeiterklasse. Der Henlein  - Mann Dr. Neu wirth machte der Verlegenheit seiner Fraktion in dem Aufschrei Luft:

,, Im Jahre 1914 habt Ihr Euer Programm verraten!"

Worauf ihm einer unserer Genossen die Frage zurief:

,, Sind Sie denn Pazifist?"

Herr Dr. Neuwirth ging prompt in die Falle und rief:

Jawohl, ich bin Pazifist."

Darauf stimmte die Henleinfraktion ein

homerisches Gelächter an, über ihren Kollegen Neuwirth, den Pazifisten.

Donnerstag abends sprach Dr. Kramář, Herr Neuwirth hatte die Arroganz zu be machte seinem antibolschewvistischen Herzen und haupten, daß für die SdP nur die aller seinem Haß gegen Dr. Beneš Luft. Andächtig best en parlamentarischen For lauschten vor der Ministerbank die SdP- Mannen. men gerade gut genug" seien und sie es Kramat schilderte die„ Gefahren" des Bündnisses anders gar nicht täten.( Zwischenruf: Sie haben mit der Sowjetunion   in düstersten Farben. Ein uns ja das letztemal Ohrfeigen angedes Tschechischen kundiger Henleinvertreter be= boten!) Aber Zierhut habe sie eben vers lehrte seine Kollegen: leumdet.

Dann erhält der Kommunist Köhler eine

Rüge, weil er die SdP- Leute Verbrecher und

,, Der spricht ja für uns glänzend."

Im englischen Wahlkampf spielt der Völ­Stürmische Auseinandersetzungen mit den Henlein- Trabanten ferbund eine große Rolle. Die Arbeiterpartei wirft die Außenpolitik der Regierung vor, daß Prag  . In der Freitagsißung des Parla- Jeinem bewegten Appell an das Haus auf, nicht sie in den vergangenen Jahren den Völkerbund ments wurde das Exposé des Außenministers mit einer Demagcgie zum Opfer zu fallen. nicht zur Festigung seiner Macht und zu ihrer einer wohl noch nie dagewesenen Mehrheit ge= Nach der Abstimmung wurden Zusammen­usnüßung im Sinne der Zweckbestimmung des nehmigt. Die Abgeordneten der Glinkapartei und Bölferbundes, also zur Sicherung des Friedens der Nationalen Bereinigung, die Gaidafascisten stöße in einer der ersten Sizungen des neuen durch allgemeine Abrüstung habe kommen lassen. und die Ungarn   hatten sich von der Abstimmung Hauses im Juni durch Erkenntnisse des Immu­Nun hat fürzlich der Außenpolitiker des„ Daily absentiert. Für das Exposé stimmten die Koali- nitätsausschusses liquidiert. Zunächst erhielten Herald" W. N. E we r zu melden gewußt, daß tionsparteien, die kommunisten und die Dr. Neuwirth und Ing. Künzel von der im auswärtigen Amt erwogen werde, dem Völ- deutschen Christlich   sozialen, da- SdP Rügen, weil sie den Landbündler Zierhut " Denunziant" beschimpft hatten. terbund das Recht zur Schlichtung von Konflik- gegen lediglich die Henleinlente. Dieses Ergebnis wurde von der Koalition ten zwischen den Staaten und zur Anordnung bon Sanktionen gegen den Angreifer zu ent mit starkem Beifall und Händeklatschen aufge­Die sozialistischen Koalitionsparteien ziehen. Wenn die Parlamentswahl zugunsten nommen. Regierung ausgehe, so schrieb Ewer  , würde äußerten auch über die Haltung der Kommunisten, dieser Plan zur Wirklichkeit und damit die die zum erstenmal sich positiv zu einem Exposé Bahn frei werden, Allianzen nach Vorkriegsart einstellten, ihre Befriedigung. Der Abschluß der Außendebatte und nachher wieder abzuschließen, so daß die Kriegsgefahr einige Immunitäten boten Anlaß zu einer Reihe aufs neue gesteigert würde. Außenminister Sir Samuel Hoare   ist in mitunter recht schwerer und lauter Zusammen­Die Plazvertreter der hitlerischen Außen­einer Wahlrede mit gröbstem Geschüß gegen dieſe ſtöße, die durchwegs von den Henleinleuten pro­Lumpen geheißen hat. politik vermochten ihren Beifall für den alten Darstellung des„ Daily Herald" losgezogen. Er voziert wurden. Köhler verteidigt sich ebenso wie vor dem bärbeißigen Deutschenfeind nicht zu unterdrücken, dementierte nicht nur kategorisch, daß ein solcher Immunitätsausschuß( wir haben seinerzeit dar- Kramař malte die Gefahr an die Wand, daß die Plan in Erörterung stehe, er verglich das Vor- Der Henleinklub schickte als zweiten Redner über ausführlich berichtet!) damit, daß er nicht Tschechen durch das Bündnis mit den Sowjets in gehen des Arbeiterblattes mit dem eines berüch- den Außenseiter Dr. Peters in die Debatte. Ihm tigten Pamphletisten und mit einem„ Papistischen fiel die unangenehme Aufgabe zu, zunächst ein- generell den Klub, sondern nur den Abgeord- Gefahr liefen, ihre seelische und staatliche Selb  = Anschlag", was für einen orthodoren Anglika- mal die gestrige Einheitsfront der Sdr. mit Dr. neten ollu be genannt habe, der wegen Dieb- ständigkeit zu verlieren. her so ziemlich das Aergste ist. Ja der Minister ser a mář rückgängig zu machen, die der Zen- stahl im Jahre 1922 in Dortmund   vier Monate abgesessen habe. appellierte an Major Attlee, den Führer der tralleitung wahrscheinlich gegen den Strich ging, Darauf erhebt sich ein Tu m u I t. Ge- flang das Echo aus den Henleinreihen. Die paten= Opposition, das Vorgehen ihres Organs zu weil sie die Regierungsfähigkeit der SdP. beein- nofse& a z ruft laut: Das ist die Partei der tierten Sudetendeutschen   mimen sogar Sorge um rechtfertigen. trächtigen könnte. Also erklärte der Herr Be­Darauf antwortet Ewer   sehr deutlich: Das schwichtigungshofrat ganz einfach, der gestern von reinen Hände! Andere Stimmen stellen fest: Ein die tschechoslowakische Selbständigkeit, wenn sie Bundesgenossen gegen die Friedenspolitik Benes' Außenamt bestreitet immer, daß irgendein Plan Dr. Kramár in die Debatte gebrachte Mizton sei Dieb ſitzt in unseren Reihen! Herr Dr. Ne u wirth wirft sich in sehr zu finden glauben. erörtert wird, bis er amtlich veröffentlicht ist. nicht nötig und nicht am Plate ge- ungeschickter Weise als er offo- Verteidiger Hollu­In Wahrheit habe London   bereits bei anderen wesen. Schluß, Punktum! Die Herren, die Dr. bes auf, indem er erklärt, daß es zu den primi- Am Freitag vormittags saß aber Dr. Beneš, Regierungen wegen einer derartigen ,, Reform" Kramár gestern Beifall geklatscht hatten, machten tivsten Grundsäßen des Strafrechtes gehöre, der bei Herrn Stramar gefehlt hatte, wieder auf des Völkerbundes jondiert und Ewer   nennt dabei etwas verdußte Gesichter. teinem Menschen eine verbüßte Strafe vorzu- der Ministerbank und so dozierte der SdP- und ganz offen die Kleine Entente  , bei der Dann mußte Dr. Peters die SdP. von den Deutschdemokrat Dr. Peter 3 von der Redner­Das versucht, aber sehr entschieden abge diversen Spionageaffären der letzten Tage rein­Darauf erhebt sich ein neuer Tumult: Also tribüne: Der gestern in der Debatte von Dr. lehnt worden sei. Im Zusammenhang damit waschen, eine Sisyphusarbeit, die angesichts des wiederholt Ewer   die Kennzeichnung der Politik vorliegenden Tatsachenmaterials auch einem weit er gibt es zu! Unerhört! Hier fißen Diebe! In Kramar gebrachte Mißton war nicht nötig und Baldwins als einer auf Machtverminderung des besseren Verteidiger als dem Herrn Dr. Peters Verkennung der Situation wird Dr. Neuwirth nicht am Plaze." Die Herren hatten sich das Bölferbundes zielenden; es bereite sich, wenn nicht gelungen wäre und die auch den schärfsten erst recht aggressiv und geht zu offenen Sehr richtig" inzwischen überlegt und beklagten das britische Bolt diese Regierung in ihrem Amte Widerspruch auf der Linken des Hauses heraus- Drohungen über: Sie wären in der Lage, die Mißtöne, denen sie am Vorabend Beifall ge­beſtätige, ein Zuſammenwirken mit dem von forderte, ebenso wie die neuen Anbiederungsversich persönlich gegen persönliche Angriffe zu zu Tag sowjetfeindlicheren suche an die Tschechischbürgerlichen. Laval   vor, das auch die Wiederherstellung des

Za

reich und Italien   gegen Rußland  

strebe.

Die italienisch- ägyptische

Spannung

-

halten.

schützen! Diese Herausforderung wird mit neuen stürmischen Protesten auf den Bänken der Linken Nach dem polnischen Kommunisten Sliw beantwortet, in denen weitere Redensarten von hin- mungen wandte und die Forderungen der loyalen Dr. Neuwirth ganz irrig auf die andern bezieht, ta, der sich scharf gegen die irredentistischen Ströder fehlenden Kinderstube, die Herr polnischen Minderheit formulierte, gab 3ier hut für den Bd2 eine Erklärung ab, bei der zum größten Teil untergehen. Als Neuwirth abtritt, werden st ür mi Dr. Peters wie eine besorgte Gluchenne die ihm sche Rufe nach Hollube laut, der es anvertrauten SdP- Jünger ängstlich vorZwischen- aber anscheinend vorgezogen hat zu Hause zu Vor der Abstimmung gab es noch ein er- bleiben. Nach der Abstimmung über die Rüge

rufen zurüchielt.

*

,, Sehr richtig, sehr richtig!"

zollt hatten.

-*

*

Dr. Peters erinnert übrigens an den R a 3 Gugsa, der von den Abessiniern zu den Italie­nern übergegangen ist. Um seine überraschende

Gugia in den vordersten italienischen   Schwarm­Belehrung glaubhaft zu machen, muß dieser Ras

linien fechten. So geht es auch dem Herrn Dr. er Del der Beschwichtigung über die peinliche Peters. Ihn schickte die Henleinfraktion vor, damit Spionageaffäre gieße, in die so manche Sudeten deutsche verwickelt sind, die sich sonst an Loyalität

Streisen erklärt man sich lebhaft befremdet über regtes Rededuell zwischen dem Kommunisten ruft ein Kommunist: Köhler ist gerügt, der nicht übertreffen lassen. Dieses undankbare Ge­schäft wurde Herrn Dr. Peters durch manchen die Haltung der ägyptischen Regierung, die als Beuer und Dr. Peter 3. Beuer stellte feft, o II u be aber gerichtetl peinlichen Zwischenruf von sozialistischer Seite nicht freundschaftlich gegenüber Italien   daß Dr. Peters auf die ihm vorgelegten Fragen In der nächsten Sizung, die für Donners- gewürzt. Einigermaßen aus dem Konzept ge= betrachtet wird. Wie von unterrichteter Seite ver- bezüglich der SdP. Spionage und Gestapo   alles

lautet, habe die italienische   Regierung zwar ihren andere als zufriedenstellend geantwortet habe. tag, den 14. November, 3 Uhr nachmittags an-| bracht, schleuderte Peters den Sozialdemokraten Gesandten in staire mit keinem besonderen Schritt Peters hätte sagen müssen, was die SdP zu beraumt, ſpätestens aber einen Tag später wird den Lieblingsfluch des Meister Sandner ent­beauftragt, es sei aber anzunehmen, daß der ita unternehmen gedente, um den Geiſt der Irre- das Budget für 1936 vorgelegt und vom gegen, daß sie nur von Demagogie und lieniidie Gesandte von sich aus Vorstellungen bei denta in ihren Reihen zu bannen. Dr. Peters Finanzminister mit dem üblichen Erposé einge- Denunziation leben. Vorher hatte jedoch der ägyptischen Regierung erhoben habe. schivang sich in seiner Erwiderung lediglich zu leitet werden.

der demokratische Ehrenmann beteuert, daß die