Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

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15. Jahrgang

Sonntag, 17. November 1935

Mussolini   wird ungeduldig

General de Bono durch Marschall Badoglio ersetzt Schärferes Offensiv- Tempo

Rom  . Der Generalgouverneur von Italienisch- Ostafrika General de Bono ist unter Verleihung der Würde eines Marschalls von Italien   von seinem Posten abberufen worden. An seiner Stelle wurde der General­stabschef des italienischen   Heeres Badoglio   zum Generalgouverneur von Eritrea   und Somaliland   ernannt. Zum Vizegouverneur wurde der bisherige Rommandant der römischen Division General Ugozoni ernannt.

Offiziell wird der Wechsel im afrika  -| Libyen   ernannt, seit dem Jahre 1925 ist er Mar­nischen Oberkommando folgend kommen- schall und seit 1929 Senator. tiert:

Mit der Rückeroberung Makalles hat der

Marschall de Bono steht bereits im 70. Lebensjahre. Er war schon am Marsch nach Rom   beteiligt. Nach dem Sieg ernannte ihn

Mussolini   zum Generaldirektor der Polizei. Die sen Posten mußte er verlassen, als er nach der Ermordung Matteottis im Jahre 1924 der Ur­heberschaft, zumindest aber der Mitwisserschaft solini sandte ihn damals als Gouverneur nach an der Mordtat so gut wie überführt war. Mus­Tripolis. Später wurde er Kolonialminister.

in Ostafrika   war er erst seit Beginn dieses

Jahres tätig.

Oberkommissar, General de Bono, die ihm an­vertraute Aufgabe zu Ende geführt. Der Duce hat aus diesem Anlasse an General   de Bono ein Telegramm gerichtet, in dem er dem General  das Zeugnis ausstellt, daß er die ihm übertra­gene Aufgabe, die nun als beendet durchgeführt anzusehen sei, unter außerordentlich schwierigen Umständen und mit Ergebnissen erledigt habe, die ihm ein Anrecht auf die Dankbarkeit der Nation geben. In Anerkennung der mit der Wieder­eroberung von Tigre geleisteten Arbeit hat der Paris  . In der Abberufung des Generals König   auf Vorschlag des Duce General de Bono de Bono erblickt der römische Korrespondent des Badoglio wurde beauftragt, de Bono als Ober-" Intransigeant" den Ausdruck der Unzufrieden: fommissar für Ostafrika   abzulösen. heit Roms darüber, das General de Vono bei der Führung der Offensive a II su zögerns und langsam vorgegangen ist, wobei das Blatt allerdings nicht der Meinung ist, daß de Bono nunmehr direkt in Ungnade gefallen sei. Der Korrespondent bemerkt hiebei, das diese Taktik de Bonos   bisher glückliche Resultate ge­

zum Marschall von Italien ernannt. Marschall

*

Marschall Badoglio, der neue Ober­fommandant der italienischen Truppen in Ost­ afrika  , ist Spezialist in Kolonialfragen. Badoglio  wurde im Jahre 1928 zum Gouverneur von

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( einschließlich 5 Heller Ports).

Nr. 268

Die Sanktionen beginnen

Morgen wird der umständliche Mechanismus von Ein- und Ausfuhrsperre, Kreditsperre und allem Drum und Dran dieser Maßnahmen, von zeitigt und verhältnismäßig geringe Opfer an mehr als 50 dem Völkerbund angeschlossenen Menschenleben gekostet hat. Marschall Badoglio Staaten endlich in Gang gesetzt. Wer sich von der genießt den Ruf eines ausgezeichneten Taktikers Auswirkung der Sanktionen eine rasche Nieder­und man nimmt an, daß unter seiner Leitung zwingung Italiens  , eine rasche Beendigung des die militärischen Operationen mit größerer Strieges versprechen sollte, würde schwer enttäuscht Verve vor sich gehen werden. werden. Die Sanktionen werden ihre Wirkung auf die Dauer nicht verfehlen. Ob Italien   aber ins zwischen nicht drei Viertel Abessiniens besetzt haben und ob die Wirkung überhaupt so stark sein wird, daß Italien   sich den Bedingungen des Völ ferbunds unterwerfen wird, ist eine andere Frage. Man wird sie kaum bejahen können, wenn man die Lage ohne trügerische Illusionen betrachten will.

Ausländische Beobachter in Addis Abeba  sind der Ansicht, daß Marschall Badoglio sofort nach Uebernahme des Kommandos die Offensive mit jener größeren Energie und Schnelligkeit beschleunigen wird, mit der er bestrebt sein wird, noch vor der Zeit der Regengüsse den Krieg zu beenden. In dieser Taktik, die Entwicklung der Dinge zu beschleunigen, liegen gewisse Risikos, doch wird darauf aufmerksam gemacht, daß einige

vereinzelte abeffinische Erfolge an dem Ergeb­nis des Krieges nichts ändern werden, wenn die Italiener ihre Ziele erreichen werden.

Der große Rat tagt

Das liegt weder an der Einrichtung des Völkerbunds, noch an seinen Grundsäßen, noch an mangelhaften Sanktionsbestimmungen in der Sazung der Liga der Nationen. Es liegt an der Unvollkommenheit des Bundes und der Unentschlossenheit eines Der italienische Botschafter in Lon. Großteils feiner Mitglieder. don Grandi ist als Mitglied des fasci. Daß so wichtige Mächte wie die Vereinigten stischen Großen Rates zur Teilnahme silien, dem Bunde nicht angehören, macht die völ Staaten, Japan   und Deutschland  , aber auch Bras an der für Samstag nachts anberaum lige Abschließung Italiens   von der Zufuhr friegs­ten Sigung in Rom   eingetroffen. Zwei wichtiger Rohstoffe und fertigen Kriegsmaterials fellos wird seine Anwesenheit zur Füh illusorisch, es schlägt Breschen in die Boykott­rung wichtiger politischer front, die sich gegen die italienische Ausfuhr ge­Besprechungen mit Muffo.bildet hat, und es stellt die Kreditsperre in Frage, lini ausgenützt werden. Der General obschon es wahrscheinlich ist, daß Amerika   den gouverneur von Libyen Marschall Stalienern keine Anleihe gewährend wird und ob­Balbo ist ebenfalls in Rom   zur Ta- wohl Deutschland   kein Geld gung des fascistischen Großen Rates leihen könnte. Es haben sich ferner Staaten, die eingetroffen. im Völkerbund   verbleiben, doch gegen die Sants tionen erklärt und zwar verkehrspolitisch und als Rohstoffbasis so wichtige Staaten wie Desterreich, Ungarn   und Albanien  , die Roheisen, Stahl, Holz, Petroleum, Leder, Getreide, Vieh zu liefern ver mögen.

Gorrahai in der Frontlinie 8,3 Millionen Labourstimmen

gegen 10,5 Millionen konservative

welches es vers

Asmara.( Neuter.) Die Frontlinie der Es mußte aber auch auffallen, daß der Völs Armee des Generals Graziani wurde definitiv terbund die Sanktionsartikel in einer sehr mils befestigt und verbleibt in Gorrahai. den Weise ausgelegt hat. Er hat entgegen den Bei Grabhora, 300 Meilen in direkter Südlinie Bestimmungen des Pattes die Sanktionen nicht London  . Bisher sind 604 Wahlergeb- Nach den letzten Meldungen sind bereits fofort und automatisch in Kraft von Saffabaneh, kam es zu einem Kampf zwischen nisse bekannt. Die Konservativen verfügen über 610 Mandate, und zwar 427 für die Regie- treten lassen, sondern den Italienern eine sehr, italienischen Eingeborenen- Truppen und Abef- 382, die Nationalliberalen über 31, die Natio- rung und 183 für die Opposition gezählt. Der sehr reichlich bemessene Galgenfrist gewährt und finiern. Die Abessinier haben Saffabaneh nallabouristen über 8 Mandate. Schließlich sind neugewählte Abgeordnete der Nationalen Labour- er hat die Möglichkeiten des Sanktionsparagra­und Dagga bur geräumt, nachdem beide Orte dem Regierungslager auch noch die zwei Man- party Ros botham, der für den Bezirk Lans phen bei weitem nicht ausgeschöpft. Denn wollte date der Unabhängigen zuzuzählen. Die Regie- cashire gewählt wurde, erklärte, daß er zugunsten er dies, so müßten sämtliche Mächte, die dem rung verfügt somit über 423 Mandate. Ramsay Macdonalds oder dessen Sohnes Mals Bund angehören, die diplomatischen Beziehungen werden die Entscheidung hierüber erst in der näch mit dem Angreifer abbrechen. colm auf sein Mandat verzichten werde. Diese sowie jeglichen Reise-, Güter- und Postverkehr sten Woche treffen.

durch italienische Flugzeuge heftig bombardiert worden waren. Die Italiener haben bisher diese beiden Orte noch nicht besetzt.

Von den oppositionellen Parteien besitzen die Labouristen 153, die Liberalen 16, die Un­Der Reuterkorrespondent in Harrar   berichtet, abhängigen Liberalen 4, die Unabhängigen La­daß heftige Regengüsse die Abessinier in ihren bouristen 4, die Unabhängigen 1, die Kommuni­Bestrebungen, den italienischen Vormarsch längs sten 1, die Nationalabstentionisten 2, im gan­des Fafan- Flusses in der Richtung auf Dschidschiga zen demnach 181 Mandate. 311 erschweren, behilflich sind. Diese Meldung Die Konservativen vereinigen auf sich 10 aus abessinischer Quelle fügt hinzu, daß zwölf Millionen 465.787 Stimmen, die Nationallibe­italienische Tanks im tot eingesunken sind und ralen 894.034, die Nationalen Labouristen nicht vom Plaze können. Täglich wächst auch die 353.061, die nationalen Anhänger der Regie­Bahl der Malariaerkrankungen.

rung 64.508.

Die Labouristen erhielten 8,295.741, die Eine ausschließlich zur Postbeförderung be­stimmte Fluglinie wird Ende November von Rom   Liberalen 1.422.650, die übrigen Oppositionellen nach Mogadiscio   in Somaliland   mit Zwischen- 424.245 Stimmen. stationen in Tripolis   und Asmara   eingerichtet werden. Die Strecke ist 8000 Kilometer lang und wird zweimal wöchentlich beflogen werden.

Die Arbeiterpartei hat damit ihre Rekord­stimmenzahl vom Jahre 1929 mit 8,362.594 Die ägyptische Regierung hat Italien   be- Stimmen faft erreicht, gegenüber dem Jahre fanntgegeben, daß nach den Prinzipien der Neu- 1931, wo sie nur 6,648.023 Stimmen erhielt, tralität Flugzeuge friegführender Parteien, welche aber rund 1,650.000 Stimmen, d. f. 24,8 Pro­über Aegypten   fliegen, fünftig nicht mehr Waffen, zent, gewonnen. bewaffnete Reisende oder Reisende in militäri-|

Die Konfervativen sind gegenüber 1931, schen Uniformen befördern dürfen, es sei denn, wo sie 11,926.537 Stimmen erhielten, um rund daß es sich um Personen handelt, auf die sich die 1,460.000 Stimmen oder um 12.2 Prozent zu­Privilegien des Roten Kreuzes beziehen. Konfiszierte Reuter- Meldung

rückgegangen.

Nachwahl- Mandat für Macdonald?

Wie Reuter meldet, wird an zuständigen Stellen angenommen, angenommen, daß Ministerpräsident Baldwin bestrebt sein werde, für Macdonald angesichts seiner langen Zugehörigkeit zur natio­en Regierung einen parlamentarischen Poſten zu

Die römischen Korrespondenten der Pariser  Abendblätter berichten, daß die freitägige Mel­dung des Reuterbüros aus Asmara  , welche be­richtet, daß eine große Zahl italienischer Arbeiter von Italienisch- Eritrea gefordert hat, nach Italien  finden. Macdonalds Sohn Malmcolm, der his­befördert zu werden, in Rom   tonfisziert her stolonialminister war, wird gezwungen sein, worden ist. In dieser Depesche soll auch von sich infolge seiner Wahlniederlage seines Amtes einer Meuterei gesprochen worden sein. zu begeben.

Der geschlagene Hausknecht der britischen Bourgeoisie

WAHL

URNE

Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan,

So hat der Bund selbst sein Schwert stumpf gemacht und den Italienern erlaubt, weiter Buns desmitglied zu sein, vor Beginn der Sanktionen ihre Vorräte zu ergänzen, Gegenmaßnahmen zu treffen und in der Eroberung eines dem Bunde angehörenden, von Italien   ohne jeden triftigen Grund überfallenen Landes systematisch fortzus fahren. Man hat mit dem Vertragsbrecher weis ter verhandelt, man spricht offen von Kompro mißlösungen, die dem Angreifer eine Prämie zu schanzen und den Angegriffenen für seine Vers tragstreue bestrafen, und Frankreich   der Hauptverantwortliche für die schwächliche Haltung des Bundes hat noch in den letzten Tagen Freundschaftsschwüre mit Mus= solini ausgetauscht.

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Es zeigt sich, wie verhängnisvoll es ist, daß der Bund über keine Eretutive vers fügt, daß er nicht mindestens Herr über die Luftfahrt ist, daß er auf den guten Willen seis ner Mitglieder angewiesen bleibt, die zum gro­ßen Teil nach eigenem Gutdünken und nach ihren Sonderinteressen vorgehen. Daß es dabei gerade Frankreich  , die an dem Bestand des Bundes meist­interessierte Macht ist, die sein Ansehen schädigt, zeugt freilich von einer tragischen Verblendung, die sich einmal rächen wird.

Italien   hat bisher das Erempel eines Staas tes geliefert, dem jegliche Art von Rechts- und Vertragsbruch gut bekommt. Es hat erwiesen, daß man den Völkerbund mißachten, verhöhnen, eines seiner Mitglieder überfallen, mit überlege= ner Technik bekriegen kann, ohne daß einem etwas Ernstes zustößt. Ein verhängnisvolles Beispiel! Und wenn Herr Titulescu   kürzlich sagte, ... man gehe mit Italien   so milde um, weil alle es