Seite 2 Mittwoch, 20. November 1038 Nr. 270 abessinische Abenteuer in der Hoffnung einzu­lassen, die mit genug anderen Sorgen belastete Welt werde nicht die Kraft finden, ihr in den Arm zu fallen und notgedrungen den Einbruch in Abessinien dulden, womit die Gloriole Musso­linis eine neue Auffrischung erfahren würde. Das ist aus den salbungsvollen Worten der Erz­bischöfe herauszuhören und nicht- geschieht, auS dem geschlossen werden könnte, der Heilige Va­ter finde an diesen Hirtenbriefen seiner Bevoll­mächtigten nicht Wohlgefallen. Doch die gottergebenen Männer von Brin­ disi   und Messina   rufen sogar Gott an, dem rö­mischen Diktator beizustehen, dem es nicht ge­nügt, das italienische Volk in Sklavenketten zu halten, der sich nun auch anschickt, die Abessinier zinst Objekt seines HerrschaftS- und Ausbeu­tungswillens zu machen. Eine schlimmere Blas­phemie hat man selten gehört: Gott soll den lleberfall auf ein friedliches Naturvolk segnen, soll mithelfen,die Ideale Italiens  " zu verwirk­lichen, was so viel heißt, daß dergütige, ge­rechte Gottvater" dem Räuber recht, dem Ueberfallenen aber unrecht ge­ben und den ersteren segnensoll. Auf die primitiven Hüttenstädte Abessiniens fallen die zerstörenden und vergiftenden Flieger­bomben nieder, töten wahllos Männer, Greise, Frauen und Kinder, doch nach der Meinung der Im KulturanSschuß des Abgeordnetenhauses begann am DienStag die Debatte über das kürz­liche Expose des Ministers Dr. Krömäk. Als Sprecherin unserer Fraktion befaßte sich Ge­nossin Kirpal mit den wichtigsten Schul­problemen und widmete namentlich dem Kapitel Schule und Demokratie" ernste Worte, die in weitesten Kreisen beherzigt werden sollten. Genossin K i r p a l wendete sich vor allem dem Problem des Minderheitenschul­wesens zu und verlangte, daß die deutschen Schulforderungen volle Berücksichtigung finden. Noch immer müssen wir feststellen, daß tschechische Minder« heitsschulen ins Leben gerufen werden, die nur oder vorwiegend von deutschen Kindern besucht werden. Rednerin erbrachte hiefür Beispiele, wie Groß-Auerschin, Althütten, PatterSdorf, Gablonz  , Hirschberg u. a. m. Unser Grundsatz ist: Jeder Na­tion ihre Schulen. Wenn sich das Ministerium diesen Grundsatz zu eigen macht, dann wird keine Nation benachteiligt. Rednerin bespricht dann die Schwierigkeiten des gewerblichen Fortbildungs­wesens. Sie verlangt die gesetzliche Festlegung des Pflichtbesuches, der aber auch auf junge Arbeiter unh Arbeiterinnen in. Industrie. Han, del und Landwirtschaft ausgedehnt werden mußte. Subventionen zum Zwecke des Ausbaues des Schul­wesens und zur Förderung der sozialen Fürsorge für die Schülerschaft sind dringend geboten. Die Selbstverwaltungskörper ssnd ja finanziell so ge­schwächt, daß sie diese Lasten für die Zukunft kaum zu tragen vermögens Genossin Kirpal befaßt sich weiters mit den Forderungen der Schulen für Frauenberufe, deren Verstaatlichung leider bis zum Jahre 1040 hinausgeschoben worden ist. Soll das Hilfsschulwesen nicht verfallen, dann braucht es die größte Förderung durch das Schulministerium. Der VerbandDeutsche Hilfs­schule" braucht zur Erhaltung und zum Ausbau die entsprechende finanzielle Unterstützung. Unter Hin­weis auf die Erklärung des Ministers von der Not­wendigkeit der Verstaatlichung einiger Mittelschulen ersucht Genossin Kirpal, daß auch die deutsche   städti« Erzbischöfe liegt auf all dem Grauen, dessen Schauplatz Abessinien geworden ist, der von ihnen erflehte Segen Gottes. Hat je ein Ungläubiger eine schlimmere Gotteslästerung verübt, als diese christlichen Oberhirten l Feuerspeiende Tanks ziehen mordend den Armeen Mussolinis voran, den simplen Eingeborenen, die vor kurzem noch im Kriegshandwerk so lächerlicher Waffen wie Pfeil und Bogen sich bedienten und jetzt noch kaum im Gebrauch von Gewehren unterwiesen sind, die Zivilisation wie sie der Fascismus ver­steht, bringend. Häuptlinge werden gekauft und zum Verrat verhalten das alles ist für die Vertreter des Vatikans in Brindisi   und Messina  nur der Ausdruck des Bestrebens Italiens   nach Verwirklichung seiner Ideale, würdig und wert, von Gott   gesegnet zu werden I Man rühmt dem Vatikan   oft Klugheit nach; die Zeit wird lehren, ob seine Solidarität mit dem FasciSmuS, die auch in den Hirtenbriefen der Erzbischöfe ihren Ausdruck findet, als Klug­heit anzusehen sein wird. Es scheint, daß er noch immer die Lebenskraft deS Fascismus für stär­ker hält, als den Freiheitswillen des getretenen italienischen Volles. Eher früher als später aber wird dieses Volk doch dem Duce und seinen fasci« stischen Bataillonen den Laufpaß geben unkr bei der Abrechnung wird wohl auch die Haltung der Kirche einen Posten bilden. sche Lehrerbildungsanstalt in Aussig   so bald wie möglich verstaatlicht werde. Der Unterbringung der Schüler in hygienisch einwandfreien Schulräumen muß ein besonderes Augenmerk zugewendet werden. Im Reichenberger Gymnasium z. B. sind 720 Schü­ler in 20 Räumen untergebracht und müssen dort ein wahres Nomadenleben führen. Dringende Ab­hilfe tut hier not. Im Hinblick auf die Ausgaben für Kultuszwecke fordert Rednerin auch eine aus­giebige Subvention für die Organisationen der pro­letarischen Freidenker. Die Zuweisungen an die deutschen Hochschüler sind unzureichend; von den 4,920.000 KL, die im Budget hiefür vorgesehen sind, erhalten die deutschen Hochschüler nur 450.000 KL, von dem Betrag von 300.000 KL für studentische Gesundheitsinstitutionen entfallen auf die deutschen Hochschüler kaum 5000 KL. Hier ist eine erhöhte Hilfeleistung seitens des Ministeriums dringend er­forderlich. Das Kapitel Volksbildungswesen ist im diesjährigen Voranschlag mehr als stiefmüt­terlich behandelt. Wenn jeder Bezirksbildungsaus­schuß nur 1000 KL bekäme, so wären allein 600.000 KL erforderlich. Der ganze Aufwand ist auf kaum anderthalb Millionen gesunken. Unter diesen Umständen kann der große Aufgabenkreis nicht durchgesuhrt werden. Noch nie war dem Bildungswesen ein so großer Aufgabenkreis zugedacht, wie gerade jetzt, denn es ist notwendig, einen kulturellen Kampf gegen die Unkultur,- die von fascistischen Staaten herübergelri- tet wird, zu führen. In de» AufgabenkreiS des BildungSwesrnS gehört auch die geistige Betreuung der Arbeitslosen, damit sie nicht Frei­wild antidemokratischer Parteien werden. In die­sem Zusammenhang» verweist Rednerin darauf, daß die deutsche   Bevölkerung dem Trommelfeuer der deutschen Sender ausgesetzt ist. Etwaige Widerlegungen unseres Senders erfol­ge» vorwiegend in tschechischer Sprache, so daß dir drutschsprechenden Hörer diese nicht verstehen kön­nen. Trotz Erweiterung der deutschen Sendungen müssen wir erklären, daß dies sehr ungenü­gend ist, und wir wiederholen unsere Forderung «ach der Errichtung eines deutschen Senders. Eine unserer wichtigsten Forderungen ist eS, daß aus der^ile überzeugte Demokra­ ten   herauskommen. Dies zu erzielen, müssen unsere Lehrer Träger des Fortschrittes und der Entwick­lung sein, denn nur diese bieten Gewähr für ein freies Boll. Auf die fasci st ischen Staaten verweisend, zeigte sie auf, daß dort der kulturell« Fortschritt zu einem wahren Trümmerhaufen wurde. Der Geist, der in den deutschenTürn- vereinen herrscht, ist für unseren Nachwuchs direkt bedrohlich. Rednerin war in der Lage, auf Grund einiger vor Turnschülern gehaltenen Reden den Nachweis für ihre Behauptungen zu erbringen. In ihren Schlutzausführungen verweist sie noch darauf, daß zur Hebung des theoretisch-pädagogi­schen und fachwissenschaftlichen Niveaus die Heraus­gabe einer wissenschaftlichen Zeit­schrift dringend notwendig wäre. Diese Zeit­schrift fordern wir auch, damit den wissenschaftlich tätigen Lehrern die Veröffentlichung ihrer Fachar­beiten ermöglicht werde. Das Ministerium müsse der materiellen und moralischen Unterstützung dieser sicher berechtigten Forderung Rechnung tragen. Ge­nossin Kirpal brachte auch einen diesbezüglichen An­trag ein. Der Ausschuß befaßte sich später mit dem Initiativantrag des tschechischen Nationalsoziali­sten Uhlti auf Novellierung des 8 23 des Reichs- vollsschulgesetzes, der die Erteilung von Pri­vatunterricht an Stelle des Besuches der öffentlichen Schulen zuläßt. Uhltk begründet sei­nen Antrag damit, daß damals der Adel seine Kinder nicht in die öffentlichen Schulen schicken wollte. Heute biete unsere Schule die volle Ga­rantie, daß alle Kinder ordentlich erzogen werden. Offenbar trifft der Antrag auch den Pri­vatunterricht, der in einigen deutschen Gebieten von Wanderlehrern des Kulturverbandes erteilt wird. Da der Standpunkt der Regierung zu die­sem Initiativantrag nicht bekannt ist, wurde die Einsetzung eines Subkomitees beschlossen. Abgeordneter Dvorak   verurteilt Pilsen  . Vor dem Strafsenat des hiesigen Kreisgerichtes hatte sich Dienstag der kommuni­stische Abgeordnete Josef Dvokäk aus Pilsen   zu verantworten, gegen welchen die Staatsanwalt­schaft Anklage wegen des Verbrechens der öffent­lichen Gewalttätigkeit erhoben hatte. Der an­geklagte Abgeordnete Dvorak   sprach am 11. Juli 1930 vor den Skoda  -Werken zu der die Fabrik verlassenden Arbeiterschaft, obwohl die Polizei­direktion alle öffentlichen Versammlungen dort verboten hatte. Als er jedoch auch der zweimali­gen Aufforderung des dort diensttuenden Revier- inspektorS Fr. Tresnäk nicht Folge leistete, wurde er verhaftet. Bei der Vorführung auf das Poli- zeikommiffariat widersetzte er sich jedoch den Poli­zeiorganen, daß zu^ seiner Vorführung noch eine weitere Verstärkung herbeigerufen werden mußte. Die Staatsanwaltschaft erblickte in dieser Handlung ein Vergehen nach 8 81 des Straf­gesetzbuches und erhob gegen den Abgeordneten Dvoräk die Anklage. Nach zweimaliger Verta­gung fand die Schlußverhandlung statt, bei wel­cher der angeklagte Abgeordnete Josef Dvoräk der geklagten Tat schuldig befunden und zu einer Ergänzungsstrafe von einem Monat schweren Kerker, verschärft durch eine Faste, verurteilt wurde. Gleichzeitig wurde der Verlust des Wahlrechtes ausgesprochen. Da Dvoräk früher auch schon wegen anderer Straftaten verurteilt worden war und die Urteile Rechtskraft erlangt hatten, wurde die Strafe unbedingt ausgespro­chen- Lin vergeßlicher Gesetzgeber scheint der Herr Abgeordnete Doktor Ingenieur Fr. T o u s e k zu sein, ein Sekretär des Jndu- striellenverbandes, der zwecks Entpolitisierung der Wirtschaft für die Nationale Vereinigung einen Sitz im Parlament einnimmt. In einem über die ganze erste Spalte des englischen Formates der Närodni listy" gehenden Artikel klagt er bitter über einenvergessenen Paragra- graphen der Verfassung", nämlich den 8 105, welcher den Parteien in allen Fällen, in denen Verwaltungsbehörden über privatrecht­liche Ansprüche entscheiden, nach Erschöpfung des administrativen Jnstanzenzuges die Anrufung der ordentlichen Gerichte ermöglicht. Die Einzelheiten regelt ein Gesetz. Seit 15 Jahren, beschwert sich Herr Abgeordneter Dr. Jng. Tousek bitter, warten wir vergeblich auf das vergessene Gesetz. Wir müssen Herrn Dr. Jng. Tousek die betrübliche Mitteilung machen, daß er bis zu seinem Lebensende auf die Erlassung dieses Gesetzes warten wird, weil es nämlich schon erlassen ist. Im 92. Stück der Gesetzessammlung vom Jahre 1925 findet sich unter Nr. 217 das Gesetz vom 15. Ok- tober 1925, womit 8 105 der Verfaflungsurkunde durchgeführt wird. Herr Dr. Jng. Tousek ist allerdings erst jm Jahre 1929 zum Abgeordneten gewählt worden, aber man hätte, wenn schon nicht von einem nationaldemokratischen Abgeordneten, so doch immerhin von einem Jndustriellensekretär, der einiges mit privatrechtlichen Ansprüchen und ihrer Austragung vor den Behörden zu tun haben dürfte, erwarten sollen, daß ihm wenigstens die bloße Existenz eines Gesetzes von der Wichtigkeit eines Durchführungsgesetzes zur Verfassungs­urkunde bekannt sei. Aber nein, weder er, noch irgend jemand in der Redaktion derNärodni listy" ist darauf gekommen, daß ein Leitartikel in diesem Blatte infolge falscher Voraussetzungen ganz und gar gegenstandslos ist! Welch»in Ehrenzeugnis für eine Partei und für ein Blatt, die nicht nur den Patriotismus, sondernauch die Intelligenz und daSFach- wissen in Erbpacht haben! Die böhmische Landcsvertcctung begann Dienstag mit der Beratung des Budgets für das Jahr 1936. Dem gestern erstatteten eingehenden Bericht des Landesfinanzreferenten Dr. Kubista wird eine auf ungefähr zwei bis drei Tage ver­anschlagte Generaldebatte folgen, worauf die ein­zelnen Budgetkapitel behandelt werden. Die Ses­sion der LandcSvertretung dürste drei Wochen dauern. Italienische Rüstungen im Aegälschen Meer London  . Reuter meldet aus Athen  , auf der Insel Leros   im Aegäischen   Meere seien 3000 weitere italienische Soldaten angekommen, wo­durch sich die Gesamtzahl auf 10.000 Mann er­höhe. In Aspronest, wo starke Befestigungs­anlagen errichtet worden seien, seien vier neue Flugzeugabwehrgeschütze und acht schwere Ge­schütze in Stellung gebracht worden. In Partheni seien zwei neue Munitionslager und ein Flug­platz errichtet worden. Auf den umliegenden Hü­geln seien Befestigungen angelegt. Auf einer In­sel gegenüber Partheni seien ebenfalls Befesti­gungen angelegt worden, ebenso auf der Jnstl Stampalia. Auf der Insel Levinthos sei ei»« Funkstation gebaut worden. Aktuelle Schulprobleme Aus der Rede der Genossin Kirpal im KulturausschuB Roman von Karl Stym Copyright by Eugen Prager-Verlag, Bratislava  Sonntag! Das ist unser Tag. Wohl niemand nimmt diesen Tag so gründlich wie wir. Er ist für uns eine lange, unendlich schöneSpreize. Hell und ich sitzen auf der Sonnbank des alten Schropp. Wir haben die Hemden ausgezogen und die Hosenbeine hochgekrempelt, um der Sonne recht viel Platz zu geben. Vor uns ist eine magere Wiese. Kümmerlicher Huflattich und blaßgrüne Knospenstummel von Königskerzen wachsen zwischen spießigen Gräsern darauf. Schropps gefleckte Ziege sucht daran herum. Wie es scheint, nicht sonderlich zufrieden. Der Alte selbst humpelt gichtsteif umher. Hie und da blinzelt er mit dem kleinen, trüben Auge in die Sonne. Er hat nur eines. Das zweite riß ihm vor zehn Jahren ein hängengebliebener Schuß aus dem Gesicht. Schropp hat das nie bedauert. Er erlöste ihn vom Berg und machte ihn zum Rentner seines geschändeten Gesichtes. Besser ein Auge und was zum Fressen, als zwei und nichts! Das ist Schropps Logik Er kommt, die Ziege hinter sich nachzerrend, auf uns zu. Das taugt?!" Nicht schlecht! antworte ich. Schropp läßt die Ziege los und setzt sich neben mich. Wir sehen in die Sonne und schweigen. Wozu auch reden? Wir wissen nichts Erfreuliches. Jemand kommt eilig vom Werk herunter. Ich habe ein beengendes Gefühl. Der bringt bestimmt nichts Gutes. Es ist Fogger Schorsch. Sein knochiges Gesicht arbeitet. Fogger Schorsch ist groß und knorrig und hat Hände wie Kohlenschaufeln. Das tagblasse Licht zittert in einer ver­krampften Faust. Zieht euch an meinen Kameraden hat's erwischt! Wir mußten einen Abbau herhalten! Seine rotentzundenen Augen bitten. Wie in Entschuldi­gung fügt er hinzu: Wir wollten überhaupt nicht anfahren an einem Sonntag!" Hell springt auf. Seine Augen starren erschrocken den Sprecher an. Ist er tot? Fogger Schorsch sieht zur Seite. Ich glaube schon! Ich drücke Hell auf die Bank zurück. Laß Kamerad!- Ich gehe allein mit! Ich möchte ihm ersparen, einen Toten sehen zu müssen. Er wird später noch oft genug zurechtkommen. Nach einigen Minuten laufen Fogger Schorsch und ich gegen das Werk. Fogger keucht, fast, als schluchze er. Das offene Hemd fliegt um seine breite, haarige Brust. Ich hatte mich schon so auf diesen Sonntag gefreut. Die ganze Woche hindurch. Nachmittag wollte ich zu meinem Mädchen gehen. Und jetzt Lorett ist schon amOrt. Sein Gesicht ist weiß. Schweiß glitzert darauf. Er packt fest zu. Schließlich ist doch auch er ein Kamerad.* Ringsherum kracht das Flötz. Über uns hängt eine große Kohlenplatte. Lorett unterzimmert sie. Fogger und ich arbeiten mit einer unnatürlichen, starren Rühe. Wir wissen ganz genau, daß Mühler schon längst tot ist. Nach einer Stunde haben wir ihn frei. Ein ganz kleines, blutendes Bündel liegt vor uns. Wir stehen schweratmend davor. Drachs Worte fallen mir ein: Vorgestern hat Ferk seinen Arm verloren, gestern drückte ein Stempel dem Raspe einen Fuß ab. Heute, mor­gen oder übermorgen kommt ein Kopf dran. Irgendeiner! Mühler Josch ist der irgendeine* Der Berg hat sein Teil Wir legen den Toten auf einen leeren Wagen. Fogger Schorsch Stimme ist brüchig. Was soll ich seinem Weib sagen? Den Kindern? Ich zucke die Achseln. Sagen? Nichts! Sie sehen genug In der Kaue machen wir denGelben Wagen fahrtbereit Das ist ein zweirädriger Karren, mit gelber Blache über­spannt. Darin wurde noch kein Lebender gefahren. Auf der Einschubmatratze sind einige wie Rost aussehende Flecken. Eingetrocknetes Blut des Letzten. Wir heben den Mühler Josch hinein. Er hat keinen ein­zigen Knochen mehr in sich; läßt sich biegen und drücken, wie zähweicher Teig. Meine Hände sind blutig. Das Blut ist schwarz und klebrig und verpickt die Finger. Fogger Schorsch und ich schieben denGelben Wagen" vor uns her. Langsam, beinahe als fürchteten wir, zu bald zu kommen Die Leute auf der Straße weichen in weitem Bogen aus. Scheu sehen sie uns nach. DerGelbe Wagen! Wieder einer- In derRolle das ist die Arbeiterkolonie   herrscht reges Treiben. Die Alten sitzen auf den Sonnbänken, spielen Karten und schmauchen zufrieden an den Pfeifen. Mitten im Hofe schlägt ein Zigeimer auf einer Art Pauke. Dazu summt er gleichmäßig. Ein großer, zottiger Bär tanzt um ihn. Ringsherum stehen Kinder und lachen. Plötzlich wird es still, fast als erstarre alles unter einem Fluche. Die zum Lachen geöffneten Münder werden zittrig, die frohen Augen dunkel und erschrocken. Die Alten sehen starr vor sich hin. Wir schieben denGelben Wagen langsam, irgendwie gehemmt, gleich einem unerbittlichen Schicksal durch eine Gasse ängstlicher Blicke. Ich habe das Gefühl, neben mit selbst zu gehen und in mein eigenes, zuckendes Gesicht zu sehen. Fogger Schorsch trottet, das Kinn fest an den Hals gepreßt, neben mir.