Sonntag, 8. Dezember 1935
Nr. 286
15. Jahrgang
Einzelpreis 70 Heller (•ImchlitBlich 5 H.ll.r Port»)
1ENTRALORGAN. DER DEUTSCHENSOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung frag xii.. fochova a. telefon son. HERAUSGEBER! SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR ! WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHE REDAKTEUR! DR. EMIL STRAUSS, FRAG.
Der Krieg gegen Frauen und Kinder
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Sie hätten vor allem die geistigen Werte deS neuen Italien nicht in Rechnung gestellt. Eine Lösung deS Konfliktes könne nicht ohne Sicherstellung der Rechte und Interessen Italiens erfolgen. Inzwischen werde in Italien und in Ost afrika die Aktion fortgesetzt, bis die italienischen Truppen und die fascistischen Schwarzhemden dem Vaterland den entscheidenden Endsteg gebracht hätten.
Mit Genugtuung nehme man in Rom Kenntnis von dem Wunsch des Foreign Office nach einem starken Italien mit einer starken Regierung, wie sie ja die fascistische sei. Aber Ita lien könne nicht io wie es Hoare wünsche und wie er eS, Mussolini , selbst wünsche, stark sein, wenn nicht das Sicherheitsproblem seiner Kolonie in Ostafrikst gelöst sei. Das italienische Volk schätze zwar Hoares Worte, urteile aber nach den Taten. Die Petroleumsperre, die am 12. Dezember beschlossen werden soll, sei ein Ereignis, das die Lage schwer beeinträchtigen müsse. Vor allem fühle sich Italien in moralischer Hinsicht durch die Sanktionen verletzt und beleidigt. Die reichen Völker, die es auf diese Verletzbarkeit Italiens abgesehen hätten, hätten sich jedoch verrechnet.
Tie Organisation der Feuerkreuzler erklärt«, sie keine Sturmtruppen noch Waffenlager bell). Sie bleibe als, eine reine Jnteresserwer-
Krieg lokal zu beschränke und ihn zu verkürzen. Wir stnd weit entfernt davon, uns angesichts der gegenwärtigen Ereignisse vollständig abseits zu stellen. Wir haben vielmehr schon zahlreiche Schritte«nternomme« und unseren Anteil zu den Bemühungen nach Wiederherstellung des Friedens geleistet, ja in vielen Punkten sind wir sogar viel weiter gegangen, als die übrigen Rationen.
der Auflösung der Organisationen daö gesamte bewegliche und unbewegliche Eigentum beschlagnahmt und zugunsten deS Staates eingezogen wird und einen Abänderu-gsantrag angenommen, demzufolge die Dekrete, durch welche die gegenwärtigen Ligen bestätigt werden» vor dem 31. Dezember auSgeg'ben werden sollen. Nm halb 3 Uhr nahm schließlich die Kammer die drei Gesetzentwürfe mit 408 gegen 179 Stimmen an.
Als Antwort auf die Rede Hoares und die französischen Friedensbemühungen hielt SamS» kag Mussolini eine Rede vor seinem Parlament, auS welcher sich nur der c i« e Schluß ziehen läßt, daß er trotz der Gefahr der Sanktionen den Krieg fortführen will.
ausgearbeiteten Texten zurückkehren wird. Die abgeänderten Texte würden dann der Kammer zur zweiten Lesung zurückgestellt werden und die Regierung würde erst in diesem Falle die Vertrauensfrage stellen, insbesondere wenn sie eine große Mehrheit des Senates hinter sich haben wird. Die Negierung scheint namentlich daraüf zu bestehen, daß das Recht der Auflösung der umstürzlerischen Ligen den Gerichten und dem Justizministerium und nicht dem Innenministerium zustehe.
daß sitze einigung ehemaliger Frontkämpfer, die an der Front für ihre Tapferkeit ausgezeichnet wurde, bestehen. Tie Organisation des Feuerkreuzes wurde im Vorjahre von der Zweigorganisation der sogenannten Rationalen Freiwilligen gegründet. An zahlreichen Stellen wird aufmerksam gemacht, daß diese Organisation aufgelöst werden sollte. Die royalistische Action Francaise besteht als politische Partei weiter. . Die Organisation der Patriotischen Jugend, deren Vorsitzender Deputterter Taittinger ist, wurde, wie es scheint, von den gestrigen Ereignissen überrascht. Es wird erklärt, daß sie sich wahrscheinlich in eine voliti'che volkSnätionale Partei umwandeln werde. Die Vereinigung„Französische Solidarität",
Pa r i s. Während die beiden ersten Regierungsvorlagen über das Tragen von Waffen und das Verbot, durch die Presse zu Mord» Raub und Brandstiftung aufzufordern, einmütig angrnom- uien wurden, kam es bei der Beratung des ersten Artikels des Regierungsgesetzentwurfes über die Auflösung der Kampfverbände und der Privatmilizen zu ernsten Meinungsverschiedenheiten. Trotz dem Widerspruch der Rechten wurde bei der Beratung dieses Artikels ein sozialisttscher Abänderungsantrag angenommen, durch welchen der Text des Regierungsgesetzentwurfes ersetzt wird. Dieser Abänderu..gsantrag fetzt fest, daß der Minister des Innern(und nicht der Justizminister) durch ein Rrgierungsdrekret nach vorangegangener Beratung mit dem Staatsrat alle Verbände anflösen kann, di« öffentliche bewaffnete Manifestationen Hervorrufen, ihre Mitglieder ohne Bewilligung des Kriegsministers im Militärdienst schulen, unter Leitung von Führern und unter Einhaltung der militärischen Disziplin ihre uniformierten Mitglieder unter Fahnen und Flaggen versammeln und nach anßenhin das Aussehen von Kampfverbänden oder Privatmilfi »en tragen. Weiters nahm die Kammer mit 322 gegen 258 Stimmen einen Nachtrag an, daß im Falle
In Addis Abeba wurde ein schriftlicher Protest veröffentlicht» der von sieben Arrz- ten des Roten Kreuzes unterzeichnet ist. In diesem Protest heißt es u. a.:»»Drei italienische Bombengeschwader zu je vier Flugzeugen haben Dessie überflogen und«ine ganz«. Stunde lang Brandbomben» Schrapnells und Lufttorpedos abgeworfen. Wir erklären auf das entschiedenste, daß die ersten Explosiv- und Brandbomben auf die Ambulanzen des Roten KreuzeS abgeworfen wurden, die mit einer großen Zahl internationaler Abzeichen gekennzeichnet waren. Fünf Bomben wurden in das Hospital Tafari Makonnen abgeworfen, in dem sich 65»kranke und Berwun- dete befunden haben und auf dessen Dach ein Rotes Kreuz aufgemalt war. Ter Operationssaal und zwei andere Räumlichkeiten wurden von den Bomben in Brand gesteckt. ♦ Paris . Die Italiener setzen ihre Luftangriffe auf die abessinische Städte fort. Die abessinische Stadt Dessie wurde Samstag neuerlich von italienischen Flugzeugen bombardiert und hat große Schäden erlitten. Der Aktionsradius der abgeworfenen Schrappnells und Bomben betrug 80 Meter. - Die Bomben verursachten an vielen Stellen, namentlich im Militärlager, Brände.— Es kursieren Nachrichten» daß auch Dschidschiga bombardiert wurde.
verckleunlsung der Sanktionen? „New Dork Times" schreiben, daß die Bombardierung Dessies und des dortigen amerika nischen Hospitals in den Vereinigten Staaten Erbitterung sowie eine scharfe Kritik dieser italienischen Handlungsweise hervorgerufen habe, und zwar kritisiere man dieses Vergeben aus humanitären Erwägungen heraus. Getötet wurden hiebei auch Menschen, die absolut nichts mit dem Kriege zu tun haben, ja sogar Frauen und Kinder. Wie der Reuter-Korrespondent berichtet, glaubt man in Genf , daß die Bombardierung DessieS durch italienische Flugzeuge die Folge haben wird, das die Festsetzung des Datums für
der SdP verschoben. Mag auch Herr Brand mit Diktatorengeste den Ministerpräsidenten abkanzeln und ihm wenig verblümt vörwerfen,'er habe sich sozusagen aus Angst gedrückt(„Der Regierungschef jedoch hak es vorgezogen, sich dem Eindruck der von ihm wohl selbst erwarteten Erwiderung zu entziehen"„Zeit" vom 7. d. M.) so wird die Oeffentlichkeit eben in dem Nichterscheinen Dr. Hödzas lediglich einen Beweis dafür erkennen, daß es ihm ernst ist mit dem Willen, einer totalitären und nazistisch orientierten, von Größenwahn befallenen Fraktion nicht Rede zu stehen. Die Wirkung im Lager der SdP ist zuverlässigen Berichten zufolge denn auch niederschmetternd. Ein Katzenjammer sondergleichen hat die Wissenden erfaßt, die sich im klaren darüber sind, daß der Weg, auf dem die SdP marschiert, ins Chaos mündet. Aber auch nach der tschechischen Seite hin ist manches geklärt worden. Die Rede deS Genossen Dr. Meißner hat das Gespenst eines Bür- gerblocks. das in den Träumen mancher Politi- ker umging, in den Winkel gescheucht. Der tsche- Än politischen Stellen der! chische Sozialismus aller Richtungen ist entschloss
Weder die Belagerung noch die Koalition, die gegen uns gerichtet find, sagte er, können uns von dem gesteckten Ziele abhalten. Wir wurden aufgefordert, unsere Forderungen bekanntzugeben. Wir haben sie bekanntgegeben, aber statt annehmbaren Vorschlägen» empfingen wir Sanktionen. Während der letzten Stunden hat sich die Lage etwas gebessert und die Gefahr weiterer Aktionen, die uns drohen, hat etwas nachgelassen. Jch warneEuch vor einem zu großen Optimismus. Der Abwehrkampf gegen die Sanktionen geschieht in Notwehr. Mit leicht ironischem Unterton antwortete Mus solini dann auf die Erklärungen des englischen Außenministers'vor dem Unterhaus.
Diskussion und Klärung Innenpolitik im Fluß Das Abgeordnetenhaus hat in der ersten Woche der Plenumsdebatte über den Voranschlag, aber auch schon in den vorangegangenen Auö- schußberatungen den Beweis erbracht, daß allem antiparlamentarischen Gerede zum Trotz in dieser Zeit ein Parlament seine Berechtigung als Sprechhalle der Nation zu erhärten vermag. Di« Aussprache über die Regierungserklärung Dr. HodZas hat zu einer erfreulichen Klärung gewisser schwebender und leider oft nicht ausgesprochener Probleme der Innenpolitik geführt. Das bedeutet aber auch, zugleich mit den wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Regierung und mit den wirtschaftspolittschen Plänen, über die der Ministerpräsident gesprochen hat, bedeutet im Zusammenhang endlich mit gewissen politischen Verschiebungen im Lager der Linken wie der Rechten, daß unsereJnnenpolitik nach einer Periode des Suchens und Verharrens i n Fluß komm t. Was für die Arbeiter und für die sozialistische Idee dabei von Bedeutung ist,' das ist vor allem die Tatsache, daß die B e w e• gungstendenzen der tschechoslowakischen Innenpolitik dabei nicht in die Richtung des Fascismus und eines kapitalistisch-autoritären Regimes weisen, sondern in die Richtung einer demokratischen Weiterentwicklung auf der Linie jener Kontinuität, durch die sich die Geschichte der tschechischen Nation seit einem Jahrhundert von der anderer Nationen erfreulich unterscheidet. ' Zunächst sind nach der heut scheu Seite hin durch die Rede» Spinas und dann des Ministerpräsidenten einige Frage» klargestellt worden, die allen sich verantwortlich fühlenden Menschen auf den Nägeln brannten. Spina hat für seine Partei, oder mindestens für jenen Teil seiner Partei, der nach wie vor zu ihm steht, einen entschiedenen Trennungsstrich gegen Henlein und den Nazismus gezogen. Lehrreicher als diese Rede aber war das Aufschäumen des Hasses im Lager der SdP und die Antwort, die in einer Polemik des reichsdeutschen Rundfunkes und einer—Ehrenbeleidigungskllrge Henleins besk. nd, zwei sehr charakteristischen Symptomen, die gleichermaßen die ideologische Orientierung der SdP nach Berlin wie ihre innenpolitische Ratlosigkeit kennzeichnen. Was die Rede HodZaS für die SdP bedeutet, haben wir schon unter dem unmittelbaren Eindruck der Worte des Ministerpräsidenten ausgesprochen. Der Eindruck hat sich inzwischen und
vis Ligen verschwinden Umwandlung in politische Parteien?
Amerika nicht desinteressiert Roosevelt :„Weit davon entfernt, vollständig abseits zu stellen“ Washington . Eine Definition der Neutralitätspolitik der Vereinigten Staaten , in welcher zum ersten Diale der Standpunkt der Vereinigten Staaten gegenüber den Sanktionen dargelegt wird, ist in einem Briefe enthalten, welchen Präsident Roosevelt am 14. November dem Bischof Oldham im Staate Albany schrieb. In diesem Brief heißt es: Die schrittweise eingeführten Maßnahmen der Regierung der Bereinigten Staaten dienten einem doppelten Ziel, nämlich: 1. Uns vor der Verwicklung in«inen Krieg zu dewahren und 2. d e n b e r ei ts begonnenen
Hoare bei Laval Paris . Sir Samuel Hoare ist Samstag nachmittags zu kurzem Aufenthalt in Paris eingetroffen und hatte in Anwesenheit von Sir Robert Vanstttart, dem Generalsekretär des englischen Außenministeriums, eine Unterredung mit Laval. Abends setzte Hoare seine Reise in die Schweiz fort.
AuS dem Luftbombardement der Städte Dessie und Gondar ergibt sich der Eindruck, daß der wirkliche Krieg erst jetzt beginnt. Den Ita lienern war bekannt, daß der NeguS in Dessie weilte und sie wählten diese Stadt absichtlich als Kiel ihres DonchqrHeinLiltS,....^tL Ak.Ms, wurde nicht verletzt, soll aber einigemale großer Gefahr ausgesetzt gewesen sein. Ur
die der verstorbene Parfümeriefabrikant und Jour nalist Francois Coch gründete und deren gegen wärtiger Führer Jean Renaud ist, erklärte eben falls, daß sie weder eine militärische, noch eine antt- repüblikanische, noch eine irgendwie umstürzlerische Vereinigung sei. Die Vereinigung der»Francfi sten", die zahlenmäßig die kleinste Partei ist, be hauptet dasselbe. Ihr Führer Bucart wurde be kanntlich am Montag in Straßburg verhaftet,-weil er trotz dem Verbot des Präfekten einige Sitzungen einberief. Es wird behauptet, daß die Regierung für den 1. Jänner eine ausgedehnte politischeAmne» st i e vorbereitet. Enttäuschung der Rechten Hoffnung auf den Senat Der Optimismus des gestrigen Tages ist vielfach einer Enttäuschung, namentlich auf der| Rechten, gewichen, l~~~......__ Rechten gibt man sich der festen Erwartung hin, I sen, seine Positionen zu verteidigen und sich auf daß der Senat den Text der Gesetzesentwürfe über j keinen Fall isolieren oder diffamieren zu lassen, die Ligen abandern und zu den von der Regierung! Es ist heute klarer als je, daß die tschechoslowa- ....~—••»■«—* kische Staatsidee nur'demokratisch und nur in der Zusammenarbeit der Werktätigen in Landwirtschaft und Industrie gedacht und verwirklicht werden kann. Sicher wäre mit Reden allein wenig getan. Es sind auf tschechischer Sette auch macht- politische Vorkehrungen getroffen worden, die eine kontinuierliche demokratische Entwicklung garantieren. Wir stehen zweifelsohne vor großen parteipolitischen Umschichtungen im tschechischen Lager. Die Entwicklung drängt