Mittwoch, 11. Dezember 193515. ZahrgangEinzelpreis 70 Heller(•huchll.filich S Heller Forte)1ENTRALORGANDER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEIIN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIKERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung frag xiu fochova a. Telefon sott.HERAUSGEBER SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR! WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICH» REDAKTEUR■ DR. EMIL STRAUSS, FRAG.Flottenkonferenz—eine Totgeburt!Die Kommentare zu den ersten beide« Sihungstagen der Marinekonfe-renz in fast allen beteiligten Ländernsind denkbar ungünstig. Man glaubt inder starren Forderung Japansnach gleicher Flottenstürke wie sie dieÜSA und Großbritannien haben, einunüberwindliches Hindernis einer Einigung zu sehen«nd bezeichnet ganz allgemein die Konferenz als jetzt schongescheitert.Flugzettel verteilt—fünf Jahre KerkertKlagenfurt.(Tsch. P.-B.) DaS hie-f>ge Gericht hat den 21jährigen NiemergehilfenAdolf Großenegger, einen ehemaligen Angehörigen deS Republikanische» Schutzbundes«nd gegenwärtigen Kommunisten, wegen Hochverrates zufünf Jahre» s chweren Kerkersverurteilt, weil er kommunistische Flugzrttel verbreitete und einen größeren Geldbetrag verbarg.Der Angeklagte weigerte sich hartnäckig mitzuteilen, von wem er die Flugzettel«nd das Gelderhalten habe.Wieder„siegen“ beide ParteienRom.(Amtlicher Bericht Nr. 67.) MarschallBadoglio telegraphiert: An der eritreischenFront stießen unsere Abteilungen in der Nähe vonTakazze im Gebiete südöstlich von Addi Ancatomit einer starken bewaffneten abessinischenGruppe zusammen. Der Feind unternahm einenBajonettangriff, wurde aber in die Flucht ge-schllrgen und ließ auf dem Kampfplatze 15 Tot?zurück. Auf unserer Seite wurden zwei eritreischeUnteroffiziere und fünf askarische Soldaten getötet. IAddis Abeba.(DNB.) Nach Meldungen vonder Nordfront' haben Abteilungen des RasSeyum ein italienisches Lager bei Kalhabile an-kegriffen. Die Italiener ließen vier weiße Soldaten zurück. Eine andere Abteilung überraschtebei einem Nachtangriff die italienischen Postenbei Menagar. Die Italiener ließen fünf Tote zurück. Die Abessinier hatten einen Toten und zweiVerletzte zu verzeichnen.In hiesigen militärischen Kreisen weist mandarauf hin, daß die abwartende Haltung derabessinischen Regierung darauf zurückzuführensei, daß man die Verhandlungen zwischen Lavalund Hoare abwarten wolle. Man wünsche nichtUnnötig Soldaten zu opfern, solange noch diegeringste Aussicht auf eine friedliche Lösung desKonflikts bestehe.Negus an den VölkerbundGenf. Beim Generalsekretär des Völkerbundes ist folgendes Telegramm des Kaisers vonAbessinien vom 6. Dezember eingegangen:Seit Beginn der Feindseligkeiten ist uns klargewesen, daß die italienische Regierung die Taktikanwendet, unser Volk nicht durch ihre eigenen Truppen, sondern einzig durch die Anwendung mechanischer Mittel und durch Emgeborenentruppen aus denitalienischen Kolonien zu vernichten. Sie kann sichWohl für berechtigt halten, uns zu bombardieren.Wenn wir ausziehen, um die Leiden unserer Soldaten zu teilen und um unseren Boden zu verteidigen,aber das Bombardieren offener Städte" wie Dabatund Gondar und zahlreicher Dörfer mit friedlicherBauernbevölkerung und ohne Truppen und Verteidigungsmittel sowie das Töten von Frauen und Kin-bern und das Bombardieren von Lazaretten desBoten Kreuzes sind unbestreitbar Verletzungen desinternationalen Rechtes. Die Beschießung eines Lazaretts ist heute in Deffie erfolgt und von vierAerzten, den Doktoren DassiuS, Loeb, Schuppler undBellot, und von den Korrespondenten von AssoaciatedPreß,„Times", Reuter„Chicoga Tribüne" und..Daily Expreß" festgestellt worden. Wir haben selbstden Tod einer Frau und zweier Kinder festgestellt.Das amerikanische Lazarett in Dessie, das mit M-vehmigung die Abzeichen des Roten Kreuzes* trug, rststark beschädigt worden., Obwohl Italien niemalsseine gegenüber Abessinien übernommenen Verpflichtungen eingehalten hat, glauben wir. Sie bitten zusollen, den Mitgliederstaaten diese neue Verletzungender internationalen Gesetze und Gebräuche durchItalien mitteilen zu lassen."Heftige Oppositiongegen den„Friedensplan“Kapitulation des Völkerbundes ♦ Belohnung des AngreifenDer französisch-britische Bermittlungsvorschlag, dessen Einzelheiten noch immer verschwiegen werden, ist ins Kreuzfeuer einer von vielen Seiten einsetzenden Opposition geraten und esscheint ausgeschlossen, daß er in der ersten Fassung nach Rom gelangen wird.Gegen den Vorschlag der Sachverständigen stellt sich ein TeildesLondonrrKabinetts, vor allem Lord Eden. Bon dieser Seite her sollen Abänderungsvorschläge gemacht worden sein. Der größere Teil der englischen Presse, aber auch einzelne französische Blätter, in erster Linie aber natürlich die Labour-Opposition sind gegen den Vorschlag»der als„Verrat am Völkerbund", als britische„Kapitulation", als«Bankrotterklärung und Belohnung des Angreifers" auf Kosten des zu schützenden Opfers bezeichnet wird.Es wird behauptet, daß in England«nd Amerika auch die öffentliche Meinung, wie sie ausGesprächen auf der Straße erkennbar wird, gegen den angeblichen„Friedensplan" rebelliert.Ferner soll sich eine Opposition im Völkerbund vorbereiten. Die kleinenStaaten haben nicht das Opfer der Sanktionen auf sich genommen, um dann die Grundsätzevergewaltigt zu sehen, für die sie eintreten, und es z« erleben» daß die Verletzung desGebietes und der Staatshoheit des Ueberfallenen noch vom Völkerbund geheiligt wird.Endlich erwartet man heftigen Widerstand beim NeguS, der aber vielleicht unter demDruck der Mächte nachgeben würde. Dagegen soll bezeichnenderweise Mussolini geneigtsein, den Plan als DiskussionSbasiS anzunehmen, freilich in der Absicht, noch mehrzu fordern, als ihm geboten wird.Donnerstag tritt der AchtzehnrrausschußK mit Laval«nd Eden zusammen. Es erscheintaber fraglich, ob er vor einer klaren Situation stehen und verhandeln können wird.London. Reuter bestätigt Dienstagabends, daß über die Friedensbedingungen endgültig eine Einigung zwischen der britischen!uud der französischen Regierung erzielt worden ist.Der Wortlaut der Vorschläge soll in der! Nacht auf Mittwoch nach Rom«nd Addis Abebaübermittelt und den beiden Regierungen zur Begutachtung unterbreitet werden.Das britische amtliche Radio meldet dagegen,daß die Beratungen über die einzelnen Punkteder P r o z e d u r, die einen wesentlichen Faktordes vorgeschlagenrn Planes bilden, zwischen denRegierungen von London und Rom weiter fortgesetzt werden. Die ganze Angelegenheit werdevoraussichtlich Mittwoch bei der üblichen Kabinettsitzung neuerlich durchbesprochen werden.Abessinien lehnt ab?Der Reuterkorrespondent in Addis Abebatelegraphiert, es sei sehr wenig wahrscheinlich, daß die abessinische Regierung zuFriedensverhandlungen bereit sein werde, solangeauch nur ein einziger italienischer Soldat aufabessinischem Boden stehe. Die Meldung, daß diePariser Friedensvorschläge auch die Abtretung derProvinz O g a d e n an Italien vorsehen, wird inabessinischen pffiziellen Kreisen mit unverhohlenemHöhn ausgenommen. Die abessinischen Rcgie-rungskreise erklären, daß die Italiener seit Beginn deS Krieges kaum einige wenige Schrittevorgedrungen seien und daß eine derartige Friedensbedingung daher als g a n z l ä ch e r l i ch bezeichnet werden müsse.Badoglioholt zum entscheidenden Schlag aus?London. An der Front in der ProvinzTigre nimmt der Guerillakrieg seinen Fortgang,während Marschall Badoglio, der neueOberkommandant der italienischen Expeditionsarmee, eine Inspektionsreise an alle ostafrikanischen Fronten unternommen hat. Der Marschallbeendet gerade die letzten Vorbereitungen zueiner großen Offensive, durch welche er demschwarzen Kaiserreich den letzten Schlag zu versetzen hofft.Neue MorddrohungRosenzweig genügt ihnen nicht!Die.Volksmacht"(Sternberg) schreibt, an leitender Stelle:Am 1. Dezember hat die Freudenthaler Arbeiterschaft von dem ermordeten SozialdemokratenWalter Rofenzweig Abschied genommen.Wie wenig Eindruck dir verruchte Mordtat auf dievölkisch eingestellten Kreise gemacht hat, konnte! man schon bei den Feierlichkeiten in Freudenthali sehen: unverhohlene Freude darüber, daß dieMordkugel einen Sozialdemokraten niedrrgestrrckthat, spiegelte sich in den Gesichtern gewisser Leute.Zwei Tage später, am 3. Dezember, wurdee in neuer Mord angekündigt. Der sozialdemokratische Vizebürgermeister Freudenthals,Franz Fischer, erhielt einen in Freudenthalaufgegebenen, mit verstellter Handschrift geschriebenen und absichtlich mit orthographischen Fehlernversehenen Brief folgenden Wortlauts:„Deine Stunden sind gezählt!Wirr Genossen haben Dich durchschautJuden Hundvertreterdeutscher Arbeiterhätzer sind wier nicht, auchMenschen.Du geh nur heute ja nicht ins Kaffeehaussonst hat dein letztes Stündchengeschlagen.Deine Genossen".Daß dieser Brief nicht von Sozialdemokraten geschrieben wurde, liegt auf der Hand.Und daß Drohungen dieser Art nicht als bloßerScherz gemeint, sind, dürfte nach dem Mord anWalter Rosenzweig jedem klar sein, der denMord an Sozialdemokraten nicht als völkisch!Pflicht und als gutes Werk betrachtet. VölkischeJugend, die der Meinung ist, daß das Töten politischer Gegner als verdienstvol^gilt, gibt es genüg. Es gibt auch Zeitungen, die das Wirken derMordhetzer begünstigen, indem sie z. B.den Mord an Walter Rosenzweig zu e r k l ä r e noder zu entschuldigen versuchen. Blätterdieser Art erscheinen in unserer engsten Heimat;sie bezeichnen sich sogar als Kulturträger. Undwenn sie auch den Mord nicht offen billigten, habensie doch kein Wort der Verurteilung für die feigeTat gefunden.Wir warnen die Behörden, wir warnen die Oeffentlichkeitl Ein Opfer ist gefallen.Die Arbeiterschaft hat es den zuständigen Behörden überlassen, die Mordtat zu sühnen.Aber die geistigen Urheber des Mordeslaufen frei umher, sie dürfen ungestraft das Denken der Jugend vergiften, ungestraft dürfen diejournalistischen Helfershelfer der Mörder ihrWerk verrichten! Die Geduld der Arbeiterschaftist nicht grenzenlos! Sollte zugelassen werden,daß das F a u st re ch t gilt, so wollen wir sehen,wer den Kürzeren zieht.Das Mordgesindel mag im Dritten, Reich geehrt werden; bei uns darf kein Platz'für politische Meuchelmörder«»d ihre Helfer sein!Absdiwädiungder WirtsdiaftsKrlsc?In der tschechoslowakischen Wirtschaft kannman noch schwer von einer Milderung der Krisesprechen. Wie steht es nun um die wirtschaftlicheEntwicklung in den anderen Ländern? Es sindStaaten festzustellen, die mit ihrem wirtschaftlichen Aufschwung, besonders Mit der Entwicklung der industriellen Produktion, die Tschechoslo-wakei überholt haben, während andere noch umein Geringes hinter ihr zurückbleiben. In der zuerst genannten Ländergruppe sind England unddie Vereinigten Staaten von Nordamerika führend. Die englische Wirtschaftbefindet sich noch immer im Zustand einer gutenKonjunktur, der durch die in letzter Zeit erteilten und in naher Zukunft noch stärker zu erwartenden Rüstungsaufträge verlängert werdendürfte. Der industrielle• Produktionsaufschwungin England erhielt während einer längeren Periode seinen Antrieb von einer sehr intensivenBelebung des Baumarktes, die aber inzwischennachgelassen hat. Bei einem Vergleich der englischen Produktions- und Wirtschaftsziffern deslaufenden Jahres mit denen aus dem Hochkonjunkturjahre 1929 muß allerdings berücksichtigtwerden, daß damals die wirtschaftliche Entwicklung in England nicht jenen Höhepunkt erreichte,wie in zahlreichen anderen Ländern.' Schließlichzeigen auch die mehr als 1,900.000 Arbeitslosean, daß trotz des Aufschwunges das kapitalistischeSystem die Wirrschaft noch immer daran hindert,die VorHandipen Menschen zu beschäftigen. AerAußenhandel England? hat in diesem Jahre einebedeutende Erhöhung erfahreneDas Land mit der technisch am weitestenfortgeschrittenen kapitalistischen Produktion, dieV e r e i n i g t.e n S t a a t e n von Nordamerika, sieht die Hauptzweige seiner industriellen Produktion seit mehreren Monaten ineiner Hochkonjunktur. Die Roheisen- und Rohstahlerzeugung steigt an, die Automobilproduktionstrebt den bisher erreichten Rekordziffern zu undauch die Ein- und Ausfuhr ist gestiegen. Wenn dievon der Aufhebung der Niragesetze befürchtetenungünstigen Rückwirkungen auf die Wirtschaftnur in ganz geringem Umfang eingetreten find,so ist darin wenigstens zum Teil auch ein Erfolgder Gewerkschaften zu sehen, die ihren Kräftigungsprozeß im Jahre 1935 fortsetzen konnten.Sie sind der Arbeiterschaft in ihrer entschlossenenÄbwehrbereitschaft gegen,die geplanten Lohnkür-zungen und Arbeitszeitverlängerungen ein festesRückgrat gewesen. Die Klärung und Sammlungunter der amerikanischen Arbeiterschaft hält an.Wenn sie zur Zeit auch noch nicht weithin sichtbarist, so ist sie doch für den Fortgang des Befreiungskampfes in den Vereinigten Staaten vonentscheidender Bedeutung. Die 10 Millionen Arbeitslosen, die in diesem Jahre den Beginn desAufbaues einer großzügigen staatlichen Sozialgesetzgebung erzwungen haben, sind eine eindringliche Mahnung, daß die gesellschaftliche Entwicklung weiter getragen werden muß, wenn nichtWirtschaft und Gesellschaft erstarren sollen.* Als eine glückliche Insel im Strom dereuropäischen Wirtschaft erscheinen die S k a n d i-navi scheu Länder. In Schweden,Dänemark und Norwegen befindetsich die Wirtschaft infolge der Maßnahmen dersozialdemokratischen oder sozialdemokratisch-links-bürgerlichcn Koalitionsregierungen und infolgegünstiger Rückwirkungen weltwirtschaftlicher Vorgänge in einem fortdauernden Befferungsprozeß.Die industrielle Produktion steigt, die Arbeits-,losigkeit geht zurück und die kleinbäuerliche Bevölkerung kann unter der Bündnispolttik mit denArbeitern ihre soziale Lage verbessern. Einfuhrund Ausfuhr der nordischen Staaten haben imlaufenden Jahre eine bedeutende Zunahmeerfahren.Die belgische Wirtschaft hatweseitzsverwandte Züge mit der tschechoslowakischen. Es gibt.ganze Industriezweige, die vorwiegend für den Export arbeiten. Sie mußten, je.länger die Weltwirtschaftskrise andauerte, umsostärker in Mitleidenschaft gezogen werden. DieAbwertung der Währung sollte Erleichterung, vorallem durch eine Steigerung der Ausfuhr aucheine Verminderung der Arbeitslosiakeit brinaen.Durch die Maßnahmen der unter Mitwirkung derArbeiterpartei zustande gekommenen Koalitions-regierung hat sich die Arbeitslosenzahl um bei-