Sonntag, 15. Dezember 1935
15. Zahrgang
7.6. Masaryk nicht mehr Präsident
Er empfiehlt Dr. Benei als seinen Nachfolger
ihn
(Fortsetzung ans Seite 2)
für alles daS zum Ausdruck bringen, waS Sie für die Ration und für die Republik geleistet haben. Das edelste Gesetz unseres Staates lau»
IENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEM ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
ttanlmte 70 Heller («InichlieBlich 5 H.Hot FortoJ
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung präg xiufochova«r. Telefon 51077. HERAUSGEBERi SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR , WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEURi DR. EMIL STRAUSS, PRAG ,
Der Vorsitzende der Regierung nahm diese Erklärung des Präsidenten der Republik zur Kenntnis." Die Regierung, die bis zur Wahl des neuen Präsiden» ten die Rechte des Staatsoberhauptes auf sich vereinigt, hat bereits die Nationalversammlung zur Wahl des neuen Präsidenten für Mittwoch, den 18. Dezember, um halb 11 Ahr in den Wladisiawsaal auf der Prager Burg einberufen. T. G. Masarhk hat in seiner letzten offiziellen Kundgebung seinen langjährigen Mttarbeiter Dr. Eduard Benes als seinen Nachfolger empfohlen.
Aus einer Mappe entnahm dann der Kanzler ein Blatt Papier und verlas folgendes:.- „Das Amt des Präsidenten ist ein schweres und verantwortliches und erfordert deshalb volle Kräfte. Ich sehe, daß es über meine Kräfte geht, und deshalb begebe ich mich desselben. Ich bin viermal zum Präsidenten unserer Republik gewählt worden; das gibt mir wohl die Legitimation, Sie und die tschechoslowakische Nation sowie die Mitbürger der übrigen Nationalitäten zu bitten, bei der Verwaltung des Staates dessen eingedenk zu sein,<jaß sich die Staaten durch jene Ideale erhalten, aus denen sie geboren wurden. Ich selbst war mir dessen immer bewußt. Wir bedürfen einer guten auswärtigen Politik und zu Hause Gerechtigkeit gegenüber allen Bürgern, seien sie welcher Nationalität immer. Gerne möchte ich Ihnen noch sagen, daß ich als meinen Nachfolger Dr. Benes empfehle. Ich habe mit ihm jenseits der Grenzen und
|£in Grosser nimmt Abtchied T. G. Masaryks Mahnung Der Hauch der geschichtlichen Stunde wehte durch den kalten Dezembertag, als gestern im tschechoslowakischen Rundfunk die umflotte Stimme des Ministerpräsidenten Dr. Ho d z a der gespannt horchenden Bevölkerung des Landes die Abdankung des Staatspräsidenten T. G. M as a- rh k verkündete. Es war schon seit Wochen kein Geheimnis mehr, daß der Begründer der Republik die schwere Bürde, die.mit dem Amt des Staatsoberhauptes verbunden ist. aus Gesundheitsgründen zurückzulegen gedenke. Niemand zweifelte daran, daß eine sekuläre Persönlichkeit vom Range T. G. Masaryks ihre mehr als halbhundertjährige politische Laufbahn und ihr offizielles Wirken im Dienste des tschechoslowakischen Staatswesens mit einer großen menschlichen Geste abschlietzen wird. Die schlichten Worte aber, mit denen der erste Präsident der Republik sein hohes Staatsamt in die Hände der Volksvertretung zurücklegte, gehören zu den ergreifendsten Dokumenten dieses Gesichtsabschnittes. Noch einmal wendet sich Ma saryk an die tschechoslowakische Natron sowie an die Mitbürger der übrigen Nationalitäten mit der Mahnung, bei der Verwaltung des Staates dessen eingedenk zu sein, daß sich die Staaten durch jene Ideale erhalten, aus denen sie geboren.wurden. Was er dabei im Sinne hatte, besagt der folgende Satz, der die abgeklätte Staatsweisheit Masaryks kristallklar ausdrückt: Wir bedürfen einer guten auswärtigen. Politik und zu Hause G c r e ch t i g« k e i t gegenüber allen Bürgern, seien sie welcher Nationalität i m-- m e r. Als den Mann, dem er die Wahrung dieser Grundsätze auf höchstem Posten anvertrauen will, bezeichnete der scheidende Präsident den Außenminister Dr. Eduard Benes . Ihn empfiehl er als seinen Nachfolger. Masaryk ist bis ans Ende einer großen Laufbahn seinen Idealen treu geblieben, wenn er in der Abschiedsstunde tiefmenschliche Worte nicht nur an die tschechoflowakische Nation, sondern auch an die Mitbürger anderer Zunge richtet. Gerechtigkeit gegenüber allen Bürgern ohne Unterschied der Nationalität— diesen humanistischen Grundsatz als Richtschnur für die weitere Staatspolitik zu proklamieren, das ist ein politisches Vermächtnis, würdig eines Mannes, wie T. G. Masaryk. Damit rundet sich das Bild seines beispiellos er- fclgreichen Wirkens harmonisch ab. Masaryk gehört zu den großen E r w e ck e r n, er ist der Befreier der tschechoslowakischen Nation, der Schöpfer ihrer Eigenstaatlichkeit, doch er hat sich darüber hinaus noch einer historischen Mission geweiht. Er hat für sein Volk gewirkt, indem er ein großer Mittler zwischen den Völkern war. Zu seinen vornehmsten Lebenszielen gehörte das Bestreben, die auf dem Boden unseres Staates lebenden Nationen zu gegenseitigem Verständnis und zu gemeinsamen Werk zusammenzuführen. Fast in keiner seiner Kundgebung fehlten freundliche Worte an die Adresse der deutschen Mitbürger. Immer wieder trat er für nationale Verständigung und Zusammenarbeit ein. Auch in den Zeiten der schwersten Entfremdung zwischen Deut schen und Tschechen ist die Ehrlichkeit des völkerversöhnenden Wollens T. G. Masaryks nie angezweifelt worden. Niemals wurde er in den nationalen Kampf hineingezogen. Ja, man kann mit Recht sagen, daß die Persönlichkeit T. G. Masaryks unter den Sudetendeutschen ohne Unterschied deS politischen Bekenntnisses keinen Feind, dafür aber viele ehrliche Bewunderer gefunden hat. Die ehrwürdige Gestalt des Staatspräsidenten ragte hoch über die Schauplätze des politischen Tageskampfes hinaus als die Verkörperung hoher menschlicher Gesinnung, des PttnzipS der nationalen undsozia- l e n Gerechtigkeit. Masaryk hat entscheidendes Verdienst daran, daß auch in der deutschen Bevölkerung ein Fonds von Vertrauen zum Staate und zum demokratisch-humanistischen Grundgehalt der tschechisch« n Politik angesammelt
Aeber die Abdikation des ersten Präsidenten der Republik, T. G. Ma- sarhk, die sich am 14. Dezember mit tags im Schlöffe von Lä» h in schlich ter, dafür um so ergreifenderer Form vollzog, wurde folgendes von Dr. S ä- m a l und Dr. S ch i e s z l gezeichnetes Protokoll verfaßt: „Der Präsident der Republik T. G. Masarhk lud für den heutigen Tag, 12 Ahr mittags, den Herr» Vor sitzenden der Regierung Dr. Mllan H o d z a zu sich, um ihm persönlich den Entschluß mitzuteilen, daß er von dem Amte des Präsidenten zurücktrete. Ans Wunsch des Herr« Vorsitzen den der Regierung wurden auch der Herr Vorsitzende des Abgeordneten hauses Ja« Malhpetr und der Herr Vorsitzende des Senats Dr. Franttsek S o« K« p als erster und zweiter Vorsitzender der Nationalversammlung ein geladen. Für die Famllie des Herr« Präsi denten der Republik waren anwesend! der Herr Gesandte Ja« Masarhk , Fra« Phil. Dr. Alice Masarhkovä , Fra« Olga Revllllodovä, Fräulein Anna Masarhkovä. Für die Kanzlei des Präsidenten der Republik: Dr. Pkemhsl Sämal und Sektionschef Dr. Josef Schieszl. Der Präsident der Republik erklärte vor de« An wesende«, daß er im Hinblick auf seinen Gesundheitszu stand sich des Amtes des Präsidenten der Republik be gibt. In Läny Der Präsident der Republik T. G. Mas a- r y k lud für Samstag, den 14. Dezember 1935, den Vorsitzenden der Regierung Dr. Mila» H o d Z a, den Vorsitzenden des Abgeordnetenhan- ses Ian Malypetr und den Vorsitzenden des Senats Dr. So u k« p nach Läny ein. Die Gäste versammelte« sich in der Halle des Schlosses Läny, wo sie Kanzler Dr. S ä- mal und der Vorstand der politischen Abteilung her Kanzlei des Präsidenten der Republik Schieszl und der Settetär des Präsidenten Dr. Schenk begrüßten. Der Vorsitzende der Regierung und die Vor sitzenden der beiden Kammern der Rationalver- sammlung wurden hierauf in das Arbeitszimmer des Präsidenten der Republik geleitet. Präsident Diasaryk stand bereits beim Tisch und wartete. tzm Hintergründe des Arbeitszimmers befanden sich die Familienmitglieder des Präsidenten: der Sohn Ian, die Töchter Alice und Olga und die Enkelin Anna nach dem verstorbenen Sohn Her bert. Anwesend war auch der Arzt des Präsiden ten Dr. Maixner. Kanzler Dr. Sämal trat vor«nd sprach folgende Worte: „Herr Vorsitzender der Regie rung, meine Herren Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses und des Senates! Der Herr Präsident hat mich damit betraut und mir auf ge tragen, Ihnen in seinem Namen seine heutige Erklärung und den Ausdruck seines wahren Willens zu zu Hause gearbeitet und ich kenne Verlesen.”
Der historische Augenblick in Läny " Von linke nach rechts: Dr. Soukup, Malypetr , T. G. Masaryk, Dr. Hodia, Dr. Sämal.
Ich habe das volle Vertrauen, daß alles gut gehen wird, und wenn es Gott gibt, dann werde ich Euch noch eine Weile zusehen, wie Ihr es macht. Sie, Herr Vorsitzender der Re gierung, bitte ich, meine Resigna tion zur Kenntnis zu nehmen und alles Notwendige zu veranlassen.” Der Kanzler beendete seine Ver lesung und wandte sich dann an den Präsidenten Masarhk mtt der Frager „3 st e s s o r i ch t i g, H e r r P r ä- sident?" „Ja", antwortete mit ruhiger Stimme Präsident Masarhk. Kanzler Dr. Sämal:„Geruhen Sie, Herr Präsident, zu bestätigen, daß das der wahre Ausdruck Ihres Willens ist". Präsident Masarhk antwortete mtt klarer Sttmmer„E r i st e s!" ♦ Es trat ein Augenblick des Schweigens ein, den der Präsident mit den Watten unterbrach: »Jetzt könnten wir uns vielleicht setzen". Die An wesenden setzten sich: Es ergttff der Vorsitzende der Regierung Dr. NilanHodjja das Wort. „Herr Präsident", sagte er,„ich möchte!.., Ihnen den Dank der Republik«nd der Ration' wurde, der auch in härtester Prüfung nicht zu- sammenschmolz. Immer wieder ist der deutsche Aktivismus auf seinem opfervollen Weg durch.den Glauben bestärkt worden, daß die Ideale Masaryks auf dem Boden dieses Landes doch über den Ungeist des Chauvinismus triumphieren werden.