Seite 4 Sonntag, 15. Dezember 1935 Nr. 292 In die aktive Politik kehrte Masaryk 190 k zurück. In den ersten Wahlen nach dem allge­meinen gleichen Wahlrecht wurde er mit Untere slützung der Sozialdemokraten 1907 zum Abge­ordneten eines mährischen Wahlkreises gewählt. 1911 wurde er abermals mit diesem Mandat re» traut, diesmal stellte ihm die Sozialdemokratie keinen Gegenkandidaten entgegen. Während Masaryk noch 1907 an die demo­kratische Umgestaltung Oesterreichs geglaubt hatte, trat in den folgenden Jahren eine entscheidende Wendung in seinen Auffassungen ein. Die Hoff­nungen aller derjenigen, die gemeint hatten, Oesterreich werde zu einem demokratischen Natio­nalitätenbundesstaat umgewandelt werden, schlu­gen fehl. Insbesondere seit dem Sturz des demo­kratischen Ministerpräsidenten Beck erlangten die feudal-absolutistischen Kreise wieder die Ober­hand. Dazu kam, daß Masaryk über die anti­slawische auswärtige Politik Oesterreichs im höch­sten Grade empört war, seit 1909 stand er im schärfsten Kämpf gegen den Außenminister Aehrenthal und nahm sich bei dem Hochrer- ratsprozeß in Agram im Jahre 1909 warm der südslawischen Angeklagten an. 1899 wies er im sogenannten Friedjungprozeß nach, daß sich Las auswärtige Amt gefälschter Akten bedient hatte. Die Balkankriege, in welchen das Streben der Balkgnvölker nach Freiheit und Einheit zutage trat, machten ihn vollends zum Gegner Oester­ reichs . Aber auch die wissenschaftliche AÄeit gab Masaryk nicht auf in jenen Jahren. Knapp vor dem Weltkriege erschien der erste Band seines gro­ßen WerkesRußland undEuropa", durch welchen Masaryk als einer der glänzendsten Kenner des zaristischen Rußland sich erwies. Die nachfolgende russische Entwicklung hat seiner Auf­fassung recht gegeben. In» Weltkrieg So traf der 1914 ausgebrochene Weltkrieg Masaryk nicht unvorbereitet. Er hielt sich in den Tagen des Kriegsausbruches inSchandau aus und merkte nach seiner Ankunft in der Heimat die instinktive Abneigung des tschechischen Volkes gegen Oesterreich . Die glatte Abwicklung der Mobilisierung konnte ihn nicht täuschen. Um sich über die Situation wirklich zu informieren, begab er sich bald ins Ausland. Im September und Oktober 1914 war er in Holland , wo er bereits mit' Ententejournalisten in Fühlung trat und ein Memorandum für die Alliierten ausarbeitete, in dem er den selbständigen böhmischen Staat for­derte. Die grüße Erkenntnis Masaryks zu Kriegsbeginn bestand darin, erfaßt zu haben, daß das Schicksal des tschechischen Vol­kes verknüpft werden müsse mit demderwe st lich en Demokratien, mit England und Frankreich , welche er als die politisch und wirtschaftlich fortgeschrittensten Länder gegen­über dem halbabsolutistischen Deutschland und Oesterreich betrachtete. Im Herbst 1914 trat er mit Benes in Verbindung und begründete mit diesem jenen Zirkel tschechischer Politiker, welcher alsMaffia " bekannt und berühmt wurde und sich große Verdienste um die Vermittlung zwischen der Äuslandsrevolution und dem Inland erwor­ben hat. Im Dezember 1914 fuhr Masaryk aber­mals ins Ausland, um nach Oesterreich nicht mehr zurückzukehren. 64 Jahre alt verließ er die Heimat, einem ungewissen Schicksal entgegen­gehend. Nach kurzem Aufenthalt in Italien ging er im Feber 1915 nach Genf , wo er den Besuch von Benes empfing und die Auslandsaktion gegen Oesterreich begann. Schon damals stand ein kla­res Programm vor seinen Augen und er war sich dessen bewußt, daß die Tschechenihre großen Ziele nur durch intensive Arbeit erreichen können.Es ist notwendig", so sagt er in seinem damaligen Programm,für unsere Forderungen die Verbün­deten Regierungen, einflußreiche Diplomaten und Politiker, Parlamentarier, Zeitungen usw. zu ge­winnen. Wir dürfen uns nicht verlassen, daß die Alliierten von sich aus den tschechischen Staat er­richten werden. Wir müssen selbst etwas dazu tust» wir müssen es dem politischen'Europa sagen, daß der tschechische Staat notwendig ist, daß er auch für die Verbündeten von Vorteil ist. Wir müssen uns um die Selbständigkeit des tschechischen Volkes selbst bemühen, müssen Ovfer bringen. Jetzt ist die Zeit für Arbeit und Blut, aber in Wahrheit." Mitte April 1913 begab er sich nach Paris und London , wo er die öffentliche Meinung und die Staatsmänner zu bearbeiten begann. Oeffentlich trat er zum ersten Male im Juli 1915 bei den Husfeiern in der Schweiz auf, wo er ,ein politisches Programm verkündete. Im September 1915 bekam er eine Professur in London . Seit­her arbeitete er vor allem in London , während sein engster Mitarbeiter Dr. Eduard Benes in Paris an der Arbeit war, wo auch der tschecho­slowakische Nationalrat, die Vertretung der Tsche­ choslowakei im Auslande, an dessen^>itze Masa­ryk stqnd, gegründet wurde. Die österreichische Regierung entzog ihm damals sein Gehalt und erließ hinter ihm einen Steckbrief, aber das konnte ihn nicht beirren. Auch andere Schicksalsschläge, die ihn im Krieg trafen ein Sohn starb ihm im Krieg, seine Tochter wurde verhaftet, seine Frau wurde melancholisch, ein zweiter Sohn stand ,m Felde haben ihn an seiner Sache nicht irre gemacht. Im November 1915 erließ der tschechoslowa- tische Nationalrat eine Kundgebung, in der der Glaube an den endlichen Sieg der Verbündeten ausgesprochen war. Im Feber 1916 sprach Ma­ saryk zum ersten Male mit Briänd, dem da­maligen französischen Ministerpräsidenten. Die Schwierigkeiten, die sich der Gewinnung der alliierten Staatsmänner für die tscheschische Sache entgegcnstellten, waren groß. Die Waffenerfolge der Zentralmächte, die loyale Politik der tschechi­schen Abgeordneten in Oesterreich bereiteten Ma­ saryk viel Sorgen, so daß er sich damit vertraut machte, nach dem Kriege dauernden Aufenthalt im Auslande zu nehmen. Im Mai 1917 begab sich Masaryk nach Rußland , um die Organisation einer eigenen tschechischen Armee in die Hand zu nehmen. Er hatte dort eine umfassende Agitation entfaltet und für die politische Bildung der tschechischen Legio­nen in Rußland außerordentlich viel getan. Seine damals erscheinende ZeitschriftDas neue Euro­pa" gab einen Niederschlag seiner politischen Auf­fassungen in jener Zeit. Im März 1918 verließ er Rußland , nachdem sein großes Werk, die Schaf­fung einer tschechoslowakischen Armee gelungen war und begab sich nach A m e r i k a, wo der letzte Abschnitt seiner erfolgreichen politischen Tätigkeit im Kriege sich abspielt«. Am 5. Mai 1918 hielt er seine erste Rede in Chicago und nun begann seine große Arbeit, die einerseits die Tschechen in Amerika und die volitische Oeffentlichkeit und andrerseits den Prä­sidenten Wilson und den Staatssekretär Lansing zu gewinnen. Während sich noch im Winter 1917/18 Wilson mit der Autonomie der slawi­schen Nation innerhalb Oesterreichs begnügt hatte, gewann ihn Masaryk für die Anerkennung der tschechoslowakischen Selbständigkeit. So führte einerseits die schlechte militärische Lage der Zen­tralmächte, andererseits die politische Propaganda Masaryks und seiner Mitarbeiter eine Lage her ­bei, die am 14. kAtckber 1918 zur Bildung einer vorläufigen tschechoslowakische. Regierung führte, die die Anerkennung der alliierten Mächte fand. In dieser Regierung be­kleidete Masaryk das Amt des Minister­präsidenten und des Finanzministers. Nun überstürzten sich die Ereignisse. Am 5. Oktober erfolgte daS österreichische Friedensangebot an Wilson, am 18. Oktober erfolgte Wilsons Ant­wort, welche die bekannten 14 Punkte enthielt, von denen der eine das Selbstbestimmungsrecht der Nationen und die freie Verfügung der sla- wischen Nation über ihr künftiges Schicksal ver­langte. Am 27. Oktober antwortete der österrei­chisch-ungarische Minister des Aeußern Andrafly mit einer Note, in der Wilsons Bedingungen an­genommen wurden. Das war die Kapitula­tion Oesterreichs , auf die Prag am 28. Oktober mit der Ausrufung der Republik antwortete. 17 Tage später, am 14. November, wurde Masaryk von der tschechoslowakischen Na­tionalversammlung zum Präsidenten der Republik gewählt. Masaryk war damals noch in Amerika , das er am 20. November 1918 verließ. Genau einen Monat später, am 20. Dezember 1918, be­trat er bei Ober-Haid zum ersten Male wieder den Boden der Heimat und zog am 21. Dezember 1918 unter dem Jubel der Bevölkerung in Prag ein. Was er damals empfunden hatte, hat er in der ihm eigenen Weise so wunderschön gesggt: Ich habe das Gefühl der Verantwortlichkeit. Ich möchte sagen, daß ich nicht Zeit habe mich zu freuen, da ich weiß, daß ich vor einem ungeheuren Problem stehe und mir meiner Verantwortung bewußt bin, nicht nur vor dem eigenen Volke, son­dern vor allen Völkern, mit denen wir in Berüh­rung kommen und zusammen arbeiten werden. Niemand von uns darf enttäuschen, das ist, was ich fühle." Masaryk am 22. Dezember. In dieser Botschaft war eine Stelle, die bei den Deutschen keinen guten Eindruck machte, nämlich die Bemerkung von den Deutschen , die ursprünglich als Emi­granten und Kolonisten ins Land ge­kommen seien. Das wurde so aufgefaßt, als ob daraus abgeleitet werden könnte, daß die Deut­ schen minderen Rechtes seien. Das aber hat Masaryk nicht gemeint und deswegen hat er diesen Bemerkung später in seinem großen politischen Werke über den Weltkrieg eine Interpretation ge­geben und gesagt, daß die Deutschen als Kolo­nisten nicht Staatsbürger zweiten Ranges" sind und daß er sich zur Nationalitätenpolitik der Pte- mysliden melde,von denen die.Deutschen natio­nal geschützt würden.".'Z... Seinen streng konstitutionellen Sinn hat Masaryk von Anbeginn seiner Präsi­dentschaft gewahrt. Nachdem die Gemeindewah­len eine Stärkung der Sozialisten gebracht hatten, ernannte er am 8. Juli 1919 den Sozialdemo­kraten Vlastimil T u s a r zum Ministerpräsiden­ten. Er hat es stets abgelehnt, irgendwelche dik­tatorische Befugnisse an sich zu reißen und als solche Strömungen 1919 auftraten, fiel sein spä­ter oft zitiertes Wort:Aufregung ist kein Pro­gramm." Zur Demokratie hat er sich stets bekannt. So hat er am ersten Jahrestag der Be­gründung der Republik von den sittlichen Grund­lagen der Demokratie gesprochen und hat damals mitten in dem Kampf um die sozialen Grund­lagen der Nachkriegszeit zu den sozialen Fragen Stellung genommen. Er erklärte damals aus­drücklich,daß ich gegen dieSoziali« sierung nichtbin" und sprach sich für eine Vergesellschaftung Schritt für Schritt aus. Als er im Jahre 1920 seinen 70. Geburtstag feierte, äußerte er sich wieder zur Nationalitätenfrage und betonte, daß er die Sprachenfrage als eine a d- ministrative und nicht als politische Frage betrachte. Bezeichnend war es für ihn, daß er nach den ersten Wahlen in die Nationalversammlung darauf bestand» daß die Neuwahl des Präsiden­ten vorgenommen wurde und so wurde er am 27. Mai 1920 zumzweite n M a l e z u m Prä­sidenten gewählt. Ein Jahr darauf, 1921, erkrankte er ernstlich an einer Lungen- und Venenentzündung und mußte monatelang Erho­lung in Capri suchen. Einen schweren Schicksals­schlag bedeutete es für ihn, als am 18. Mai 1923 seine Frau Charlotte gestorben war. Masaryk war damals seelisch sehr gedrückt und unternahm eine Erholungsreise ans Mittelmeer , nach der er im Jahre 1923 Besuche bei den Staatsoberhäup­tern von Frankreich , Belgien und England machte. Eine gewisse politische Bedeutung hatte auch seine Reise nach Mähren im Jahre 1924, wo er von der deutschen Bevölkerung herzlich empfangen wurde. Sein energisches Eintreten für die Demokra­tie zog ihm die Feindschaft der rechtsgerichteten Kreise zu. Insbesondere seit 1922 häuften üch die Angriffe gegen dieBurg ". Masaryk ließ sich aber nicht beirren. Auch als im Jahre 1926-ine fascistische Bewegung in der Tschechoslowakei ent­stand, wandte er sich gegen sie.DerFaseis- m u s", so sagte er,ist eine anonyme Gesellschaft von Unzufriedenen und Zurückgewiesenen mit un­beschränkter Haftung zur Fabrizierung politischer Märchen und Räubergeschichten." Ebenso inter­essant ist sein Ausspruch:Der Fascismus i st d e r G r a d m e s s e r der politischen Desorientierung der Bourgeoisie." Dudsetausschuß des Senats Prag . Der Bndgetausschutz des Senats be­handelte am Samstag zunächst dre Kapitel 7 bis 9, worauf die Minister Dr. D i r e r, Dr. Srä- Nlek und der Präsident des Obersten Gerichts­hofes Dr. H ä ch a kurz auf einzelne Reden ant­worteten. Dann wurden noch die Kapitel Schule und Landwirtschaft in Verhandlung gezogen. Gegen 4 Uhr wurde die Sitzung unterbrochen, um den Ausschußmitgliedern Gelegenheit zu geben, die Rundfunkrede des Ministerpräsidenten anzu­hören. Unter dem Eindruck der Abdikation T. G. Masaryks wurden sodann die Verhandlungen unterbrochen und auf Montag vertagt. In der Debatte hatte u. a. auch der tsche­chische Genosse Kürz u. a. der Hoffnung Aus­druck gegeben, daß bei den Maßnahmen, vor denen wir unmittelbar stehen, vor»allem das wirk­liche Staatsinteresse siege und nicht Hinterkuissen-Jnteressen einzelner Gruppen und Klassen. Im Namen der slowakischen Volkspartei gab Dr. L a b a j eine prinzipielle Erklärung ab, in der gesagt wird, daß die Slowaken nach dem Um­sturz die Republik gemeinsam mit den Tschechen und Mährern geschaffen hätten, weil sie die Exi­stenz des slowakischen Volkes und der Slowakei im Rahmen dieser Republik am besten sichergestellt sehen. Sie hätten zwar mst den Tschechen gewisse innere Zwistigkeiten, die aber ihre interneAngelegenheit seien. Wir werden sie selbst austragen, erklärte Dr. Labaj, ohne jede ausländische Unterstützung. Wir erklären, daß wir keine Absichten nach einer Verbindung mit Polen oder mit U n g a r n be- siyen. Abschied von der Armee Der letzte Armeebefehl Masaryks Prag. Der zurücktretende Präsident der Re- publik hat folgenden Armeebefehl erlassen: ,Zch habe es als notwendig befunden, vom Amt des Präsidenten der Republik zurückzutreten. Während der ganzen Zeit meiner Präsident­schaft habe ich die verantwortliche Aufgabe eines Obersten Befehlshabers der gesamten bewaff­neten Macht ausgeübt. Ich habe immer sorgfältig ihr Entstehen und ihre Entwicklung verfolgt und mit voller Zu­friedenheit und guten Gewissens kann ich sagen, daß die Armee von Jahr zu Jahr auf dem Wege der Verbesserung und Vervollkommnung fort­schreitet. Ich betrachte es deshalb als eme an­genehme Pflicht, Euch allen für die aufopfernde und unermüdliche Arbeit für die Armee und für den Staat zu danken. Die Armee war und ist ein Beispiel unserer bürgerlichen Zusammenarbeit. Sie wurde in dem oemokratischen Geiste unserer Nation und im Geiste unserer Legionen aufgebaut. Sie ist nicht nur die Verteidigerin unserer Selbständigkeit, sondern auch eine gute Lebensschule unserer Bürger. Es ist mein Wunsch, daß die Armee auch weiterhin in diesem Geiste fortschreite. Die ganze Nation und der Staat werden hinter ihr stehen und dann brauchen wir niemals um unsere Zu­kunst zu bangen. Ich wünsche allen Angehörigen der Armee, aktiven wie nichtaktiven, alles Gute. Machnkk m. p. T. G. Masaryk m. p. * Die Neuwahl des Präsidenten erfolgt auf sieben Lahre. Zur Gültigkeit der Wahl ist die Anwesenheit der est n f a ch e n Mehrheit der gesamten Zahl aller Mitglieder des Abgeord­netenhauses und des Senats im Zeitpunkt der Wahl notwendig. Von den Anwesenden müssen mindestens drei Fünftel für den betreffen­den Kandidaten stimmen. Führt der erste Wahl­gang nicht zum Ziel, dann erfolgt ein zweiter unter denselben Bedingungen. Bringt auch dieser nicht die Entscheidung, so findet ein dritter Wahlgang zwischen den beiden Kandidaten statt, die die meisten Stimmen erhalten haben, Hiebei erscheint derjenige gewählt, der die meisten Stimmen erhält. Bei Stimmengleichheit ent­scheidet dann das Los. Aus dem Dritten Reich Berlin. Der Chefredakteur derDeutschen Wochenschau", Karl M i l l w e i tz, wurde aus dem Journalistenverband ausgeschlossen, weil er einen Artikel veröfstntlicht hatte, in welchem die Ausgaben der nationalsozialistischen Par­tei kritisiert wurden. Es kursiert das Gerücht, daß Millweiß verhaftet wurde. VorlSuNs ruhen die Waffen London . Der Kriegsberichterstatter des Rcuterbüros in Deffie meldet: Wie eS scheint, ist heute an allen abessinischen Fronten v o l l- komyreneRuhe eingetreten. Beide Parteien \ beschleunigen zwar ihre Vorbereitungen, wahren jedoch offensichtlich einen gewissen Waffen- st i l l st a n d, solange in Genf die FrageFriede cder Fortsetzung des Krieges" nicht gelöst ist. Die Rechtskreise wandten sich auch gegen ihn, als 1927 seine zweite Funktionsperiode abgerau- sen war. Um so stärker wurde seine Anhänger ­schaft auf der Linken. Mit Hilfe der deutschen Sozialdemokraten wurde Masaryk am 27. Mai 1927 zum dritten Male zum Präsidenten der Republik gewählt. In seiner Botschaft vom 11. Juni 1927 trat er neuerlich entschieden für die Demokratie und das Parlament ein.Der demo ­kratische Staat", so sagte er,hat vor allem seine Berechtigung in der Anerkennung seiner eigmen Bürgerschaft, er muß von jedem anständigen und bewußten Bürger gewollt sein." Auch anläßlich des zehnjährigen Jubiläums der Republik am 28. Oktober 1928 erließ er eine Botschaft und bekannte sich tapfer zum Idealismus auch in. der Politik. Freilich muß der Politiker die realen Tatsachen so sehen, wie sie sind.Die siegreichen Ideen und Ideale werden nicht aus Phantastik und Un ­sachlichkeit geboren." Als seine politische Auf ­gabe bezeichnet er,eine demokratische Republik aufzubauen" und über die nationale Frage sagt er folgendes:In der Demokratie ist die Ver ­tretung der Minderheiten eine Notwendigkeit." Durch alle Stürme des Fascismus und der Diktatur hindurch hi«lt er an seiner demokratischen Ueber- zeugung fest und ließ sich von kei ­ner politischen Modeströmung be ­irren.'I Am 24. Mai 1934 konnte er so zum vierten Male zum Präsidenten gewählt werden, wobei er 827 von 420 Stimmen erhielt. Diesmal stimm ­ten alle deutschen Parteien für ihn. Bald nach ­her wurde er von einer Krankheit heimgesucht, die ihn monatelang von den Staatsgeschäften abhielt. Erst gegen Ende des Jahres war er wieder her ­gestellt. Sein hohes Alter hat ihn nun zum Rück ­tritt bewogen, der am 14. Dezember 1935 erfolgt ist. Die Tatsache, daß er auf sein Amt verzich ­tet, zeigt seine Uneigennützigkeit und seine poli ­tische Größe, die in allen die Bewunderung für den großen Menschen Masaryk noch steigern wird. Der Entschluß, auf sein Amt zu verzichten, reiste beim Präsidenten Masaryk schon lange. Diese seine Absicht verhehlte der Präsident weder vor seiner Umgebung noch vor den höchsten Re ­präsentanten unseres Staates. Er war schon lange entschlossen, zu resignieren, so bald sich die An ­zeichen des Alters bemerkbar machten. Der Schriftsteller Emil Ludwig zitiert in seinem WerkeGeist und Tat" folgende Worte Masaryks vom Feber 1933: ,Zch glaube, daß ich das Alter nicht fühle. Wenn ich mich.analysiere und beobachte, glaube I ich, daß dies nicht der Fall ist. Ich kann mich ja täuschen. Ich beobachte mich, ob meine Phantasie oder mein Gedächtnis abnimmt, ob ich noch genü ­gend scharf denken kann. Tollte ich bemerke«, daß dies nicht mehr der Fall ist, dann würde ich zurücktreten." Den Mitgliedern der Delegation des tsche ­choslowakischen Nationalrates, die am Heurigen 28'. Oktober ihre Glückwünsche vorürachten, beutete Präsident Masaryk an, daß er sich' mit dem Gedanken trage, sein Amt zu verlassen, und' zwar mit folgenden Worten:I ch habe mir! vielleicht auch schon ein wenig Ruhe verdient.",, s.--. .' cder Fortsetzung des Krieges nicht gelost ist. Auch als Privatmann wird Thomas Garri- wahren jedoch diesen Waffenstillstand nur unter gue Masaryk eine ehrfurchtgebietende, allgeliebte der Bedingung, daß sich die Genfer Verhand- Persönlichkeit bleiben. t lungen nicht allzu lange hinausschleppen. Als Präsident Seine erste Botschaft als Präsident erließ I