Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077.

15. Jahrgang

Deutsche Jugend

grüßt Masaryk  

Der Verbandsvorstand des Sozialis stischen Jugendverbandes beschloß in seiner Sizung vom 15. Dezember die Absendung des folgenden Telegrammes an Mas saryt:

HERAUSGEBER  : SIEGFRIED TAUB. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

Dienstag, 17. Dezember 1935

Schwere Gegensätze

im britischen Kabinett

Der Kampf um das Friedensprojekt wird Herriot   gegen den Laval- Plan jetzt auf verschiedenen Feldern ausgetragen, u. a. im Schoße des britischen Kabinetts. Um 2 o.r d Herriot hat Sonntag in einer Rede seine Der Verbandsvorstand des Sozia- Eden und den Kriegsminister Duff Coo- Ansichten über den möglichen Frieden dargelegt. listischen Jugendverbandes als der per hat sich eine Gruppe gebildet, die sehr hef- Er betonte die absolut gleichen Rechte Wortführer der jungen sozialistischen   tig gegen die Politik Baldwins und Sir Samuel Abessiniens und lehnt jede Lösung ab, Generation in den deutschen   Gebieten Hoares opponiert. Eden selbst droht mit dem die einem Teil aufgezwungen werden müßte und unserer Republik grüßt Sie in Liebe Rücktritt und angesichts der Haltung der die nicht im Geiste des Völkerbundes wäre. Da und Verehrung und gelobt, Ihre hohen Arbeiterpartei, die einen Mi- Herriot bisher die Außenpolitik Lavals gedeckt Gedanken und Ihr edles Wirken in der trauensantrag vorbereitet, kann Donners- hat, muß man in seiner Rede wohl ein Abrücken Jugend lebendig zu erhalten und in tag im Unterhaus eine sehr unerquickliche Situa- sur Opposition erblicken. Ihrem Geiste an der Verständigung der tion für die Regierung entstehen. Baldwin wird Nation und der Fortentwicklung der Demokratie zum Wohle des gemein­samen Vaterlandes zu arbeiten. Auch für die sudetendeutsche sozialistische Ju­gend werden Sie immer der große Füh rer zu edelstem Menschentum, das leuchtende Vorbild des sittlichen Han­delns bleiben.

Soldatenrevolten in Oesterreich  

selbst sprechen und seine Anhänger vertrauen darauf, daß er gute Gründe für seine Politik bei­bringen werde.

Die öffentliche Meinung Englands wendet fich leidenschaftlich gegen den Verrat an Abessi­nien und den Grundsätzen des Völkerbundes. Das kommt in der Presse und in zahlreichen sponta­nen Rundgebungen täglich zum Ausdrud. Nebri­gens soll man auch in Amerika   über die Kapitu­lationsbereitschaft der Völkerbundsmächte entsetzt sein und für künftige Fälle mit der vollkomme­nen Isolierung drohen.

Ueber die Unterredung des britischen Botschafters Sir Eric Phips mit Hitler  verlautet, daß sie er gebnis los verlaufen sei. Auch dies und ebenso die ägyptischen Ereig­niffe haben die Stellung Hoares nicht gerade ge­stärkt. Als eigentlicher böser Geist" des Foreign Office wird in der Opposition aber nicht Hoare  , sondern der Unterstaatssekretär Vansittari genannt.

Italien   nicht zufrieden

Das unverschämt üppige Angebot, das die Westmächte den Friedensbrechern gemacht haben, erweckt bei diesen- das ist italienische Tradition

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Nr. 293

Präsidentenwahl

Die Stellung

der deutschen   Sozialdemokratie

Mittwoch treten die beiden Häuser der Nationalversammlung in dem altberühmten Wla­dislawsaale der Prager Burg   zu der hohen Auf­gabe der Neuwahl eines demokratis schen Staatsoberhauptes zusam men. Der Tag, an dem der Nachfolger Masaryts gewählt werden soll, ist einer der bedeutsamsten seit der Entstehung der Tschechoslowakischen Repu blik die Entscheidung darüber muß von den hiezu berufenen Volksvertretern in höchstem Ver­antwortungsgefühl gefällt werden.

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Die Stelle des Präsidenten der Republik  wurde bisher von einer Persönlichkeit bekleidet, wie sie das Schicksal selten einem Volte oder Staate schenkt. Thomas Masaryk   hat dieser Funk­tion eine hohe Würde verliehen, wie es nur sitt liche Autorität und geistige Ueberlegenheit schaffen fönnen. Die Achtung vor der Republik   und der Demokratie ist ein Schatz von unermeßlichem Werte, den Masaryk in den 17 Jahren seiner Präsidentschaft aufgespeichert hat und von dieſem Standpunkt muß die Wahl jener Persönlichkeit beurteilt werden, die für würdig befunden wird, den Staat nach dem Rücktritt des großen Euro­päers zu leiten.

keinesfalls Genugtuung, sondern wird in der Presse Mussolinis scharf kritisiert. Italien   wird wahrscheinlich die Abtretung Affabs verweigern und größere Kolonisationsrechte, dazu auch At­fum fordern. Diese Frechheit darf nicht wunder­nehmen. Nach der Auffassung von Völkerrecht", die Laval u. Sir Hoare in ihrem Friedensprojekt an den. Tag gelegt haben, könnte Mussolini   es In dem Augenblick seines Rücktrittes hat ruhig riskieren, morgen Dalmatien   oder Kreta Masaryk mit dem Mut, der ihn stets ausgezeichnet zu verlangen und es zu besetzen; nach einigen hat, sich nicht gescheut, zu sagen, wen er für Sanktionsdrohungen des Bundes würde er es geeignet hält, sein Nachfolger zu werden. Er hat auch einstecken. Allerdings scheinen, wie gewisse es nicht mit der Geste des Diktators militärische Beratungen zwischen Bukarest  - Bel- gesagt, sondern schlicht und eins grad Angora und Athen   beweisen, die südost- fach getan: europäischen Mächte entschloffen zu sein, sich, ohne allzufehr auf Genf   zu vertrauen, selbst ihrer Haut gegen Mussolini   zu wehren.

,, Verrat am Völkerbund"

Gerne möchte ich Ihnen noch sagen, daß ich als meinen Nachfolger Dr. Beneš empfehle. Ich habe mit ihm jenseits der Grenzen und zu Hause gearbeitet und ich kenne ihn.

Linz.( E. B.) Die Drosselungen der Bun­desregierung bei dem neuen Bundesbudget haben großen Unwillen bei einem Teil der Wehrmacht  ausgelöst. In Enns   in Oberösterreich   kam es Samstag abend zu einer Revolte. Die Sache be­gann in den verschiedenen Kaffeehäusern und Gaststätten, dort wurden Sprechchöre aufgefagt, darunter ,, Wo gehört der Starhemberg hin?" ., In die Würscht". Alle möglichen Aeußerungen wurden über das herrschende System gemacht. Masaryk   hat dieser Empfehlung keine Yange Dann zogen Soldaten auf den Stadtplatz und Begründung gegeben, um so tiefer muß der Ein­forderten durch lautes Geschrei, daß der Bürger­druck sein, der sie macht. Ist die Bewunderung, die meister von Enns  , der Fabrikant Eisenbeiß auf­wir für Masaryks Wirken und Persönlichkeit haben, echt dann muß in uns auch die Ueber­gehängt werden müsse. Die Situation war sehr wäre nach dem Negus die Annahme des Planes brenzlig. Um halb 19 Uhr wurde Alarm gebla­zeugung felsenfest sein, daß niemandande rer die Tradition Masaryks bes fen und der Oeffentlichkeit gegenüber erklärt, daß Dessie. Kaiser Haile Selassie   gab heute benflugzeuge zit je drei Motoren am 14. Dezemer wahren, daß niemand anderer besser in das Fliegeralarm sei. Eine Reihe von Soldaten hatten ihre Medaillen und Scharfschützenschnüre einem Vertreter des Reuterbüros eine wichtige ber morgens in Lughforrandi gestartet sind und die Operationsbasis des Ras Desta in Nag zum Fenster der Kaserne hinausgeworfen. Die Erklärung ab. Er führte u. a. aus: helli rund 300 Kilometer nordöstlich von Dolo Nädelsführer, darunter einige Offiziere, wurden mit Bomben belegt haben. Die Piloten, die an verhaftet und befinden sich in der Schloßkaserne in dem Bombardement teilnahmen, melden, daß die Linz  . In Linz   geht die Polizei mit Doppelposten. Armee des Ras Desta deutlich im Vormarsch be­Das Militär soll eine außergewöhnliche Auszah= griffen ist, wen sie auch nur langsam vorrückt. Tung erhalten haben. Die Bombardierungsflugzeuge haben den Abei siniern mit großen und kleinen Bomben beträcht­liche Verluste zugefügt.

Neuer Gesandter Hitlers Berlin.( DNB) Reichskanzler Hitler   hat den Gesandten in Athen  , Dr. Eisenlohr, zum Ge­

sandten in Prag   ernannt.

Spanien   vor Neuwahlen

Madrid  . Durch eine Regierungsverordnung werden die Cortes bis Ende Dezember vertagt. Es wird behauptet, daß die neue Regierung Por­tela- Valladares die Absicht verfolgt, am 2. Jän­ner die Cortes aufzulösen und Neuwahlen für Ende Feber auszuschreiben. Das neue Parlament würde dann Mitte März zusam­mentreten.

Die neue Regierung beabsichtigt. die Presse­zensur aufzuheben und auch die gewählten Stadt­bertretungen, die durch amtliche Stommissionen ersetzt werden, wieder in ihr Amt einzusetzen. Durch diese Maßnahmen soll Spanien   allmählich wieder zu demokratischen Freiheiten zurückkehren.

Neue Krise in Athen Athen  

. Hier ist eine neue politische Krise ausgebrochen. Die Volkspartei hat durch eine Unterschriftenaktion die Einberufung der Natio nalversammlung für Mittwoch durchge= sezt. Anscheinend wird es zu dieser Sizung troz dem nicht kommen, da die Regierung ent=

Wenn wir

und wäre es auch nur im Prinzip den britisch- französischen Vorschlägen zustimmen würden, so würde dies einen Ver rat am Völkerbund und an allen den­jenigen Staaten bedeuten, welche der Meinung waren, daß sie künftighin Vertrauen zum System der kollektiven Sicherheit haben können. Die fran­ zösisch  - englischen Vorschläge sind den Augen der Abessinier eine Verleugnung der Grundsäße, auf

denen der Völkerbund aufgebaut ist. Bugunsten desjenigen Staates, der Abessinien angegriffen

Englische   Soldaten in Kairo   angefallen

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Masaryks hohem Geist und edlem Wollen den Staat führen wird, als eben der, den Masaryk selbst empfiehlt. Beneš   ist der Schüler Masaryks, und zwar dessen bedeutendster, Beneš   hat in enger Gemeinschaft mit Masaryt seit jenem berühmten Spaziergang auf dem Belvedere im Herbst 1914

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- also durch volle 21 Jahre gearbeitet eine Persönlichkeit in der Re pub Iit ist mehr Geist vom Geiste dieses Großen als Eduard Beneš  . Schon deswegen, weil Beneš   als Präsident die beste, ja einzige Gewähr dafür bietet, daß auf der Prager Burg   der Geist der Humanität, der edelsten Menschlichkeit des ersten Präsidenten hat, würden abessinische Gebiete abgetrennt wer= weiter seine Heimstätte haben wird, werden die den und ihre Selbständigkeit verlieren. Die fran Kairo  . Wie erst nachträglich bekannt wird, deutschen   Sozialdemokraten aus den Tiefen zösisch- britischen Vorschläge. lassen es zu, daß es ist es Samstag zu einem schweren Zwischen der lleberzeugung, mit der sie Sozialisten den Abessiniern untersagt wird, frei an der wirt fall gekommen, als sich eine Gruppe von Demon- find und aus dem gläubigen Hoffen auf eine schaftlichen Entwicklung des Landes mitzuarbei- stranten gegen englische Soldaten bessere menschlichere Gesellschaft für Eduard ten. Diese Aufgabe wird vielmehr dem Feinde wendete. Durch diplomatische Vorstellungen beim Beneš ihre Stimmen abgeben. Abessiniens übertragen, der nunmehr bereits zum Ministerpräsidenten wurden Schutzmaßnahmen Wir wählen aber Beneš noch aus anderen für die englischen Soldaten und für die Aus- Gründen: Beneš ist der Friede. Es gibt zweiten Male versucht. Abessinien zu erobern. länder gefordert. Der Ministerpräsident unter wohl für die Kulturwelt nichts Grauenvolleres als Eine Regelung auf der Grundlage dieser richtete den Führer der Wafd- Partei und dieser einen fünftigen europäischen   Krieg, der das Ende Vorschläge würde eine Prä mie für den erklärte den Studentengruppen, daß ein solcher der Zivilisation dieses alten Erdteils und gerade Angreife und eine Prämie für Vorfall ein Verbrechen am Water für die Tschechoslowakei   die infolge ihrer zen­die Verlegung internationa= lande sei. Die Kundgebungen müßten ein tralen Lage das Belgien   und Serbien   des kom­ler Verplichtungen bedeuten. Die Ende nehmen und die weitere Arbeit den Aelteren menden Krieges werden kann ein Meer von Lebensinteressen Abessiniens find bedroht und überlassen werden. Die Studenten versprachen, Blut und Tränen bedeuten würde. Mögen die für uns genießen diese Lebensinteressen den auf ihre Kameraden in diesem Sinne einzuwir- Barbaren um uns mit dem Gedanken eines Krie­Vorzug vor allem anderen. Als wir unseren ken. Am Sonntag früh begannen jedoch die Kund- ges spielen, mag der Fascismus im Norden und Beschluß faßten, haben wir auch nicht außergebungen von neuem. acht gelassen, daß die Sicherheit anderer kleiner und schwacher Staaten zweifelhaft wird, wenn ein Land, das vom Völkerbund als Angreifer gebrandmarkt wurde, noch belohnt wer­den sollte, und zwar auf Kosten desjenigen Landes, welches das Opfer dieses Angriffes

wurde.

Die Autonomisten vor Tientsin  

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Süden den Krieg als Mittel betrachten, der Ab­rechnung im Innern zu entgehen, wir werden mit all den Kräften, die uns unser Ideal gibt, daran arbeiten, zu verhindern, daß die Menschheit in die barer Nähe der Stadt Tientsin   wurde von Miliz päer müssen wir die Politik des Friedens und der Tientsin. Der Hafen Tangku in unmittel Hölle eines Krieges taumelt. Als wirkliche Euro­unter dem Kommando Yinjukens besetzt, der am Zusammenarbeit der Völfer unterstüßen, welche 25. November die autonome Regierung der de- Beneš als Außenminister betrieben hat und die er militarisierten Zone von Tschahar bildete. Aus auch als Präsident weiterführen wird. Eine chinesischer Quelle wird gemeldet, daß es zur Be- wahl Beneš 3 zum Präsidenten setzung dieses Hafens nach einem furzen bedeutet estigung des Friedens Kampfe mit dem kürzlich zum Gouverneur und der Zusammenarbeit der Völ von Honan   ernannten Tschanschen kam, wobei ter. London  . Der Berichterstatter des Reuter- auf beiden Seiten Verluste verzeichnet wurden. Ebenso wird eine Wahl des gegenwärtigen Büros, der an der Südfront mit der italienischen Die Truppen Tschantschens zogen sich in der Rich- Außenministers eine weitere Befestigung der Armee vorgeht, depeschiert, daß 15 große Bom- tung nach Tagku zurück. Demokratie und der Verfassung der Republik   be­

Der Kaiser erklärte schließlich nochmals, daß Schloßen ut, vorher' die Nationalversammlung er bereit ſei, jede rug e Lösung des Ston­aufzulösen und für April Neuwahlen auszu- flittes zu erleichtern. schreiben. Andernfalls will die Regierung die Des mission geben. Die Entscheidung liegt beim Stö­nig, der dem Ministerpräsidenten mitgeteilt h.rt. daß er sich eine endgültige Antwort bis Dienstag

vorbehalte.

Neuer Fliegerangriff