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IENTRALORGAN PER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung präg xiufochova a. Telefon sott. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

15> Jahrgang

Samstag, 21. Dezember 1935

Nr. 297

Segen den faschistischen Eroberungskrieg (I. I.) Die Antikriegskommission der Sozialistischen Arbeiter-Internationale und des Internationalen Gewerkschaftsbundes hielt am 17. Dezember in Paris unter dem Vorsitz von Louis de Brouckäre und Löon Jouhaux eine Sitzung ab, in der folgende Kundgebung beschlossen wurde:

Eine Schicksalsstunde ist für den Völker­bund gekommen. Er hat z« entscheiden, ob seine Satzungen Wirklichkeit werden solle«, ob die historisch« Wendung, die die Aechtung und Be, strafnng jedes Versuches eines Erobernngskrie- ges bedeutet, sich vollziehen wird oder ob die Menschheit zn dem alte» System der Raubkriege zurückkehren soll. Der Vorschlag Laval-Hoare ist auf­gebaut auf de« alte« Grundsätze« im­perialistischer Eroberungs­politik, er gibt dem von aller Welt festge­stellte« Aagreiferfürdenzyui- schcnBruchdes Völkerbundpak­tes eine Belohnnng au neuem Land und wirtschaftliche« Einflußsphären. Das Antikriegskomitee des JGBund der CAI, das sich am 17. Dezember in Paris ver­sammelt hat, fordert den Völkerbund«nd alle seine Mitglieder in dieser Schicksalsstunde auf, unverbrüchlich festzuhalte« an der Anwendung entscheidender Sanktionen ge­gen den imperialistischen Angriff, den der italie- »ischc Faschismus unternommen hat. Der ZGB »ad die SAJ habe» immer wieder den Willen der internationalen Arbeiterklaffe zum Ausdruck gebracht, die Sanktionen gegen die Friedensbrr- cher mit alle« ihr zur Verfügung steheude« Mit­tel« z« unterstützen."

Ehrung Masaryks einstimmig angenommen

Prag . Im Abgeordnetenhaus wurde am Freitag die Ehrung Masaryks durch ein eigenes Gesetz in feierlicher Weise angenommen, wobei alle Anwesenden dafür stimmten. Lediglich die Kommunisten und die Ungarn hatten sich vorher entfernt. Im Abgrordnetenhause hatte sich zu diesem Zwecke die gesamte Regierung mit Dr. H o d j u an der Spitze ringefundrn. Als der Referent Dr. Patejdl den Bericht erstattete und die Vorlage in der bereits mitgeteilten Fassung des Berfas- sungsansschusses empfahl, hörten alle Anwesenden das Referat stehend an und quittierten es mit rauschendem Beifall. Dr. Bat es dl gab in schlichten Worten der tiefen Trauer der Bevölkerung über den Rücktritts­beschluß Masaryks Ausdruck. Das Volk ehre jedoch diesen Entschluß und wünsche aus ganzem Herzen, daß Masaryk jetzt nach 21 jähriger rastloser und auf­reibender Arbeit ausruhen, seine Kräfte erneuern »nd so ein gesegnetes Alter bis an die äußersten Grenzen des Menschenlebens verbringen könne. Die Entscheidung des ersten Präsidenten, sagte Dr. Pa­tejdl, ist die stolze Tat eines echten De­mokraten. Hat' sich der gesunde Präsident der erhabenen Staatsidee geopfert, die er selbst begrün­det und formuliert hat, opfert sich nun der physisch Geschwächte neuerdings dieser Idee, damit sein Nachfolger, ein Mann in der Vollkraft seiner Jahre, ihr zum weiteren Sieg^ verhelfen kann. Was für ein Beispiel für^rlle und für jeden l Patejdl zitierte-eiter eine ergreifende Wür­digung Masaryks durch dasE.ch o d t Parin" und begründet dann kurz die Vorlage, die die Dank­barkeit des tschechoslowakischen Volkes und auch der andern Nationen für ewige Zeiten Ausdruck geben soll.

Auch der zweite Referent, Prof. B r d l i k, würdigte in herzlichen Worten Masaryks Verdienste und hob namentlich den Entschluß des 63jährigen Philosophen und Kämpfers für Recht und Gerechtig­keit hervor, ins Ausland zu gehen, um seinem Üolk die Freiheit zu erkämpfen. Masäryk möge nach den Stürmen seines Lebens in Ruhe harmonische Tage verleben, Zeiten echten menschlichen Glücks, ange­messen dem unsterblichen Werk, das im Abstand der Zeit nur noch mehr hervorleuchten und das die Ge­schichte der Nation für immer würdigen wird. Die Sudetendeutsche Partei hielt es nach den vielen Fehlschlägen ihrer Politik in den letzten Wochen und Tagen für sehr angezeigt, diesnial nicht wieder durch Absenz von der allgemeinen, allen vom Herzen kommenden Huldigung für Ma­ saryk unangenehm aufzufällen., Statt aber still­schweigend für die Ehrung des großen Staats­präsidenten zu stimmen, dem sie ja ihre Verehrung schon früher in einer Reihe protziger Telegramme zum Ausdruck gebracht hatten, schickten sie Herrn Dr. Zippelius vor, der erst, großartig ankündigte, daß auch sie für die Ehrung stimmen würden. Um ja gegenüber ihren' Anhängern draußen ge­deckt zu sein, beriefen sie sich auf die Stelle in der Abdikationserklärung Masaryks, worin von der Gerechtigkeit gegenüber den Bürgern aller Natio­nen die Rede ist, und auf die Amnestie. Die Herren haben auch mit dieser theatrali­schen Pose den erwünschten Zweck nicht erreicht. Nach den Ereignissen der letzten Tage ist es jeder­mann klar, daß sie setzt einfach auf jede nur mög­liche Weise den längst und gründlich verpaßten Ansöbluß wieder erreichen möchten. Das ist ihnen auch heute nicht gelungen!

Erfolg rechnen können. Nach abgeschlossener Debatte lehnte das Un­terhaus den Mißtrauenöantrag der Arbeiterpar­tei mit 367 gegen 165 Stimmen ab. Hierauf schritt das Unterhaus zu einer zwei­ten Abstimmung über den von der Regierung ge­billigten Abänderungsantrag des Konservativen Lord W i a t e r t o n, der mit 390 gegen 165 Stimmen angenommen wurde. In diesem Antrag heißt es u. a daß alle Be­dingungen für emr Regelung des italienisch-abes­sinischen Konflittes dergestalt sein müssen, daß sie der Völkerbund annehme» kann.

unternehmen würde, dann ist Großbritannien be­reit, die Auferlegung von Naphthasanktionen zu billigen." Chamberlain erklärte hierauf, daß die Ge­rüchte von einer beabsichtigten Reform des Völ­kerbundes, von denen Dalton sprach, vollkommen unbegründet sind und fügte hinzu, es dürfe nicht vergessen werden, daß die letzte Sanktion

General Grazlani in Gefahr (AP) Auf dem abessinischen Kriegsschau­platz verlagert sich das Interesse mehr und mehr vom Norden nach dem Süden. Man neigt im­mer stäicker der Ansicht zu, daß der nächste Schlag in O g a d e n fallen wird. Vom Hafen Zeila (Britisch-Somaliland ) wird alles Kriegsmaterial über Dschidischiga nach dem Süden geschafft. Rüstet sich der dortige Oberkommandeur, W e h i b Pascha, zur Entscheidungsschlacht? Graziani befindet sich demgegenüber in einer nicht leichten Situation. Seine Truppen sind über eine-:el zu breite Front verteilt nnd daher nicht in fester Fühlung miteinander,' so daß der Zusammenhang schon an manchen Stellen zerrissen ist. Mtt 40.000 Mann kann Graziani aber keine Front von 700 Kilometer halten. Er hatte sowohl im Südwestrn in Dolo dem Ras Desta Damptu und im No d- osten am Haud dem Ras Aptr Mikael» der die Autostraße ZeilaDschidschiga zu sichern hat, ent- gcgcntrcten wollen, und sich dadurch verzettelt. Aber er fürchtet die Gefahr der Uebcrflügelung. Diele Taktik erleichtert jedoch Wehib Pascha die Möglichkeit eines Durchbruchs.

1 kerbundmächte nicht derart gerüstet sein werden,

Auch die Lords gegen den Laval-Plan London . Das Oberhaus nahm am Ende sei­ner gestrigen Aussprache ohne Abstimmung den Antrag des Lord Davies an, in dem es heißt, daß die Pariser Friedensvorschläge unannehmbar seien und daß die Regierung zu ihrer bei den Neuwahlen vertretenen Politik zurückkehren solle.

Vor großen Kämpfen an der Nordfront L o n d o n.(Reuter.) Da die Pariser Frie- deusvorschläge, die an und für sich a priori un ­annehmbar waren, jetzt vom rngl. Ministerprä- sideuten Baldwin als tot erklärt wurden, herrscht, in Abessinien die Neberzrugung vor, daß in der' Raphthasanktioneu:Wenn der Völkerbund dar- «ächsten Zeit eine Verstärkung der feindlichen- über entscheiden wird und wenn wir überzeug« Tätigkeit erwartet werden kann. Donnerstag; sein werden, daß alle Mitglieder des Bölkerbun- vormittags überflogen fünf italienische Flug- des, welche Naphthalieferanten find, nicht nur be- zeuge, die in der Richtung von Assad kamen, den! reit sind, die Versicherung zu geben, sondern sich Haik-See. Der abessinische Kaiser hatte den See' auch tatsächlich an dem Widerstand zu beteiligen, in der vergangenen Woche besucht und in Dessir j wenn Italien einen Angriff auf SanktionSländer herrscht die Ansicht vor, daß die italienischen Flüge zu dem See den Zweck haben, die Bewe ­gungen des Kaisers festzustellen, der sich in der nächsten Zeit an die Nordfront begeben will. Es werden jeden Augenblick neue Angriffe der Abes ­sinier an der Rordfront erwartet. Die italieni ­schen Flugzeuge verfolgen sorgfältig jede Bewe ­gung der abessinischen Streitkräfte. Aus verschie ­denen Teilen der Provinz Tigre werden Anflüge des Völkerbundes eine Drohung «nd die Bombardierung abessinischer Abteil»«-1 der Mächte sein müsse,«nd solange die Böl gen gemeldet.

Laval will nicht welchen P a r i s. Der Umstand, daß sowohl das brttische Kabinett als auch der Bölkerbundrat die französisch-britischen Vorschläge fallen gelassen hat, an deren Ausarbeitung Laval den Haupt­anteil hatte, wird an französischen Regierungs­stellen keineswegs als eine ernste oder gar persönliche Niederlage des Minister­präsidenten Laval angesehen. Man erklärt viel­mehr, daß dieser Mißerfolg nurein klei­nes Glied in der Kette der hartnäckigen Bestrebungen darstellt» welche Laval zur friedli­chen Beilegung des italienisch-abessinischen Kon­fliktes entfaltet»«nd daß ihn dieser Mißerfolg nicht abschrrcken kann. Laval ist entschlossen, sich Freitag der Kammer bei der außenpolitischen De­batte zu stellen. Die Linke ist neuerlich sehr un­zufrieden und führt gegen die Regierung aber­mals eine heftige Kampagne.

Was geschieht Wenn Italien England angreift London .(Reuter.) In der Debatte im i daß sie imstande sind, sich jedem Angreifer ent- Unterhaus meldete sich ferner der ehemalige Un- gegenzustellen, werden sie nicht auf einen vollen terstaatssekrctär des Außenministeriums Dal- ton zum Wort, der u. a. erklärte:Die Bertei-| ! digung der Tätigkeit der Regierung seitens des> ! Ministerpräsidenten Baldwin war durchaus nicht ! überzeugend, ja direkt verlege». Leider muß ge- }sagt werden, daß der Eindruck stark zugenommen\ I hat, daß das freie Großbritannien tot dem faschistischenJtalien ! Angsthat. Talton stellte die Frage, ob Groß ­britannien bereit sei, sich weiterhin für eine Oel- sperre einzusetzrn.Ferner wünschen wir zu wis ­sen," fuhr Dalton fort,ob es ein Teil der bri ­tischen Politik ist» nichts zu tun» was das faschi­stische Regime in Italien bedrohen könnte." Für die Regierung antwortete ihm Ne ­ville Chamberlain, der erklärte, daß britischerseits bei den Regierungen der Mächte in dem Sinne angefragt worden sei, daß sie erklä ­ren, was sie tun würden, wenn Italien Großbri ­tannien angreifen würde. Chamberlain fügte so ­fort hinzu, daß sich diese Gefahr nur auf das Mittelmerr beziehen kann.Für«ns ist es wich ­tig," sagte Chamberlain»nur zu wissen» was die Mittelmeermächte tun würden. Die Antwor­ten haben uns bisher nicht befriedigt." Chamberlain erklärte dann hinsichtlich der Storm

über Asien Von Lotus de Brockere, Vorsitzender der Sozialistischen Arbeiter-Internationale Noch immer schwebt der Weltfriede infolge Mussolinis afrikanischem Abenteuer in schwerer Gefahr. Zugleich aber zeigt sich eine noch ernstere Bedrohung im Fernen Osten und fordert unsere vollste Aufmerksamkeit, Die Einzelheiten der jüngsten Ereignisse in Nordchina sind uns wenig bekannt. Es gab so viele Erklärungen und Gegenerklärungen, die poli­tische Verwirrung ist groß, daß niemand-mehr genau weiß, unter wessen Herrschaft sich die Nord­provinzen insgesamt, jede für sich und jede ihrer Teile befinden. Selbst an Ort und Stelle dürfte es schwer sein, sich die wirkliche Situation klar zu machen. Immerhin drängen sich einige offenbar zu­treffende Feststellungen auf. Wer die autonomi- sttsche Bewegung ausschließlich für ein ja­panisches Manöver ansieht, würde völlig irre­gehen. Zwischen hem Norden und dem Süden gibt es ernste Differenzen in Interesse und Kul­tur. Sie haben in der ganzen Geschichtsperiode wichtige politische Folgen gehabt und seit dem Be­ginn der Revolution scheint sich der Dualismus nicht abgeschwächt zu haben. Das vorausgeschickt, wäre es kindliche Naivität, wenn man nicht er­kennen wollte , daß Japan alles tüt, um diese heikle Lage zu seinen Gunsten auszubeuten . Japan hat sich nicht mit jener Propaganda von außen her begnügt, die so viele Staaten bei ihren Nachbarn, unterhalten. Es greift immer wieder militärisch ein. Japanische Regi­menter marschieren in die Gegenden, btt vom Autonomismus zersetzt sind. Die Gegner Nan­kings operieren unter dem Schutz japanischer Ba­jonette, meist mit politischer, administrattver, höchstwahrscheinlich auch finanzieller Unterstützung Japans. Ganz offenkundig stehen wir vor einem großen Vormarsch der japanischen Armee auf dem Festland, gedeckt, vorbereitet, wie es immer mehr der Brauch wird, durch eine Reihe sehr geschickter politischer Operationen . Japan hat,jetzt seine Batterien demaskiert. Fast offen trotz ter ganz formalen politischen Dementis verfolgt es seine alten Pläne. Und seine Bewegungen wären schwer verständlich, wenn es sich nicht dar­auf vorbereitete, sobald die Grundlagen für ein I Vorgehen solchen Umfangs gestöbert sind, seine Macht bis ins Herz Chinas und Sibi- I r i e n 8 vorzuschieben. Wobei allerdings die Frage (rkfen bleibt, ob eine von Schwierigkeiten so er­füllte Unternehmung gelingen kannl Ich bin ein wenig erstaunt, wenn ich höre, wie viele Leute Japans Erfolg für absolut sicher halten. Sie sttitzen sich auf die militariche Schwäche Chinas, die Energie der javanischen Aktion,1>ie Opfer, zu denen eine allmächtige Herr­scherkaste eine völlig unterworfene Nation zwingen kann. Sie stützen sich vor allem aus die jüngiten Ereignisse . Da es Japan gelungen ist oder gelungen zu sein scheint Mandschükuo zu er­obern, so schließt man, daß ihm überall alles ge­lingen wird. Bei näherer Ueberlegung bemerkt man aber, daß der Erfolg der japanischen Pläne weder so leicht noch so eindeutig sicher ist. Es ist recht schwer, China zu erobern, wie das die Ereignisse so oft bewiesen haben. Kein Land der Erde hat eine solche Fähigkeit, sich den Sieger zu assimi­lieren. Als die Mandschus China besiegten, ver­schwanden sie wie von der niedergeworfenen Be­völkerung verschluckt. Die chinesische Zivilisation, Sprache und Interessen hatten bald die Oberhand, kn der Mandschurei ebenso wie im eigentlichen China. Kundige Beobachter haben mir gelugt, daß man im neuen Staat Mandschukuo bereits die ersten Symptome eines ähnlichen Vorgangs fest- 1 stellen könne und die Japaner mit allen ihren Sol­daten, BerwaltungSbeamten, Kaufleuten. Sied­lern, die sie dorthin entsenden, um sich die soziale | Vormachtstellung im Lande zu sichern, nicht Wenin [zu tun haben, um dem langsamen aber un­widerstehlichen Vordringen des chinesischenBauern Widerstand zu leisten. Wer unter den japanischen Staatsmännern wirklich an die Zukunft denkt, hat nicht wenig Grund zur Sorge. Die Japaner find' keineswegs die gesicherten Herren Mandschukuoö. Ihre Ar-