Sosialdemokra

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077.

15. Jahrgang

Passive Resistenz der Bauern

Die Gestapo   wird mobilisiert

Berlin.  ( Tsch. P. B.) Zahlreiche Bauern betreiben eine passive Resistenz gegen die Regierungsverordnung über die Ablieferung ber Milch in die Molkereien zwecks Erzeugung von Butter und Käse. Minister Göring   hat die Geheime Staatspolizei   beauftragt, gegen diese Bauernschaftscharfeinzuschreiten. Ein Bauer wurde verhaftet, angeblich, um den übrigen ein warnendes Beispiel zu geben. Deutschland   führt Fettkarten ein

"

Die Prager Presse" meldet aus Berlin  : Freitag wurden in Berlin   die schon seit langem erwarteten Fettkarten eingeführt. Sie sind von der Fleisch erinnung Berlin   ausgestelt. Die Kunden müssen, bevor sie die Karten ausge­folgt erhalten, eine schriftliche Erklärung abgeben, in der sie sich verpflichten, ihren Fettbedarf nur bei einem einzigen Fleischer zu decken. Einzel­personen erhalten von nun ab wöchentlich ein Biertelpfund, eine vierköpfige Familie dreiviertel Pfund Fett.

Huldigung

HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

Sonntag, 22. Dezember 1935

Reumütige Rückkehr

zur Politik der Sanktionen

Befriedigende Zusicherungen der Mittelmeerstaaten

London  . In London   wurde nunmehr offiziell bekanntgegeben, daß am 8. Dezember die kompetenten diplomatischen Vertreter Englands bei den im Mittelmeer   interessierten Staaten, d. i. bei der Türkei  , Jugoslawien  , Griechenland   und Spanien  , Demarchen unternommen haben, um sich ihres Versprechens zu versichern, daß sie mit allen Seestreitkräften der englischen Flotte augenblicklich zu Hilfe eilen würden, falls diese von der italienischen Flotte im Gefolge einer strengen Durchführung der Sanktionen überfallen werden sollte.

Es wird hinzugefügt, daß die britischen diplomatischen Vertreter eine befriedi gende Antwort erhalten haben. Es sei anzunehmen, daß ein Austausch der Ansichten werde fortgesetzt werden, um die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen sowohl auf der einen, wie auf der anderen Seite zu erhöhen, damit es möglich wäre, unverzüglich einzugreifen, falls es zu irgendeinem unerwarteten Angriff auf die im Mittelmeer  konzentrierte britische Flotte kommen sollte.

Rumänien   wurde von diesen Demar chen benachrichtigt, wie dies aus seiner Stellung als Signatar des Balkanpaktes hervorgeht.

Schazkanzler Chamberlain erklärte am plebiszit einen imposanten Beweis seines Willens Freitag in Birmingham   zu den Pariser Friedens- 8 um Widerstand und zum Siege vorschlägen: gcbe.

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto).

Nr. 298

Präsidentenwahlen

Von Friedrich Stampfer  

Alle Freunde der Freiheit in Europa   fönnen fich dazu beglückwünschen, das Dr. Eduard Beneš  zum Präsidenten der Tschechoslowakischen Repu blik gewählt worden ist. Es hat Augenblicke des Zweifels und der Sorge gegeben. Mit desto grö­Berer Befriedigung sah man dann aber das tsche= chische Volk den Weg der Demokratie fest und ruhig weiterschreiten. Wäre Neid nicht etwas sehr Unvernünftiges als Deutscher könnte man neidisch werden.

Die Tschechen haben mit sicherem Instinkt erfaßt, was sehr vielen Deutschen   noch nicht auf­gegangen ist: nämlich daß an die Spiße einer Republik nur ein zuverlässiger Republikaner ge= hört und daß man mit dem höchsten politischen Amt nur einen Mann betrauen darf, der poli­tisches Wissen, politische Erfahrung und politis schen Charakter besißt. Hätten die Deutschen   all­gemein diese einfache Wahrheit begriffen, so wären sie heute noch freie Menschen. Weil sie es nicht fonnten, sind sie jest wehrlose Gefangene. einer Räuberbande.

die Tschechen bisher abgelegt haben, kann man Nach den Proben politischer Begabung, die ihnen wohl zutrauen, daß sie auch in direkter Wolfswahl den richtigen Mann gefunden haben würden. Dennoch ist es besser, daß die Verfass sung der Tschechoslowakischen Republik solche Ex­

,, Diese Vorschläge sind nunmehr Die nächste Sitzung des Großen faschistischen tot. Sie sind ganz und gar tot Rates findet am 18. Jänner 1936 statt. und wurden in Genf   bereits begraben. Italienische Verstärkungen perimente nicht fennt.

Sie werden niemals mehr zum Leben

nach Libyen  

In Deutschland   hat nur eine bernünftige, der Prager   Bevölkerung erweckt werden, und für den gegen Präsidentenwahl stattgefunden. Das war die. Dreimal so stark als die Engländer Eberts durch die Nationalversammlung   im Prag  . Die von der Legionärgemeinde nwärtigen Augenblick glaube ich, daß In Aegypten  Jahre 1919. In einer Volkswahl wäre Ebert geregte Huldigung der Prager   Bevölkerung für alle Versöhnungsversuche im italie. ben neuen Präsidenten der Republik nahm einen nisch- abessinischen Konflikt als z to e ck- Nachrichten aus Italien   zufolge werde zurzeit Volles war noch nicht sozialistisch, die bürgerli London  . Daily Telegraph  " meldet: faum durchgekommen, denn die Mehrheit des würdigen Verlauf. Der Umzug wurde vom Pci­mator Dr. Bara in einer von zwei Schimmeln los angesehen werden müssen. die baldige Entfendung einer weiteren me- chen Wähler aber waren auch nicht mit zehn gezogenen Festfutsche eröffnet. Es folgten die Wir müssen daher zur Politik chanisierten Division nach Bang- Pferden für einen ,, Roten  " an die Urne zu brin Mitglieder des Stadtrates, das Präsidium der der Sanktionen zurück. basi an der Libyschen   Küste vorbereitet. Die gen. Auf ähnliche Schwierigkeiten stieß aus Legionärgemeinde, Legionäre in Uniform, Natio- ke hren und ich hoffe, die Mitglie augenblickliche genaue Stärke der italienischen Gründen des furor protestanticus ein katholi­nalgarde, Feuerwehr, die Prager   Gemeindeange der des Völkerbundes werden beweis Streitkräfte in Libyen   sei schwer zu berechnen. scher Zentrumsmann. Für einen aufrichtigen Res stellten, Stauts, Eisenbahner und Poſtler, sowie sen, daß sie bereit sind, alle Maßnah. Die Hauptmasse der italienischen   Streitkräfte sei publikaner waren bei einer Volkswahl die Aus­eine große Vollsmenge und Angehörige verschie men zu treffen, um sich wirksam gegen man sage, daß sie ungefähr dreimalio längs der ägyptischen Grenze versammelt und sichten ungünstig. dener politischer Parteien. Auf dem Wege zur Wenn trotzdem die Volkswahl beschlossen Burg bildete, die Bevölkerung dichtes Spalier. einen jeden Angriff gegen irgendeinen ſtart ſei wie die gesamten britischen   Streit- und in die Verfassung aufgenommen wurde, so Als die Spitze des Zuges im dritten Burghof aus ihren Reihen zu stellen. Ich bin träfte in Aegypten  . lag das an dem doktrinären Eifer, mit dem der eingetroffen war, wurde eine Deputation überzeugt, mich darin nicht zu irren." demokratische Innenminister Hugo Pre u ß diese gum Präsidenten entsendet. Präsident Dr. Be seine Lieblingsidee verteidigte, und an der Ent­Paris. Wie das Blatt ,, L'Oeuvre" er= neš fagte der Deputation u. a.: schiedenheit, mit der die Rechte ihn dabei unters fährt, steht das britische   Kabinett dem Plane Paris  . Dem New York Herald  " zufolge stützte. Obwohl sie schon damals reichlich anti­günstig gegenüber, eine außerordentliche habe der Negus bereits ver drei Monaten einen semitisch war, scheute sie sich gar nicht, das Got­Sitzung des Völkerbundsrates einzuberufen, bei Versöhnungsplan zur Regelung des italienisch- tesgeschenk des Plebiszits aus den Händen eines welcher die Frage der gegenseitigen Hilfeleistung abessinischen Konfliktes ausgearbeitet und warte Juden entgegenzunehmen. In der Weimarer eine öffentliche Zustimmung erhalten würde. Diese das Ersuchen der Großmächte ab, auch seine Stoalition gab es Bestrebungen, den Fehler wies Ratssitzung könnte etwa den 10. Jänner Ansicht auszusprechen. Nach diesem Plan würde der gutzumachen. Die Rechte erfuhr vorzeitig von stattfinden und würde dazu dienen, um die mo- Italien   im Norden Abessiniens die Zone zwischen ihnen, und sie oder ihr radikaler Flügel ralischen Kräfte aufzuweisen, mit Adua und Adigrat bis zu Makale ohne die Heis welchen der Völkerbund im gegebenen Falle dem lige Stadt Akjum, im Süden Abessiniens einen Staate entgegentreten könnte, der als Angreifer Teil des Ogaden- Gebietes erhalten. Abessinien erklärt würde. Es wäre dies eine Art moralischen würde auch einem Mandat des Völkerbundes zu Druckes auf die italienische Regierung, um sie zur stimmen. Italien   hätte jedoch dabei kein Vor­Bereitwilligkeit zu veranlassen, zu verhandeln zugsregime. oder wenigstens die europäische Ordnung nicht zu stören.

In diesen Tagen hat das Ausland gut und sehr sorgfältig auf uns geschaut. Wir kön­nen froh sein, daß wir uns doch nur bewährt und die Wahl einheitlich durchgeführt haben, obwohl wir uns zu dieser Einheit wenn nicht

durchkämpfen, so doch durch disputie­ren mußten. Er sei sich dessen bewußt, daß aller politischen Barteien, aller Klaffen und aller Nationalitä­sei, und werde darnach handeln.

er Präsident Aller

ten

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Nach dem Empfang der Deputation betrat Präsident Beneš mit seiner Begleitung und den Mitgliedern der Deputation den festlich ge schmückten und erleuchteten Balkon auf dem drit= ten Burghof. Die Manifestanten zogen dann fast eine Dreiviertelstunde an dem Präsidenten vor­bei und begrüßten begeistert den Präsidenten, der die Grüße erwiderte.

Diplomatenempfang auf der Burg

Parls verweist

auf seine frühere Antwort

Paris  . Die französischen amtlichen Stel­len haben bisher zu den diplomatischen Interven= tionen der britischen   Regierung bei den Mittel­meerstaaten noch nicht Stellung genommen. Es wird erklärt, daß es sich um keine neue Angelegenheit handelt und daß dies Brag. Die Mitglieder des Prager   diploma- Frankreich  , das in seinen Noten vom Oktober tischen Storps stellten sich Samstag mittags im Großbritannien   positiv und klar geant­Spiegelsaal der Prager Burg   dem neuen Präji wortet hat, welchen Standpunkt es in dem Falle, denten der Republik   vor. Insgesamt hatten sich daß die britische   Kriegsflotte angegriffen würde, 90 Diplomaten eingefunden. Präsident Dr. Benes   erschien in Begleitung des Ministerpräsi- einnehmen würde, eigentlich nicht mehr betrifft. denten und Außenministers Dr. Hodža, des Kanz lers Dr. Samál, des Generals Bláha und des Gesandten Strimpl.

Rom Rom  

bleibt siegesgewiß

Rom  . Dem amtlichen Bericht zufolge, bat Der apostolische Nuntius als Dohen vers der Große Rat am Freitag abends in dreistün­bolmetichte die Glückwünsche des diplomatischen diger Sizung die politische Lage geprüft, die nach Storps, worauf Präsident Dr. Benes dankte und der britischen   Veriverfung der Pariser   Vorschläge daran erinnerte, daß er 17 Jahre lang nahezu entstanden ist. Es wurde eine Resolution täglich mit den Mitgliedern des diplomatischen angenommen, in der erklärt wird, daß im Gegens satz zu der Westorientierung und den offenen Norps zusammengearbeitet habe. Er will

Ein Friedensplan des Negus?

Ja

Sir Samuel Hoare  ,

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schlug los. So elend der Kapp- Putsch   auch sonst zusammenkracht, er hat zwei politische Erfolge gehabt, die für Deutschland   verhängnisvoll wurden: Bayern   wurde das reaktionäre Nährs land der Hitlerei, und von einer Abschaffung der gefährlichen Wahl des Reichspräsidenten durch das Volk war fortan nicht mehr die Rede.

Sehr bald stellte sich heraus, daß das deut­ sche   Bürgertum und seine Mitläufer mit dem Recht der Volkswahl nichts Vernünftiges angus fangen wußten. Statt Umschau zu halten nach politisch erfahrenen Männen, die das Staats­schiff im Sturm zi. Tenken verstanden, suchten sie einen Führer und Retter, der mit übermensch lichen Eigenschaften ausgestattet war und Wuns der vollbringen konnte. Während in den ersten Friedensjahren der Staat verfiel, machte die ..Wirtschaft" an der Inflation Bombengeschäfte. Also schrieb man den Industrieherzögen" die mystischen Eigenschaften zu, die man vordem den Dynastien angedichtet hatte. Daß die erfolgreichen Wirtschaftsführer zumeist genau dieselben polis tischen Wickelfinder waren wie ihre Anheter, sah man nicht. So konnte ein C uno als Kanzler möglich werden, der den Ruhrkrieg begann und berlor.

Später, als die Geschäfte schlechter gingen, wandte sich der Heilandglaube wieder den Soldas ten zu. Stresemann   rang über die Kans didatur Hindenburgs die Hände. Er konnte sie nicht verhindern, und damit brach eigentlich schon 1925 das Unheil herein. Freund und Feind erwarteten von dieser Wahl entscheidende Ereignisse; daß sie jahrelang auss

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,, auf das Klarste betonen, daß der ganze Staat Differenzen in dem Lager der die Sanktionen und ich der von Masaryk   begründeten Tradi- durchführenden Länder das italienische Volf un­tion sowohl in der inneren als auch in der erschütterlich einig bleibe in der festen der zur Rettung des Kabinetts Baldwin geopfert blieben, war für alle eine große lleberraschung. Außenpolitik rene bleiben wollen." Berteidigung seiner Rechte und durch das Geld­

wurde

Der Grund lag darin, daß sich Deutschland