Nr. 299
DienStag, 24. Dezember 1938
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Die Sanierung der Bergarbeiter-Versicherung Im Zeldien der Solidarität and der Demokratie
Am Sonntag trat im Steinersaal des Lidobh düm in Prag   unter Vorsitz des Abgeord­neten Bro<sikdie gesamtstaatliche Konferenz der Bergarbeiterverbände zusammen, an der neben den Vertretern des Svaz hornikü und der anderen tschechischen Bergarbeiter-Organis-tionen auch die Delegierten der Uniost der Bergarbeiter und des Verbandes der christlichen Bergarbeiter teil­nahmen. Auf der Tagesordnung stand die Beschkuß- fasfung über die Sanierung der Bruderladen, für die eine von allen Bergarbeiterverbänden der Re­ publik   beschickte Kommission nach dreijähriger schwieriger Arbeit einen Entwurf ausgearbeitet hat, über den der Kommissionsvorsitzende Pro­fessor Dr. Schönbaum der Konferenz Bericht erstattete. Er erinnerte daran, daß im Jahre 1932, als die Sanierungskommission zusammentrat, die finanzielle Lage der Bergarbeiterversicherung unhal-tbar geworden war: sie konnte nur noch die Hälfte ihrer Verpflichtungen erfüllen und war für die andere Hälfte auf staatliche Zuschüsse an­gewiesen, für-die keine gesetzliche Grundlage gege­ben war. Die Kommission kam auf Grund ein­gehender statistischer Untersuchungen zu dem Schluß, daß die Sanierung nur durch Erhöhung der Versicherungsbeiträge seitens der Unternehmer und der Arbeiter möglich sei, wozu noch staatliche Zuschüsse und ein Sanierungszuschlag auf den Kohlenpreis treten mußten. Ursprünglich war auch eine Kürzung der angefallenen Renten um 29 Millionen vorgesehen, die nur durch eine weitere Beitragserhöhung um 7 Millionen verhindert werden konnte. Der Referent betonte mit beson­derem Nachdruck, daß die S o l i d a r i t ä t der in Arbeit stehenden Bergarbeiter mit ihren alten, tranken und invaliden Kameraden dazu geführt hat, daß diese weitere Bestragserhöhung be­schlossen wurde, die es ermöglicht, die Renten ungekürzt zu lassen. Neben diessm großen, durch Solidarität bewirkten Erfolg sei es in dem Entwurf gelungen, die S e l b ft ä n d i g- keitder Bergarbeiterversiche­rung für die Zukunft zu sichern, die fortschritt­lichen Bestimmungen des SozialversicherungS- gesetzeS auf sie anzuwenden und ihr durch Anleh­nung an die Zentralsozialversicherunq eine brei ­
tere Grundlage zu geben. Die Sanierung der Bruderladen, wie sie der Kommissionsentwurs vorsieht, sei für die Versicherten wesentlich g ü n st i g e r als die Bestimmungen» die man i n Deutschland   und Oesterreich zur Sanierung der Bergarbeiterversicherung getroffen habe. Die Vertreter der Bergarbeiterverbände leg­ten in der dann folgenden Aussprache ihren Standpunkt zu dem Kommissionsentwurf dar, den sic übereinstimmend als die bestmögliche Lösung des Sanierungsproblems bezeichneten. Genosse Haase, der für die Union der Bergarbeiter sprach, erklärte, daß der Entwurf zwar eine fühl- bare Belastung der Versicherten, eine Verschlech­terung der Bestimmungen über die Anrechnung der Krankheitsdauer und des Militärdienstes und auch eine Beschränkung des Einflusses der Ver­sicherten auf die Verwaltung vorsehe, daß eS ihm aber gelungen sei, die bisherigen An­sprüche der Versicherten und Provisionisten und die Unabhängigkeit der Versicherung aufrecht zuerhalten. Auch er betonte, daß die Vermeidung der Rentenkürzung, die früher oder später allen zugutekommen werde, durch einen Akt proletarischer Solidarität ermög­licht wurde. Er erinnerte an den Abbau der So­zialgesetzgebung in den undemokratisch regierten Nachbarländern und verband die Zustimmung zu dem Entwurf mit einem eindrucksvollen Be­kenntnis zur Demokratie. Die Konferenz faßte nach beendeter-Aus­sprache einmütig einen Beschluß, der den Ent­wurf gutheißt, auch wenn dieser der aktiven Mit­gliedschaft der Bruderladen die Bezahlung eines Sanierungsbeitrages in der Höhe von einem Pro­zent des Lohnes auferlegt. Es wurde einmütig hervorgehoben, daß, wenn die Bergarbeiterschaft dieses Opfer anerkennt, sie dies mit dem Gefühl der Solidarität zu ihren Kamera­den, den Provisionisten, tue, welche sehr schwer geschädigt würden, wenn ihre ohnehin niedrigen Renten herabgesetzt werden sollten. Die Vor­gangsweise der Gewerkschaftsvertreter in der Sanierungskommission wird gebilligt und der Er­wartung Ausdruck gegeben, daß die Regierung den Entwurf in kürzester Zeit bestätigen und für die Auszahlung der angefallenen Provisionen in der Uebergangszeit sorgen werde.
Die Kleinbauern zur Schuldenreselung Der Zentralverband der deutschen   Klein­bauern und Häusler   hat sich in einer Sitzung sei­nes Präsidiums eingehend mit der bevorstehen­den Schuldenregelung befaßt. Dabei hat er zwar die Absicht, den Forderungen der Kleinbauern Rechnung zu tragen, anerkannt, aber im Inter­esse einer Sicherung dieses Zieles im wesentlichen folgende Feststellungen gemacht: In die Schuldenregelung sind nicht nur Hy­pothekardarlehen, sondern auch Wechseldar­lehen einzubeziehen. Das Ausgleichsver­fahren soll nicht nur für mittlere und größere Landwirte, sondern auch für alle übrigen Besitz­kategorien einschließlich der arbeitslosen Häusler   Anwendung finden und es darf sich nicht nur auf Personalschulden beziehen, sondern im gleichen Ausmaß auch auf alleHypothe- kardarlehen. In das Verfahren sind die Forderungen des Staates ein­zubeziehen; Forderungen der Kleingewerbe­treibenden, für die der Verlust mit Gefahr für die Existenz verbunden wäre, sind jedoch auszu- nehinen. Größeren Landwirten mit mehr als 80 Hek­tar Besitz ist die Möglichkeit zu geben bzw. die Pflicht aufzuerlegen, einen Teil der Schulden durch Abgabe von Grund und Bo­den abzustatten, welche zu Kolonisations- und Siedlungszwecken verwendet werden sollen. Klein­landwirtschaftlichen Schuldnern mutz die Möglich­keit einer Verlängerung der Rück- zahlungsfrist gegeben werden. Anstelle der Errichtung einer sogenannten Bauernbank genügte eine eigene Abteilung des Fi n a n z m i n i st e r i u m s, die sich mit der Durchführung der mit der Schuldenrege­lung verbundenen Gesetze befassen würde. Die Entschließung enthält detaillierte Vorschläge für die organisatorische und kompetenzmäßige Lösung der mit der Schuldenregelung zusammenhängen­den Fragen, wobei auf die Vertretung der kleinen Landwirte und Häusler an den zuständigen Stel­len Bedacht genommen wird. Verlangt wird die Sicherung, daß die Schuldenregelung tatsächlich allen Kleinland­wirten, Häuslern und Arbeitslosen zugute kommt und die Einbeziehung jener Klei', achter, die aus wirtschaftlicher Not den Pachtzins nicht zahlen können. Schließlich werden die Maßnahmen genannt, welche eine Ueberschuldung in Zu­kunft verhindern sollen: Die öffentliche
Elementarversicherung; Herabsetzung der Abga­ben und Gebühren bei Wirtschaftsübertragungen; Regelung des Ausgedinges; Festsetzung einer Höchstverschuldungsgrenze; Alters- und Jnvali- ditätsversicherung für die Selbständigen  . Grundsätzlich hat sich der Verband gegen das Ausgleichsverfahren und g e- gen die Errichtung einer Bauernbank mit derart übergroßen Vollmachten ausgesprochen.
Abseblitzter Hakenkreuzler Er läßt sich bei Gericht durch einen tsche­chisch-faschistischen Abgeordneten ver­treten In der inzwischen eingegangenen hakenkreuz- lerischen Zeitschrift»Der Aufbruch" vom 16. Feber 1935 war ein Artikel veröffentlicht, in welchem Dr. OÜo Strasser, der in Prag  in der Emigration lebende Führer der Schivar­zen Front, alsHäuptling einer politischen Gangsterbande" bezeichnet wurde. Herr Dr. Strasser klagte durch Genossen Dr. S ch w e I b den verantwortlichen Redakteur dieser Zeitschrift, Heinrich Fröhlich, und die Verhandlung hier­über fand am 20. Dezember statt. Der Angeklagte bot durch seinen Anwalt, den tschechisch- faschistischen Abgeordneten Dr. BranZovskh einen Vergleich an, worin ei diese Beleidigung Dr. Strassers als unbegründet widerruft und um Verzeihung bittet. Als Buße verpflichtet sich Herr Fröhlich, an die Deutsche  Landesschuhkommission für Jugendschutz und Kinderfürsorge den Betrag von 100 zu be­zahlen. Niemand wird dem Herrn Dr. Otto Strasser bestreiten, daß er ein nationalgesinnter Deutscker ist, nur weil er ein Gegner Hitlers   ist, hat ihn der»Aufbruch" beleidigt, weil eben den Hinter­männern dieser Zeitschrift die faschistische Ge­sinnung über ihr Deutschtum geht.
Henleln-Bezlrksführer In BrUx  verhört »Ä-Zet" meldet zu den zwölf Verhaftun­gen in Brüx  , daß Montag auch der Bezirksfüh­rer der Henleinpartei, der Bergbeamte Joses W i t o p i l, und der Arbeiter Josef Sieben- ä u g e r, ebenfalls ein Henleinfunttionär, von der Polizei verhört wurden. Die Verhafteten sol­len einer- radikalen Gruppe der Henleinpartei angehören, denen l-ie bis­herige Parteipolitik zu gemäßigt sei.
Diese Feststellung eröffnet interessante Per­spektiven über die Art und Weise, Ivie die Behör­den vermutlich zur Kenntnis dieser Dinge gelangt sind...» Der Ministerpräsident geht auf kurzen Weihnachtsurlaub Prag  . Der Vorsitzende der Regierung Dr. Milan HodZa empfing Montag im Kolowrat- palais eine Reihe von Besuchen, vor allem einige in Prag   akkredidierte diplomatische Vertreter, und konferierte mit den zuständigen amtlichen und politischen Funktionären über aktuelle Fragen. Nach Abschluß der politischen Arbeiten be­gibt sich der Vorsitzende der Regierung auf seinen üblichen kurzen Weihnachtsurlaub. Während seines Urlaub" vertritt ihn im Mini­sterratspräsidium sein Stellvertreter Eisenbahn­minister Rudolf Bechhnk.
An alle Kolporteure und Abonnenten! Anläßlich der Weihnachtsfeiertage wird unser Blatt früher gedruckt, so daß die Rümmer vom Mittwoch, den 25. Dezember, bereits um acht Ahr   früh in allen Orten ist. Die Donnerstagnummer vom 26. De­zember und die Freitagausgabe vom 27. Dezember entfällt, so daß die nächste Ausgabe erst am Sams­tag, dem 28. Dezember erscheint.
Ehrung für Masaryk   und BeneS Im französischen   Senat Paris  . Der französische   Senat veranstaltete Montag nachmittags eine einmütige Kundgebung der Ehrung für den Alt-Präsidenten T. G Ma­saryk und beglückwünschte den neuen Präsiden­ten Dr. Benes  . Der Vizepräsident des Senates und amtie­rende Vorsitzende-Stellvertreter des Außenaus- schusses Senator Hubert sagte, daß der Außen­ausschuß einmütig beschlossen habe, dein Se­nat den Text einer Resolution zu empfehlen, in dem es heißt: »In dem Augenblick, da sich der erst« Pre­sident der Tschechoslowakischen. Republik   T. A. Masaryk   freiwillig in8 Privatleben znrück- zieht, übermittelt der Senat der französischen   Re­ publik   dem großen Freunde Frankreichs   einmütig Gen Ausdruck aufrichtiger Bewunde­rung für seine Person und sein Werk. In dem neuen Präsidenten Benes be­grüßt der französische   Senat einen hervorragen­den Staatsmann, der die Traditionen der un­verbrüchlichen Freundschaft zwischen Frankreich  und der Tschechoslowakei   und die gemeinsame Zu­sammenarbeit zur Organisierung des Friedens im Rahmen des Völkerbundes fortrhen wird." Hierauf betrat Ministerpräsident Laval die Tribüne und schloß sich im Namen der fran­ zösischen   Regierung den Worten Huberts lind der empfohlenen Resolution an. Der Senatspräsident ließ hierauf über die Resolution abstimmen, welche der Senat einmütig äiruahm und mit langandauerndem Beifall begleiteter * Dem Präsidenten der Republik Dr. Benes  haben anläßlich seiner Wahl noch folgend», aus­ländische Staatsoberhäupter gratuliert: Der Kai­ser von Abessinien, König Boris von Bulgarien  , König Fuad von Aegypten  , derl jugoslawische Prinzregent Paul, König Carol   von Rumänien, König Gustav voll Schweden  , Kaiser Hirohito   von Japan  , Präsident Zamora   von Spanien  , die Re­gierung der chinesischen Republik, der Präsident der Türkei  , Atatürk  (Kemal Pascha).
Berlin  . Die zweite Verordnung zum Reichs­bürgergesetz bestimmt u. a., daß Juden nicht lei­tende Aerzte öffentlicher sowie freier gemein­nütziger Krankenanstalten und auch nicht Ver­trauensärzte sein können und mit dem 81. März 1936 aus ihren Stellungen ausscheiden. Berlin  .(A. P.) Die deutsche Reichsbahn   weist für die ersten zehn Monate dieses Jahres gegenüber der gleichen Zeit des Vorjahres einen Einnahmen- r L ck g a n g von 124 Millionen RM auf. Kiel  . Anfang Dezember wurde in Kiek der erste Flottenbegleiter in Dienst gestellt. ES handelt sich bei ihm und fünf weiteren auf derGermania"» Werft in Kiel   gebauten Schiffen um einen neuen Typ, der, wie der Name besagt, im Geleitdienst Verwendung finden soll. Bei einer Standardwasser- oerdrängung von 600 Tonnen besteht die Bewaff­nung der Flottenbegleiter auS zwei 10.8-Zentime- ter-Geschützen, vier 3.7-Zentimeter-Flak-Geschützen und zwei Flakmaschinengewehren. Je zwei weitere Flottenbegleiter werden in Hamburg   und auf der Marinewerft in WilhelmShafen gebaut. i
Der Mann, der Mussolini   lieber gewesen wäre: Sir Austen Chamberlain  
Wirtschoftsobhominen mit Deutschland  für 1936 verlängert Berlin  .(Ts». P.-B.) Die dritte ge- meinsame Tagung deS tschechoflowakischrn und des deutschen   Regirrungs-AuSschuffcS» die in der Zeit vom 10. bis 23. Dezember 1935 in Berlin  stattgefundcn hat, ist Montag mit der Unterzeich­nung eines Protokolls abgeschlossen worden, durch daS der Warenverkehr zwischen der Tschechoslowa- kischen Republik und Deutschland   für daS Jahr 1936 geregelt wird. Die neue Vereinbarung be­deutet mit gewiss«: Änderungen bei einzelnen Waren gruppen int wesentlichen, eine Verlän­gerung der bisherigen Regelung. Ueber den Inhalt werden die Wirtschafts­interessenten im einzelnen durch ihre Spitzenorga­nisationen verständigt werden. Audi mit Ungarn  ein Abkommen fertig Budapest  . Amtlich wird mitgeteill:»Die zwischen Ungarn   und der Tschechoflowakei ge­führten Handelsvertragsverhandlungen bezüglich die Regelung des beiderseitigen Waren- und Zahlungsverkehrs für das Jahr 1936 wurden am 22. d. M. beendet. Der Text des Abkommens soll den beiden Regierungen unterbreitet und sodann veröffentlicht werden. DaS Abkommen soll am 1. Jänner 1936 schon in Kraft treten."
Gefesseltes Volk Wuppertal  .(AP.) Hier sind 800 Arbeiter und Arbeiterinneu verhaf­tet worden, weil sie versucht hatteu, die alten Gewerkschaftcu Wiederaufzubaue«. Ans der Fa­brik B e m b e r g wurden die Arbeiter iu lan­gen Reihen, aue.inaudergefe'selt, herausgefuhrt. Eine Metallwarenfabrik mußte stillgelegt werden, weil fast alle Facharbeiter verhaftet waren. Gegen 364 Arbeiter wird i» Kürze bereits rin Prozeß stattfinden. Hamburg.(AP) Iu der Werst Fiu- kcnwrrder wurden 70 Arbeiter verhaftet, weil das Tor deS Betriebes mit anti-uationalsoziali» stischen Losungen bemalt worden war.
Ägypten   behält 4000 Reservisten unter Waffen Kairo  . Dir ägyptische Regierung hat-ine Verordnung erlassen, derzufolge 4000 Soldaten, die zum 31. Dezember 1935 aus dem aktiven Heeresdienst hätten entlassen werden sollen, noch weitere sechs Monate unter Waste» behalten werden.
Deutschland   sperrt Reisen In die Schweiz  Berlin  . Bis zum Erlaß einer neuen Ver­ordnung wird keinem Reichsdeutschen die Bewil­ligung zu einer Reife in die Schweiz   erteilt wer­den. Diese Maßnahme ist auf den Beschluß der Schweizer   Regierung zurückzuführen, daß bis zum 15. Jänner 1936 die Möglichkeit der Einreise von Schweizern nach Deutschland   mit einer Summe von 5 Millionen Schweizer Franken   kon­tingentiert wird.
Gauleiter Koch wieder Im Amt Berlin  . Das Deutsche   Nachrichtenbüro mel­det: Oberpräsident von Ostpreußen   und Gaulei­ter K o ch hat in ein schwebendes Disziplinarver­fahren vorzeitig eingegriffen. Während der des­halb gegen ihn geführten Untersuchung war er beurlaubt. Nachdem diese Untersuchung abgeschlossen ist und Oberpräsident und Gaulei­ter Koch auf die Unzweckmäßigkeit seines Ver­haltens verwiesen wurde, hat er di. D'enstge« schäfte deS Lberpräsidenten wieder überiwmmen.