Nr. 300
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Auf dem Friedhof von Tellnltz
Ansicht der Keramischen Werke
ten,
Eine Packerin
74jährige Packerin
Lichtlose Weihnacht
Ein Hilfspacker
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Mittwoch, 25. Dezember 1935
druck des Todes zurück. Nur auf dem größten Friedhof versöhnt nichts mit der Vergänglichkeit, hier tritt der Tod hart und unerbittlich auf und fröstelnd schreitet man durch die eisigen Hallen der stillgelegten Porzellan­fabrik. Keinem Toten sind je in Tellnitz so viele Tränen nachgeweint worden wie den grauen Häusern» die, im Laufe der Zeit nacheinander entstanden, Hunderten Menschen Arbeit und Brot gegeben hatten und deren Leben zugleich, mit dem Feuer in den gewaltigen Rundöfen erlosch. Bor 35 Jahren bestand dieses Tellnitz erst aus einem Dutzend kleiner Hütten. Schwere Wald- und Feldarbeit ernährte die wenigen Be-
Helmuth Krommer) wohner. Die Industrie hatte ihre Sendboten noch nicht in diesem versteckten Winkel gesandt. Ein Zufall brachte die Entscheidung. Unweit, im ! nahen Liesdorf, fanden bei einem Spaziergang Unternehmer einer kleinen Porzellanfabrik des i Teplitzer Industriegebietes brauchbaren : F e l d s P a t und es erschien ihnen rentabel, auf , dieser Grundlage eine neue Porzellanerzeugung aufzunehmen. Bisher hatten sie vornehmlich die ! weißen glänzenden Porzellanknöpfe, mit denen
damals unerfreulicherweise Möbel, vor allem Diwans.werziert" wurden, erzeugt, nun wollten sie zur Massenfabrikation von Elektroporzellan, also von Porzellan für die infolge der allge- ! meinen stürmischen Elektrifizierung rasch auf­blühende Elektroindustrie, übergehen. Der Plan wurde in die Wirklichkeit umgesetzt, aus kleinen Anfängen entwickelte sich im Laufe der Jahre ein großes, blühendes Unternehmen, das räumlich größte unseres Staates, und obwohl sich bäld herausstellte, daß der einheimische Spat die Kon­kurrenz mit dem reichsdeutschen nicht aushalten konnte, wurde die Rentabilität der Fabrik dadurch nicht beeinträchtigt, denn man bezog eben die reichsdeutsche, Ware zur Verarbeitung. Die Vor­aussetzung war fortgefallen, die Folgen blieben doch erfreulich. Schließlich gab es acht drei- stöckigeRundöfen, in denen abwechselnd aber ununterbrochen Porzellan gebrannt wurde, Sicherungen, Isolatoren und was sonst die Elek- tro-Jndustrie braucht' in den besten Zeiten vor dem Kriege wurden nicht weniger als 70 0 Ar­beiter und Arbeiterinnen be­schäftigt, die Zahl der Werkstätten nahm dauernd zu und auch die Dachdecker hatten ihre Freude, denn dort, wo der Erzgebirgssturm einen großen Teil deS Jahres mit noch nicht erheblich gemindert ter Kraft ins Tal braust, ist auf 9000 Quadrat­metern Dachfläche immer wieder etwas zu richten und in Ordnung zu bringen. Wenn auch nach dem Kriege die Höchst­ziffern nicht wieder erreicht wurden, da das in-
In tausend Hütten wohnt die Not, Kein Stern'entzündet hell sein Licht, Der Hunger kreischt Wir wollen Brot, Die grüne Tanne wärmt uns nicht! Erloschen rastet die Fabrik, Und hunderttausend Füße gehn Den Weg zum Stempeln und zurück Kein Lichterbaum ist hier zu sehn! Die Sorge nistet auf dem Haus, Das Leben geht mit mattem Schlag Die Hoffnung wandert weit hinaus ..Und weint sich blind an jedem Tag... Die Kinder klagen wortlos an, Du siehst sie und wirst totenbleich Den Hunger niemand stillen kann Durch Vorschuß auf das Himmelreich Wann kommt die Stunde, da das Licht Der Freude unsern Baum erhellt, . Der Tag, da unsre Not zerbricht Wär* Weihnachtsfest der ganzen Welt! Emst Ditt mar
Höfen. Die Ofentüren stehen offen, das Queck­silber in den Thermometern ist in sich zusammen­gesunken und wartet vergeblich auf die 1400 Grad, die allein es hinauftreiben können. Doch die Grube, die vor dem Kriege drei Waggons Braunkohle täglich und noch in der letzten Zeit zwei Waggons wöchentlich zu liefern hatte, ist ohne Auftrag. Auf den Maschinen, den vielerlei Stanzpreffen wir haben 76 gezählt sammelt sich der Staub. In der Gießerei sind die Hähne geschloffen, keine Maffe fließt aus den Röhren in die Formen, in denen das Porzellan mit wenigen Millimetern Abstand zum Brennen aneinander? gefügt wird, stehen unbenüht in hohen Säulen. Ueberall Stille, Vergäng­lichkeit, Tod. Im Kontor liegen schon die Briefe der Jntereffenten, die diese oder jene Ma­schine, dieses oder jenes Einrichtungsstück aus dem einst so lebendigen Organismus herausreißen und anderswohin verpflanzen möchten. Und was keinen Liebhaber finden würde, soll den Weg alten Eisens gehen, mag es auch noch gar nicht alt uno noch durchaus brauchbar sein. Die Belegschaft muß man in den kleinen Häuschen von Tellnitz  , Arbesau und Lies­dorf suchen, wenn man ihren Jammer sehen will. In guten Zeiten sind, die Menschen hierher
scheintot, denn die Entscheidung, ob seine Agonie noch unterbrochen werden kann, liegt im Handels­ministerium, das in der Stillegungsverordnung das Rezept besitzt, das allein helfen kann. In sei­ner Hand liegt es auch zu entscheiden, ob das Sterben nur verlangsamt werden oder ob wirk­lich frisches Leben in die Mauern einziehen soll. In den ausgestorbenen Sälen dröhnt der Schritt. Manchmal knirscht unter den Sohlen ein zertretenes Bruchstück. Wo noch- vor kurzem die gewaltigen Oefeq wohltuende Wärme ausstxöpi-- herrscht fetzt eine Kälte, die empfindlicher ist Frosttemperatur auf den verschneiten
(Zeichnungen von Man kann das Dorf, das in den letzten Wochen der Kampf um seine Porzellanfabrik auch in weitere^ Kreisen bekannt gemacht hat, mit der Verbindungsbahn BodenbachTeplitz, deren Station es ist, oder und das ist die Hauptver­kehrsader, für den Personenverkehr mit der Straßenbahn von Aussig   erreichen, die an Werk­tagen etwa jede Dreiviertelstunde einen Wagen mit Anhänger hinauffahren läßt. An Sonntagen bei gutem Wetter, besonders wenn im Erzgebirge  Schnee liegt, müffen Sonderwagen eingeschoben werden sind trotzdem gelingt es oft nur unzuläng­lich, mit der eingeleisigen Strecke den großen An­drang der Skiläufer zu bewältigen.' Es ist die Haupiausflugslinie für die 80.000 Menschen, die im Auffig-Schreckensteiner Industriegebiet wohnen. Die Schienen liegen auf der Landstraße, die zwischen Dörfern, Feldern, vereinzelten Wald­parzellen, aufgelassenen und noch betriebenen Kohlengruben bergauf und bergab führt und doch allmählich Höhe gewinnt. Schließlich kommt Ar­besau» dann ruft der Schaffner die Haltestelle Monumente" aus und in der Endstation Tellnitz steigen wir nach 48 Minuten auS; die Straße wendet sich in rechtem Winkel hinauf zum Nollen- dorfer Paß, diesem Einfallstor von Sachsen   nach Böhmen  , deffen Vorzüge die Truppen Fried­richs II. genau so zu schätzen wußten, wie Na­ poleon   und seine Gegner im Jahre 1813. Wir stehen im Raume von Tellnitz   auf blutgetränktem Boden. Noch viele Jahre nach dem Morden fand man in den Wäldern Gebeine von Menschen, die, von der feindlichen Kugel zerfleischt, einsam eines bitteren Todes gestorben waren. Ein Beinhaus und drei Monumente, ein österreichisches, ein preußisches und ein ruffisches, mahnen die Men- schen vergeblich, endlich durch Schaden klug zu werden. So ist Tellnitz   und Umgebung an Friedhöfen reich. Doch auf ihnen liegen Blumen, die Gräber sind gepflegt und das Leben drängt so den Ein ­
ländische Absatzgebiet viel kleiner geworden war, gab es doch noch Zeiten, in denen fast 500 Ar­beiter und Arbeiterinnen beschäftigt wurden; auch wurde die Erzeugung um die Herstellung von hygienischen Porzellan, Waschbecken, Klo­setts und dergleichen sowie von Steingutwaren vermehrt. Nur infolge eines Besitzwechsels ging das Unternehmen in Konkurs und obschon die
Herr Dr. Brand sehnt sich nach Goebbels  -Literatur Die ZeitschriftNeuer M o r g e n" hat eine Rundfrage veranstaltet, welches das beste deutsche Buch des Jahres 1935 gewesen sei. Genau wie im Vorjahr haben wieder eine Reihe deutscher Würdenträger, vor allem die Lehrer und Führer unserer akademischen Jugend erklärt» sie hätten keine Zeit, schöngeistige Bücher zu lesen und kämen höchstens dazu, ihrer Berufsliteratur nachzugehen. So merkwürdig dieses Bekenntnis in den Tagen wirken mußte, da der Namen Masarykin aller Munde war, der Namen eines Mannes, der als Gelehrter und Politiker immer geit hatte, schön- geistige Bücher zu le se n, und noch als Staatsoberhaupt Zeit fand, der Philosophie und der schönen Literatur nachzugehen, wo immer sie deffen wert schienen». so. sehr ist man an deut­schen Geistesführern die Entschuldigung schon gewöhnt, daß ihnen neben der Berufsarbeit und allenfalls Vereinsmeierei, die sich als völki­sche Arbeit gebärdet keine Zeit bleibe, ihren Horizont zu weiten. Bemerkenswert ist aber, was ein so j u n g e r Mann wie der Führer des Kb und der SdP., Herr Dr. Walter Brand, zu sagen hatte. Auch Herr Dr. Brand hat n a- türlich keineZeit und gibt es schon in der Jugend auf, neben der Berufsarbeit schöngei­stige Bücher zu lesen. Aber er schüttet bei dieser Gelegenheit auch sonst sein übervolles Herz aus. Außerdem darf ich aus Ihrer Anfrage ent­nehmen, daß Sie zweifellos das beste deutsche Buch des Jahres 1935 überhaupt meinen. In­folge der sch a r f e n V e r b o t s p r a» x i S kommt jedoch nur ein geringer Teil der neuen deutschen Bücher zu unserer Kenntnis, so daß ihre Frage wohl dahin hätte einge­schränkt werden müssen, daß Sie das b e st e jener Bücher meinen, das dem Sude- tendeutsch tum zur Kenntnis gelangt. Es ist gelinde gesagt eine Keckheit, dies niederzuschreiben. Von der hitlerdeutschen Buch­produktion kommt bis auf einen Keinen Bruch­teil alles herein, selbst der Rest aber wird meist erst verboten, wenn die Bücher längst verkauft sind, und Herr Brand hätte Auswahl genug auch unter der gleichgeschalteten Literatur. Wenn er auch unter diesen Büchern das beste nicht findet, so heißt das wohl, daß ihn überhaupt nurjeneBücher locken, die für die Einfuhr in einen demokratischen Staat von vornherein nicht in Betracht kommen? Und warum sagt er, ein­mal so offenherzig geworden, nicht gleich rund­heraus, daß er heuer wie früher und auf Jahre nochMein Kampf  " für das einzige lesens­werte deutsche Buch hält? Daß dieses klassische Werk die Gedanken der Henleinführer dauernd beschäftigt, verraten sie bei jeder Gelegenheit. Hat doch auch Konrad Henlein  (für den bei der zitierten Rund­frage natürlich die Kabinettskanzlei antwortet, nämlich daß er verreist sei) in London   gleich er­zählt» er kenne Hitler   nicht und würde;' wenn erMein Kampf  " bei sich trüg-, auf der Stelle verhaftet werden. Wir möchtest anrezen, daß man Herrn Brand-von staatswe- gen ein Gratisexemplar von Mein Kampf  " für den Privatgebrauch chenkt, damit das kindische Geraunze schon auf­hört und die Herren endlich das deutsche Buch lesen können, das ihnen nun einmal unersetzlich und neben dem ihnen von Lessing   bis Thomas Mann  , von Schiller   bis Hauptmann, von Kant bis Haeckel das deutsche   Schrifttum anscheinend gestohlen werden kann..
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mehriahrige Abwicklung des Konkursverfahrens gezeigt hat, daß es nicht am Unternehmen, son­dern am Unternehmer gelegen hatte, wenn es zu diesem Zusammenbruch gekommen war, bedeutete dieser Zwischenfall einen gewaltigen Vorsprung der Konkurrenz, die, organisiert im Wirtschaftsvcrband der Por­zellanindustriellen, den Augenblick für gekommen hielt, sich diesen Konkurrenten vom Leibe zu schaf­fen und ihm endgültig das Lebenslicht, das heißt die Porzellanöfen, auszublasen. Die einzelnen Phasen dieses Kampfes sind aus unseren Veröffentlichungen bekannt. Gegen­wärtig ist der Betrieb tot, oder, wenn man will,
gezogen, sind zwanzig und dreißig Jahre In diese Fabrik gegangen, und stehen nun plötzlich ohne jede Schuld einer Katastrophe gegenüber, für deren seelische und materielle Bewältigung ihnen alle Voraussetzungen fehlen. Die politische und gewerkschaftliche Schulung ist trotz aller Bemü­hungen der zuständigen Funktionäre gering ge­blieben, andereArbeitsmöglichkeiten, außerhalb der 'Porzellanfabrik, sind nicht zu finden. Den billi­gen Versprechungen des Wirtschaftsverhandes, er werde den Großteil der Arbeiter umsiedeln, glaubt niemand. Weit sind breit ist kein Hoff­nungsschimmer zu sehen, wenn die Fabrik end­gültig geschloffen bleiben sollte. Die Gemeinde­verwaltungen, durch den Steuerausfall der Fa­brik selbst am Bettelstab, können auch nicht helfen. Diese Ratlosigkeit im Unglück ist das furchtbarste. Schweigend sehen die hohen Berge des Erz­gebirges in das Tal hinab, aus dem wie der er­starrte Zeigefinger eines Toten der Schornstein emporragt. Sie haben manches Unheil der Men­schen gesehen und gehört, nicht nur Krieg und Kriegsgeschrei. Sie erinnern sich noch, wie der schwarze Tod von Hütte zu Hütte eilte und über Nacht Familien, Männer, Frauen und Kinder, in qualvollem Sterben ausrottete; sie hören noch den Donner des Bergbaches, der in der Tollheit der Schneeschmelze Hütten und Ställe, Brücken und Wege hinwegrih und die Leichen von Menschen und Tieren gurgelnd in die Weite trug. Das alles verstanden sie noch. Doch diesmal sehen sie die.Männer sich härmen, die Frauen weinen und die Kinder hungern und sie verstehen nicht, warum cs so sein muß. Man merkt, daß ihnen auch die einfachsten Begriffe der modernenNa­tionalökonomie" fehlen. Fritz T e j e s s h.
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