Sosialdemokra
ZENTRALORGAN
DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .
15. Jahrgang
90.000 schwedische Metallarbeiter
mit Aussperrung bedroht
Stockholm . Der Arbeitgeberverband der mechanischen Werkstätten, Eisenhütten und Gruben" hat Samstag mittags der Schiedskom= mission mitgeteilt, daß er eine Aussperrung der Arbeitnehmer der betreffenden Industrien beschlossen hat, die am 7. Jänner beziehungsweise bei den Eisenhütten und Gruben am 12. Jänner in Kraft tritt. Von dem Konflikt find 90.000 Arbeiter betroffen.
Immer frechere Drohungen Roms
No m.( Havas.) Das römische Blatt ,, Gazzetta del Popolo" schreibt:„ Wenn es den Engländern dadurch, daß sie auch Frankreich in ihr Spiel hineinziehen, gelingt, eine europäische Koalition gegen uns zu organisieren, und wenn sie uns die Erreichung der Ziele, die wir uns in Abessinien gesteckt haben, unmöglich machen, dann wird daran erinnert werden müssen, daß Kolonien bloß auf drei Arten erobert werden können: 1. Durch gerechte Verteilung der Kolonien seitens des Völkerbundes. Diese Frage wird nach unserer Ansicht vom Völkerbunde so etwa in 20 Jahren studiert werden. 2. Durch direkte Eroberung der betreffenden Kolonie, die jetzt noch nicht von einer anderen Kolonisationsmacht besetzt ist. 3. Durch einen zur rechten Zeit begonnenen europäischen Krieg.
Die österreichische Amnestie
*
Sonntag, 29. Dezember 1935
Einzelpreis 70 Heller
( einschließlich 5 Heller Porto)
Nr. 302
Schwieriges Sterben
einer Parlamentsmehrheit
Nach anderthalb Tagen eines dramatischen Redekampfes, wie ihn von allen Parlamenten nur noch das französische kennt, dessen zahlreiche Gruppen und Fraktiönchen mit dem völligen Mangel einer Klubdisziplin und strenger Bindungen Zwischen= fälle und plötzliche Entscheidungen möglich machen, hat das Kabinett Laval nochmals eine Mehrheit erhalten. Von den 52 Stimmen, mit denen Mr. Laval vor vierzehn Tagen gesiegt hat, find wieder 32 abgewandert, aber auch mit 20 vermochte der Bielgewandte ans rettende Ufer zu gelangen und in wenigen Minuten konnte er noch 23 verlorene zurückgewinnen. Für vierzehn Tage oder drei Wochen dürfte er sicher sein. Wird er das nächstemal fallen, wird er mit zehn, mit zwei Stimmen Mehrheit auch um die Jännermitte wieder als Sieger aus dem Palais Bourbon ins Palais Noyal zurückkehren? Möglich ist beides. Das Kabinett Laval hat ein zäheres und längeres Leben als die meisten seiner Vorgänger, die auf ähnlich labiler Mehrheit auf= gebaut waren. Es scheint das Schicksal des Hundes zu teilen, dem man den Schwanz stückweise abhackte. Warum soll also die Mehrheit von 20 Stimmen nicht noch eine wetere Reduktion vertragen können?!
Die Debatte war auch Samstag vormittags erregt und schien Laval keine Chancen mehr zu bieten. Es sprachen der Volksdemokrat Pezet und der Nationalist Le Cour Grande. Dann wurde die Sitzung unterbrochen. Nachmittags erregte die Rede des ehemaligen Ministers de Monzie besonderes Aufsehen. De Monzie rügte, daß Laval sich nicht auf den Vertrag mit Rußland stütze. Nur im Ausbau dieses Bündnisses liege die Gewähr der Sicherheit. Die Erklä rungen der Mittelparteien waren zwiespältig, so daß sich der Eindruck festigte, Laval werde doch noch eine knappe Mehrheit zustandebringen. Zur Abstimmung lag ein Antrag des Radi= falen Del bos vor, der dem Kabinett das Mitrauen aussprach und ein Antrag Chappedelain( Mitte), der ein Vertrauensvotum enthielt. Die Abstimmung er folgte zuerst über den weitergehenden Mißtrauensantrag, der mit 296 gegen 276 Stimmen abgelehnt wurde, dann über das Vertrauensvotum, das mit 304 gegen 261 Stimmen angenommen wurde.
In der Nacht trat die Kammer zur zweiten Lesung des Gesetzes über die Ligen zusammen.
Die Rechtfertigungsrede Lavals
aufgezwungen.
Pierre Laval hat seine Rechtfertigungsrede in der Kammer, die sich so gut wie ausschließlich mit der französischen Außenpolitik beschäftigt hatte, nicht zufällig mit einem ganz unvermittel= ten Appe II an die finanzpolitische Einsicht der Deputierten ge= schlossen. Das eine muß man Monsieur Laval lassen: er kennt die Kammer wie seine Westentasche und hat auf seinem Wege von Lenin zu Mussolini die Psychologie aller Gruppen, die er dabei passierte, gründlich und mit Nußen studiert. Er weiß genau, daß von den Radikalen bis zur Mitte die meisten Abgeordneten und fast alle Fraktionen zwar den Außenminister Laval gern stürzen, aber den Ministerpräs sidenten Laval erhalten möchten. Denn Laval, das bedeutet, wie die Dinge in Frankreich liegen, nicht nur die ewige Packelei mit Musso lini , eine unentschiedene, ans Peinliche grenzende Außenpolitik, die Frankreich jedes Ansehens und beinahe seiner Bedeutung als Großmacht beraubt hat, sondern ava I, das bedeutete auch die Sicherheit des Franc, die Heis ligkeit des Goldwertes, die Ruhe der Börse, die Sicherheit der Ren= ten. Und wenn es um die Sicherheit der Rente geht, wird der französische Bourgeois, der sich in diesem Punkte seit den Zeiten Daumiers und Balzacs nicht wesentlich geändert hat, blind für alle anderen Gefahren. Gern gibt er dann ein Stück Sicherheit der Republik und des Staates preis, opfert er den Ruhm der großen Nation", wenn nur die Papiere nicht fallen.
Der Sturz Sir Samuel Hoares und die Bes rufung Edens in das Foreign Office in der Lon= doner Downing Street haben die französische Kammer um zwei Wochen zu früh zur EntWien. In Fortseßung der vom Bundeskanz scheidung über die Außenpolitik Lavals aufgerufen. Die Debatte war nunmehr nicht zu um= ler Dr. Schuschnigg in seiner Weihnachtsbotschaft Laval gab in seiner Rede u. a. Aufklärungen berkündeten Amnestie hat Bundesminister Baargehen, denn der gestürzte Hoare hatte im briti Baarenfels angeordnet, daß auch hinsichtlich der darüber, warum er um eine Verschiebung der Pe Am Schluß seiner Rede behandelte schen Unterhaus in schonungsloser Rede Frankvon administrativen Verfügungen, wie z. B. durch troleum Sanktionen ersuchte. Er tat dies Laval das Verhältnis Frankreichs au Deutschreich für die schwere Krise der Völkerbundspolitik Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis, Einstels im Einvernehmen mit der britischen Regierung. Er land und zu Rußland . Er sagte: Solange berantwortlich gemacht, wenig verblümt seinen lung der Berufsausübung und dergleichen betroffenen Personen bei Vorhandensein berücksich brach dann neuerlich über die Pariser Borschläge verwirklicht sein wird, solange wird es feine wirt. der Bundessabung geziehen. Die französische sprach dann neuerlich über die Pariser Vorschläge die Annäherung Frankreichs an Deutschland nicht Kollegen Laval des Verrates an dem Artikel 16 tigensiverter Gründe Anträge auf Mi Id es zur Beilegung des italienisch- abessinischen Konfliktes. liche Friedensgarantie in Europa geben.( Beifall Stammer durfte in diesem Augenblick nicht schweirung oder Aufhebung der erwähnten die er mit Sir Samuel Hoare ausarbeitete. Eng- der ganzen Kammer von der Rechten bis zur Lin- gen. Aber die Führer der Opposition im Palais Maßnahmen zu stellen sind. land und Frankreich folgten damit der direkten ten). Laval fügte hinzu, daß er sich Sonderabtoms Bourbon wußten auch, daß es sehr schwer sein Empfehlung der Völkerbundsversammlung. Ihre men Frankreichs mit Deutschland nicht vorstellen würde, an die Stelle eines zu stürzenden Lavals Borschläge haben England und Frankreich niemanden fen ausschließlich im Rahmen der Organisation der neuen Premierminister. Für das Außenministe fönne. Die französisch- deutschen Beziehungen müf- einen neuen Mann zu setzen, vor allem einen follettiven Sicherheit Europas geregelt werden. Er rium am Quai d'Orsay sind Anwärter der Linken berührte bei dieser Gelegenheit die dreistündige Un da, aber die große Frage seit Monaten ist ja, terredung, die er in Krakau nach dem Begräbnis des wen die Linke in das Palais Royal entfenden, an Marschalls Pilsudski mit General Göring hatte, die Spize des Conseils" stellen soll. eine Unterredung, die vom gegenseitigen Herriot ? Gerade dieser zweifelsohne führte dann die Nachrichten von der Unterredung des letzten Zeit Laval gegen links abgedeckt. Da la Vertrauen erfüllt war. Der Ministerpräsident fähige und anständige Staatsmann hat in der Botschafters Francois- Poncet mit Reichskanzler dier? Man erinnert sich ungern in diesem ZuHitler auf das richtige Maß zurüd. Der französische fammenhang seines folgenschweren Versagens am Botschafter legte auf Weisung seiner Regierung dem 6. Feber 1934. Chaurtemp 3, Paul= Reichskanzler dar, daß das französisch Boncour, Delbos, Bergery? Da russische Abkorimen nicht Deutschland gerichtet ist. Frankreich will zu erheben wären wie gegen Laval selbst, keiner, gegen ist feiner, gegen den nicht ebensoviele Einwände Deutschland weder isolieren, noch einfreisen. Der der in geschichtlicher Stunde die Massen mitreifranzösische Botschafter gab Reichstanzler Hitler Ben könnte, te in Jaurès , fein Briand , gegenüber dem Bedauern darüber Ausdruck, daß kein Clemence a u. Dieses Fehlen einer Deutschland es ablehnt, sich an der Organisierung in starken, für die gesamte Volksfront und darüber Osteuropa zu beteiligen und fügte hinzu, daß das hinaus für die linke Mitte tragbaren, Persön= französisch- russische Abkommen Deutschland stets lichkeit gibt Laval immer wieder eine Chance.
Dagegen wird nunmehr amtlich bestätigt, daß sich die Amnestie weder auf die Emigranten insbesondere nicht auf die Mitglieder des ALös in Brünn noch auf die verurteilten 3Ilegalen be= ziehe. An eine wirkliche Versöhnung der Arbeiter ist natürlich solange nicht zu denken, als die barbarischen Zuchthausurteile für illegale Flugblattverteiler und ähnliche ,, Verbrecher" auf
recht bleiben!
Flüchtlingskommissär tritt zurück Die Fürsorge ist zu schwach gegen die
Barbarei
USA entscheiden über Oelsanktionen!
In Besprechung der Frage der Petroleum
Sanktionen jagte Laval, daß die Angelegenheit sehr ernst, vorläufig aber nicht aktuell ist, weil diese Sanftionen nur dann Wirksamkeit erlangen würden, wenn sich ihnen auch die Vereinigten Staa ten von Amerika anschließen werden. Der
amerikanische Kongreß, der über die Angelegenheit entscheiden wird, wird darüber nicht vor der zweiten Hälfte des Monats Jänner Beschluß fassen. Der Völkerbundrat ist für den 20. Jänner einberufen. ein Schreiben, in dem er bekannt gibt, daß er die franzöſiſche Regierung wird keine Entscheidung diese Funktion zurücklege, weil es ihm der allzu ohne vorhergehende Befragung des Parlamentes
Genf.( Havas.) Der Hohe Komissär für die Flüchtlinge aus Deutschland , James Macdonald, richtete an das Völkerbundssekretariat
treffen.
Zu militärischer Hilfe bereit
große Antisemitismus in Deutschland unmöglich mache, daß die Frage der Hilfeleistung für die Flüchtlinge von der Organisation, welche in Genf , jedoch unabhängig vom Völkerbunde, erLaval legte dann den Sinn der Absätze 2 und richtet wurde, beherrscht werde. In diesem 3 des Artikels 16 des Völkerbundpaktes dar. Schreiben spricht sich Macdonald scharf gegen die deutsche Rassenpolitit aus und gibt gleichzeitig der Hoffnung Ausdruck, daß die Mächte bei der deutschen Regierung ein
schreiten werden.
Er
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offen bleibe. Reichskanzler Hitler sprach sich für guts nachbarliche Beziehungen mit Frankreich auf Grund lage gegenseitiger Achtung und gegenseitiger Schäßung aus.
Zu den persönlichen kamen andere Schwierigkeiten. Noch ist das Gefeß über die be= waffneten Verbände nicht erledigt. Soll ein neues Ministerium sich nochmals durch diese schwierige Materie durchfressen und seinen Sturz in den ersten acht Tagen ristieren, ehe es noch dazu kommt, auf d.m wichtigen außenpolitischen Gebiet den Kurs zu wenden! Das B u d= get ist noch nicht unter Dach. Ein Kabinett, das anschlag ausarbeiten müßte, wäre ebenfalls eine mit Budgetzwölfteln arbeiten, einen neuen Vors
sagte, daß die militärischen Sanktionen von Anfang Von dem französisch- russischen Abkommen sagte an abgelehnt wurden. Frankreich hat aber bei den im Oktober stattgefundenen Beratungen England im Laval , daß es nicht als Militärbündnis Falle eines Ueberfalles seiner Mittelmeerflotte angesehen werden kann. Das Abkommen ist im Hilfe zugesagt. Die politischen Beratungen zwischen Geiste und im Buchstaben des Völkerbundpaktes ges Frankreich und England waren von Beratungen halten und hat die Organisierung der gegenseitigen der General stäbe des Heeres, der Ma- Hilfe für den Fall zum Zweck, daß der eine oder der Totgeburt. Denn die Opposition ist zwar einig in der Verurteilung der Laval 'schen Außenpolitik, Ranking. Der alte revolutionäre General rine und der Luft streitfräfte der bei andere Staat überfallen würde; es steht aber nicht aber sie ist sehr geteilter Ansicht über die finan= ziellen und wirtschaftlichen Fragen, die Laval mit seinen Notverordnungen, den Decrets lois, zu lösen versucht hat. Ein Teil der Opposition hat Laval gerade wegen dieser Defrets aufs schärfste bekämpft, ein anderer Teil hat ihm für diese Politik das Vertrauen ausgesprochen.
Hsufan Ting, Stabschef der ersten Armee, verübte Freitag abends Selbstmord, in dem er sich vor dem Sunyatsen- Mausoleum in sein Schwert stürzte. In seinem Testament erklärte er, er opfere Blut und Herz dem Geiste Sunyat sens, um die Führer Chinas aus Selbstfucht und Verrat zu erwecken. Sein Opfer solle fofortigen Widerstand gegen die japanische Bolitit entfachen.
den Staaten begleitet, welche die technischen Einzel- im mindesten Widerspruch zu den Locarnos heiten dieser Zusammenarbeit ausarbeiteten.
Frankreich hat Italien von diesen Besprechun
gen loyal verſtändigt. Laval erklärte:„ Frankreich hat als einziger der 54 Mitgliederstaaten des Völferbundes eine Verpflichtung, nämlich die Verpflichtung der gegenseitigen Hilfeleistung auf sich genommen und technische Maßnahmen getroffen."
Abkommen.
Zum Schluß sagte Laval:„ Durch die Abſtimmung entscheiden Sie nicht nur über das Geschick der Regierung, sondern auch über die fina n- sielle Lag des Landes. Ich hoffe, daß Sie die Lebensinteressen des Landes begreifen. Entscheiden Sie!"
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Man weiß in den Kreisen der Gegner La vals, daß ein neues Kabinett bald zu Wahlen