5-AülöMÄM IENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHQSIOWAKISCNEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME»ES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung präg xii., fochova«r. telefon 0077.

Ehmlprels 70 NeKtr (hwcMMlIck I Heller Part»)

HERAUSGEBER» SIEGFRIED TAUB. VEIANTWOITLICHa REDAKTEUR» DR. EMIL STRAUSS , PRAG .

15. Jahrgang

Dienstag, 30. Dezember 1935

Nr. 303

Hu alle Abonnenten, Kolporteure und Derlihleiüer Anläßlich des Reujahrsfeiertages entfällt die Nummer vom Donners­tag, dem 2. Jänner. Die nächste Nummer erscheint am Freitag, de« 3. Jänner, zur ge­wöhnliche» Stunde.

Abessinischer Vormarsch aal Nakalle Addis Abeba. (Reuter.) Wie berichtet wird, rückt das unter dem Kommando Ras Mulugetas sie- hende abessinische Heer von Südosten her anfMakale vor. Die Streit­kräfte des Ras Sehoum und des Ras Kassa bedrängen die Flanke der italie­nische« Abteilungen 1« einer Entfer­nung von 10V Kilometern vom Af- Gaga-Paß. Die Sonderkorrespondenten der Pariser Blätter in Abessinien stimmen in der Anschauung überein, daß an der Tigre-Front, u. zw. an drei Stellen, ehestens eine große Offensipe der Abessinier beginnen wird. Dieselbe werde unter der Führung des KriekSministcrs Ras M u l« g e t a, des Ras S e y u m und des Ras Kassa erfolgen. Das Ziel dieser -Offensive werden die Städte M a k a l l e, A k s u m und A d u a sein. Der Generalstav wird in die Stadt Quorum unweit des Aschangi- Sees verlegt werden. An der Ogaden-Front sollen sich die Ita­liener nunmehr auf der Linie befinden, auf der sie bei Beginn der F e i» d s e l i g k e i». t e n standen. Auch der Kommandant der Südfront zufrieden London . Der Kriegsberichterstatter dcS Reuter-Büros meldet aus Addis Abeba , daß er bei der Armee des Generals N a s s i b u, ocs abessinischen Oberkommandanten an der Süd­front, gewesen sei, dessen Trupen zum größten Teil zwischen Daggahbur und Sassabane kon­zentriert sind. General Rassivu erklärte dem Reuter- Korrespondenten, daß er mit dem bisherigen Kriegsverlauf vollkommen zufrie­den sei, denn sei sehr kennzeichnend, daß der Feind im Verlaufe von zwei vollen Mona­ten nichts hat» erreichen können. Kampfbefehl des Nesus Der Reg« s erteilte von seinem Haupt» quartier in Dessie aus einen Kampfbrfehl und die künftige Woche verspricht daher rege Lampftätigkeit. ES erhalten sich Gerüchte, daß sich das Torf Ab bi Addi, der Hauptort in Tembien, in den Händen der Abessinier befindet, die sich so eine gute Basis sicherten, von der auS sie die italienischen Transporte nach Makalr be­drohen können. 1650 SUdtiroler sind desertiert Vertonung der Angehörigen Bregenz . DaS»Vorarlberger Volksblatt" meldet, daß die S ü d t i r o l e r sich in Massen der Einberufung zum Kriegsdienst in Ostafrika entziehen. Ein Teil von ihnerT entzieht sich durch Flucht, vereinzelt in die Schweiz , häufiger nach Oesterreich , zum größten" Teil aber nach D e u t s ch l a n d, der Dienstpflicht. Die Gesamt­zahl der Flüchtigen beträgt nach behördlichen Feststellungen 1650. 150 davon befinden sich in Oesterreich , 1500 halten sich in Deutschland auf. Im Bozener Unterland und anderswo in Süd­ tirol wurden Angehörige dieser Militär« iflüchtigen verhaftet und mit Polizeistrafen belegt. Gegen die Angehörigen der Geflüchteten sind auch wirtschaftliche Maßnahmen durchgeführt worden.

Militärpakt Berlin -Tokio ? Aul Initiative Hiners

Moskau.(Tsch. P.-B.) AuS London langt die Meldung ein, daß die dortigen politi­schen Kreise de« Berhandlungen in Berlin betref­fend den Abschluß eines japanisch-deut- schen Militärabkommens bezüglich deS gegenseitigen Beistandes nach wir vor außer­ordentliche Aufmerksamkeit widmen. Die weiteren Einzelheiten dieser Berhandlungen klären sich nunmehr. Die Initiative zum Abschluß einer offe­ne« Konvention über eine Bekämp­fung der kommunistische« Inter­nationale neben einem geheimen Militärabkommen geht von Hitler aus. Er motiviert seinen Vorschlag den Japanern da­mit, daß es, wie die Erfahrung zeigt, nicht gelin­gen werde, die Tatsache des AbschluffeS eines Mi- litärabkommens zwischen Japan und Deutschland zu verheimlichen. Schwierig werde es auch sein, das Abkommen vollständig zu leugnen, wenn dir dirsbrzüglichrn Meldungen in der Presse erschei­nen werden. Diese Meldungen könnten Eng­land aufbringen, welches natürlich darin eine Festigung der Situation Japans im Fernen Osten sehen wird. Hitler , der noch nicht die Unzufrieden­heit Englands hervorzurufen wünscht, schlägt vor, zur Täuschung der Oeffentlichkeit außer einem

Militärabkommen über den gegenseitigen Bei­stand öffentlich ein anderes Abkommen mit Japan abz«schlie­ße», angeblich zur Bekämpfung der kommuni­stischen Internationale. Ein solches absolut harm­loses Abkommen werde nach der Meinung Hit­ lers keinerlei Unzufriedenheit Hervorrufen, son­dern im Gegenteil sogar Sympathien Englands und anderer kapitalistischer Staaten auslösen. Gleichzeitig werde dieses Abkommen als Deck­mantel für eine militärische Konvention dienen, die für England und andere Staaten geheim bleibt. Andererseits besteht der japanische Militär­attache in Berlin , welcher namens Japans die Verhandlungen führt und gegen ein antikommu­nistisches Abkommen als Deckmantel nichts ein­zuwenden hat, auf der vorhergehenden Vorberei­tung des Bodens in den verschiedenen Ländern und der Verschiebung der Veröffentlichung dieses Abkommens bis zu einem günstigeren Augenblick, in welchem aus irgendwelchen Gründen eine neue Welle sowjetfeindlicher Stimmung anschwrüen wird. Wahrscheinlich wird das geheime Militär­abkommen, das im Wesen gegen die Sowjetunion und gegen England gerichtet ist, formell eine Er­gänzung zu dem öffentlichen Abkommen über die Bekämpfung der kommunistischen Internationale bilde«.

Me Italiens Goldvorrat nUSSOlini um zwei Drittel vermindert auf dem Wes zur Finanzpleite Paris. (Tsch. P.-B.) DaS schnell« Tempo» in welchem die Goldreserven Italiens auf­gezehrt werden, wird durch den eben veröffrnt lichten Ausweis der Vankvon Frankreich bekräftigt, aus dem hervorgeht, daß die Goldvorräte der Bank von Frankreich in der Ztit vom 20. Dezember bis zum heutigen Tage um fünf Millionen Pfund, d. i.»mKOOMillionen Xi gestiegen sind. Man weiß, daß von diesem Betrag ein« Sendung von 20 Tonnen Gold, die 3.3 Millionen Pfund repräsentiert» erst vor wenige» Tagen aus Italien in Paris eingetrof­fen ist. Als weiteren Beweis der schwierigen Si tuation, in welcher sich Italien gegenwärtig befin drt, da es die Lieferungen aller zur Fortführung des Krieges notwendigen Materialien in Gold und bar bezahlen muß, führt man de» Umstav d an, daß Italien den Vertrag über die Petroleumliefrrungen mit Rumänien nicht p^rfektniere» k o n n t e. Italien machte sich rrbötig, ein Drittel des Marktpreises in Gold» ein Drittel in Waren und den Rest nach Beendigung des Krieges gegen Abessinien zu bezahlen. Rumänien be­harrte jedoch auf der sofortigen Barzahlung, welcher Forderung Italien nicht entspreche« konnte- Der letzte Ausweis über die Goldreserven Italiens stammt vom 20. Oktober. Damals be­trugen die Goldreserven 65 Millionen 608.200 Pfund. BiszumhrutigenTagistder Goldbestand auf 2 0 Millionen Pfund gesunken. Olepause Im Kolonialkrieg"

Rom . Am Montag berichtete Mussolini im Ministerrat ausführlich über die politische, mi­litärische und wirtschaftliche Lage. Er sagte laut amtlicher Mitteilung über dieprovisorischen Pa­ riser Vorschläge", daß sie weit davon entfernt waren, den italienischen Mindestforderungen Ge­nüge zu leisten, und daß sie, lange bevor der fa­schistische Rat sie hätte prüfen können, zu Fall gebracht worden waren. Die Gründe dieses Schei­terns sind alle jenseits der Grenzen Italiens zu suchen, wo man überall bei den Menschen gu­te« Glaubens das auch zuzugestrhen beginne. Zur militärischen Lage in Erythräa erklärte Mussolini u. a., das rasche, in den ersten dreißig Tagrn vollzogene Borrücken der italienischen Truppen mache jetzt umfangreiche Ar­beiten für die ordnugSmäßige' Regelung deS Nachschubs notwen- | big, welche die spätere Bewegung einer nach Hun­derttausenden Menschen zählenden Masse von j Soldaten und Arbeitern sicherstellen müsse. Mussolini erklärte weiterS: Jeder Kolonial­krieg hat seine unerläßlichen Pan­se«, wenn es sich um die Organisation in einer schwierigen und gebirgigen Gegend handelt, wir der Tigre, dessen Oberfläche ein Siebentel der ge­samte» Oberfläche Italiens ausmacht und das

über 400 km von seinem Stützpunkt in Massaua entfernt ist. Bei den letzten Zusammenstößen zwischen dem 15. und 22. Dezember, den wichtigsten seil Beginn der Feindseligkeiten, hätten sowohl die Truppen der Heimatarmee als auch die der einge­borenen Armee die schönsten Beweise ihreS Mutes und ihrer Hingabe erbracht.

Goldmangel auch Im Hitlerparadles Trauringe nur mehr achtkarätig Berlin . Im Reichsanzeiger erläßt die im August errichteteUeberwachungsstelle für Edel­metalle" eine Verordnung Nr. 1, in der cs he.ßt, daß die Mißstände auf verschiedenen Ge­bieten des Verkehrs mit Gold und Goldwaren in Verbindung mit der Verknappung des Rohstoffes eine strengere Bewirtschafte«» erfordert.§ 1 dieser Verordnung schreibt daher für die Fabrikation von Trauringen Höchstgrenzen für Gewicht und Feingehalt vor, wornach Trauringe zukünftig nur mit einem Fein­gehalt bis zu 333 Tausendstel(8 Karat) her­gestellt werden dürfen.

Enthüllte Schuld Lton Blums Abrechnung mit Pierre Laval Nicht nur die französische Kammer hatte am vergangenen Freitag einen historischen Tag; über die Politik der französischen Republik hinaus und nicht nur für die sozialistische Welt war von außerordentlicher Bedeutung, was L i o n Blum, der Führer einer der größten sozialisti­ schen Parteien Europas , dem Außenminister und Ministerpräsidenten Laval auf seine aufgeplu­sterte und doch lendenlahme Entschuldigungsrede an anklagenden Wahrheiten ins Gesicht schleu­derte. Obwohl, ja gerade weil es Pierre maval, im Schutze inntnpolisischer Notwendigkeiten, an diesem Freitag noch einmal gelang, eine aller­dings schon sehr magere Mehrheit für seine, deni Duce so gefällige Pendelpolitik zu erzielen, ist es von vielleicht wirklich geschichtlicher Bedeutung, wenigstens die Hauptgedanken zu verbreiten, die Blum in seiner meisterhaften Rede vorbrachte und mit denen er die schwere persönliche Schuld La­vals brandmarkte. Wir wollen das im Nachfol­genden versuchen. Lton Blum begann seine, für die internatto­nale sozialistische Politik überzeugend maßgebende Freitagrede mit der Feststellung, daß Laval seine Außenpolitik ganz nach persönlichem Gutdünken geführt habe; hätte er damit Erfölg gehabt, so wäre eS sein persönlicher Erfolg gewesen; da Laval aber mit dieser Politik schei­terte» so hätte er unbedingt die Konsequenzen dar­aus zu ziehen gehabt, um so mehr, als es m der französischen Geschichte kaum«in Beispiel für ein« so vollständige, nackte und prompte Niederlage gebe, als sie eben Laval erlitt. Nach dem Schei­tern des Laval-Hoare-AbkommenS und nach der Demission HoareS, welch letztere für sich aüszu- nützen dem englischen Premier Baldwin immer­hin möglich war, ist es, so erklärte Blum unter dem Beifall von links wie von ganz rechts, das Ueberraschendste, daß Laval überhauptnochdaist, da er ja, zum Unterschied von Baldwin, als Ministerpräsident seine eigene Arbeit als Außenminister zu decken hat. Es gibt Mißerfolge, die zu überleben ein Politiker nicht das Recht hat. Nun aber ereignet sich noch das Unerhörte, daß Laval noch die Alter­native zu stellen wagt: entweder meine PolitikoderKrieg, und daß Laval perfid gar noch die Sozialisten in die Rolle der Frie­densfeinde drängen will. Der friedliche Wille Frankreichs ist in weitem Maße das Werk der Sozialisten, das sie seit fünfzehn Jahren ohne Rücksicht auf ihre Popularität geschmiedet haben. Der Friede ist für den Sozialis­mus ebenso wichtig wie der So­zialismus f ii r' die Erhaltung des Friedens. Jene, die uns, aber auch einen B r i a n d bis in sein Alter hinein, mit ihrem Haß verfolgten, versuchen sich heute als Friedensdiener hinzustellen, um in Wirklichkeit den Interessen des ihnen vorbildlich erscheinenden faschistischen Regimes dienen zu können. Aber wir, erklärte Leon Blum , werden nicht zulassen, daß die Welt also düpiert werde. Unser Ziel ist eS. die Kriegsursachen zu beseitigen. Aus diesem Grund auch verteidigen wir die Demokratte, weil die letzten Vorfälle beweisen, daß Diktatur Krieg bedeutet. Der Völlerbund, den unsere Nationalisten bisher als machtlos hingestellt haben und lächer­lich zu machen versuchten, ist heute daran, einen Beweis seiner Wirksamkeit abzulegen. Unsere Neubekehrten der Friedensidee müßten sich hier­über freuen. Sie unternehmen im Gegenteil aber alles, um seine Tättgkeit zu durchkreuzen und die Solidarität der Völler zu verhindern. England legt sich gegenwärttg die größten Opfer im In­teresse der Kollekttvsicherheit auf. Statt sich über diesen Wechsel zu freuen, unternimmt man alles, um die schlimmsten Mißverständnisse zwischen Frankreich und England zu schaffen. Man läßt die englische Oeffentlichkeit heute glauben.^daß Frankreich seine Sympathien dem Angreifer reser­viere. Der zur Rechtfertigung der Politik Lavals unternommene Feldzug der ihm dienstbaren Presse hat das Prinzip deS Völkerbundes selbst in Frage gestellt. Man behauptet, daß das im Pakt vorge­sehene Spiel der Sankttonen dem Krieg zuftih« een müsse. Allerdings könnte nur die Durchfüh­rung der allgemeinen Abrüstung verq